Montag, 31. Januar 2011

The „Palestine Papers”: a story of intensive cooperation

Der Tod einer Befreiungsbewegung tritt dann ein, wenn die Unterdrückten mit ihren Unterdrückern vertraulich über das Ausmaß ihrer Unterdrückung beginnen zu verhandeln. Den ersten Sargnagel in diesem makaberen Schauspiel hat PLO-Chef Yassir Arafat höchst selbst mit der Unterzeichnung der Osloer Abkommen von 1993 der „Palestine Liberation Organization“ (PLO) verpasst. Den Abgesang dieser „Befreiungsbewegung“ haben jedoch seine Nachfolger, wie z. B. „Präsident“ Abbas, Fayyad, Qurei, Erekat, Abed-Rabbo, Dahlan, u. v. a., angestimmt. Sie sind diejenigen, die fürstlich von der Besetzung Palästinas profitieren und ihren VIP-Status auf Kosten der unterdrückten Bevölkerung genießen.

Die „Palestine Papers“ (PP) dokumentieren in aller Deutlichkeit, wie eng die Zusammenarbeit zwischen der Kolonialmacht Israel, ihrem Protektor, den USA, und den Kolonisierten ist. Sie ging sogar soweit, dass diese „Vertreter des palästinensischen Volkes“ keinerlei Skrupel hatten, das Massaker an der eigenen Bevölkerung im Gaza-Streifen geschehen zu lassen, ohne dagegen zu protestieren, obgleich sie davon vorab informiert gewesen sind. Warum auch? War doch kurz zuvor der Putsch von Mahmoud Dahlan mit Hilfe der USA, Israels und der Abbas-Palästinenser gegen die demokratisch gewählte Hamas-Regierung im Gaza-Streifen gescheitert. Die Hamas ist diesem Komplott zuvorgekommen und hat den Statthalter Israels und der USA, Dahlan und seine Kumpane, von dort vertrieben.

Die PP zeigen aber auch, dass die jetzige Führung nur marginal von den Vorgaben Yassir Arafats abgewichen ist. Die Vereinbarungen von Taba vom Januar 2001 haben den Grundstein für diese weitreichenden Kompromisse gelegt. Man ging nur in der Akzeptanz fast aller Siedlungen, der Kontrolle über Ost Jerusalem und den Haram al-Sharif darüber hinaus, ansonsten hielt man sich weitestgehend an die so genannten Clinton-Parameter. Die Abbas-Palästinenser kamen den Israelis soweit entgegen, ohne gleich kollektiv zum Zionismus zu konvertieren. Treffender als Saeb Erekat kann man die Kompromissbereitschaft der Abbas-„Regierung“ nicht formulieren: „The only thing I cannot do is convert to Zionism.“ Ähnlich wie bereits in Taba ist man bereit, das Rückkehrrecht der Flüchtlinge von 1948, Ost Jerusalem als Hauptstadt, die völkerrechtswidrige Besiedelung ihres Heimatlandes, die Grenzen von 1949,/1967 das Sicherheitsproblem u. v. a. m. weitgehend zu opfern, um endlich zu einem Staat zu kommen, wie immer dieser auch aussehen mag. Wissen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wirklich, welches Gebilde sie als souveränen Staat „Palästina“ anerkennen wollen? Zur Illustration sei allen diese Karte empfohlen, die eher an die Inselwelt Mikronesiens erinnert. (s. h. Karte Archipel Palästina).

Trotz dieser weitreichenden Konzessionen waren die Kolonisatoren nicht bereit, dem König ohne Land und Kleider entgegenzukommen. Der politische Coup, den Ehud Barak und US-Präsident Bill Clinton in Camp David im Juli 2000 gegen Yassir Arafat landeten, dass er kein Partner für den Frieden sei, wurde durch die PP Lügen gestraft. Diese Veröffentlichungen führen aller Welt die Verweigerungshaltung der zionistisch-israelischen politischen Elite vor Augen. Wenn es keinen Partner für Frieden in Palästina gibt, dann sind es die israelischen Regierungen. Nicht für die Haltung der Palästinenser trifft die Charakterisierung des ehemaligen israelischen Außenministers Abba Eban zu, sondern sie beschreibt exakt die Haltung der diversen israelischen Regierungen: „They never miss an opportunity to miss an opportunity.“ Für jeden, der die Geschichte Palästinas kennt, war dies von Beginn der Kolonisierung dieses Landes durch den Zionismus klar. Die Kolonisatoren wollen bis heute das ganze Land Palästina, aber möglichst ohne dessen ursprüngliche Bewohner. Die Tagebücher des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Moshe Sharett legen dafür beredtes Zeugnis ab, wie Israel seit Beginn der Staatsgründung alles getan hat, um seine Nachbarn zu destabilisieren und jede Friedensbemühungen zu torpedieren.

Was die PP auch zeigen, ist die zwielichtige Rolle, welche die USA in diesem „Friedensprozess“ spielt. Sie sind nicht nur kein „ehrlicher Makler“, dies waren sie noch nie, sondern ihre Nahostpolitik liegt völlig in der Hand der Israelis. Abbas wird in den PP mit einem Satz, den er an den Nahostgesandten Mitchell gerichtet hat, wie folgt zitiert: „Nineteen years of promises and you haven´t made up your minds what you want to do with us.“ Die jüngste Kapitulation US-Präsident Obamas gegenüber Binyamin Netanyahu legt offen, wer die US-Nahostpolitik gegenüber Israel in den USA formuliert: die „Israellobby“. In diesem Punkt wedelt der Schwanz tatsächlich mit dem Hund.

Die Veröffentlichungen der „Palestine Papers“ fallen in eine turbulente Zeit. Ein arabisches Regime noch dem anderen steht vor dem Kollaps. Dieser „Wind of Change“ könnte auch die Besetzten Gebiete erreichen und den „Präsidenten Palästinas“ samt seinen Kumpanen aus dem Amt und aus dem Land über den Jordan fegen. Auch das Regime des „Gambling-Kings“ in Jordanien könnte kippen. Generell sind alle arabischen Regime auf Treibsand gebaut. Legitimität besitzen sie fast nicht. Sollte neben dem Mubarak-Regime, die „Palestinian Authority“ und Jordanien von den Seiten der Geschichte verschwinden, stünde Israel ohne seine so genannten Freunde da. Es könnte sich dann tatsächlich der rassistische Ausspruch Ehud Baraks von Israel als der „Villa im Dschungel“ bewahrheiten; aber dafür trüge dann die israelische politische Elite wegen ihrer politischen Intransigenz die alleinige Verantwortung, welche die „Palestine Papers“ auch dokumentieren.

Die US-amerikanische politische Elite weiß, dass die augenblickliche palästinensische Führung von „Präsident“ Abbas, über „Ministerpräsident“ Fayyad illegitim ist. Die einzig demokratisch legitimierte Führung besteht aus Vertretern der Hamas; sie wurde 2006 in freien, fairen, geheimen und allgemeinen Wahlen mit absoluter Mehrheit gewählt. Auf Geheiß der USA und Israels musste Abbas sie auf dem Amt putschen. Deshalb sind die Rufe der USA und ihrer westeuropäischen Verbündeten nach freien Wahlen und demokratischen Reformen in der arabischen Welt nicht unbedingt glaubwürdig. Wie wird der Westen reagieren, wenn islamische Parteien die Macht in einigen Staaten demokratisch erringen? Wird es dann wieder einen Putsch der Militärs wie in Algerien geben? US-Präsident Obama sollte endlich einmal zu seiner vollmundigen Rhetorik stehen, als er erklärte, dass Amerika der festen Überzeugung sei, dass alle Menschen nach folgenden Dingen strebten, und zwar “the ability to speak your mind and have a say in how you are governed; confidence in the rule of law and the equal administration of justice; government that is transparent and free of corruption; and the freedom to live as you choose. These are human rights, and we support them everywhere”. Dies gehört tatsächlich zum US-amerikanischen Glaubensbekenntnis. Es wird höchste Zeit, dass die USA dies nicht nur gegenüber ihren „Freunden“ in der arabischen Welt, sondern auch gegenüber Israels Unterdrückungspolitik gegenüber den Palästinensern einfordern. Die brutale, gewaltsame Politik Israel gegenüber dem palästinensischen Volk kann nur durch einen Kurswechsel der US-Außenpolitik bewerkstelligt werden. Nur dadurch können sich die USA von ihren doppelten Standards befreien, die nirgendwo, außer von der herrschenden Elite in einigen Staaten Westeuropas, wenigen arabischen Despotien und anderen Diktaturen verstanden werden. Die Völker dieser Länder glauben schon längst nicht mehr der US-Propaganda und prangern deren doppelte Standards an.

