Dienstag, 25. Oktober 2011

"Zwei Völker, ein Staat"

Am 19. Oktober hat Fuad Hamdan in der "Süddeutsche Zeitung" (SZ) einen Gastbeitrag unter dem Titel "Zwei Völker, ein Staat" veröffentlicht. Folgenden Leserbrief habe ich dazu geschrieben, der am 10. November 2011 in der "SZ"veröffentlicht worden ist.

Theodor Herzl für die Realisierung der Utopie einer Ein-Staaten-Lösung für den Nahostkonflikt in Anspruch zu nehmen, ist vermessen. Seit einigen Jahren - und zuletzt auf einer Konferenz in Stuttgart -wurde in einer so genannten Stuttgarter Erklärung für diese These geworben. Ihre Protagonisten offenbaren durch diese Forderungen ihre Unkenntnis über die Ursprünge und die Ziele des Zionismus. Aufgrund des latenten Antisemitismus in Europa des 19. Jahrhunderts ging es dem Zionismus immer nur um die Lösung der Judenfrage (Herzl), und zwar in einem eigenen Staat für das jüdische Volk. Für die Lösung der Palästinenserfrage fühlt sich der Zionismus nicht zuständig.

In Israel gibt es vielleicht ein Dutzend Israelis, die sich für einen bi-nationalen einsetzen. Ihr politischer Einfluss ist gleich Null. Vor der Staatsgründung war dies anders. In den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben sich Martin Buber, Gerschom Scholem u. v. a. m. für diese fortschrittlichste aller Lösungen eingesetzt. Matzpen in Israel, die Kommunistische Partei Israels, ja selbst der Kommunistische Bund in der Bundesrepublik Deutschland haben sich für einen multinationalen Staat in Palästina ausgesprochen. Konnten sich die jüdischen Vertreter einer Ein-Staaten-Lösung schon nicht gegen die Vorstellung der damaligen Vertreter des Zionismus auf der internationalen Bühne durchsetzen, umso weniger werden die heutigen Vertreter dieser Idee gehört werden.

Die elf Punkte, die der Autor aufzählt, hören sich gut an, das Problem ist nur, dass es keine relevante Macht auf der Welt gibt, die diese Utopie politisch unterstützt. Selbst die palästinensische Führung hat gerade ihr Bewerbungsschreiben für die Aufnahme eines Staates „Palästina“ in den Kreis der Völkerfamilie beantragt. In Israel gelten Befürworter einer Ein-Staaten-Lösung als „Staatsfeinde“. Warum fordert die politische Klasse Israels von ihren palästinensischen Gegnern die Anerkennung Israels als eines jüdischen Staates, wenn sie zu bi-nationalen Ufern aufbrechen wollte?

Eine Ein-Staaten-Lösung würde für die Palästinenser die Akzeptanz von Bürgern zweiter Klasse auf ewig bedeuten. Selbst der israelische Friedensaktivist Uri Avnery, der von rechtsnationalistischen und rechtsextremen Kreisen als „linksextrem“ eingeschätzt wird, hält von diesem Konzept gar nichts. "Das ist leeres Geschwätz einiger weniger Professoren, die schlicht die Nase voll haben von Israel und es auflösen wollen." Auch für Noam Chomsky, Norman Finkelstein und Felicia Langer sprechen politische und völkerrechtliche Gründe gegen das Konzept einer Ein-Staaten-Lösung.

Der Autor und die anderen Exil-Palästinenser sollten sich für ein Ende der 45-jährigen Besatzungsherrschaft und die Umsetzung von Völkerrecht einsetzen, denn nur dadurch kann ein Staat „Palästina“ entstehen. Jegliches Gerede von einer Ein-Staaten-Lösung ist Utopie – ein Nicht-Ort.

Veröffentlicht auch auf meiner Website hier.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

The Iranian Terror Plot: ein Schwindel?

