Drei australische Autoren, der freie Journalist Michael Otterman und die Wissenschaftler Richard Hil und Paul Wilson, präsentieren mit diesem Buch der Weltöffentlichkeit die überfällige „Rechnung“, die der Überfall der USA und ihrer willigen Helfershelfer für das irakische Volk gekostet hat. Der „neue Irak“ über den die Okkupanten gerne reden, ist ein „brutaler Euphemismus für Tod und Zerstörung“, schreiben die Autoren. Die Absetzung Saddam Husseins wurde bereits unter der Präsidentschaft Bill Clintons zur offiziellen US-Politik erklärt. Vom ersten Tag seiner Präsidentschaft war George W. Bush und seine neokonservative Truppe darauf aus, den irakischen Autokraten zu stürzen. Der Umsturz des Saddam-Regimes wurde in mehreren Schreiben von Mitgliedern des „Project for a New American Century“ (Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert) an Clinton gefordert, justament von denjenigen, die mit Bush an die Macht kamen. Dieser neokonservative „Think-Tank“ versteht sich als eine gemeinnützige Bildungseinrichtung und vertritt folgende Ansichten: Amerikanische Führerschaft ist nicht nur gut für Amerika, sondern auch für die Welt; diese Führungskraft erfordert militärische Stärke, diplomatische Energie und ein Engagement für moralische Prinzipien. Wohin diese politisch-ideologische Hybris den Westen geführt hat, kann an der Zerstörung des Iraks und Afghanistans exemplarisch besichtigt werden. Der Überfall auf den Irak war also schon längst beschlossene Sache, lange bevor die 9/11-Anschläge passierten. Die Bush-Administration musste also erst den Weg über Afghanistan nehmen, bevor sie in den Irak einfallen konnte. Jetzt stecken die USA und ihre willigen Helfershelfer in beiden Ländern bis zum Hals im politischen Morast und wollen sich nicht wie weiland Baron Münchhausen am Schopfe aus diesem befreien.
Ein zentrales Indiz für einen Daueraufenthalt in Irak stellen die Errichtung mehrerer riesiger Militärstützpunkte und der Bau einer völlig überdimensionierten Botschaft für 3 000 Mitarbeiter von der Größe der Vatikanstadt dar. Alles Gerede von einem „Abzug“ scheint an Rhetorikübungen zu erinnern. Aus der imperialen US-amerikanischen Geschichte ist bekannt, dass die USA aus einem Land, in dem sie sich einmal festgesetzt haben, nie freiwillig abgezogen sind. Die Geschichte der beiden vom Westen besetzten Länder, Afghanistans und Irak, lehrt ebenfalls, dass koloniale Mächte dort langfristig immer gescheitert sind.
In fünf Kapiteln beschreiben die Autoren die Tragödie, die das Hegemoniestreben der USA über das Land gebracht hat. Sie gehen nicht nur auf das angerichtete Desaster seit dem Überfall vom März 2003 ein, sondern beschreiben auch den brutalen elfjährigen Sanktionszeitraum, in dem über eine Million Irakis, die Hälfte davon Kinder, an dessen Folgen gestorben sind. Die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright wurde in der US-Fernsehsendung „60 Minutes“ von Lesley Stahl gefragt, ob der Tod von 500 000 Kindern den Preis der Sanktionen wert gewesen sei, worauf Albright antwortete: „I think this is a very hard choice but the price – we think the price is worth it.“ Nach dem Einfall Saddams in Kuwait erließ der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Land und hob diese erst zwei Tage nach der „Befreiung“ des Iraks am 22. März 2003 auf. Die Autoren besuchten Syrien, Jordanien und Schweden; in diesem Land lebt die größte irakische Gemeinde (80 000) im Exil. Sie sprachen mit den Flüchtlingen; ebenso analysierten sie verschiedene irakische Blogger.
