Der jüdische Fundamentalismus in Israel hat seine Wurzeln in den orthodoxen Glaubensvorstellungen. Er übt einen verheerenden Einfluss auf alle Bereiche der israelischen Gesellschaft aus, insbesondere das Militär und die Politik. Jüdischer Fundamentalismus ist nichts ungewöhnliches, steht er doch neben christlichem, islamischem und hinduistischem Fundamentalismus. Im Westen wird der islamische Fundamentalismus jedoch geschmäht, jüdischer Fundamentalismus dagegen ignoriert. Dies trifft insbesondere auf die Berichterstattung westlicher Medien zu, die essentielle Fakten nicht berichten, sich einer oberflächlichen Analyse bedienen und folglich oft irreführend ist. Dagegen wird in der hebräischen Presse offen und sehr kritisch über diese innerisraelischen Missstände berichtet; der Duktus der Beiträge würde in anderen Medien als „antisemitisch“ inkriminiert werden.
Allen Fundamentalismen ist eine „goldene Zeit“ eigen, die es wiederherzustellen gilt. In der ersten Netanyahu-Regierung (1996-1999) trat das fundamentalistisch-nationalistische Phänomen bereits offen zutage. Heute ist es noch offensichtlicher durch die Regierungsbeteiligung der von Experten als rechtsextremistisch eingestuften Partei „Israel Beiteinu“. Der Wahlsieg Ehud Baraks 1999 hat die Brisanz des jüdischen Fundamentalismus für Beobachter Israels jedoch wieder in den Hintergrund treten lassen. Fälschlicherweise, wie die Autoren meinen. Für sie stellt der Fundamentalismus weiterhin eine ernste Gefahr für den demokratischen Bestand Israels dar. Diese Warnung der Autoren erhält eine zusätzliche Brisanz, weil Netanyahu 2009 wieder Regierungschef einer rechtsnationalistisch-religiös-fundamentalistischen Regierung geworden ist, die sich einen Außenminister leistet, der nach westeuropäischen demokratischen Standards andernorts keine Karriere gemacht hätte, obwohl auch in Europa und den USA die Wertmaßstäbe erodieren.
Jüdischer Fundamentalismus ist der Glaube, dass die jüdische Orthodoxie, die auf dem babylonischen Talmud, des talmudischen und halachischen Schrifttums beruht, noch gültig ist und ewig Gültigkeit beanspruchen wird. Die jüdischen Fundamentalisten glauben, dass das Alte Testament nur dann als autoritativ angesehen werden kann, wenn es anhand des talmudischen Schrifttums interpretiert wird.
Die Autoren vertreten die These, dass der jüdische Fundamentalismus nur dann zu verstehen ist, wenn man die historische Periode identifiziere, die die Fundamentalisten wiederherstellen wollen. Sie teilen die Geschichte des Judentums in vier Perioden ein. Die jüdischen Fundamentalisten haben die Zeit von 1550 bis 1750 als die „goldene Zeit“ des Judentums beschrieben, in der die große Mehrheit der Juden die Kabbala und ihre Regeln akzeptierte. Diese Ära sollte wiedererstehen.
In Israel gibt es eine große Anzahl von Fundamentalisten und Extremisten. Einer der ersten war der Rabbiner Abraham Kook, der „jüdische Überlegenheit“ predigte. "The difference between a Jewish soul and souls of non-Jews - all of them in all different levels - is greater and deeper than the difference between a human soul and the souls of cattle." Eines ihrer gemeinsamen Ziele sei die Errichtung des jüdischen Tempels auf dem Haram al-Sharif (Tempelberg). Wenn dies nicht zu erreichen sei, dann solle der Platz, auf dem die islamischen Heiligtümer - Felsendom und Al-Aksa-Moschee - stehen, von Besuchern freigehalten werden. Die Bedeutung des jüdischen Fundamentalismus lässt sich nach Ansicht der Autoren nur in dessen Beitrag zur Spaltung der israelischen Gesellschaft verstehen. Diese drücke sich insbesondere in der Tatsache aus, dass die Linke in Israel die Normalität anstrebt und wie jedes andere Volk leben will - dies ein zentrales Dogma des säkularen Zionismus - wohingegen die Rechte und die Fundamentalisten die Einzigartigkeit des jüdischen Volkes betonen und sich bewusst von anderen Völkern unterscheiden wollten. „Juden sind und können kein normales Volk sein. Ihre Einzigartigkeit beruht auf dem ewigen Bund mit Gott“, so Vertreter der Siedlerbewegung Gush Emunim (Block der Getreuen), der von Rabbi Tzvi Yehuda Kook gegründet worden ist. Dies geht dann sogar soweit, dass aufgrund des „jüdischen Blutes“ Juden zu einer anderen Kategorie gehören als Nicht-Juden. „Für religiöse Juden hat das Blut eines Nicht-Juden keinen wirklichen Wert; für Vertreter des Likud besitzt es einen relativen“ so die Autoren. Die innerjüdische Diskussion, die von ranghohen Vertretern der Fundamentalisten wie Rabbi Ovadia Yoseph, dem geistigen Oberhaupt der Shas-Partei, und anderen Vertretern des religiösen Establishments und der Nationalreligiösen Partei (NRP) zu diesen Fragen geführt werden, mutet mehr als bizarr an. Die Autoren betonen mehrmals, dass sich diese Diskussion nie in der englischen Literatur wiederfinde bzw. im Ausland völlig unbekannt sei.