Warum wird gerade jetzt eine angebliche Terror-Verschwörung der iranischen Regierung gegen den Botschafter Saudi-Arabiens in den USA aufgedeckt? Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat zuletzt vor den Vereinten Nationen im September vor einer angeblichen iranischen nuklearen Gefahr für die gesamte Welt gewarnt; dies tun die Israelis schon seit fast 20 Jahren. Mit den israelischen Voraussagen über die Fertigstellung einer iranischen Atombombe verhält es sich so wie mit den Voraussagen des Weltuntergangs durch christliche Fundamentalisten. Noch in diesem Jahr müsse ein Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen erfolgen, lassen sich immer wieder israelische Stimmen vernehmen, da es nicht fünf vor zwölf, sondern bereits fünf nach zwölf sei. Aber ohne die Mitwirkung der US-Regierung an einem solchen Überfall auf ein weiteres islamisches Land gliche dieses Unternehmen einem Himmelfahrtskommando. Die Konsequenzen wären für die USA noch verheerender als ihre bisherigen außenpolitischen Abenteuer.

Das Drehbuch für den erneuten Geheimdienst-Thriller hätte aus Hollywood stammen können, wenn es nicht so primitiv inszeniert und begründet worden wäre. In der Inszenierung solcher Thriller ist Hollywood einfach besser als die US-Geheimdienste. Die Journaille jedoch hat diese Terror-Fabel begierig aufgegriffen, ohne diese auch nur einmal auf die dahinterliegen wirklichen Motive abzuklopfen. Alles wurde zum Nennwert genommen. Der iranische Geheimdienst und mit ihm Präsident Mahmoud Achmadineschad müssen die größten Dilettanten sein, wenn sie die Ermordung des saudischen Botschafters an die mexikanische Drogen-Mafia „outsourcen“ oder in den USA solch ein Verbrechen durchführen würden. Dass angeblich auch ein Anschlag auf die israelische Botschaft in Washington geplant gewesen sei, sollte wohl der ganzen Geschichte noch eine zusätzliche Dramatik verleihen. Der Subtext dieser Botschaft lautet: Die beiden engsten Verbündeten der USA sollten angegriffen werden.

In einem Bericht der „New York Times“ ist zu lesen: „For the entire operation, the government’s confidential sources were monitored and guided by federal law enforcement agents, Preet Bharara, the United States Attorney for the Southern District, said in the news conference. ‘So no explosives were actually ever placed anywhere,’ he said, ‘and no one was actually in ever in any danger.” Ins Deutsche übertragen, heißt dies: Die ganze Geschichte war von Anfang bis Ende made-up.

Warum sind diese Meldungen einer vermeintlich kritischen Journaille nicht wie ein déjà-vu-Erlebnis von den virtuellen Atomwaffen des Irak vorgekommen? Diese Lüge diente 2003 der Bush-Regierung als Vorwand für den Überfall auf das Land. Soll jetzt ein erneuter Überfall der USA auf Iran mit Hilfe willfähriger Medien vorbereitet werden? Fürchtet US-Präsident Barack Hussein Obama um seine Wiederwahl, dass ein solcher Schwindel als Vorwand für einen erneuten Krieg der USA herhalten könnte? Haben nicht einige antimuslimische Extremisten vom Schlage eines Daniel Pipes Obama schon vor Monaten empfohlen, den Iran anzugreifen, um seine Wiederwahl zu sichern?

Dieser erneute Schwindel stellt der US-amerikanischen „Intelligence community“ kein gutes Zeugnis aus; er ist nur peinlich. Wenn die 17 US-Geheimdienste nicht überzeugender arbeiten können, sollten sie solch kniffelige Aufträge ihrem Alliierten übergeben; dieser bürgt für dauerhafte Qualität. Eine kritische Journaille hätte diesen Polit-Thriller von Beginn als das das entlarvt, was er ist: ein „fake“.

Freitag, 7. Oktober 2011

Nichts wird gut in Afghanistan!

