Freitag, 24. Juli 2009

Deutsche Linke, Zionismus und Nahost-Konflikt

Die Debatte über dieses schwierige Verhältnis ist überfällig, aber sie hätte kritischer und realitätsnaher gegenüber der Raison d´ètre Israels, dem in praxi herrschenden Zionismus, geführt werden müssen. Diese aktuelle Debatte kommt allemal zu kurz; sie scheint nur rudimentär auf. Die vorstaatliche Kritik am Zionismus seitens der sozialdemokratischen und der kommunistischen Theoretiker steht im Vordergrund. Es geht aber um das hier und jetzt. Die Schlachten der Vergangenheit sind etwas für Historiker. Dem Autorenteam scheint es entgangen zu sein, dass es in Israel 18 Gesetze gibt, welche die nicht-jüdischen Bürger Israels massiv diskriminieren. Das Buch „Blood and Religion“ von Jonathan Cook hätte hier inspirierend wirken können. Diesen Gesetzen und der über 42-jährigen Besatzungsherrschaft der „einzigen Demokratie des Nahen Ostens“ hat die Kritik einer „Linken“ gegenüber der israelischen Regierungspolitik nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland zu gelten. Wie sich denn das Autorenteam so gut wie gar nicht mit der aktuellen Kritik an der zionistischen Ideologie auseinandersetzt. Das Buch erweckt den Eindruck, als arbeiteten Altlinke die Vergangenheit ihrer Idole auf.

Sie hätten sich ein Beispiel an John Rose, führendes Mitglied der „Socialist Workers Party“ in Großbritannien nehmen sollen, der in seinem Buch „Mythen des Zionismus“(Rotpunktverlag) Folgendes festgestellt hat: „Der Zionismus ist das Problem. Seine Beseitigung ist die Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten; sie ist die Vorbedingung für eine jüdisch-arabische Versöhnung.“ Der US-amerikanische Historiker Norton Mezvinsky, der zusammen mit Israel Shahak das Buch „Jewish Fundamentalism in Israel“ geschrieben hat, hält den Zionismus für die Ursache des israelisch-palästinensischen Konflikts sowie seinen Anspruch einen „exclusivist state for Jews“ geschaffen zu haben. Und Israel Shahak hat in einem Interview kurz vor dem 50. Geburtstag Israels dargelegt, warum der Zionismus kritisiert werden sollte. „Der Grund für meine Kritik ist sehr einfach. Ich glaube, dass der Zionismus eine Form des Rassismus ist. Ich habe seit Jahren gesagt, dass er das Spiegelbild des Antisemitismus ist. Wie man Antisemitismus als Ausdruck des Hasses gegenüber Juden findet, so ist der Zionismus ein Ausdruck des Hasses gegenüber allen Nicht-Juden (Gojim); nicht nur gegenüber Arabern, sondern auch gegen alle Gojim.“ Und weiter stellt er fest: „Der Zionismus hätte auch dann kritisiert werden müssen, wenn ein jüdischer Staat auf einer verlassenen Insel gegründet worden wäre, ohne jemanden zu verletzen. Der Grund dafür ist, dass ein Staat, der auf der Idee der Reinheit der Religion, der Rasse, der Nationalität beruht, kritisiert werden sollte. Das Ziel des Zionismus ist, wie die Zionisten selber sagen, einen rein jüdischen Staat zu gründen. Dieses Ziel wurde insbesondere durch den Zionismus der Arbeitspartei verfolgt.“

Die Autoren/Innen kommen zu dem Ergebnis, dass es auch innerhalb der kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegung zu Antisemitismus kam. Dies ist jedoch nicht überraschend. Warum hätten sich diese Kreise anders verhalten sollen als die klerikal-konservativen, national-demokratischen und bürgerlich-kapitalistischen? Es gab in allen politischen Strömungen Individuen, die gegen antisemitische Ressentiments nicht immun waren und sind. Umso mehr überrascht die Feststellung, „dass die pauschale Ablehnung des Zionismus durch namhafte sozialdemokratische und kommunistische Theoretiker nicht gerechtfertigt war. Sie beruhte auf einem dogmatischen Verständnis der nationalen Frage, das durch die reale Entwicklung widerlegt wurde.“ Dieses Urteil erscheint weltfremd und beruht auf einer theoretischen Debatte des Zionismus unter Ausblendung des real existierenden. Weil die „Urväter“ einen internationalistischen Ansatz vertraten, mussten die sozialdemokratischen und kommunistischen Theoretiker eine nationalistische Ideologie wie den Zionismus zurückweisen. Er war die jüdische Variante des Nationalismus im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Wieso wurde das Verständnis der nationalen Frage durch die Entwicklung widerlegt? Das Gegenteil ist der Fall: Die Entwicklung scheint den damaligen Kritikern Recht zu geben. Der damalige virulent vorherrschende Antisemitismus in Ost- und Westeuropa wurde durch die Schaffung eines jüdischen Staates im Sinne Theodor Herzl nicht gelöst, sondern, wie einige Kritiker des Zionismus immer wieder betonen, sogar noch verschärft. An keinem Ort der Welt leben heute jüdische Israelis gefährlicher als in Israel, so die Ansicht zahlreicher politischer Beobachter.