Das Buch bietet einen erstklassigen Überblick in die verschiedenen fundamentalistischen Strömungen wie der Haredim, die sich in aschkenasische (europäische) und sephardische (orientalische) Juden teilen, den Vertretern der NRP und des Gush Emunim. Des Weiteren werden die Bedeutung des Massenmörders Baruch Goldstein, der in der Ibrahim-Moschee in Hebron 29 betende Muslime niedermetzelte, und der religiöse Hintergrund des Attentates auf Ministerpräsident Yitzhak Rabin religiös eingeordnet. Beide politische Ereignisse seien ohne die religiöse Tradition der Bestrafung und Tötung von „Häretikern“ nicht zu verstehen.
Shahak und Mezvinsky haben ein provokantes und faszinierendes Buch geschrieben. Es erschließt dem Leser Bilder des Judentums und eines Teils der israelischen Gesellschaft, die nicht in das Wunschbild vieler Lobbyisten, Israelfans und politisch Naiver passen wollen. Vielleicht geben diesen "Fans" die Worte des langjährigen Autors des "Jerusalem Reports“ vom April 2001, Ze´ev Chafets, zu denken: „The Arabs can`t destroy Israel, but the rabbis can. The rabbis can do that by turning Israel into the kind of political entity that Jews lived in for 2,000 years, by turning it into a place governed by clerical law and clerical thinking which had become so backward and xenophobic that Israel wont`t be able to function as a state.” Das Buch ist unbequem, aber sehr erhellend. Eine Übersetzung ins Deutsche wäre sinnvoll. Oder soll auch dieses spannende und unbequeme Buch dem „Traumbild“ Israel geopferte werden und der „Schweigespirale“ in Deutschland anheimfallen?
Israel Shahak/Norton Mezvinsky, Jewish Fundamentalism in Israel, 2. Aufl., London 2010, Neuauflage 2004, (1999). Erschienen bei Pluto Press.
Allen Fundamentalismen ist eine „goldene Zeit“ eigen, die es wiederherzustellen gilt. In der ersten Netanyahu-Regierung (1996-1999) trat das fundamentalistisch-nationalistische Phänomen bereits offen zutage. Heute ist es noch offensichtlicher durch die Regierungsbeteiligung der von Experten als rechtsextremistisch eingestuften Partei „Israel Beiteinu“. Der Wahlsieg Ehud Baraks 1999 hat die Brisanz des jüdischen Fundamentalismus für Beobachter Israels jedoch wieder in den Hintergrund treten lassen. Fälschlicherweise, wie die Autoren meinen. Für sie stellt der Fundamentalismus weiterhin eine ernste Gefahr für den demokratischen Bestand Israels dar. Diese Warnung der Autoren erhält eine zusätzliche Brisanz, weil Netanyahu 2009 wieder Regierungschef einer rechtsnationalistisch-religiös-fundamentalistischen Regierung geworden ist, die sich einen Außenminister leistet, der nach westeuropäischen demokratischen Standards andernorts keine Karriere gemacht hätte, obwohl auch in Europa und den USA die Wertmaßstäbe erodieren.
Jüdischer Fundamentalismus ist der Glaube, dass die jüdische Orthodoxie, die auf dem babylonischen Talmud, des talmudischen und halachischen Schrifttums beruht, noch gültig ist und ewig Gültigkeit beanspruchen wird. Die jüdischen Fundamentalisten glauben, dass das Alte Testament nur dann als autoritativ angesehen werden kann, wenn es anhand des talmudischen Schrifttums interpretiert wird.