Die Abbas-Kumpane genießen noch eine letzte Galgenfrist bis zur Abstimmung über die Anerkennung eines Palästinenserstaats im UN-Sicherheitsrat. Sollten dort die USA wieder ihr Veto einlegen, wird sich das Abbas-Regime nicht mehr an der Macht halten können. Nur durch die Gründung eines Staates Palästina und dessen Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft wird Israel so unter internationalen Druck gesetzt werden können, dass es seine 44-jährige Okkupation Palästinas beenden und dem palästinensischen Volk seine Würde zurückgeben muss. Voraussetzung dafür aber ist ein Schuldbekenntnis und eine offizielle Entschuldigung seitens der israelischen politischen Führung für das historische Unrecht und das Leid, das die zionistische Kolonisierung über das palästinensische Volk gebracht hat.

Samstag, 29. Januar 2011

For a democratic "Regime Change" in the Arab World

Was den Ostblock 1989 ereilt hat, kommt zeitversetzt endlich auch in der arabischen Welt an. „Regime Change“ ist angesagt, aber nicht im Sinne von Ex-US-Präsident George W. Bush in Form eines militärischen Überfalls, sondern durch Wahlen und demokratischen Protest der entmündigten und drangsalierten Bürger. Der Stein kam in einem scheinbar „stabilen“ westlich-orientierten arabischen Land ins Rollen: Tunesien. Der Funke scheint überzuspringen. Protestdemonstrationen in Ägypten und Jemen scheinen das Ende der Herrschaft arabischer Despoten anzukündigen, obwohl dies keine leichte Aufgabe für die Menschen sein wird. Der „Wind of Change“ dürfte letztendlich auch das fundamentalistischste Regime von den Seiten der Geschichte tilgen: Saudi-Arabien. Ob dies das US-Imperium zulassen wird, darf jedoch bezweifelt werden. Die so genannte westliche Sicherheit in Form des „Oilism“ steht auf dem Spiel, demokratische Reformen hin oder her. Eine Diktatur ist dem US-Imperium allemal lieber als eine aus freien und demokratischen Wahlen hervorgegangen islamische Bewegung, wie dies im Falle des Wahlsieges der Hamas in Palästina der Fall war. Innerhalb eines Jahres musste der Palästinenser-„Präsident“ Mahmoud Abbas gegen die durch die Mehrheit des Volkes demokratisch ins Amt gewählte Regierung auf Geheiß der USA und Israels putschen und einen den beiden genehmen Statthalter in der Person Salman Fayyads einsetzen.

Und was sagt das US-amerikanische Imperium oder die EU-„Weltmacht“ zu den Schwierigkeiten ihrer despotischen Schützlinge in der Region „Greater Middle East“? In Tunesien waren sie sprachlos. In Ägypten beeilt man sich, von dem US-amerikanischen Pharao plötzlich die Einhaltung demokratischer Spielregeln und Reformen zu fordern; dazu hatte man 30 Jahre Zeit. Der US-Außenamtssprecher P. J. Crowley bezeichnete im arabischen Fernsehsender Al-Jazeera Ägypten als einen „Alliierten, Freund und Partner“ der USA und als eine „stabilisierende Macht in der Region“. Er verstieg sich sogar zu der Äußerung, dass das Mubarak-Regime „an anchor of stability in the Middle East" sei. Wie weiland Jimmy Carter das Shah-Regime kurz vor seinem Kollaps als eine „Insel der Stabilität“ pries. In der Tat war die Mubarak-Diktatur wie alle Diktaturen für eine gewisse Zeit scheinbar ein „Anker der Stabilität“ und ein willfähriger Verbündeter der US-amerikanisch-israelischen Allianz gegen die Interessen des palästinensischen und ägyptischen Volkes.

Außenministerin Hillary Clinton appellierte an die Protestierenden, „Zurückhaltung“ an den Tag zu legen und von Gewalt Abstand zu nehmen. Es ist nirgendwo überliefert, dass sie die Demonstranten in Iran auch zur Gewaltlosigkeit in ihren Protesten aufgerufen hätte, als diese gegen die Wahlmanipulationen demonstrierten. Über Jahrzehnte hatte sich niemand in Washington für demokratische Reformen in der arabischen Welt interessiert. Zwei Tage nach Ausbruch der Demonstrationen in Ägypten war in den Kommentaren von US-Präsident Obama und US-Außenministerin Clinton nicht mehr von einer einhelligen Unterstützung Mubaraks die Rede. Wie es scheint, denkt man an den Tag danach, und ohne es zu sagen, an Mohammed el-Baradei, dessen Freilassung von Hausarrest die US-Vertreter noch fordern müssen. Vielleicht können Obama und Clinton von der ehemaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice wenigstens etwas lernen, die in einer Rede an der amerikanischen Universität von Kairo tatsächlich Folgendes gesagt hat: „For sixty years, my country, the United States, pursued stability at the expense of democracy in this region, here in the Middle East, and we achieved neither. Now, we are taking a different course. We are supporting the democratic aspirations of all people." Dieser Rhetorik folgten bis heute aber keine Taten. So wurden die demokratischen Erwartungen der Palästinenser in 2006 umgehend von der US-amerikanisch-israelischen Allianz im Keime erstickt.

Die Dilemmata des US-Imperiums im Nahen und Mittleren Osten bestehen darin, dass demokratische Bewegungen in dieser Region eine islamische Stoßrichtung haben und die USA den Fetisch der „politischen Stabilität“ über demokratische Regierungsformen in ihren Klientelstaaten stellt. Dies schließt selbstverständlich die Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechtes des ägyptischen und des palästinensischen Volkes mit ein. Die USA zahlen Ägypten jährlich zirka 1, 5 Milliarden US-Dollar, weil das Land ein Alliierter Israels ist und sich darüber hinaus an der Unterdrückung der Palästinenser und der Dämonisierung der islamischen Beweghung in Ägypten und in Palästina aktiv beteiligt. Daneben gibt es noch die Unterstützung des “war on terrorism“ seitens Ägyptens sowie des Jemen, des jordanischen Gambling-Kings und des saudi-arabischen fundamentalistischen Regimes, alles „Alliierte“ des US-Imperiums.

„Politische Stabilität“ genießt im Denken der US-amerikanischen politischen Elite oberste Priorität, gleich welcher Despot, Autokrat oder Diktator sie im „westlichen Interesse“ garantiert. Ein Land, das selbst aus einer antikolonialen Revolte entstanden ist, ist zum Gralshüter des Status quo, sprich der Erhaltung der reaktionärsten Regime der Welt geworden, und dies alles in Namen von „politischer Stabilität“ und „westlichen Interessen“. Wenn es jemals einer US-amerikanischen Regierung wirklich um Demokratie gegangen wäre, hätte sie sich immer an die Spitze demokratischer Bewegungen stellen müssen, was im Falle Deutschlands und Japans geschehen ist. Aber in der Region des Nahen und Mittleren Ostens ist das Gegenteil der Fall: Staatsstreiche wurden weltweit gegen demokratisch gewählte Regierungen initiiert, wie in Iran, Chile, gegen zahlreichen Bananenrepubliken in Mittel- und Südamerika, oder wie zuletzt in Palästina, als mit US-amerikanisch-israelisch-palästinensischer Unterstützung eine demokratische gewählte Regierung aus dem Amt geputscht worden ist. Aber das US-Imperium war sich auch nicht zu schade, islamische Fundamentalisten als „Widerstandsgruppen“ aufzupäppeln, als es gegen die Sowjetunion ging wie z. B. al-Qaida. Heute trommeln schon wieder die reaktionärsten neokonservativen Kreise in den USA dafür, die Gruppe „Volksmudschahedin“ von der „Terrorliste“ des US-Imperium zu streichen, um sie gegen die demokratisch gewählte Regierung des Iran zu instrumentalisieren.