Als die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, in ihrer Neujahrspredigt 2010 feststellte, das nichts gut in Afghanistan sei, fiel die versammelte politisch-mediale Klasse über sie her und schüttete Kübel voller Häme über ihr aus. Am 10. Jahrestag des Überfalls des Landes im Rahmen einer so genannten Operation „Enduring Freedom“ kann man lapidar das Scheitern des Afghanistan-Abenteurers durch die westlichen Kolonialmächte konstatieren. Aus einer „Operation andauernde Freiheit“ (Enduring Freedom) ist eine „Operation andauernde Besatzung“ geworden. Die westlichen Truppen, die den Afghanen die Segnungen in Form westlicher Werte bringen wollten, haben sich am Hindukusch festgebissen und den „befreiten“ Afghanen das hässliche Gesicht des ewigen Besatzers gezeigt. Selbst der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat, erklärte das Afghanistan-Abenteuer für gescheitert. Selbst der Ex-Kommandeur der ISAF-Truppen, der US-amerikanische General Stanley McChristal, zeichnete ein düsteres Bild der US-geführten Mission. McChrystal wurde von US-Präsident Barack Hussein Obama geschasst, weil er von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hatte und der Obama-Administration im Weißen Haus indirekt Ahnungslosigkeit bescheinigt hatte.

Den deutschen Steuerzahlern/Innen hat das Afghanistan-Abenteuer nach Berechnungen des DIW zirka 17 Milliarden Euro gekostet. Nach offiziellen Angaben sind bisher 52 Soldaten in diesem Krieg gefallen. Etwa 200 wurden verwundet, 1 800 sind traumatisiert und bedürfen ständiger medizinischer Behandlung. Die Opferzahlen bei den deutschen Spezialkräften sind nicht bekannt. Ein Ende dieser Besatzung ist nicht in Sicht. Angeblich soll das Abenteuer 2014 beendet sein, „sofern es die Sicherheitslage zulässt“. Dass die Sicherheitslages es natürlich nicht zulassen wird, pfeifen die Spatzen jetzt schon täglich von den Dächern Kabuls. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man sich den jüngsten Angriff einiger Taliban auf die US-Botschaft vergegenwärtigt. In Afghanistan befinden sich zirka 140 000 westliche Besatzungstruppen, plus die gleiche Anzahl angeheuerter Söldner, Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten und NGO-Mitarbeitern. Die Kosten der anderen Staaten dürften sich zusammengenommen in den Billionen Eurobereichen bewegen. Zum Beispiel kostet den USA ihr Afghanistanabenteuer monatlich 6,7 Milliarden US-Dollar. Der Irak-Krieg ist da mit 5,5 Milliarden US-Dollar im Monat noch verhältnismäßig günstig. Die USA versenken also mehr als 12 Milliarden US-Dollar im Monat, wohingegen die Armut im „Land er unbegrenzten Möglichkeiten“ grassiert, die Infrastruktur zerfällt und die Plutokratie weiter wächst. Am Ende dürfte der Nutzen dieses militärischen Engagements gegen Null gehen, wenn man sich das Schicksal anderer Afghanistanabenteuer wie z. B das der Briten und der Sowjets vor Augen führt.

Ergriffen von den tragischen Ereignissen des 11. September 2001 versicherte Bundeskanzler Gerhard Schröder der Bush-Administration und dem US-amerikanischen Volk „uneingeschränkte Solidarität“, was ihn aber nicht verpflichtete, in einen Krieg mit einzutreten. Die US-Regierung hatte von ihrem „Musterknaben“ gar keinen Kriegseintritt verlangt, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kürzlich enthüllte. Von einem moralischen Impuls erfüllt, endlich einmal für eine gute Sache mit Waffen kämpfen zu können, drängte sich die rot/grüne Bundesregierung den „Bush-Kriegern“ geradezu auf. Schon zuvor hatte die Schröder/Fischer-Regierung durch den Nato-Einsatz im Kosovo-Krieg das Land wieder kriegsfähig gemacht, was einer konservativen Regierung wohl nicht so geräuschlos gelungen wäre. Wie der Kosovo-Krieg moralisch überhöht worden ist, so auch der Eintritt in den Afghanistan-Feldzug. Es ging um nichts Geringeres als um „Deutschlands Freiheit“. Der damalige Verteidigungsminister Peter Struck sagte in einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt.“ Die Medien machten daraus einen politischen Running Gag: „Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt.“

