Über den Nahostkonflikt sind Bibliotheken gefüllt worden. Einer Lösung ist man dadurch aber keinen Millimeter näher gekommen. Nähert man sich ihm in der Form eines Schauspiels, erscheint er als ein einziges Polit-Drama. Insbesondere die Kritiklosigkeit Deutschlands gegenüber der israelischen Besatzungspolitik enthebt diesen Konflikt in transzendente Sphären. Hatte sich nicht Deutschland unter rot-grüner Herrschaft zum weltweiten Verteidiger der Menschenrechte erklärt? Diesen Widerspruch - verkörpert in der Person des deutschen Außenministers - beschreiben der emeritierte Politikwissenschaftler Kenneth Lewan und seine Gattin Hannelore in dem vorliegenden Schauspiel "Der Außenminister" formidabel. Dass dieses „Drama“ keine Bühne gefunden hat, verwundert nicht. Zutiefst haben sich Denkschablonen ins bundesrepublikanische Bewusstsein eingenistet, die an orwellsche und kafkaeske Zustände erinnern. Der Gipfel des Orwellismus ist erreicht, wenn eine acht Meter hohe Mauer als „Zaun“ oder „Barriere“ umdefiniert wird.
Die Geschichte beginnt mit einem Knaller und ist schnell erzählt: Anlässlich von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten reist ein deutscher Außenminister mit einem liberalen Mitglied des Deutschen Bundestages, Frau Hanebüchen, nach Jerusalem, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Bei ihrer Ankunft werden beide mit einem Aufmacher der „Jerusalem Post“ konfrontiert. „Zigeunerarmee in New York gelandet!“ Dem deutschen Außenminister wird überbracht, dass der „Außenminister des Zigeunerstaates“, Rheinhold Bamberger, auch in Jerusalem sei. Er begrüßt die beiden deutschen Politiker: „Guten Morgen! Welch ein Zufall! Diese Begegnung mit so hervorragenden Vertretern der deutschen Gesellschaft ist ein Glückstreffer für die Sinti und Roma. Das Glück bleibt uns treu!“ Worauf Frau Hanebüchen erwidert: „Herr Bamberger, wir sind völlig vor den Kopf gestoßen, wir sind ganz außer uns über diese Nachricht. Wir können nicht begreifen, warum die Sinti Deutschland verlassen haben.“ Daraufhin Bamberger: „Die Sinti haben Deutschland den Rücken gekehrt, weil es dort zu viele Leute gibt wie Sie!“ Bamberger beschwert sich über die unterschiedliche Behandlung der Sinti und Roma gegenüber der Bevorzugung der russisch-jüdischen Einwanderer nach Deutschland, worauf ihn der Außenminister schulmeistert: „Haben Sie sich je die Mühe gemacht, uns zu verstehen? Wir haben immer nur die besten Absichten. Wir sehen die Juden als würdige Vertreter aller Opfer des Nationalsozialismus. Was wir für die Juden und Israel getan haben, war stellvertretend für alle Naziopfer.“ Bamberger konfrontiert die beiden Deutschen mit einem Aufruf, in dem die Gründung eines „Zigeunerstaates“ begrüßt wird und fordert sie auf, diesen zu unterschreiben, was beide entrüstet zurückweisen. Um die Geschichte abzukürzen, zieht sich Bamberger seinen Bart vom Gesicht. Er war weder Bamberger noch Sinti oder Roma, sondern der palästinensische Arzt Said, und die „Jerusalem Post“ war eine Faksimile-Ausgabe. Unter Protestraufen wie „Gauner“ und „Falschspieler“ treten beide Deutschen von der Bühne ab.
