Samstag, 25. Februar 2012

Griechenland ist "gerettet"!

Nur "Lieschen Müller" würde der politischen Klasse glauben, dass Griechenland gerettet sei. Das Land kann nicht gerettet werden, gleichgültig wie viel gutes Geld schlechtem noch hintergeworfen wird. Der Deutsche Bundestag hat noch nicht einmal das zweite Rettungspaket abgesegnet und wertvolle Milliarden in ein Fass ohne Boden versenkt, da wird bereits über ein so genanntes „drittes“ Rettungspaket spekuliert. Nein, es handelt sich nicht um eine Spekulation, sondern um Realität. Die nächste Rettungsaktion ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jeder weiß es, und alle machen mit bei diesem entwürdigenden Schauspiel. Warum?

Eine Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank hat den griechischen Politikern überdeutlich gezeigt, dass sie im eigenen Land nichts mehr zu sagen haben. Um weiter als „souveräne“ Regierung handeln zu können, müssen sie ihr Land - auf Druck der Troika und der anderen EU-Staaten - in einen „Hartz-IV-Staat“ verwandeln. Wie man dabei ein noch kaum mehr sichtbares Gesicht und Würde wahren kann, bleibt ein Rätsel, das scheinbar nur Politiker beantworten können. Pädagogisch gesprochen, ist dies die völlig falsche „Erziehungsmethode“. Hatten die Finanzoligarchen in früheren Jahren diese Rosskur nur Ländern der „Dritten Welt“ zugemutet, muss sich erstmalig ein westlicher Staat diesem Finanzdiktat unterwerfen. Selbst das verordnete Austeritätsprogramm aus „Wasser und Brot“ wird dem Land nichts nützen, solange es in der Euro-Zone verbleibt. Griechenland wird nicht das letzte Land im Euro-Club sein, dem diese Behandlung zu Teil wird.

Die 130 Mrd. Euro sind nicht als wirtschaftlicher Stimulus für die darniederliegende Wirtschaft des Landes gedacht, sondern allein zur Refinanzierung der unseriös geführten Banken aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien, deren Klientel bedient werden soll. Die US-amerikanische Ratingagentur Fitch hat mit der Herabstufung Griechenlands auf „C-Niveau“ bereits deutlich gemacht, was sie von dieser finanzpolitischen Farce hält: Nichts! Auch 2020 wird Griechenland nicht von seinem Schuldenstand von 160 Prozent herunterkommen. Damit das Land überhaupt wieder Boden unter die Füße bekommt, muss es die Euro-Zone verlassen, die Drachme wieder einführen und mindestens um 70 Prozent abwerten. Erst dann können die Bürger dieses Landes wieder Hoffnung auf Wohlstand haben. Der positivste Effekt wäre aber, wenn von innen heraus politisch genutzt, die Rückgewinnung der eigenen Souveränität.

Die Finanz-Troika und einige Politiker in der Europäischen Union tun sich mit rassistischen Bemerkungen über die „faulen Griechen“ hervor und wollten „Finanzkommissare“ ins Land schicken. Letztere wären besser in Brüssel aufgehoben, weil man dort dem trickreichen Finanzgebaren nicht nur Griechenlands, sondern zahlreicher anderer Ländern ungerührt zugeschaut hatte. Warum geht die Troika nicht gegen die Banken und ihre nimmer satten Manager vor? Die eigentlich Verantwortlichen sind diejenigen, die der griechischen Regierung das Geld geliehen haben, obwohl sie wussten, dass der Gläubiger völlig kreditunwürdig ist. Nicht den Kreditnehmer trifft die Schuld, sondern den Kreditgeber. Niemand gibt einem Kleinunternehmer auch nur einen Zent, wenn er bei der Schufa gelistet ist oder keine Sicherheiten bieten kann. Nicht Griechenland muss Pleite gehen, sondern die Banken, die sich unverantwortlich verhalten haben, müssen dafür zahlen. Sie haben bis 2009 korrupte Politiker und obskure Auftragnehmer gepampert, die sich ihre Taschen vollgemacht und unnütze militärische Güter gekauft haben. Zuerst müssten also die Banken über die Struma gehen, bevor man Griechenland auf Hartz-IV-Niveau herunter entwickelt. Bei dieser Rettungsaktion geschieht Folgendes: Die arbeitende EU-Bevölkerung rettet mit ihren Steuergeldern marode Banken, Investoren und ein ebensolches Finanzsystem. Ein zweites Lehman Brothers soll es Ansicht der europäischen Finanzexperten partout nicht noch einmal geben.