Wenn die USA jemals an der Demokratisierung der arabischen Welt interessiert gewesen wären und nicht nur an der Ausbeutung seiner Ressourcen und der Dominanz dieser Region, hätten sie schon längst ihre schützende Hand über dem fundamentalistischsten Regime der ganzen Region, Saudi-Arabien, zurückziehen müssen. Sie hätten auch nicht gemeinsam mit den Saudis und dem pakistanischen Geheimdienst al-Qaida kreieren sollen, das sie jetzt überall als Phantom ausmachen und bekämpfen, um ihre geopolitischen Interessen in der Region zu stabilisieren. Und die so genannten willigen Helfershelfer-Staaten in Europa wollen dies nicht sehen? Sie meinen immer noch, sie würden für Demokratie, Frauenrechte, gute Regierungsführung und andere Politphrasen kämpfen lassen. Dabei sterben westliche Soldaten in Afghanistan für ein korruptes Regime, das nicht wert ist, auch nur einen Tag länger an der Macht gehalten zu werden.

Das größte Problem des US-Imperiums und seiner westlichen Unterstützer sind aber deren doppelte Standards. Besessen von der Idee der „Verbreitung von Demokratie“ machen sie keinen Unterschied mehr in der Wahl ihrer „bedfellows“ (Bettgenossen). Einst war dies der chilenische Diktator Augusto Pinochet, der Shah von Persien, Saddam Hussein, der später zum „Hitler“ mutierte, Osama bin-Laden u. v. a. m. Auch heute sind Amerikas beste Freunde die Diktatoren in Zentralasien und in Teilen der arabischen Welt, die sich alle wohlwollend gegenüber der israelischen Besatzungspolitik in Palästina verhalten. Die vorbehaltlose Unterstützung der israelischen Unterdrückungspolitik scheint langfristig die Achillesverse des US-Imperiums und seiner westeuropäischen Unterstützer zu werden. Es wird immer deutlicher, dass dieses israelische Besatzungsregime nur durch die militärische und finanzielle Unterstützung des Westens aufrecht erhalten werden kann. Und hier schließt sich der Kreis: Wenn das US-Imperium sich nicht an die Spitze der Demokratie- und Freiheitsbewegungen setzt, und dies insbesondere in Bezug auf die Freiheit Palästinas, wird es langfristig weiter an Glaubwürdigkeit einbüßen, und dies nicht nur politisch, sondern auch moralisch und finanziell. Alleine nur auf den „Alabtross like ally, Israel“ zu setzen, wird nicht mehr reichen.

Freitag, 28. Januar 2011

Dieter Vieweger, Streit um das Heilige Land

Wieder einmal hat sich ein US-amerikanischer Präsident an der Lösung des Nahostkonfliktes versucht und ist damit formidable gescheitert. Gegen den Willen der israelischen Regierung und ihrer Unterstützer in den USA scheint selbst die einzige Supermacht machtlos zu sein, von der europäischen „Weltmacht“ gar nicht zu reden. Es scheint als sei der Konflikt „unlösbar“ und müsse ad infinitum weitergehen. Die gerade veröffentlichten „Palestine papers“ zeigen, dass Israel an einem „Frieden“ nur zu seinen Bedingungen bereit ist. Solange die Palästinenser nicht auf jeden Anspruch verzichten, wird Israel keine Kompromisse machen. Für Israel wäre es am besten, die Palästinenser packen ihre Koffer und machten sich auf den Weg nach Jordanien, dann hätte der Zionismus sein Ziel erreicht und der „ewige Friede“ könnte endlich durch die israelische „Einstaatenlösung“ ausbrechen.

Mit großer Gründlichkeit bearbeitet der Anthropologe und protestantische Theologe Dieter Vieweger einen seit über 120 Jahre währenden Konflikt um Palästina. Die Kombination beider Fachgebiete trägt zu einem vertieften Verständnis eines Konfliktes bei, der zu oft von Klischees dominiert wird. Der Autor betont, dass besonders in Jerusalem jüdische, christliche und muslimische Traditionslinien kulminieren. Diese Sichtweise scheint sich aber unter der rechtsnationalistischen israelischen Regierung noch nicht durchgesetzt zu haben.

Der Autor misst der Religion einen viel zu großen Stellenwert bei. Beim Nahostkonflikt handelt es sich um einen Kolonialkonflikt, bei dem es ausschließlich um das Land Palästina geht. Die religiöse Verbrämung seitens der religiösen Fundamentalisten in Israel erfolgte erst nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Auf der palästinensischen Seite erhebt die Hamas ebenso einen religiösen Anspruch auf ganz Palästina. Durch die zionistische Kolonisierung, die bar jeder religiösen Begründung erfolgte, wird den ursprünglichen Bewohnern Palästinas ihre Existenz- und Lebensgrundlage peu à peu entzogen. Dieser Prozess dauert bis heute an. Abgesehen von seinem jüdisch-christlichen Bias, die palästinensische Seite kommt viel zu kurz weg, ist das Buch durch seine historischen und kartographischen Illustrationen gut gelungen.

Erschienen hier.

Freitag, 21. Januar 2011

Moshe Zuckermann, "Antisemit!"

Der Titel des Buches des israelischen Historikers Moshe Zuckermann hätte nicht treffender formuliert werden können. Der Vorwurf des „Antisemitismus“ ist der politisch gewinnträchtigste gegenüber den Kritikern israelischer Besatzungs- und Unterdrückungspolitik gegen das palästinensische Volk in ihrem Heimatland. Mit diesem hanebüchenen Vorwurf werden nicht die Neonazis, sondern führende Persönlichkeiten sowohl jüdischer als auch nicht-jüdischer Provenienz überzogen. An vorderster Front dieser Verleumdungskampagne agiert die derzeitige rechtsnationalistische israelische Regierung samt ihrer Israelfans in den USA und weiten Teilen Westeuropas. Wie sagte doch der israelische Regierungschef Benyamin Netanyahu, nachdem der UN-Menschrechtsrat den Goldstone-Bericht an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitete hat: „Wir brechen jetzt auf, um jene zu delegitimieren, die versuchen, uns zu delegitimieren.“

Diese Lobby betreibt ihr unsägliches Geschäft seit dem Scheitern der Camp David-Verhandlungen im Sommer 2000 und der Rückeroberung der so genannten Autonomiegebiete durch die Sharon-Regierung. Die Verbrechen und Verstöße gegen Völker- und Menschrechte, die seither begangen worden sind, lassen sich selbst von wohlwollenden Kreisen nicht mehr rational rechtfertigen, folglich griff man zum Mittel der Verleumdung, Diskreditierung, Diffamierung und der Verdrehung der Wahrheit. Dies hat auch deshalb so gut funktioniert, weil es den regierenden politischen Eliten zupass kam, da diese sich dann nicht selbst mit der Pervertierung ihrer so genannten westlichen Werten durch Israel auseinander zu setzen brauchten.

Über die Verruchtheit des Antisemitismus braucht man wohl kein Wort zu verlieren. Wie denn jede Form des Rassismus und der Stigmatisierung Andersdenkender und –gläubiger, wie z. B. derzeit der Muslime, zu verurteilen ist. Zuckermann hatte bereits in seinem Buch „Zweierlei Holocaust“ über die Instrumentalisierung dieses einzigartigen Menschheitsverbrechen sowohl durch Israel als auch durch Deutschland geschrieben. In seinem jüngsten Werk spitzt er diese These berechtigterweise zu, da sich die Lage für die Kritiker der israelischen Regierungspolitik dramatisch verschlechtert hat. Ihnen drohen mancherorts die Vernichtung ihrer beruflichen Existenz, und dies mit aktiver Hilfe von Philosemiten (die eigentlichen Antisemiten), die sich als neokonservative Parteigänger einer rassistischen Rollback-Politik des US-amerikanischen Neokolonialismus gerieren.