Bei einer Veranstaltung, in der der Außenminister dem Bürgermeister der Stadt eine Auszeichnung verleiht, gerät dieser ins Schwärmen: „Für ein Land, das von Feinden umzingelt ist, ist Israels Gastfreundschaft überwältigend. Die Deutschen können viel von Ihnen lernen.“ Und über den Bürgermeister sagt er: „Sie setzen sich dafür ein, dass die Araber die gleichen Rechte haben wie die Juden in Ihrer Stadt. Sie machen große Anstrengungen, die Rückständigkeit Ihrer arabischen Mitbürger in Wirtschaft, Politik und Kultur zu überwinden. Sie geben uns Deutschen ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man mit den Gastarbeitern umgehen sollte.“ Bei dieser Feier kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern. Die Studentin Leyla Tawil wirft dem Bürgermeister u. a. vor, gar nichts für seine palästinensischen Bewohner getan zu haben. Und an den Außenminister gewandt, sagt sie: „Der Preis, den Sie dem Herrn Bürgermeister für seine Menschenliebe verleihen, ist nichts als ein Wahrzeichen Ihrer Heuchelei.“ Der Außenminister und Frau Hanebüchen sind entsetzt. „Unmöglich, diese Person!“, so der Außenminister. Und Frau Hanebüchen: „Es ist wirklich erstaunlich, wie hoch die Redefreiheit geachtet wird in diesem kleinen Land, das um sein Überleben kämpft. Sogar Staatszersetzende Verleumdungen werden geduldet.“
Das Stück wird in der Form einer Erzählung eines Israelis (Jacob, ein Beamter des israelischen Außenministeriums) ausgeführt, der über seine Wandlungen spricht, die er während des Ablaufs der Handlung durchmacht. Die Autoren/innen setzen sich mit dem Verhältnis Deutschlands zu Israel und den Palästinensern auseinander. Am Ende dieses Stückes erhält der deutsche Außenminister den Doktor honoris causa verliehen. In seiner Dankesrede geht er auf die Lage der Menschenrechte in Israel ein. Er habe einen Todesfall durch scharfe Munition erlebt, einen zweiten durch den Einsatz eines Schlagstocks und mehrere Verletzte, vorwiegend beim Einsatz von Tränengas.
"Das sind schon Gründe für Sorgen. Bedenken wir: Zwei Völker kämpfen um dasselbe Land. Es sind umstrittene Gebiete. Die arabischen Bewohner versuchen, die jüdischen Siedler zu vertreiben. Aber wie? Nicht durch friedliche Gespräche, nicht mittels unserer gut gemeinten Vermittlungsversuche. Nein' Sie reizen die jungen, unerfahrenen Soldaten, indem sie Steine auf sie werfen. Die Gewalt geht immer von ihnen aus. Ich habe selbst diese hasserfüllte Verachtung in den Augen der jungen Araber gesehen. Keine Frage: Schießereien sind bedauerlich. Der Fall Israel ist jedoch etwas Besonderes." Der Außenminister spricht sich die Versöhnung beider Völker aus und gibt den Ratschlag: „Nicht das Erinnern, sondern das Vergessen ist das Geheimnis der Versöhnung, jedenfalls was diesen Konflikt betrifft.“ Bei der Verleihung der Urkunde betont der Rektor die hohen Maßstäbe, die an eine solche Auszeichnung angelegt werden. Bei erwiesener „Unwürdigkeit“ wie z. B. „Vertrauensbruch“ könne der Titel wieder aberkannt werden. "Ich bin aber überzeugt, dass Sie uns die Treue halten werden", so der Rektor zum Außenminister.
Das Schauspiel endet mit einem Dialog zwischen Said und Jacob. Said ist empört über die Bombardierung des Gaza-Streifens. Jacob erzählt ihm, dass das deutsche Kanzleramt gerade eine Verlautbarung folgenden Inhalts herausgegeben hat: „Israel verteidigt sich“, „Die Hamas trägt die alleinige Schuld.“ Beide kommen durch ein Zitat eines Rabbiners über den Zionismus auf diese Ideologie zu sprechen und Jacob erklärt Said, dass man Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern nur dann verstehen könne, wenn man diese Ideologie immer wieder vor Augen habe. Da nur Antizionisten über diese Ideologie schrieben, würde immer wieder behauptet, dass „Antizionismus das Gleiche ist wie Antisemitismus“. Das Drama endet mit einer Umarmung zwischen Said und Jacob, der ihm den Grund seiner Quittierung des diplomatischen Dienstes mitteilt: „Ich kann diesem Staat nicht mehr dienen, solange er ist, was er ist.“
Die Autoren/innen haben die Sprache der unterschiedlichen Figuren sehr genau charakterisiert: Heuchelei, Zynismus, Verzweifelung, Hoffnung und Galgenhumor sind die hervorstechenden Merkmale. Vielleicht findet sich doch ein mutiger Regisseur, der diesem Schauspiel seine Bühne zur Verfügung stellt.