Durch das Sanktionsregime wurde der Irak von einem wirtschaftlich gut entwickelten Land auf den Status eines armen Entwicklungslandes „herunterentwickelt“. Das Land war das am weitesten säkularisierte in der arabischen Welt, das über eine starke Mittelklasse verfügte. Die Gleichberechtigung der Frauen stand dem des Westens in nichts nach. Analphabetismus war unbekannt; der Industrialisierungsgrad entsprach dem eines Schwellenlandes. Bagdad war ein Ort der Bildung, wohin Tausende von Studenten aus den arabischen Ländern zur Ausbildung kamen. Als „Wiege der Zivilisation“ verfügte Irak über enorme Kulturgüter und Kunstschätze von unsagbarem Wert sowie über Tausende von Kulturstädten. Das Sanktionsregime unterminierte die Fundamente der gesamten Gesellschaft. Was diese Zeit überdauerte wurde durch den Überfall der USA endgültig in Trümmer gelegt. Symbolisch dafür kann die Entscheidung der Besatzer gelten, nur das Öl- und Innenministerium bewachen zu lassen, aber bei der Plünderung der Museen und kulturellen Städten ungerührt zuzusehen. Der einzige Kommentar von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war: „stuff happens“, leider „dumm gelaufen“!
Die Autoren zeigen auf, dass Saddam eine Kreation der USA gewesen ist, wie weiland Osama bin Laden. Saddam gehörte zu einem Team von sechs Personen, die von der CIA rekrutiert worden sind, um Ministerpräsident Abd al Karim Qasim zu ermorden. Seither unterhielten die USA enge Beziehungen zum Irak, insbesondere als Saddam 1979 Präsident wurde. Während des Irak-Iran-Krieges von 1980 bis 1988 lieferten die USA dem Regime nicht nur konventionelle, sondern auch chemische und biologische Kampfstoffen. Saddam setzte dieses Gas nicht nur gegen die Kurden im Norden, sondern auch gegen die iranischen Soldaten ein. Die Schutzbehauptung der USA, Iran habe ebenfalls chemische Waffen eingesetzt, konnte bis heute nicht beweisen werden. Bevor Saddam Kuwait überfiel, ließ er die US-amerikanische Botschafterin April Glaspie zu sich kommen, um von ihr zu erfahren, ob die USA etwas gegen seinen Plan einzuwenden hätten. „We have no opinion on the Arab-Arab conflicts, like your border disagreement with Kuwait.“ (Wir haben keine Meinung zu den arabisch-arabischen Konflikten, wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait.“) Pflichtgemäß dementierte die US-Administration diese Aussage ihrer Botschafterin. Zwei Wochen später überfiel Saddam das Scheichtum.
Obgleich viele der Befragten das Saddam-Regime als schlecht und brutal beschreiben und zahlreiche Menschen wegen ihrer politischen Opposition ums Leben kamen oder leiden mussten, beschrieben sie die Sanktions- und Besatzungszeit als „schrecklich“. Insbesondere unter der Besatzungsherrschaft versank das Land im Chaos. Die Autoren schreiben, dass sie viele Irakis trafen, welche die Absetzung Saddams begrüßten, aber keinen, der die andauernde Besetzung für gut befand. Bis in die Mitte der 1990er Jahre war Irak sehr säkular. Religiöse Verfolgung gab es nicht. Saddams Regierung bestand aus Muslims, Christen und Kurden. Nach 2003 spaltete sich die Gesellschaft entlang religiöser und ethischer Zugehörigkeit. Dieser Spaltung sind die in die Zehntausende gehenden Morde geschuldet.