Die Funktionalisierung des Holocaust durch die israelische Regierung ist für den Autor evident. Diese „Zionisierung der Shoah“ wird mehrfach belegt. Dabei spielte die Shoah bei der Gründung des Staates Israel auf internationaler Bühne nicht die geringste Rolle. Wer die Protokolle der Debatte in der UNO nachliest, wird feststellen, dass kein geringerer als der damalige UN-Vertreter der Sowjetunion, Andrej Gromyko, der einzige war, der erklärt hatte, dass dem jüdischen Volk aufgrund der Verbrechen der Shoah und des Versagens des Westens, einen solchen zu verhindern, ein Staat zustünde. Für die damaligen zionistischen Vertreter war es das größte politische Anliegen, die Gründung des Staates durch „public law“ und der Berufung auf ein „natürliches Recht“ zu erreichen. Soviel zur Wissenslücke der Israelfans.

Für die deutschsprachigen Leser/innen besonders interessant ist der zweite Teil. Hier wird wieder einmal eine typisch deutsche Debatte sichtbar, wie sie nur in Deutschland mit einer zutiefst verunsicherten und inkompetenten politischen Elite geführt werden kann. Nach Art einer altbekannten „Gesinnungspolizei“ wissen diese antisemitischen Philosemiten schon immer, wer der wirkliche „Antisemit“ ist. Der Autor kritisiert die damit einhergehende Verharmlosung des Antisemitismus und die „Banalisierung des Bösen“ durch die Sekte der Antideutschen und ihrer „willigen Helfershelfer“. So schreibt er: „Ähnlich wie der Antisemit, der in allem Jüdischen paranoid eine Bedrohung gewahrt, weil er auf den Juden eigene Ängste und Lebensdefizite projiziert“, so stellt er den antideutschen Israelfans ein vernichtendes Zeugnis aus. Nach ihm „erblickt der ´antideutsche` Juden- und Israelfreund in allem den drohenden ´Antisemitismus`, auf den er das projiziert, was er sich selbst nicht eingestehen darf, gerade weil er sich mit ihm identifiziert: die eigene in die Latenz verwiesene antisemitische Regung“.

Bemerkenswert ist die immer vorgebracht Selbstviktimisierung durch die israelische Regierung, die auch der Autor kritisiert. Ein Land, das bis über beide Ohren mit Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie den hochmodernsten US-amerikanischen konventionellen Waffen vollgestopft ist, sieht sich immer noch als „das Opfer“; ein solches Land hat in der Tat kein sicherheits-, sondern ein psychologisches Problem.

Dass der Autor nicht nur von den „Antideutschen“ oder anderen obskuren Israelfans kritisiert wird, gereicht ihm zur Ehre. Sein Buch legt den Finger sowohl in die israelischen als auch deutschen Wunden, und dies ist auch gut so. Wenn schon die politische Klasse in Deutschland damit nichts anfangen kann, so sollten wenigsten die Reste der Linken, die noch rudimentär in der Partei „Die Linke“ zu verorten sind, ihre Kritik an den demokratiefeindlichen Machenschaften der Israelfans und ihrer philosemitischen Freunden in Deutschland vehement zurückweisen. Dafür bietet das Buch Zuckermanns gute Argumente. Daran sollten sich auch die Medien beteiligen, aber hier ist bereits Hopfen und Malz verloren. Ein sehr hilfreiches Buch, das der politisch verkorksten Haltung der Deutschen Argumentationshilfen an die Hand gibt. Ob sie diese überhaupt wollen, darf jedoch bezweifelt werden.

Erschienen im ProMedia Verlag.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Die Mär vom „Paradigmenwechsel“ im Nahostkonflikt

Die Debatte um Sinn oder Unsinn einer Einstaatenlösung als „Königsweg“ zur Lösung des Nahostkonflikts, wie sie von der so genannten Stuttgarter Erklärung vertreten worden ist, geht in die nächste Runde. Kein geringerer als der Historiker und Politikwissenschaftler Ilan Pappé ist der deutschen Szene intellektuell beigesprungen, um zu retten, was noch zu retten ist.

Die Kritik an der so genannten Stuttgarter Erklärung, in der eine Einstaatenlösung als Ziel für die Lösung des Nahostkonflikts angestrebt und dafür die BDS-Kampagne als Vehikel in Anspruch genommen wird, wurde als unredlich und dogmatisch kritisiert sowie als „Utopie“ bezeichnet, die nicht Grundlage einer aktuellen und notwendigen Kampagne sein kann, die den zionistischen Staat Israel unter Druck setzen und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser befördern möchte. Den Vertretern einer Zweistaatenlösung wurde im Gegenzug ein dogmatisches Festhalten an der Zweistaatenlösung von den Verfassern/Innen attestiert, was auch vonseiten Ilan Pappés wiederholt wird, indem er deren Befürwortern ein „orthodoxes Herangehen“ attestiert.

Die Utopie einer Einstaatenlösung wird jetzt wissenschaftlich überhöht, indem man sie in den Status eines „Paradigmenwechsels“ erhebt, sie quasi damit gegen Kritik „immunisiert“ und als nicht mehr hinterfragbar erklärt. Dabei ist die Idee der Einstaatenlösung ein uralter Hut und historisch gescheitert. Sie wurde jetzt aus Hilflosigkeit aus der Asservatenkammer der historischen Reminiszenzen heraus gekramt, neu drapiert und als „Paradigma“ der Öffentlichkeit wie ein Deus ex machina präsentiert. (In Parenthese sei für die wissenschaftlich-interessierten erwähnt, dass von einem Paradigmenwechsel erst dann gesprochen werden kann, wenn das „alte“ Paradigma wissenschaftlich falsifiziert worden ist oder die Vertreter eines solchen „ausgestorben“ sind.) Davon kann jedoch keine Rede sein, da im Augenblick das „alte“ Paradigma der Zweistaatenlösung fröhliche Urstände auf der internationalen Bühne feiert.

Dass gerade Ilan Pappé als Kronzeuge für die Einstaatenlösung im Nachhinein in den Ring geschickt wird, verwundert sehr. In seinem Artikel über einen so genannten „Paradigmenwechsel“ hat er eine Einstaatenlösung im Rahmen der BDS-Kampagne nur am Rande erwähnt, ohne sich wirklich explizit dafür auszusprechen. In seinen interessanten Vorträgen in Stuttgart und der Podiumsdiskussion erwähnt er die Einstaatenlösung mit keinem Wort. Pappé spricht über Kolonialismus, Zionismus, ethnische Säuberung und das Konzept der „ethnischen Reinheit des Staates Israel“ und dessen Verbindung zum Rückkehrrecht der Palästinenser.

Sein wichtigstes Argument richtet sich gegen den Zionismus. Die zionistische Ideologie stellt das Haupthindernis für eine friedliche Lösung des Nahostkonfliktes dar. In dieser Frage gibt es keinerlei Dissens zwischen ihm und dem „orthodoxen Herangehen“. Dass der israelisch-palästinensische Konflikt ein Kolonialkonflikt ist, bestreitet auch niemand; und dass der Zionismus irgendwelche guten Eigenschaften hat, wird nur von seinen Protagonisten behauptet. Für die Kolonisierten bedeutet diese Ideologie die fast totale Zerstörung ihrer Existenz in ihrem Heimatland.

Die Aktionen der BDS-Kampagne sollten also die politischen und ökonomischen Kosten der Okkupation und die Kooperation der Staatenwelt mit den Kolonisatoren so in die Höhe treiben, dass sie für niemanden mehr tragbar sind. Ihr Ziel muss auf die nationalistisch-ethnozentrische Ideologie des Zionismus gerichtet sein, die dem klassischen westlichen Demokratieverständnis diametral entgegensteht. „Jewish and democartic“ ist ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Die Vertreter einer Einstaatenlösung sollten die israelisch-zionistische politische Elite fragen, ob sie überhaupt willens ist, den Staat Israel, der auf einer zionistischen Gesetzgebung und deren Implementierung beruht, in den Nahen Osten zu integrieren, geschweige denn aufgehen zu lassen?