Schon die politischen Begründungen des Afghanistaneinsatzes waren nicht interessengeleitet, sondern eher philanthropisch-karitativer Natur. Nicht um deutsche Interessen ging es, sondern es sollten die Frauen vom Schleier befreit, den Mädchen und Jungen die Möglichkeit zum Schulbesuch geschaffen sowie andere Infrastrukturmaßnahmen durch Soldaten gebaut werden. Alle diese zivilgesellschaftlichen Maßnahmen hätten besser durch GTZ-Mitarbeiter, Pädagogen, Sozialarbeiter und politische und karitative Bildungseinrichtungen geschaffen werden können, aber nicht durch die Bundeswehr, weil diese dafür nicht geeignet ist. Ihr primärer Auftrag ist bis heute laut Grundgesetz die Landesverteidigung. Unsere östlichste Grenze verläuft aber nicht durch den Hindukusch. Folglich ist der Einsatz der Bundeswehr wider das Grundgesetz. Dieser Unaufrichtigkeit der politischen Elite ist es u. a. auch geschuldet, dass man sich über acht lange Jahre hinweg weigerte, beim Afghanistaneinsatz von einem Kriegseinsatz zu reden. Nach neudeutscher Lesart war es ein „friedensschaffender“ Einsatz mit Waffen! Da es mit dem „friedensschaffenden Einsatz“ nicht weit her ist, ist ein sofortiger Abzug aus Afghanistan das Gebot der Stunde. Bündnissolidarität erschöpft sich nicht darin, zusammen unterzugehen.

Der ehemalige Stabsunteroffizier Achim Wohlgethan hat als erster deutscher Soldat zwei Bücher über seine Einsätze in Afghanistan geschrieben. In seinem jüngsten „Schwarzbuch Bundeswehr. Überfordert, demoralisiert und im Stich gelassen“ zeichnet der Autor ein wenig schmeichelhaftes Bild der Bundeswehr. Es scheint als „verteidige“ eine völlig überforderte Truppe „Deutschlands Freiheit“ am Hindukusch. Von einer kontroversen Debatte über diese Missstände ist im Deutschen Bundestag nichts an die Öffentlichkeit gedrungen, wie weiland beim letzten Drama, als über den Euro-Rettungsschirm abgestimmt worden ist. Wenn bei Schicksalsfragen des Landes keine kontroverse Debatte im Parlament mehr möglich ist, sind wir in der Tat weit gekommen.


Montag, 3. Oktober 2011

Israeli Rejectionism (Die israelische Politik des Zurückweisens)

Nachdem die palästinensische Führung 20 Jahre lang mit verschiedenen israelischen Regierungen über eine Lösung des Nahostkonflikts verhandelt hat, hat sie die Nase voll von der Farce, die die USA, der übrige Westen und sogar die besetzten Palästinenser unter der Führung von Mahmud Abbas "Friedensprozess" nennen. Abbas und seine Kumpane bitten die Vereinten Nationen, dem "Staat Palästina" den Status eines Vollmitglieds zu gewähren. Die israelische Regierung widersetzt sich diesem Antrag heftig, und so machen es auch die USA. Seit 1967, als die israelischen Verletzungen internationaler Normen immer wieder vor den UN-Sicherheitsrat gebracht wurden, hat die US-Regierung Israel lässig den Rücken gestärkt. Für die große Mehrheit der US-Regierungen war Israel immer "the good guy", sogar nachdem es im Juni-Krieg 1967 die USS Liberty vor der Küste Israels in internationalen Gewässern angegriffen und 34 US-Marines getötet hat. Bei der Frage, wer für den Stillstand in den Friedensverhandlungen in Nahost in den letzten 80 Jahren verantwortlich ist, ist das Buch "Israeli Rejectionism" aktuell.