Die Autoren nennen konkrete Zahlen, die das ganze Ausmaß der humanitären und der politischen Katastrophe den Lesern/Innen verdeutlicht: weit über eine Million Tote; über zwei Millionen Flüchtlinge; über vier Millionen innerstaatliche Flüchtlinge sowie die Zerstörung der kompletten Infrastruktur des Landes. Die westlichen Neokolonialisten kamen nicht allein. In ihrem Gepäck hatten sie zehntausende von Söldnern, unzählige Nichtregierungsorganisationen, koloniale Feministinnen (Haifa Zangana), und US-amerikanische evangelikale Fundamentalisten, die sich um die kümmern, die den Überfall überlebt haben. Der US-amerikanische „Prokonsul“ Paul Bremer trug durch seine irrationalen Entscheidungen wesentlich zum Desaster im Irak bei. So löste er nicht nur die irakische Armee auf, sondern verweigerte allen Mitgliedern der Baath-Partei sich am Aufbau des „neuen Irak“ zu beteiligen. So installierte er durch seine „Befehle“ Nr. 57 und 77 „US-Aufpasser“ und „US-Inspektoren“ in allen Ministerien und stattete sie mit unumschränkten Vollmachten aus. Mit dem „Befehl“ Nr. 17 erhielten ausländische Unternehmer und die Mitglieder der privaten Sicherheitsdienste „Immunität“, schreiben die Autoren.
Die Autoren weisen mehrfach darauf hin, dass die USA nicht die zivilen Toten ihrer Feinde zählten. Dies haben sie weder im ersten und zweiten Golfkrieg getan, noch tun sie es in Afghanistan. Auch zu Beginn des Vietnamkrieges kümmerte man sich nicht darum, bis Senator Edward M. Kennedy dies durch eine massive Intervention im US-Senate erzwang. Wie sagte Herald Pinter in seiner Nobelpreisrede 2005: „Die irakischen Toten existieren nicht. Sie werden noch nicht einmal als tot registriert.“ Auch unter der Obama-Administration wird diese „Tradition“ fortgesetzt. Als Obama in seiner Rede am 27. Februar 2009 den „Abzug“ ankündigte, erinnerte er nur an das „Leiden“ der eigenen Soldaten, ganz zu schweigen von dem irregeleiteten Narrative, den auch Bush hätte nicht besser formulieren können. So dankte er dem US-Militär, für „extending a precious opportunity to the people of Iraq“ und fügte in völliger Verdrehung der Tatsachen hinzu, dass sein Land nicht „Tyrannei und Chaos“ verursacht, sondern diese bekämpft habe. Und um die Chutzpah noch zu steigern, erklärte er: „We Americans have offered our most precious resouces – our young men and women – to work with you ro rebuild what was destroyed by despotism; to root out our common enemies; and to seek peace and prosperity for our children and grandchildren, and for yours.” Besser hätte es auch George W. Bush nicht sagen können; nur die Verursacher von Tod und Chaos haben Opfer gebracht, wohingegen das millionenfache Leid und die totale Verwüstung des Iraq angeblich durch „despotism“ herbeigeführt worden sind. Oder meinte Obama vielleicht mit „despotism“ das elfjährige tödliche Sanktionsregime der USA und Großbritanniens? Die Autoren jedenfalls sehen klarer: „Obama´s speech revealed the deep disconnect between truth and political discourse that still poisons so much of the debate on Iraq.“
Was der Überfall der USA im Iraq angerichtet hat, umschreiben die Autoren mit „Sociocide“ in Anlehnung an die Untersuchung von Keith Doubt über die Vorgänge in Bosnien. Nach Doubt verbirgt sich hinter „Sociocide“ ein „coordinated plan of different actions aiming at the distruction of the essential foundations of society“. Es beinhaltet die soziale Zerstörung, das heißt, „solidarity, identity, family, social institutions, self-consciousness“, und zieht einen korrupten Staat mit katastrophalen Folgen nach sich, in dem „distrust and bad faith become the dominant orientations of human beings living together”. Trotz dieser verheerenden Auswirkungen sehen die Autoren doch einen Hoffnungsschimmer für Iraq. „Sociocide did not run ist cause. Despite a coordinated attack on Iraqi people and institutions, vibrant social strands remain intact. Iraqis like Youkhanna, Eskander, Riverband and Sunshine – plus the countless others that have worked to restore Iraq and document its destruction – reveal an ethos of resilence amid carnage. Against all odds, Iraqi identity has not been destroyed.”