Das Autorenteam wagt sich an einigen Stellen seiner Bestandsaufnahme weit vor, wenn man den Druck und die Agitation seitens einiger Lobbyisten in Fraktion und Partei auf so genannte Israelkritiker sich vor Augen führt. So schreiben sie in völligem Gegensatz zur zionistischen Geschichtsmythologie, dass es sich beim Angriff auf Ägypten 1956 um „einen typischen Aggressionskrieg“ gehandelt habe. Auch den Sechstagekrieg vom Juni 1967 sehen sie in der „Kontinuität der von Ben-Gurion betriebenen Politik der Expansion. Dieser Krieg war kein verzweifelter Verteidigungskrieg, zu dem ihn die israelischen Mythen verklären.“ Historisch völlig korrekt! Die Autoren hätten auch noch weiter gehen können. Zeev Maoz, Politikprofessor an der Universität von Kalifornien in Davis, schreibt in „Defending the Holy Land“ zu den Kriegen Israels: „None of the wars – with a possible exception of the 1948 War of Independence – was what Israel refers to as Milhemet Ein Brerah („war of necessity“). They were all wars of choice or wars of folly. Israel´s limited use of force strategy emphasized escalation dominance and excessive force.”

Unter “Die falschen Freunde Israels” werden die Lobbyisten beim Namen genannt, die Zwietracht und Spaltung in die Partei „Die Linke“, deren Fraktion sowie ihre politische Stiftung tragen, um die Kritiker der israelischen Regierungspolitik mit verleumderischen und denunziatorischen Methoden mundtot zu machen. Sollte dies gelingen, ist auch der letzte Rest der politischen Elite in Deutschland auf Linie gebracht. Die Partei „Die Linke“ sollte sich ein Beispiel an Persönlichkeiten wie Felicia Langer, Uri Avnery, Moshe Zuckermann, Ilan Pappé, Noam Chomsky, Cil Brecher und anderen mutigen israelischen Journalisten/innen wie Gideon Levy, Amira Haas oder Akiva Eldar nehmen und alle politischen Maßnahmen, die demokratischen Prinzipien widersprechen oder die Menschenrechte der unterdrückten Palästinenser verletzen, freimütig kritisieren. Dem Autorenteam sei gesagt, das die „Genfer Initiative“ keinen Weg zu einem dauerhaften Frieden weist; sie ist ein Irrweg.

Das Buch setzt einen positiven Kontrapunkt zu anderen Schmähschriften, die nicht nur der ganzen linken Bewegung „Antisemitismus“ unterstellen wollen, sondern diese verleumderische These auch auf den Islam ausgedehnt haben. Mangels Feindbild hat „der Westen“ den „Islamo-Faschismus“ erfunden, um weiterhin Kriege gegen die Völker der Dritten Welt um Öl und zum Wohle ihrer Rüstungsindustrie führen zu können. Dass der Nahostkonflikt eine Subkategorie in dieser neokolonialen Expansionsstrategie darstellt, muss „Die Linke“ deutlich machen. Schon deshalb bedarf es der Lösung dieses ältesten Regionalkonfliktes. Dazu hat das Autorenteam durch die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte einen Beitrag geleistet, obgleich er kritischer hätte ausfallen müssen. Dass die Rede von Gregor Gysi gar nicht erwähnt wird, spricht nicht gerade für die Seriosität des Autorenteam. Dass man den einzigen intellektuellen Kopf der linken Fraktion im Bundestag, Norman Paech, außen vorgelassen hat, spricht Bände. Wäre er mit von der Partie gewesen, wäre den Lesern/innen wenigstens das Wischiwaschi in punkto Kritik der israelischen Besatzungspolitik erspart geblieben. Leider hat das Autorenteam den Anspruch, der im Titel formuliert worden ist, inhaltlich knapp verfehlt.