Schon in der Einleitung zu diesem Buch machen die Autoren die israelische Führung für ihre Haltung der Zurückweisung gegenüber einem Frieden verantwortlich. "Unser Standpunkt ist es, dass Israel niemals vorrangig daran interessiert war, mit seinen Nachbarn Frieden zu schließen, wenn ein solcher Frieden nicht gänzlich zu seinen Bedingungen war." Nach Ansicht der Autoren hat Israel wiederholt verkündet, es sei dem Frieden verpflichtet, aber seine reale Politik war es, jeder realen Chance für Frieden entgegen zu arbeiten. Seine Führung war immer überzeugt, "dass Frieden nicht im Interesse Israels ist". Die Geschichte zeigt, dass das bis heute zutrifft. Diese einen Frieden zurückweisende Haltung hat sich nicht erst 1967 mit der Besetzung des übrigen Palästinas, auch nicht mit der Staatsgründung 1948 entwickelt, sondern kann bis zu den ersten zionistischen Führern zurückverfolgt werden, wie Theodor Herzl und besonders David Ben-Gurion, wie die Autoren schreiben. Als ein vorweggenommenes Resümee der Autoren kann man feststellen: Nicht Israel hat keinen "Partner für den Frieden", mit man zusammenarbeiten kann, wie die israelische Propaganda der Öffentlichkeit erzählt, sondern andersherum wird ein Schuh daraus: die Palästinenser haben keinen zuverlässigen "Partner für den Frieden". Um diese irrige Ansicht zu beweisen, durchlaufen sie eine Skala von Statements beginnend mit dem Slogan "Palästina – Heimat für die Juden?" über "Barak wirft jeden Stein zurück" bis zu "Frieden geht den Bach hinunter". Auf dieser Reise finden sie die Partei, die sich dem Frieden widersetzt: die verschiedenen Regierungen Israels.

Diese Behauptung der Autoren läuft der Propaganda durch die israelische Hasbara und ihrer Freunde in den USA und anderswo zuwider. Beide Autoren waren anfangs treue Anhänger der sozialistischen zionistischen Sache, die dem neugeborenen Staat mit der Kibbuz-Bewegung diente. Über viele Jahre waren sie treue Anhänger der zionistischen Ideologie. Besonders Zalman Amit war entschiedener Zionist, der sogar Botschafter der Vereinten Kibbuz-Bewegung in Kanada war. Dort hielt er Reden über die Werte des Zionismus. Auf einem der jüdischen Treffen, die er organisierte, hielt er einen Vortrag, den er nach den Normen der Ideologie der linksgerichteten Zionisten ausgearbeitet hatte. Nachdem er geendet hatte, fragte ihn ein israelischer Freund, der mehrere Tage lang an den Zusammenkünften teilgenommen hatte: "Glaubst du das alles wirklich?" Dann erklärte er ihm, dass Ben-Gurion "niemals Frieden wollte". Die zionistische Fassade brach langsam zusammen. Beide Autoren waren im Juni-Krieg 1967 eingerückt. Nach dem Sechs-Tage-Krieg hatten sie schließlich das Aha-Erlebnis in der Betrachtung der Realität des Zionismus. Zu diesem Zeitpunkt waren sie bereits erwachsen. Damals erkannten sie, wie schwierig es war sich selbst einzugestehen, dass sie einem Wunschtraum angehangen haben. Schließlich realisierten sie, dass Israel immer die Seite war, die Friedenschancen mit den Arabern sabotiert hatte. Moshe Dayans berühmte "Telefonstrategie" war für ihn eine Ausrede "nichts zu tun". Israel wartete auf einen Telefonanruf von den Arabern, aber der Anruf kam nie!

Viele Historiker und Politiker schätzen den ersten israelischen Premierminister David Ben-Gurion sehr. Aber das Bild, das die Autoren von seiner Politik zeichnen, zeigt ihn als bloßen Neinsager; er tat alles, um jeden Kompromiss mit der arabischen Seite zu sabotieren. Seine Politik war nach Meinung der Autoren, so viel Territorium wie möglich mit einem Minimum an arabischen Bewohnern zu erlangen. Wie seine Schriften zeigen, waren seine politischen Optionen Transfer und Vertreibung. Als Israel 1956 gemeinsam mit Frankreich und England den Sinai eroberte, sprach er vom "Königreich Israel" mit biblischen Grenzen, aber er vermied jede konkrete Festlegung, wo Israels Grenzen verlaufen sollten. Einen Tag vor der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel stellte sich bei einem Treffen zionistischer Politiker die Frage der Grenzen. Laut Protokoll sagte Ben-Gurion, das sollte den "Entwicklungen" überlassen werden, ein Euphemismus für spätere Eroberungen. Seit diesem Tag vermeidet die israelische Führung jede Aussage über den genauen Grenzverlauf. Die Autoren zeigen, dass der frühere ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser mehrere Friedensinitiativen startete, aber umsonst.