Auch in seinem autobiographischen Werk „Out Of The Frame“ erwähnt Pappé mit keinem Wort eine Einstaatenlösung als Konfliktlösungsmodel, ebenso wenig in seinem jüngsten Interview in der Wochenzeitung „Der Freitag“ vom 16. Januar 2011. Im seinem Epilogue-Kapitel „Project: Disarm Israel“ geht es nicht um Einstaatenlösung, die das Ende Israel als Staat bedeuten würde, was Pappé, wie ich vermute, bestimmt nicht will, sondern um den Hauptkontrahenten des Judentums, den Zionismus und dessen zionistisch-kolonisatorisches Projekt in Palästina. „I do not recall the precise moment of awakening, but there was such a moment when the un-Jewishness and immorality of the project became clear to me. I did, and still equate Jewishness and morality, not as superior to any other position, but rather a comfortable heritage I belong to and I can rely on when making moral judgments. And from this perspective, the Zionist project abused this kind of Judaism and this kind of morality. Worst of all was the Zionist and later Israeli abuse of the Holocaust memory to justify the dispossession of Palestine that disconcerted and outraged me. The abuse is obvious and yet so many today can still not see it. It was the departure point human and Jewish that recently led so many Jews to oppose crimes and policies done in the name of the state of Israel.” Pappés Projekt der “Entwaffnung Israels” bedeutet eine “ideologische Entwaffnung”, d. h. eine Entzionisierung Israels, aber nicht seine Zerstörung oder Auflösung. Die Einstaatenlösung ist vermutlich auch für ihn nur „a dream“ von einer guten Welt ohne bösen Staat, ein Neuanfang, der vielleicht Land Palästina heißen wird, wenn man seine Auseinandersetzung um Land und Staat so verstehen kann.

Ilan Pappé hat auf der Stuttgarter Konferenz auch über den Skandal des 21. Jahrhunderts gesprochen, und zwar die israelische Besetzung und fortdauernde Kolonisierung Palästinas. Den Aktivisten empfiehlt er, einen intensiven Dialog mit Israel zu führen, das sich als Teil der „zivilisierten“ Welt versteht, bei gleichzeitiger Beibehaltung seines „racist and supremacists“ Charakters. Wer das „Zionist mindset“ (Pappé) nicht versteht, wird auch keinen Erfolg bei der Lösung des Nahostkonfliktes haben, sei es in einer Ein- oder Zweistaatenlösung.

Die Frage wird nicht beantwortet, wer den das neue Paradigma machtpolitisch realisieren soll. Man liefert nur einige Schlagworte als Überschrift, ohne diese mit substanziellem Inhalt zu füllen. Gerade läuft auf der internationalen Ebene eine bisher nicht gekannte diplomatische Anerkennungswelle des Staates Palästina. Es wird darüber spekuliert, ob nicht sogar die USA einen Staat Palästina 2011 diplomatisch anerkennen werden. Außer einigen Aktivisten spricht niemand auf der Welt über eine Einstaatenlösung. Bis auf eine Handvoll Israelis halten fast 100 Prozent der Israelis diese Idee für einen „schlechten Witz“. Israelische Freunde/Innen gaben mir auf die Frage nach einer Einstaatenlösung zur Antwort: „Are you kidding?“ (Willst Du mich auf den Arme nehmen?) Bevor die Einstaatenlösung umgesetzt werden kann, muss zuerst eine „Deprogrammierung“ des politischen Bewusstseins der Israelis stattfinden, die Pappé (für sich) so wunderbar vollzogen und in Stuttgart geschildert und in seinem Buch beschrieben hat.

Wer nur das „Heil“ in einer Einstaatenlösung sieht, nimmt dem palästinensischen Volk die Möglichkeit, sich frei für seine Zukunft zu entscheiden. Das Recht auf Selbstbestimmung steht den Palästinensern ebenso zu wie den Israelis. Erst wenn erstere zu ihrem Recht gekommen sind, haben sie die Möglichkeit, sich für andere Optionen zu entscheiden. Die Solidaritätsbewegung will doch nicht ernsthaft klüger sein als der kollektive Wille des palästinensischen Volkes! Auf deutsche Bedenken und Skrupel sollte generell niemand Rücksicht nehmen, da sie in Bezug auf den Nahostkonflikt unpolitisch, sprich einseitig sind. „Stuttgart war eine Station. Der Zug fährt jetzt woanders weiter“, wie es Pappé euphemistisch umschreibt. Hoffentlich fährt er nicht nach Nirgendwo.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Sarah Palin´s America by Heart

Sarah Palin tauchte im Jahre 2008 aus dem Nirgendwo als Vizepräsidentschaftskandidatin von John McCain auf. Damals wusste sie gerade einmal, dass Alaska zu den USA gehört. Ob sie auch weiß, wann die USA es vom zaristischen Russland erworben hatten, ist nicht bekannt. Ihr Weltbild ist mit simple noch positiv umschrieben. Seit sie als Gouverneurin von Alaska zurückgetreten ist, arbeitet sie an ihrer Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner im Jahr 2012. Um dieses Ziel zu erreichen, zieht sie alle rhetorischen Register.

Sie ist der Shooting-Star der so genannten Tea-Party-Bewegung, einer kleinbürgerlichen Bewegung mit faschistischen Neigungen. Auf deren Veranstaltungen hält sie nationalistisch-schwülstige Reden, die alle Ressentiments bedienen, die im „Land der Unbegrenzten Möglichkeiten“ gerade en vogue sind. Sie ist die „dancing-queen“ der kriegslüsternen Neocons, der christlichen Fundamentalisten und der reaktionärsten Elementen der Republikanischen Partei.

„America by Heart“ ist ihr politisches Manifest. Wie viel sie eigenhändig dazu beigesteuert hat, bleibt im Bereich der Spekulation. Die persönlich-biographischen Anmerkungen darf man ihrer Eigenleistung zugutehalten. Die historisch-ideengeschichtlichen und ökonomisch-politischen Passagen mögen von wem auch immer stammen. Überschwänglich bedankt hat sie sich bei der Publizistin Jessica Gavora, die zufällig mit dem konservativen Journalisten Jonah Goldberg verheiratet ist.

Ihr Buch ist eine Manifestation des US-amerikanischen Nationalismus und Exzeptionalismus. Eine Hommage an das Militär. Die Selbsteinschätzung der USA als einer “leuchtenden Stadt auf dem Hügel“ ist durch die imperiale Geschichte der USA zu einer Karikatur verkommen. Im Angesicht der neokolonialen Eroberungskriege in Irak und Afghanistan klingt es wie blanker Zynismus. Über das gesamte Buch hinweg arbeitet sie sich an ihrem Feindbild, US-Präsident Barak Hussein Obama, ab. Der feindseligen Rhetorik und den Hass-Tiraden der Palins, Limbaughs, O`Reillys und Glenn Becks unterliegt ein Subtext: Rassismus. Noch nie ist ein US-Präsident von reaktionären Elementen so dämonisiert worden wie Obama. Man vergleicht ihn mit „Hitler“; er sei in Wahrheit ein „Muslim“ oder gar ein „Kommunist“. Dieses Klima der Dehumanisierung des politischen Gegners könnte vermutlich auch zum Attentat auf die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords aus Tucson/Arizona beigetragen haben. Der Wahlkreis dieser Abgeordneten wurde von ihr auf ihrer Facebook-Seite mit einem Fadenkreuz gekennzeichnet. Dieses politische Symbol sollte alle diejenigen stigmatisieren, die für Obamas Gesundheitsreform gestimmt haben wie Frau Giffords. Palins Schlachruf dagegen lautete: "Don´t Retreat, Instead - Reload!" Sie verstieg sich sogar in ihrer Verteidigungsrede, dass man eine „Ritualmordlegende“ (blood libel) in die Welt gesetzt habe, um Hass und Gewalt zu schüren., anstatt diese zu bekämpfen. Ob sie den Hintergrund eines solchen niederträchtigen Vergleichs kennt, kann nicht vorausgesetzt werden. Auch hatte sie aufgerufen, Julian Assange, den Gründer von WikiLeaks, "zur Strecke zu bringen",

„America by Heart“ könnte Palins Schlachtruf für ihren bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf werden. Gnade der Welt Gott, wenn sie gewählt werden würde. Wer politisch so unverantwortlich herum schwadroniert, könnte bei passender Gelegenheit auch mit Atomwaffen unverantwortlich um sich schießen. Die finsteren Kräfte hinter ihr befürworten weitere Kriege der USA, wie z. B. gegen Iran. Ihre diffuse Philosophie eines „commonsense constitutional conservatism“, der auf der Verfassung und dem gesunden Menschenverstand beruht, erinnert sehr stark an George W. Bushs „benign conservatism“, der sich dann als brutaler ökonomischer Darwinismus gepaart mit aggressiven Eroberungskriegen entpuppte, die den Westen in eine Katastrophe gestürzt haben.