Michael Ottermann, Richard Hil und Paul Wilson sehen nur noch eine Aufgabe für die USA und ihre willigen Helfershelfer: “payment of reconstruction, resettlement and reparations”. Als letzte Konsequenz muss noch der totale umgehende Abzug hinzukommen. Eine Übersetzung ins Deutsche wäre hilfreich, weil auch in Deutschland ein Schleier des Schweigens sich ausgebreitet hat über das, was „der Westen“ im Namen von Demokratie, Freiheit und westlichen Werten in diesem Lande angerichtet hat. Das Buch war überfällig und sollte die politischen Eliten über eine Teilnahme ihrer Länder an möglichen weiteren Abenteuern, die in den USA oder anderen Orts ausgeheckt werden, nachdenken lassen. Dass die Verursacher dieser Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehören, versteht sich von selbst.
Ein zentrales Indiz für einen Daueraufenthalt in Irak stellen die Errichtung mehrerer riesiger Militärstützpunkte und der Bau einer völlig überdimensionierten Botschaft für 3 000 Mitarbeiter von der Größe der Vatikanstadt dar. Alles Gerede von einem „Abzug“ scheint an Rhetorikübungen zu erinnern. Aus der imperialen US-amerikanischen Geschichte ist bekannt, dass die USA aus einem Land, in dem sie sich einmal festgesetzt haben, nie freiwillig abgezogen sind. Die Geschichte der beiden vom Westen besetzten Länder, Afghanistans und Irak, lehrt ebenfalls, dass koloniale Mächte dort langfristig immer gescheitert sind.
In fünf Kapiteln beschreiben die Autoren die Tragödie, die das Hegemoniestreben der USA über das Land gebracht hat. Sie gehen nicht nur auf das angerichtete Desaster seit dem Überfall vom März 2003 ein, sondern beschreiben auch den brutalen elfjährigen Sanktionszeitraum, in dem über eine Million Irakis, die Hälfte davon Kinder, an dessen Folgen gestorben sind. Die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright wurde in der US-Fernsehsendung „60 Minutes“ von Lesley Stahl gefragt, ob der Tod von 500 000 Kindern den Preis der Sanktionen wert gewesen sei, worauf Albright antwortete: „I think this is a very hard choice but the price – we think the price is worth it.“ Nach dem Einfall Saddams in Kuwait erließ der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen das Land und hob diese erst zwei Tage nach der „Befreiung“ des Iraks am 22. März 2003 auf. Die Autoren besuchten Syrien, Jordanien und Schweden; in diesem Land lebt die größte irakische Gemeinde (80 000) im Exil. Sie sprachen mit den Flüchtlingen; ebenso analysierten sie verschiedene irakische Blogger.
Durch das Sanktionsregime wurde der Irak von einem wirtschaftlich gut entwickelten Land auf den Status eines armen Entwicklungslandes „herunterentwickelt“. Das Land war das am weitesten säkularisierte in der arabischen Welt, das über eine starke Mittelklasse verfügte. Die Gleichberechtigung der Frauen stand dem des Westens in nichts nach. Analphabetismus war unbekannt; der Industrialisierungsgrad entsprach dem eines Schwellenlandes. Bagdad war ein Ort der Bildung, wohin Tausende von Studenten aus den arabischen Ländern zur Ausbildung kamen. Als „Wiege der Zivilisation“ verfügte Irak über enorme Kulturgüter und Kunstschätze von unsagbarem Wert sowie über Tausende von Kulturstädten. Das Sanktionsregime unterminierte die Fundamente der gesamten Gesellschaft. Was diese Zeit überdauerte wurde durch den Überfall der USA endgültig in Trümmer gelegt. Symbolisch dafür kann die Entscheidung der Besatzer gelten, nur das Öl- und Innenministerium bewachen zu lassen, aber bei der Plünderung der Museen und kulturellen Städten ungerührt zuzusehen. Der einzige Kommentar von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war: „stuff happens“, leider „dumm gelaufen“!