Die zionistische Führung war nicht daran interessiert und stellte ihn "als einen Feind des Staates Israel" dar. Ben-Gurion intrigierte auch gegen seinen Nachfolger Moshe Sharett. Er war - gemeinsam mit den Kolonialmächten Frankreich und England - eine treibende Kraft in der Konspiration von 1956 gegen Ägypten, um Nasser im Krieg von 1956 zu stürzen. Obwohl dieser Angriff militärisch erfolgreich war, wurde er, besonders für Ben-Gurion, zum Pyrrhus-Sieg. Die USA versuchten, Israel im UN-Sicherheitsrat als Aggressor verurteilen zu lassen. Zum ersten Mal setzten England und Frankreich ihr Veto gegen die USA ein. Massiver Druck von der Eisenhower-Administration führte zum Rückzug aller Besatzungstruppen von ägyptischem Territorium. Ben-Gurions "Drittes Königreich Israel" war von kurzer Dauer, es dauerte gerade einmal vier Tage.

Zwischen 1956 und 1967 gab es eine Anzahl militärischer Überfälle und Provokationen durch Israel gegen seine arabischen Nachbarn, so auf den Golan und in Gaza. Nach dem Junikrieg von 1967 wurde Ben-Gurions Traum wahr. Israel hatte Land erobert und berief sich auf "biblischen Anspruch". Nach den Autoren war Israel "vergiftet" von seiner Errungenschaft von "messianischem Ausmaß". In dieser Art "trunkener Euphorie" bezogen sich sogar selbst-ernannte Tauben wie Abba Eban auf die Waffenstillstandslinie als auf die "Auschwitz-Linien", und der Nationalist Menachem Begin forderte die vollständige Annexion der Westbank und Gazas. Die Autoren zeigen, dass die israelische Regierung gleich mit seinem kolonialen Projekt startete, indem es das an die Klagemauer angrenzende Viertel Mugraby räumte und zerstörte. Zu dieser Zeit verfasste Yigal Alon seinen berühmten "Alon-Plan", der noch immer als Blaupause für Israels expansionistische Politik dient.

Nach den Autoren – Zalman Amit und Daphna Levit – gibt es keine großen Unterschiede zwischen Labor-, Kadima- oder Likud-geführten Regierungen in Bezug auf die Kolonisierung der besetzten Gebiete. Was die drei politischen Lager voneinander trennt, ist nur eine Sache der Rhetorik. Zwischen dem Junikrieg 1967 und dem Yom Kippur-Krieg von 1973 gab es mehrere Friedensinitiativen von Präsident Nasser und seinem Nachfolger Anwar al-Sadat, aber Israel war nur gewillt "Frieden" zu seinen eigenen Bedingungen zu schließen. Die "expansionistischen Positionen" in der führenden politischen Klasse Israels dauerten an, wie das "Galilee document" enthüllt, das Israel Galili, ein Vertrauter von Ministerpräsidentin Golda Meir verfasste. "Es gab keinen entgegenkommenden Schritt in Richtung Frieden, und das stärkte wieder die Bereitschaft Ägyptens und Syriens zu einem Krieg."

Obwohl der Staat Israel die Oberhand hatte, beschädigte der plötzlich ausbrechende Yom Kippur-Krieg das Gefühl von Unbesiegbarkeit und ließ Israel mit einem Nach-Kriegs-Trauma zurück. Einige israelische Politiker realisierten, dass der Nahostkonflikt nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden kann, sondern nur durch ein Friedensabkommen. Der Grund, weshalb der Friedensprozess nirgendwohin geführt hat, liegt nach den Autoren in der Unwilligkeit des Landes, die besetzten Gebiete aufzugeben und die nationalen Bestrebungen des palästinensischen Volkes anzuerkennen. Der israelische Starrsinn setzte sich unter der Regierung von Menachem Begin fort, auch wenn er Frieden mit Ägypten schloss. Nach dem Fiasko im Libanon wurde er 1983 durch Yitzhak Shamir abgelöst. Shamir "war der Meinung, die einzig akzeptable Position für Israel sei auf keinen Fall ein Rückzug, und Frieden stand nicht oben auf seiner Agenda". Als Shamir bei den Wahlen von 1992 Yitzhak Rabin unterlag, machte er klar, "seine Absicht sei gewesen, die Verhandlungen mindestens zehn Jahre lang hinzuziehen". Die Friedenskonferenz 1991 in Madrid kam überein, dass alle Konfliktparteien unter der Schirmherrschaft von Washington verhandeln sollten.