Über viele Seiten redet Palin über ihre religiösen Neigungen, die denen von Bush ähneln. Dies lässt ebenfalls schlimmes erahnen. Bush berief sich bei seinen Entscheidungen immer wieder auf eine „höhere Eingebung“ und seinen direkten Draht zu einer Transzendenz. Palin ist auch eine fanatische Abtreibungsgegnerin.

Die Popularisierung ihres reaktionären Weltbildes wird weitgehend von den konservativen Medien bewerkstelligt. Der politische Gegner sollte ihre Ausführungen über Nation, Glaube, Militär und Nationalismus genau zur Kenntnis nehmen, damit er nicht sagen kann, er habe dies nicht gewollt, geschweige denn nicht gewusst. Einen weiblichen George W. Bush haben die USA für die nächsten hundert Jahre nicht verdient. Dieses politische Pamphlet bedarf auch keiner Übersetzung in andere Sprachen.

Mittwoch, 12. Januar 2011

John Strawson, Partitioning Palestine

This book does away with some myths that surrounded the Israeli-Palestinian conflict until today. One myth, for example, is the belief that the creation of the Jewish state is commonly regarded as a form of international compensation to the Jews for the Holocaust. It is claimed that guilt, in particular “western guilt”, led the international community to foist the Jews onto the innocent Palestinians, and thus provoking the conflict.

John Strawson’s penetrating analysis of the UN debates and the partition proposal contained in the report of UNSCOP (United Nations Special Committee on Palestine) show no such intention. The Holocaust is rarely mentioned, and there are no expressions of guilt. UNSCOP´s recommendations for partition were not “intended as a solution to the ´Jewish problem`”. The author is struck by the callous manner in which the Holocaust was either ignored or referred to. In the debate on the report in the United Nations, there were also anti-Semitic remarks which were common and never challenged.

What is even more noteworthy, is the fact, that the representative of the Soviet Union to the UN Security Council, Andrej Gromyko, was the only one arguing that the Jewish people had the right to their one state because they not only incurred the Holocaust but also by “the inaction of the Western allies to prevent the Holocaust”. Gromyko continued: “It would be unjustifiable to deny this right to the Jewish people, particularly in view of all it has undergone during the Second World War.” The Soviet Union went even further in supporting the UN partition resolution by describing Zionism as the “national liberation movement of the Jewish people”. In contrast to Gromyko’s arguments, the main aim of the Zionist representatives was to establish the Jewish state by “public law”; they never used the Holocaust as a supportive argument. On the other hand, the Palestinian side regards this Zionist aim as “illegal”. Both sides have their legal narratives of international law to legitimize their actions and delegitimize those of the other. The author regards this kind of “legal fundamentalism” as a major stumbling block towards a peaceful settlement between both peoples.

John Strawson is Reader in Law at the University of East London. From 1996 to 2006 he visited Palestine and taught at the Institute of Law at Birzeit University in Ramallah. Despite being fully aware of the brutality the occupation inflicts upon the daily life of the Palestinians, he puts forward a convincing case for the Zionist-Israeli side. He shows to the reader that its claim is supported by facts and documents, and that international law is not implicitly on the side of the Palestinians as many people presume. Having taken the UN documents seriously and as a point of departure for the discussion, the author does not see these legal instruments as dictating a singular meaning but rather what possibilities they offer to the solution of the current stalemate. In his introductory remarks, Strawson warns the reader that this book will irritate not only Israelis and Palestinians but also their supporters, and he is right. First, one has to get rid of the idea that international law sets a series of strict imperatives that must be followed. The book “Partitioning Palestine” conveys a specific message: “Law and justice cannot operate without wisdom. International law needs to encode the wisdom of compromise that can aid both parties to attain their state on the basis of full equality and security.” The international community needs to guarantee that this happens.

All seven chapters focus on different ways in which Israelis and Palestinians have narrated the key legal texts of the conflict, such as the League of Nations Mandate, the UN partition plan and the Oslo accords. The author demonstrates how the conflicting readings of these documents have shaped national identity and exacerbated the conflict. In chapter one, Strawson shows that the future of Palestine was already an international concern in 1917 when the US supported the establishment of a national home for the Jewish people. Supreme Court Judge Louis Brandeis convinced US President Woodrow Wilson to put US influence in the balance for a Jewish state. The Balfour Declaration did the rest: It “clarified the national rights of the Jewish people while apparently questioning national rights for the Palestinians”.

When the League of Nations mandated Palestine to the British, the text of the Mandate for Palestine “represented a major victory for the Zionists in that the Jewish national home assumes the central place in the text”, writes the author. Article 4 granted to the Zionist movement an officially recognized role in Palestine. This role was not only confined to represent the Palestinian Jews but to “secure the co-operation of all Jews”. In this document “the Palestinian Arabs are not designated as a people”. The Arab character of Palestine was only alluded to in the form of the language. Besides English and Hebrew there was also Arabic. The collaboration between the Hashemite and the Zionist representatives administered a severe blow to the interest of the Palestinian people. This collaboration lasted until the 1930s when Palestinian lawyer Wissam Boustany challenged the legality of the Mandate, although his use of the term “legalization” appeared as if he had accepted “that the Jewish national home was a lawful project”, writes the author. His political characterization of the conflict as international became highly significant. Palestinian identity and Arab nationalism overlapped and became the main feature of future developments. According to Strawson, Palestine was to become a symbol of Arab unity which was being threatened by Zionism. Consequently, legal rights in Palestine were to be seen as affecting the legal rights of all Arabs.

What the Palestinian and Arab leadership had not fully grasped was the shift of power during the Second World War. The Arab League reconstituted the Arab Higher Committee (AHC) with the totally discredited Mufti Haj Amin Al Husseini at its head but with Jamal Al Husseini actually responsible for it in Palestine. Despite the Mufti´s close collaboration with the Nazi regime, the Palestinian leadership was to defend the Mufti after the war. Within the Zionist camp there were many protagonists calling for a bi-national solution. The most prominent organization was Hashomer Hatzair whose political party Mapam gained the second largest number of seats in the first Israeli Knesset. But after the adoption of the partition resolution the support for these ideas among the Jewish community ended significantly, writes Strawson.

The UNSCOP was established in May of 1947 with the task of making proposals for a solution on the future of the country. The Arab League did not cooperate with UNSCOP. The report included, however, a reference to an authoritative statement of the Arab League on Palestine which it took as an “Arab assessment”. In one passage, Zionism was accused as an “expansionist projects at the expense of the Arab countries”. It involves “recourse of terrorism” and the establishment of a “secret army” which would cause an “atmosphere of tension and unrest”. Further it declared that “against a state established by violence, the Arab states will be obliged to use violence; that is a legitimate right of self-defense”. John Strawson concludes: The content of the statement was clear: “the Arab League was threatening to use force if a Jewish state were to be created.” Any violence by Arabs – and not just Palestinian Arabs – was not only a legitimate response, but also constituted in their view self-defense, writes the author.