Die Autoren zeigen auf, dass Saddam eine Kreation der USA gewesen ist, wie weiland Osama bin Laden. Saddam gehörte zu einem Team von sechs Personen, die von der CIA rekrutiert worden sind, um Ministerpräsident Abd al Karim Qasim zu ermorden. Seither unterhielten die USA enge Beziehungen zum Irak, insbesondere als Saddam 1979 Präsident wurde. Während des Irak-Iran-Krieges von 1980 bis 1988 lieferten die USA dem Regime nicht nur konventionelle, sondern auch chemische und biologische Kampfstoffen. Saddam setzte dieses Gas nicht nur gegen die Kurden im Norden, sondern auch gegen die iranischen Soldaten ein. Die Schutzbehauptung der USA, Iran habe ebenfalls chemische Waffen eingesetzt, konnte bis heute nicht beweisen werden. Bevor Saddam Kuwait überfiel, ließ er die US-amerikanische Botschafterin April Glaspie zu sich kommen, um von ihr zu erfahren, ob die USA etwas gegen seinen Plan einzuwenden hätten. „We have no opinion on the Arab-Arab conflicts, like your border disagreement with Kuwait.“ (Wir haben keine Meinung zu den arabisch-arabischen Konflikten, wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait.“) Pflichtgemäß dementierte die US-Administration diese Aussage ihrer Botschafterin. Zwei Wochen später überfiel Saddam das Scheichtum.
Obgleich viele der Befragten das Saddam-Regime als schlecht und brutal beschreiben und zahlreiche Menschen wegen ihrer politischen Opposition ums Leben kamen oder leiden mussten, beschrieben sie die Sanktions- und Besatzungszeit als „schrecklich“. Insbesondere unter der Besatzungsherrschaft versank das Land im Chaos. Die Autoren schreiben, dass sie viele Irakis trafen, welche die Absetzung Saddams begrüßten, aber keinen, der die andauernde Besetzung für gut befand. Bis in die Mitte der 1990er Jahre war Irak sehr säkular. Religiöse Verfolgung gab es nicht. Saddams Regierung bestand aus Muslims, Christen und Kurden. Nach 2003 spaltete sich die Gesellschaft entlang religiöser und ethischer Zugehörigkeit. Dieser Spaltung sind die in die Zehntausende gehenden Morde geschuldet.
Die Autoren nennen konkrete Zahlen, die das ganze Ausmaß der humanitären und der politischen Katastrophe den Lesern/Innen verdeutlicht: weit über eine Million Tote; über zwei Millionen Flüchtlinge; über vier Millionen innerstaatliche Flüchtlinge sowie die Zerstörung der kompletten Infrastruktur des Landes. Die westlichen Neokolonialisten kamen nicht allein. In ihrem Gepäck hatten sie zehntausende von Söldnern, unzählige Nichtregierungsorganisationen, koloniale Feministinnen (Haifa Zangana), und US-amerikanische evangelikale Fundamentalisten, die sich um die kümmern, die den Überfall überlebt haben. Der US-amerikanische „Prokonsul“ Paul Bremer trug durch seine irrationalen Entscheidungen wesentlich zum Desaster im Irak bei. So löste er nicht nur die irakische Armee auf, sondern verweigerte allen Mitgliedern der Baath-Partei sich am Aufbau des „neuen Irak“ zu beteiligen. So installierte er durch seine „Befehle“ Nr. 57 und 77 „US-Aufpasser“ und „US-Inspektoren“ in allen Ministerien und stattete sie mit unumschränkten Vollmachten aus. Mit dem „Befehl“ Nr. 17 erhielten ausländische Unternehmer und die Mitglieder der privaten Sicherheitsdienste „Immunität“, schreiben die Autoren.