Der Außenminister. Ein Schauspiel von Kenneth und Hannelore Lewan, 50 Seiten, Selbstverlag 2010.
Die Geschichte beginnt mit einem Knaller und ist schnell erzählt: Anlässlich von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten reist ein deutscher Außenminister mit einem liberalen Mitglied des Deutschen Bundestages, Frau Hanebüchen, nach Jerusalem, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Bei ihrer Ankunft werden beide mit einem Aufmacher der „Jerusalem Post“ konfrontiert. „Zigeunerarmee in New York gelandet!“ Dem deutschen Außenminister wird überbracht, dass der „Außenminister des Zigeunerstaates“, Rheinhold Bamberger, auch in Jerusalem sei. Er begrüßt die beiden deutschen Politiker: „Guten Morgen! Welch ein Zufall! Diese Begegnung mit so hervorragenden Vertretern der deutschen Gesellschaft ist ein Glückstreffer für die Sinti und Roma. Das Glück bleibt uns treu!“ Worauf Frau Hanebüchen erwidert: „Herr Bamberger, wir sind völlig vor den Kopf gestoßen, wir sind ganz außer uns über diese Nachricht. Wir können nicht begreifen, warum die Sinti Deutschland verlassen haben.“ Daraufhin Bamberger: „Die Sinti haben Deutschland den Rücken gekehrt, weil es dort zu viele Leute gibt wie Sie!“ Bamberger beschwert sich über die unterschiedliche Behandlung der Sinti und Roma gegenüber der Bevorzugung der russisch-jüdischen Einwanderer nach Deutschland, worauf ihn der Außenminister schulmeistert: „Haben Sie sich je die Mühe gemacht, uns zu verstehen? Wir haben immer nur die besten Absichten. Wir sehen die Juden als würdige Vertreter aller Opfer des Nationalsozialismus. Was wir für die Juden und Israel getan haben, war stellvertretend für alle Naziopfer.“ Bamberger konfrontiert die beiden Deutschen mit einem Aufruf, in dem die Gründung eines „Zigeunerstaates“ begrüßt wird und fordert sie auf, diesen zu unterschreiben, was beide entrüstet zurückweisen. Um die Geschichte abzukürzen, zieht sich Bamberger seinen Bart vom Gesicht. Er war weder Bamberger noch Sinti oder Roma, sondern der palästinensische Arzt Said, und die „Jerusalem Post“ war eine Faksimile-Ausgabe. Unter Protestraufen wie „Gauner“ und „Falschspieler“ treten beide Deutschen von der Bühne ab.
