Donnerstag, 1. März 2018

Hundert Jahre Heimatland? Judentum und Israel zwischen Nächstenliebe und Nationalismus

Das Buch erzählt eine Geschichte der Juden vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Die Leserschaft erhält eine Lektion in alternativem Geschichtsunterricht. Abseits der Dauerberieselung durch den zionistischen Narrative schreibt hier ein liberal-konservativer jüdischer Deutscher, was das authentische Judentum über Israel und das Verhalten ihrer politischen Führung denkt. Es wird schnell klar, dass Judentum und zionistische Doktrin unvereinbar sind.

Rolf Verleger, Professor Emeritus an der Universität Lübeck, plädiert sowohl für ein anderes Israel als auch für ein anderes Judentum, das den Zionismus abschütteln muss. Den nationalreligiösen Gralshütern der zionistischen Doktrin dürfte dies nicht passen. In weiser Voraussicht antizipiert der Autor, dass diese das Buch "antisemitisch" nennen werden. "Hoffentlich! Wenn nicht, wird es mir nicht gut gelungen sein." 

In vier Kapiteln hält Verleger den zionistischen Juden den Spiegel des wahren Judentums vor. So behandelt er das Judentum im heutigen Deutschland; Nationalismus und Nächstenliebe in der jüdischen Tradition; das Judentum aus dem Osten und das Empire aus dem Westen sowie die Argumente des Ministers seiner Majestät Edwin Montague. Von ihm stammt die weitsichtige Erkenntnis, dass Zionismus und Antisemitismus zwei Seiten ein und derselben Medaille seien. Montague hatte sich vehement gegen die Balfour-Erklärung ausgesprochen.

Dem Autor ist es ein Anliegen, dass das wahre Judentum in Deutschland wiederhergestellt wird und tiefe Wurzeln schlagen kann, und zwar in Abkehr von der nationalreligiösen zionistischen Verirrung. Gerade in Deutschland hat man mit diesem Anspruch so seine Probleme. Aus Angst vor dem Tod (Antisemitismus-Keule) plappert die politische und mediale Klasse den zionistischen Unfug unkritisch nach, der ihm von der rechtsnationalistischen politischen Klasse Israels vorgesetzt wird.

Wie unreflektiert sich Deutsche verhalten, zeigt Angela Merkels berühmt-berüchtigte Knesset-Rede, in der sie Israels Sicherheit zur deutschen "Staatsräson" erklärte. Der Autor fragt völlig zu Recht: „Da Israel gezielt und geplant durch Vertreibung und Landraub an der arabischen Bevölkerung entstanden ist, sind nun auch Vertreibung und Landraub deutsche Staatsraison. Das ist grotesk." Auch die diversen zionistischen Funktionäre bekommen - in Abstufung zwar- ihr gehöriges Fett weg.

So habe das Gerede vom "auserwählten Volk" nichts mit jüdischer Auserwähltsein zu tun, sondern bedeute noch jüdischer Lehre, sich an das Gesetz Gottes zu halten und die eigenen schlechten Eigenschaften zu besiegen. Selbst dies scheint in Deutschland schwer nachvollziehbar zu sein.

Dieses aufklärerische Buch zeigt das Dilemma des Judentums deutlich auf, das durch die Politik Israels und den Rassismus der zionistischen Ideologie ins Zwielicht geraten ist. Eine Debatte darüber tut in Deutschland bitter Not.