Die Autoren vertreten die These, dass der jüdische Fundamentalismus nur dann zu verstehen ist, wenn man die historische Periode identifiziere, die die Fundamentalisten wiederherstellen wollen. Sie teilen die Geschichte des Judentums in vier Perioden ein. Die jüdischen Fundamentalisten haben die Zeit von 1550 bis 1750 als die „goldene Zeit“ des Judentums beschrieben, in der die große Mehrheit der Juden die Kabbala und ihre Regeln akzeptierte. Diese Ära sollte wiedererstehen.
In Israel gibt es eine große Anzahl von Fundamentalisten und Extremisten. Einer der ersten war der Rabbiner Abraham Kook, der „jüdische Überlegenheit“ predigte. "The difference between a Jewish soul and souls of non-Jews - all of them in all different levels - is greater and deeper than the difference between a human soul and the souls of cattle." Eines ihrer gemeinsamen Ziele sei die Errichtung des jüdischen Tempels auf dem Haram al-Sharif (Tempelberg). Wenn dies nicht zu erreichen sei, dann solle der Platz, auf dem die islamischen Heiligtümer - Felsendom und Al-Aksa-Moschee - stehen, von Besuchern freigehalten werden. Die Bedeutung des jüdischen Fundamentalismus lässt sich nach Ansicht der Autoren nur in dessen Beitrag zur Spaltung der israelischen Gesellschaft verstehen. Diese drücke sich insbesondere in der Tatsache aus, dass die Linke in Israel die Normalität anstrebt und wie jedes andere Volk leben will - dies ein zentrales Dogma des säkularen Zionismus - wohingegen die Rechte und die Fundamentalisten die Einzigartigkeit des jüdischen Volkes betonen und sich bewusst von anderen Völkern unterscheiden wollten. „Juden sind und können kein normales Volk sein. Ihre Einzigartigkeit beruht auf dem ewigen Bund mit Gott“, so Vertreter der Siedlerbewegung Gush Emunim (Block der Getreuen), der von Rabbi Tzvi Yehuda Kook gegründet worden ist. Dies geht dann sogar soweit, dass aufgrund des „jüdischen Blutes“ Juden zu einer anderen Kategorie gehören als Nicht-Juden. „Für religiöse Juden hat das Blut eines Nicht-Juden keinen wirklichen Wert; für Vertreter des Likud besitzt es einen relativen“ so die Autoren. Die innerjüdische Diskussion, die von ranghohen Vertretern der Fundamentalisten wie Rabbi Ovadia Yoseph, dem geistigen Oberhaupt der Shas-Partei, und anderen Vertretern des religiösen Establishments und der Nationalreligiösen Partei (NRP) zu diesen Fragen geführt werden, mutet mehr als bizarr an. Die Autoren betonen mehrmals, dass sich diese Diskussion nie in der englischen Literatur wiederfinde bzw. im Ausland völlig unbekannt sei.
Das Buch bietet einen erstklassigen Überblick in die verschiedenen fundamentalistischen Strömungen wie der Haredim, die sich in aschkenasische (europäische) und sephardische (orientalische) Juden teilen, den Vertretern der NRP und des Gush Emunim. Des Weiteren werden die Bedeutung des Massenmörders Baruch Goldstein, der in der Ibrahim-Moschee in Hebron 29 betende Muslime niedermetzelte, und der religiöse Hintergrund des Attentates auf Ministerpräsident Yitzhak Rabin religiös eingeordnet. Beide politische Ereignisse seien ohne die religiöse Tradition der Bestrafung und Tötung von „Häretikern“ nicht zu verstehen.
Shahak und Mezvinsky haben ein provokantes und faszinierendes Buch geschrieben. Es erschließt dem Leser Bilder des Judentums und eines Teils der israelischen Gesellschaft, die nicht in das Wunschbild vieler Lobbyisten, Israelfans und politisch Naiver passen wollen. Vielleicht geben diesen "Fans" die Worte des langjährigen Autors des "Jerusalem Reports“ vom April 2001, Ze´ev Chafets, zu denken: „The Arabs can`t destroy Israel, but the rabbis can. The rabbis can do that by turning Israel into the kind of political entity that Jews lived in for 2,000 years, by turning it into a place governed by clerical law and clerical thinking which had become so backward and xenophobic that Israel wont`t be able to function as a state.” Das Buch ist unbequem, aber sehr erhellend. Eine Übersetzung ins Deutsche wäre sinnvoll. Oder soll auch dieses spannende und unbequeme Buch dem „Traumbild“ Israel geopferte werden und der „Schweigespirale“ in Deutschland anheimfallen?
Israel Shahak/Norton Mezvinsky, Jewish Fundamentalism in Israel, 2. Aufl., London 2010, Neuauflage 2004, (1999). Erschienen bei Pluto Press.