According to Strawson, in the UNSCOP recommendations there is only “one oblique reference to the Holocaust”, i. e. a reference to the displaced persons whose “present plight is difficult”. “The mass murder of Jews is never mentioned.” With few exceptions, this holds true for the debate of the report in the United Nations. “Contemporary arguments that the international community decided to create a Jewish state in a wave of guilt for the Holocaust is not borne out be reading UN documents. There were no expressions of guilt nor was there any public opposition to anti-Semitic statements expressed in the debates. It is noteworthy, that UNSCOP addresses not only the Jews in Palestine but also the “Jewish people as a whole”. Taking up this commitment, the report continues “would imply that all Jews in the world who wish to go to Palestine have the right to do so”. In lieu of the absence of a submission by the AHC, UNSCOP considered proposals by the Arab League to the London Palestine conference that called for a “unitary state, with a democratic constitution and an elected assembly”. This constitution contained articles that would limit Jewish representation in the democratic assembly to one-third, irrespective of the size of the Jewish population. The author writes that the actual proposal would have created a legally entrenched ethnic ascendancy, not unlike Northern Ireland at the time. “Yet the reality is that the 1947 proposals would have created a Palestine where Arabs would be legally privileged over Jews.” Strawson does not mention, however, that after the establishment of the State of Israel, the Zionists did privilege the Jewish inhabitants of Israel over their Arab compatriots by law, thus creating a state which discriminates against non-Jews.

The Soviet Union and its Eastern allies voted not only for the creation of a Jewish state but also provided military support for Israel´s war against the Arab armies, whereas the Palestinian Arabs increasingly became subject to the policies of the Arab world. When the author discusses the so-called Israeli Declaration of Independence, he stresses the legitimacy for the state on the basis of historical claims and the way they had been recognizes by the “international community”. The Jewish state was established by public law as a “natural right”, and no invocation of a divine right to the state was made. The Holocaust was mentioned in the declaration not as a justification for its establishment, but “as the acute modern example of why the Zionist movement´s project of overcoming the homelessness of the Jewish people was necessary”. The Holocaust was seen as part of the narrative of the Jewish people. The author dismisses the widespread assumption that the Holocaust was the central reason for the establishment of the Jewish state. With the exception of the Soviet Union, none of the other actors at the time saw Israel´s creation as a compensation of the Holocaust.

When Strawson discusses Israel´s policy of expulsion of the Palestinians, he does neither endorse the arguments made by Benny Morris nor those of Ilan Pappé or Nur Masalha. He not only rejects Morris´ argument that the displacement of the Palestinians was “inherent in Zionist ideology”, but also Pappé´s who claims that the Plan D was a “blue print for ethnic cleansing”, not to speak of Masalha´s notion that transfer (expulsion) was a “secret policy”. Contrary to their views, he argues that transfer was not central to Zionism. As a case in point, he quotes the revisionist Zionist leader Zeev Jabotinsky who was totally opposed to transfer. The “evidence” of the notion of transfer can only be linked to the figure of Yosef Weitz who, according to the author, was the only figure campaigned before and after the creation of Israel for such a policy.

At the end of his book, Strawson argues that the main obstacle to a solution of the conflict lies in the legal narratives of Palestinians and Israelis, which reinforce rather than resolve the conflict. In the last chapter the author places most of the blame on Israel´s policy, while in the other chapters he regards the Zionist-Israeli narrative as better supported by the documents than the Palestinian-Arab one. For Strawson, Zionism and Palestinian nationalism are equally legitimate. Neither side has the right to use international law as claim to sole representation. International law should be used to foster dialogue on the basis of equality, self-determination and human rights. Only through “Partitioning Palestine” can the conflict be ended, so the author. According to him, Israel´s colonial settlements, the rights of refugees to return to the Palestinian state and ending both state violence and terrorism must be addressed. International law should be deployed, not to censor either side but to provide the means for peace and reconciliation. Taking Israel´s and the US American rejectionist policies into account, one must be skeptical whether international law can fulfill the author´s expectations. People with a fixed image of the conflict will find the book irritating.

First published here and here.

Donnerstag, 6. Januar 2011

Zur „Vision“ einer Einstaatenlösung im Nahen Osten

Die Stuttgarter-Konferenz von Ende November und die darauffolgende „Stuttgarter Erklärung“ haben sich als das entpuppt, was Kritiker befürchtet haben, und zwar als Dokument der Spaltung der zivilgesellschaftlichen Solidaritätsbewegung in so genannte Visionäre und alte „Experten“, die man hinter sich lassen müsse. Nicht „Utopisten“ seien gefragt, sondern „Visionäre“.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat den Kritikern seiner pragmatischen Haltung in der Nachrüstungsdebatte, die ihm einen Mangel an „Visionen“ vorgeworfen haben, geantwortet: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Die „Vision“ einer Einstaatenlösung kann nur von Israel durch die weitere Kolonisierung des palästinensischen Heimatlandes realisiert werden. Die „Vision“ einer Einstaatenlösung ist eine Utopie wie die „Civitas solis“ („Der Sonnenstaat“) von Thommaso Campanella, und die „Visionäre“ sind die eigentlichen Utopisten.

Wenn in einem Artikel in der „Neue Rheinische Zeitung“ mit dem Titel „Feigheit vor dem Freund“ in einer Art totaler Verkennung der machtpolitischen Realitäten behauptet wird, es reiche nicht, eine „Hoffnungsideologie“ zu verbreiten, nur weil sich diese in gewissen kirchlichen und politischen Kreisen besser verkaufe, stellt sich zwangsläufig die Frage, wer denn angeblich eine solche Ideologie verkaufe. Man kann sich zwar denken, auf wen diese Giftpfeile abgeschossen worden sind, aber ein offenes Wort der Verfasserin würde der Klärung der Fronten dienen.

Wer das Blog des hervorragenden Jazz-Saxophonisten Gilad Atzmon völlig unreflektiert lobt und weiter überschwänglich bekennt, das Atzmon durch seine Grußwort-Einlage fasziniert habe, unterschlägt, dass Atzmon durch seine extremistischen Positionen, wie z. B. sein Eintritt für die „Auflösung Israels“ und die Ersetzung durch einen gesamtpalästinensischen Staat, nicht nur dafür massiven Widerspruch geerntet hat, sondern auch wegen seiner geschichtsrevisionistischen Thesen von weiten Teilen der Solidaritätsbewegung abgelehnt wird. Die zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegung sollte einen solchen Weg in den Extremismus nicht mitgehen, weil dies Wasser auf die Mühlen der laufenden Delegitimierungskampagne der israelischen Regierung und ihrer Unterstützter gegen so genannte Israelkritiker wäre.

Die Meinungen zu einer Einstaatenlösung wie die zu einer Zweistaatenlösung sollten als intellektuelle Denkmodelle den gleichen Stellwert besitzen und undogmatisch diskutiert werden. Wer daraus unnötig einen „Glaubenskrieg“ macht, spaltet nicht nur die zivilgesellschaftliche Solidaritätsbewegung, sondern fällt auch der BDS-Kampagne in den Rücken.

Samstag, 1. Januar 2011

The „rogue state“: the United States of America?

Das US-amerikanische Imperium gefällt sich seit Jahrzehnten in der Pose, andere Länder, die sich nicht ihrem Diktat unterwerfen oder ihrem Hegemonie-Streben die Stirn bieten, als „Schurkenstaaten“ oder „evil empire“ zu verleumden und letztendlich zu überfallen. Kein geringer als Noam Chomsky hat deshalb sein Land als „rogue state“ bezeichnet. Die Geschichte der USA zeigt, dass kein Land die Freiheit und Souveränität anderer Staaten stärker bedroht als die Vereinigten Staaten von Amerika, und dies auch noch im Namen von „spreading democracy“, American-style könnte man hinzufügen. Sieht man einmal von dem antikolonialen Befreiungskrieg ab, der zur Unabhängigkeit der USA geführt hat, zielten alle weiteren Kriege auf Eroberung von Territorien und Ländern, die die USA nie wieder verlassen haben. Von den zahlreichen Staatsstreichen, an denen die USA durch ihren Geheimdienst CIA beteiligt waren, gar nicht zu reden. In mehr als drei Viertel aller Staaten sind US-amerikanische Soldaten stationiert, und es gibt 1 000 Militärstützpunkte, d. h. diese Länder sind quasi besetzt, ihre Souveränität gilt als eingeschränkt. Freiwillig haben die USA kein Land wieder verlassen, in dem sie sich einmal festgesetzt haben. Aus Vietnam und Iran konnten sie nur gewaltsam vertrieben werden. Wenn US-Präsident Barack Hussein Obama von Abzug aus Irak oder Afghanistan spricht, bedeutet dies nichts, wie die Um-Definition von 50 000 US-Kampftruppen zu „US-Aufbauhelfern“ zeigt. Die US-Besatzungsgeschichte lehrt etwas anderes: Die USA werden sich aus keinem besetzten Land freiwillig zurückziehen, bis sie und ihre Helfershelfer gewaltsam aus diesen hinausgeworfen werden.