Aus Raumgründen kann nicht jedes historische Ereignis, über das die Autoren schreiben, kommentiert werden. Eine Periode ist es aber doch wert, erwähnt zu werden. Es ist die kurze Amtszeit von Ministerpräsident Ehud Barak. Er ist einer der israelischen Politiker, die am meisten alles zurückgewiesen haben, auch wenn er sich bis 2011 im Labor-Gewand verstellte, der Partei, die von einigen politischen Experten noch immer als "linksgerichtet" betrachtet wird. Er kommt aus der zionistischen Kibbuz-Bewegung, als Rabins Innenminister stimmte er gegen die Oslo-Verträge, und als Israels Ministerpräsident machte er nicht nur die Überreste des sogenannten Friedensprozesses zunichte, sondern trug auch zum Verschwinden der sogenannten Zionistischen Linken bei. Seine Rolle in Camp David im Jahr 2000 war nur destruktiv. Er spielte nicht nur mit den Amerikanern, sondern auch mit Arafat und der israelischen Öffentlichkeit. Er und Clinton schoben die Schuld für den Misserfolg in Camp David auf Arafat. In Wirklichkeit war er es, der alle täuschte, um seine ablehnende Haltung zu verschleiern. Die Autoren beweisen das, indem sie Personen zitieren, die diesem Treffen beiwohnten, das zu einem Frieden hätte führen können, wenn die USA die Rolle eines "seriösen Maklers" gespielt hätten.

Nachdem 2001 Ariel Sharon gegen Ehud Barak die Wahlen gewann, sein "Jünger im Geist", hatte Frieden überhaupt keine Chance. Der Vorfall von 9/11 gab Sharon den willkommenen Vorwand, Arafats Administration in den Autonomiegebieten zu demontieren und in den besetzten Gebieten Gräueltaten zu begehen. Die Schilderung der Regierung Olmerts durch die Autoren gibt keine Hoffnung für die Zukunft, gar nicht zu sprechen von der rechtsgerichteten Regierung Netanyahu/Liebermann. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Friedensabkommen niemals eine beschlossene Sache war, da es "nie Israels oberste Priorität" war. Israels militärische Stärke ist einer seiner größten Trümpfe, "aber Israel hat sich praktisch in eine Armee entwickelt, die ein Land hat". Für die Autoren ist Israels Führungsklasse deshalb so erfolgreich, weil sich das israelische Volk selbst als "beschützte Macht" sehen will, und die Siedlungsbewegung ist deshalb so erfolgreich geworden, weil sie sich selbst als rein jüdisch, authentisch und als eine Graswurzel-Macht darstellt. Amit/Levit benennen viele Verzerrungen: Israel ist eine starke Nuklearmacht mit einem mächtigen Militär; das israelische jüdische Volk lebt in einem "selbst-auferlegten Ghetto" und nährt sein eigenes Gefühl, Opfer zu sein, und klagt permanent, von außen bedroht zu sein. Nach Meinung der Autoren werden sie zu ihren Lebzeiten keinen Frieden erleben.

Der besondere Wert des Buches liegt darin, dass es aufzeigt, dass nicht die Araber diejenigen waren, die niemals eine Gelegenheit versäumten eine Gelegenheit zu versäumen, wie Abba Eban zu sagen pflegte. Die wirklichen Neinsager waren und sind die israelischen Eliten, die weiter Land für ihr "Eretz Israel" auf Kosten eines anderen Volkes erlangen wollen. Dass "Israel kein Partner für den Frieden" ist, ist eine kühne, aber gut begründete Schlussfolgerung, die von allen gründlich nachgeprüft werden sollte, die in die Nahostpolitik involviert sind.

(Zalman Amit/Daphna Levit, Israeli Rejectionism. A Hidden Agenda in the Middle East Peace Process, Pluto, London-New York 2011, pp. 208)

Aus dem Englischen übersetzt von K. Nebauer.