Dienstag, 29. September 2015

Von Rettern und Rebellen. Demokratie zum Gruseln

Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgt peu à peu dafür, dass aus der BRD eine DDR 2.0 wird. Ihre sprunghafte Politik zeigt sich nicht nur beim Ein- und Ausstieg aus der Atomenergie, sondern auch in ihrer fragwürdigen Griechenland-Rettungspolitik. Merkel, Schäuble und Co. haben das europäische Recht mit Füßen getreten, so wie Merkel das Schengen- und Dublin-Abkommen kurzerhand auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt hat. 

Beim letzten Griechenland-Rettungspaket haben 62 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion gegen dieses Euro-Vernichtungsprogramm gestimmt, obwohl Merkels Schildknappe, der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, massivsten Druck auf die Abgeordneten ausgeübt hat und ihnen mit Entzug von einflussreichen Posten in den Ausschüssen gedroht hat. Soviel zur Freiheit von Abgeordneten, die laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen verantwortlich sein sollen.

Klaus-Peter Willsch gehört zu den so genannten Rebellen der ersten Stunde, die gegen die vermeintliche Griechenland-Rettung Stellung bezogen haben. Dafür wurde er aus dem Haushaltsausschuss hinauskatapultiert, um einem Merkel-Ja-Sager Platz zu machen. Ein anderer verantwortungsbewusster Politiker ist Wolfgang Bosbach, der bis Juli 2015 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages war. Als er 2011 gegen die Erweiterung des EFSF stimmte, raunzte ihn "das Bofalla", einer von Merkels Wasserträgern, mit der unflätigen Aussage an: "Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen. Ich kann Deine Scheiße nicht mehr hören." Solche Aussagen qualifizieren natürlich zu Höherem. Bofalla wurde von Merkel in den Vorstand der Deutschen Bahn gehievt und sorgt womöglich nun dafür, dass die Züge nach Nirgendwo fahren. Für seine Nettigkeiten habe er sich bei Bosbach entschuldigt, heißt es. 

Willsch hat mit seinem Büroleiter Christian Rapp die Geschichte eines permanenten Rechtsbruches geschrieben. Ohne diese Rechtsbrüche wäre der Euro schon lange im Orkus der Geschichte verschwunden. Die Maastrichter-Verträge mit der No-Bailout-Klausel gehören in den Reißwolf. Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank ist ein Lachnummer. Obwohl die Stabilitätsarchitektur eindeutig in den Verträgen verankert war, wurde sie in einer Nacht-und Nebelaktion von drei Franzosen - Trichet, Strauss-Kahn und Sarkozy - bei Verhandlungen in Brüssel vom Tisch gewischt, weil Deutschland durch einen total überforderten Innenminister De Maiziere vertreten wurde, weil Finanzminister Schäuble wegen Krankheit fehlte und die Kanzlerin in Moskau weilte. 

Was sich jetzt im Euroraum abspielt hat nichts mehr seriöser Währungs- und Finanzpolitik zu tun, sondern ist eine Art Finanz-Bazooka. Mario Draghi, der EZB-Chef, lässt als Dukaten-Esel Geld regnen. Er ist der finanzpolitische Trickser, der alle Staats- und Regierungschefs in der Tasche hat, obwohl er über keinerlei demokratische Legitimation verfügt. 

Wer erfahren will, wie Macht das Recht bricht, bekommt durch Willsch eine Lehrstunde, wie Demokratie nicht funktionieren sollte. Aber in der EU ist die Demokratie ja schon längst ersetzt worden durch die Allmacht einer Nomenklatura. Der Souverän, die Wähler, sollten diesen selbstherrlichen Funktionären zeigen, was sie von ihnen halten und bei der nächsten Europawahl einfach zu Hause bleiben.

"Vorwärts immer, Rückwärts nimmer", so könnte man das Abstimmungsverhalten in Sachen Euro und Griechenland-Rettung im Deutschen Bundestag beschreiben. Diese "Jubelperser" zeichnen sich durch Ignoranz gegenüber dem Wähler, Inkompetenz und Angst um ihr Abgeordnetenmandat aus. Alles keine guten Eigenschaften für eine Demokratie, deren Aushöhlung Willsch überzeugend dokumentiert. Dass ein Insider aufdeckt, dass dieser ganze Parlamentsbetrieb auf Lug und Trug aufgebaut ist, dürfte nichts für schwach besaitete Gemüter sein. Das Buch ist folglich nur etwas für Menschen mit extrem starken Nerven.

Erschienen hier.