Wie durch die Veröffentlichungen von WikiLeaks weltweit bekannt geworden ist, sind die US-Botschaften „Spionagezentren“, wie z. B. die Anweisung des US-State Departments an die UN-Vertretung der USA zeigt. Dass die US-Botschaften mit CIA-Beamten vollgepackt sind, ist ein offenes Geheimnis. Dass es darüber hinaus in den „befreundeten“ Ländern ein Heer von Informanten gibt, darf vorausgesetzt werden. Jüngstes Beispiel eines „wohlwollenden Gesprächspartners der US-Amerikaner“ war ein sehr enger Mitarbeiter des FDP-Chefs Guido Westerwelle, der auch noch deutscher Außenminister ist. Dass die US-Botschaften und ihre CIA-Mitarbeiter an zahlenreichen Staatstreichen beteiligt waren, ist bekannt. Ob es 1953 im Iran, 1973 in Chile oder wie es in zahllosen US-beherrschten Bananenrepubliken der Fall war. In vielen Ländern hat der CIA zur Destabilisierung US-unfreundlicher Regierungen wesentlich beigetragen. Andere Länder werden dämonisiert wie heute wieder China oder Iran. Staaten werden unter dem Vorwand der Förderung des internationalen Terrorismus überfallen wie Afghanistan und Irak, oder es werden verdeckte Stellvertreterkriege geführt wie in Pakistan, Jemen, Somalia oder in Afrika. Es scheint, als gehöre der Krieg zur zweiten Natur des US-Imperiums wie die Luft zum atmen.

Von 32 kriegerischen Konflikten in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts handelt es sich bei zwei Dritteln um Auseinandersetzungen mit der islamischen Welt. Seit den Kulturkampfthesen von Bernhard Lewis (1964) und Samuel P. Huntington (1993) führt der Westen einen „Kreuzzug“ gegen den Islam, und spätestens seit 9/11 der Islamismus einen „Jihad“ gegen den Westen. Man scheint schon vergessen zu haben, dass Al-Kaida eine US-amerikanisch-pakistanisch-saudi-arabische Hebamme hatte. Auch haben die USA wesentlich zur Fundamentalisierung des Nahen und Mittleren Ostens beigetragen, indem sie den säkularen arabischen Nationalismus als kommunistisches Vehikel missverstanden und deshalb bekämpft und sich mit den reaktionärsten islamistischen Repräsentanten und Organisationen verbündet haben. Dazu schreibt der Wissenschaftler Gilbert Achcar: “The present strength of Islamic fundamentalism is a direct product of very direct US policies (...) Secular nationalism has been weakened and destroyed by the United States as its main enemy. In the 1960s, the dominant trend in the Muslim world in general was secular nationalism and, in the Arab world, Arab nationalism as embodied by Egyptian president Gamal Abdel Nasser. The United States fought this brand of nationalism, basing itself on the most reactionary brand of Islamic fundamentalism implemented and propagated by the Saudi kingdom.” Die seit 43 Jahren andauernde Besetzung palästinensischen Landes durch Israel und die des US-Imperiums in Afghanistan und Irak verstärkten noch diesen Trend. Der älteste Alliierte der USA im Nahen Osten ist übrigens nicht Israel, sondern Saudi-Arabien.

Spätestens seit den Überfällen der USA und ihrer „willigen Vollstrecker“ auf Afghanistan und Iraq, die zu einer humanitären Katastrophe in diesen Ländern geführt hat, befindet sich der Westen in einer Legitimitätskrise. Diese Kriege im Namen „westlicher Werte“ haben den moralischen Tiefpunkt offengelegt, an dem sich die Demokratien des Westens befinden. Um noch an Glaubwürdigkeit zu retten, was noch zu retten ist, sollten sich die Staaten des Westens von der US-amerikanischen Okkupation dieser Länder verabschieden, weil sie sonst in einer US-Besetzung ad infinitum gefangen bleiben werden. Es werden Milliarden von Euro und US-Dollar in den Sand gesetzt, die überall für Sozial- und Wirtschaftsprogramme fehlen. Die Armut in den USA und den Ländern der Europäischen Union hat Rekordhöhen erreicht. Hartz-IV-Empfänger in Deutschland sollen fünf Euro Almosen mehr erhalten, gleichzeitig werden Milliarden am Hindukusch versenkt. Was ist dies, wenn nicht politischer Zynismus? Am Hindukusch wird nicht die Freiheit, sondern die geopolitische Expansion des US-Imperiums verteidigt und gefestigt. Dies liegt nicht im europäischen und schon gar nicht im deutschen Interesse. Die Fragwürdigkeit „westlicher Werte“ und die moralische Krise des Westens offenbaren sich auch im Schweigen der „westlichen Staatengemeinschaft“ gegenüber der Abriegelung des Gaza-Streifens durch die israelischen Besatzungstruppen. Die humanitäre Katastrophe der Menschen in diesem „Freiluftgefängnis“ ist die Kehrseite der moralischen Krise des Westens und seiner Politik des doppelten Standards.

Die Europäische Union sollte sich von der US-Dominanz lösen, weil die Werte, für die das US-Imperium steht, keine „westlichen Werte“ sind. Besetzung, Unterdrückung, Ausbeutung, Mord, Folterungen und das Wegsperren von Menschen ohne ordentlichen Prozess stellen eine Karikatur westlicher Werte dar. Davon und von dem US-Konzept eines „permanenten Krieges“ sollten sich die europäischen Demokratien schnellstens lossagen. Wie besessen und irrational die Vertreter des US-Imperiums handeln, zeigen die antidemokratischen Machenschaften gegen den Gründer von WikiLeaks, Julian Assange. Nicht nur werden zivile Organisationen unter Druck gesetzt, alle Kontakte zu WikiLeaks zu kappen, sondern führende Republikaner u. a. rufen offen zu Liquidierung Assanges auf, und die US-Administration beugt das Recht, um eine „Rechtsgrundlage“ für einen „Schauprozess“ gegen Assange zu initiieren. Einer Auslieferung von Julian Assange an die USA muss deshalb von allen demokratischen Kräften Widerstand entgegengesetzt werden, weil ihn dort nicht nur kein fairer Prozess erwartet, sondern, wie Assange nicht zu Unrecht vermutet, auch seine Ermordung. Die Solidarität des demokratischen Westens und seiner zivilgesellschaftlichen Kräfte sollte auch dem US-Soldaten Bradley Manning gelten, dem vorgeworfen wird, „geheimes“ Material an WikiLeaks weitergegeben zu haben, was unbewiesen ist. Mr. Manning wird seit über sechs Monaten in Isolationshaft unter unmenschlichsten Bedingungen gefangen gehalten, um ihn „weichzukochen“, damit der gegen Assange aussagt, wofür ihm Straffreiheit zugesichert worden sei. Mannings Material ist es zu verdanken, dass die Weltöffentlichkeit erfährt, wie brutal sich die US-Besatzungstruppen in Irak verhalten. Der „killing spree“ der Besatzung eines US-Apache-Kampfhelikopters auf harmlose Zivilisten und deren Retter zeigt der Weltöffentlichkeit wahrscheinlich nur die Spitze eines Eisberges des „benign“ Hegemons, wie einige europäische Analysten fälschlicherweise die Expansionspolitik des US-Imperiums interpretieren. Aufgrund der noch unentdeckten möglichen Kriegsverbrechen der US-Besatzungstruppen in Irak und Afghanistan sollte Mao Zedongs berühmte Tausend-Blumen-Losung ins heute gewendet lauten: Lasst Tausend Bradley Mannings und Julian Assanges blühen!