Bei einer Veranstaltung, in der der Außenminister dem Bürgermeister der Stadt eine Auszeichnung verleiht, gerät dieser ins Schwärmen: „Für ein Land, das von Feinden umzingelt ist, ist Israels Gastfreundschaft überwältigend. Die Deutschen können viel von Ihnen lernen.“ Und über den Bürgermeister sagt er: „Sie setzen sich dafür ein, dass die Araber die gleichen Rechte haben wie die Juden in Ihrer Stadt. Sie machen große Anstrengungen, die Rückständigkeit Ihrer arabischen Mitbürger in Wirtschaft, Politik und Kultur zu überwinden. Sie geben uns Deutschen ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man mit den Gastarbeitern umgehen sollte.“ Bei dieser Feier kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern. Die Studentin Leyla Tawil wirft dem Bürgermeister u. a. vor, gar nichts für seine palästinensischen Bewohner getan zu haben. Und an den Außenminister gewandt, sagt sie: „Der Preis, den Sie dem Herrn Bürgermeister für seine Menschenliebe verleihen, ist nichts als ein Wahrzeichen Ihrer Heuchelei.“ Der Außenminister und Frau Hanebüchen sind entsetzt. „Unmöglich, diese Person!“, so der Außenminister. Und Frau Hanebüchen: „Es ist wirklich erstaunlich, wie hoch die Redefreiheit geachtet wird in diesem kleinen Land, das um sein Überleben kämpft. Sogar Staatszersetzende Verleumdungen werden geduldet.“
Das Stück wird in der Form einer Erzählung eines Israelis (Jacob, ein Beamter des israelischen Außenministeriums) ausgeführt, der über seine Wandlungen spricht, die er während des Ablaufs der Handlung durchmacht. Die Autoren/innen setzen sich mit dem Verhältnis Deutschlands zu Israel und den Palästinensern auseinander. Am Ende dieses Stückes erhält der deutsche Außenminister den Doktor honoris causa verliehen. In seiner Dankesrede geht er auf die Lage der Menschenrechte in Israel ein. Er habe einen Todesfall durch scharfe Munition erlebt, einen zweiten durch den Einsatz eines Schlagstocks und mehrere Verletzte, vorwiegend beim Einsatz von Tränengas.
"Das sind schon Gründe für Sorgen. Bedenken wir: Zwei Völker kämpfen um dasselbe Land. Es sind umstrittene Gebiete. Die arabischen Bewohner versuchen, die jüdischen Siedler zu vertreiben. Aber wie? Nicht durch friedliche Gespräche, nicht mittels unserer gut gemeinten Vermittlungsversuche. Nein' Sie reizen die jungen, unerfahrenen Soldaten, indem sie Steine auf sie werfen. Die Gewalt geht immer von ihnen aus. Ich habe selbst diese hasserfüllte Verachtung in den Augen der jungen Araber gesehen. Keine Frage: Schießereien sind bedauerlich. Der Fall Israel ist jedoch etwas Besonderes." Der Außenminister spricht sich die Versöhnung beider Völker aus und gibt den Ratschlag: „Nicht das Erinnern, sondern das Vergessen ist das Geheimnis der Versöhnung, jedenfalls was diesen Konflikt betrifft.“ Bei der Verleihung der Urkunde betont der Rektor die hohen Maßstäbe, die an eine solche Auszeichnung angelegt werden. Bei erwiesener „Unwürdigkeit“ wie z. B. „Vertrauensbruch“ könne der Titel wieder aberkannt werden. "Ich bin aber überzeugt, dass Sie uns die Treue halten werden", so der Rektor zum Außenminister.
Das Schauspiel endet mit einem Dialog zwischen Said und Jacob. Said ist empört über die Bombardierung des Gaza-Streifens. Jacob erzählt ihm, dass das deutsche Kanzleramt gerade eine Verlautbarung folgenden Inhalts herausgegeben hat: „Israel verteidigt sich“, „Die Hamas trägt die alleinige Schuld.“ Beide kommen durch ein Zitat eines Rabbiners über den Zionismus auf diese Ideologie zu sprechen und Jacob erklärt Said, dass man Israels Verhalten gegenüber den Palästinensern nur dann verstehen könne, wenn man diese Ideologie immer wieder vor Augen habe. Da nur Antizionisten über diese Ideologie schrieben, würde immer wieder behauptet, dass „Antizionismus das Gleiche ist wie Antisemitismus“. Das Drama endet mit einer Umarmung zwischen Said und Jacob, der ihm den Grund seiner Quittierung des diplomatischen Dienstes mitteilt: „Ich kann diesem Staat nicht mehr dienen, solange er ist, was er ist.“
Die Autoren/innen haben die Sprache der unterschiedlichen Figuren sehr genau charakterisiert: Heuchelei, Zynismus, Verzweifelung, Hoffnung und Galgenhumor sind die hervorstechenden Merkmale. Vielleicht findet sich doch ein mutiger Regisseur, der diesem Schauspiel seine Bühne zur Verfügung stellt.
Der Außenminister. Ein Schauspiel von Kenneth und Hannelore Lewan, 50 Seiten, Selbstverlag 2010.