Die politischen Klassen in den Nationalstaaten sowie in Brüssel müssen sich zwei Wahrheiten stellen: Erstens: Griechenland wird Pleite gehen auch und trotz weiterer Rettungspakete. Licht am Horizont wird es erst wieder geben, wenn das Land die Euro-Zone verlässt, und was vielleicht entscheidend ist, sich aus sich selbst heraus reformiert. Zweitens: Der Euro ist eine ökonomische Fehlkonstruktion, weil er von Anfang an ein politisches Projekt wider jegliche ökonomische Vernunft gewesen ist. Der inhärente Systemfehler liegt in den Maastrichter Verträgen. Bei dem so genannten Rettungsspektakel geht es letztendlich um einen Kampf um die politische Hegemonie in Europa. Das politische Traumtandem „Merkozy“ offenbart nur, dass man sich nicht auf eine konzise politische Strategie unter einer Führung einigen kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel darf es nicht zulassen, dass es zu einer Fiskalunion, sprich zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommt, wie es der französische Staatspräsident Nikolas Sarkozy will. Die Zeche für diesen Polit-Irrsinn müssen allein die Deutschen zusammen mit den finanziell bessergestellten Nordländern zahlen. Die einzige Alternative wäre ein Um- und Rückbau der Währungsunion, um einen weiteren EU-Zentralstaat à la Frankreich zu verhindern.

Nicht nur die Milliarden Euro, die durch die Rettungsaktionen auf nimmer Wiedersehen versenkt werden, müssen in diesem Zusammenhang auf den Prüfstand, sondern die Gesamtheit der Nettozahlungen der Bundesrepublik Deutschland an die EU. So leistete Deutschland seit der Wiedervereinigung Zahlungen an die EU in Höhe von 324 Mrd. Euro; die Nettozahlungen betrugen 146 Mrd. Somit finanzierte Deutschland in den letzten 20 Jahren 45 Prozent der EU-Ausgaben, und dies zusätzlich zu den Beiträgen zum viel wichtigeren Aufbau Ost. Nach Berechnungen von Professor Franz-Ulrich Willeke habe Deutschland 61 Mrd. mehr bezahlt, als sein „angemessener Nettobeitrag“ gewesen wäre. Wäre nicht hier die Opposition in der Bundesrepublik gefordert, um den immer wieder betonten angeblichen hohen finanziellen Nutzen Deutschlands vom Euro kritisch zu hinterfragen?

Ein Ausstieg aus dem Euro wäre nicht der Weltuntergang, sondern er würde auf lange Sicht der Demokratie und dem Frieden dienen, der angeblich in Gefahr sei, wenn die Währungsunion scheitern sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Euro-Exit-Strategie müsste also oberste Priorität besitzen. Dazu bedürfe es einer Aufteilung der Währungsunion in eine Süd-Euro-Zone unter Führung Frankreichs, der die „PIGS“-Länder angehören könnten (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien), und einer Nord-Euro-Zone unter Führung Deutschlands, der die Benelux-Staaten, Österreich, Finnland zuzurechnen wären. Diese Zone müsste für weitere ökonomisch seriöse Beitrittskandidaten offen sein. Realistische Ökonomen wie Wilhelm Hankel schlagen sogar vor, zum Europäischen Währungssystem (EWS) zurückzukehren sowie die nationalen Währungen parallel zum Euro wieder einzuführen.

Wer also mehr EU-Zentralismus und die Sozialisierung der Schulden will, muss den französischen Weg in eine Transferunion gehen: Wirtschaftsregierung, totale Entmündigung der nationalen Parlamente und Regierungen, Budgetrechte für EU-Funktionäre und steuerlicher Föderalismus, um die schwachen Länder dauerhaft zu alimentieren. Das Endziel dieser Euro-Vision wäre eine Weichwährung. Um diesem politischen Irrweg ein Ende zu setzen, muss endlich in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit für einen Volksentscheid geschaffen werden, damit der Souverän endlich wieder in sein originäres demokratisches Recht eingesetzt wird. Solange die Bürger/innen in den Schicksalsfragen ihres Landes politisch entmündigt bleiben, erscheint ihnen Europa wie von einem anderen Stern. Dass hier die ganze Palette der Bildungseinrichtungen mit ihrem zivilgesellschaftlichen Potenzial gefordert wäre, versteht sich von selbst. Aber wo die Wüste intellektuell „öd und leer“ ist, verdorrt selbst das magerste intellektuelle Pflänzchen.

Karikatur: Carlos Latuff.