Die Autoren weisen mehrfach darauf hin, dass die USA nicht die zivilen Toten ihrer Feinde zählten. Dies haben sie weder im ersten und zweiten Golfkrieg getan, noch tun sie es in Afghanistan. Auch zu Beginn des Vietnamkrieges kümmerte man sich nicht darum, bis Senator Edward M. Kennedy dies durch eine massive Intervention im US-Senate erzwang. Wie sagte Herald Pinter in seiner Nobelpreisrede 2005: „Die irakischen Toten existieren nicht. Sie werden noch nicht einmal als tot registriert.“ Auch unter der Obama-Administration wird diese „Tradition“ fortgesetzt. Als Obama in seiner Rede am 27. Februar 2009 den „Abzug“ ankündigte, erinnerte er nur an das „Leiden“ der eigenen Soldaten, ganz zu schweigen von dem irregeleiteten Narrative, den auch Bush hätte nicht besser formulieren können. So dankte er dem US-Militär, für „extending a precious opportunity to the people of Iraq“ und fügte in völliger Verdrehung der Tatsachen hinzu, dass sein Land nicht „Tyrannei und Chaos“ verursacht, sondern diese bekämpft habe. Und um die Chutzpah noch zu steigern, erklärte er: „We Americans have offered our most precious resouces – our young men and women – to work with you ro rebuild what was destroyed by despotism; to root out our common enemies; and to seek peace and prosperity for our children and grandchildren, and for yours.” Besser hätte es auch George W. Bush nicht sagen können; nur die Verursacher von Tod und Chaos haben Opfer gebracht, wohingegen das millionenfache Leid und die totale Verwüstung des Iraq angeblich durch „despotism“ herbeigeführt worden sind. Oder meinte Obama vielleicht mit „despotism“ das elfjährige tödliche Sanktionsregime der USA und Großbritanniens? Die Autoren jedenfalls sehen klarer: „Obama´s speech revealed the deep disconnect between truth and political discourse that still poisons so much of the debate on Iraq.“
Was der Überfall der USA im Iraq angerichtet hat, umschreiben die Autoren mit „Sociocide“ in Anlehnung an die Untersuchung von Keith Doubt über die Vorgänge in Bosnien. Nach Doubt verbirgt sich hinter „Sociocide“ ein „coordinated plan of different actions aiming at the distruction of the essential foundations of society“. Es beinhaltet die soziale Zerstörung, das heißt, „solidarity, identity, family, social institutions, self-consciousness“, und zieht einen korrupten Staat mit katastrophalen Folgen nach sich, in dem „distrust and bad faith become the dominant orientations of human beings living together”. Trotz dieser verheerenden Auswirkungen sehen die Autoren doch einen Hoffnungsschimmer für Iraq. „Sociocide did not run ist cause. Despite a coordinated attack on Iraqi people and institutions, vibrant social strands remain intact. Iraqis like Youkhanna, Eskander, Riverband and Sunshine – plus the countless others that have worked to restore Iraq and document its destruction – reveal an ethos of resilence amid carnage. Against all odds, Iraqi identity has not been destroyed.”
Michael Ottermann, Richard Hil und Paul Wilson sehen nur noch eine Aufgabe für die USA und ihre willigen Helfershelfer: “payment of reconstruction, resettlement and reparations”. Als letzte Konsequenz muss noch der totale umgehende Abzug hinzukommen. Eine Übersetzung ins Deutsche wäre hilfreich, weil auch in Deutschland ein Schleier des Schweigens sich ausgebreitet hat über das, was „der Westen“ im Namen von Demokratie, Freiheit und westlichen Werten in diesem Lande angerichtet hat. Das Buch war überfällig und sollte die politischen Eliten über eine Teilnahme ihrer Länder an möglichen weiteren Abenteuern, die in den USA oder anderen Orts ausgeheckt werden, nachdenken lassen. Dass die Verursacher dieser Verbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehören, versteht sich von selbst.