Mit dem vorliegenden Buch hat die „Stimme Palästinas in Deutschland“, Abdallah Frangi, seine „Auto“-Biographie vorgelegt. In der Person des langjährigen Vertreters des palästinensischen Volkes und Vertrauten des letzten Präsidenten des „Staates Palästina“, Yasser Arafat, scheint die ganze Tragödie seines geschundenen Volkes auf: Ein Volk mit Land, wurde zu einem Volk ohne Land.
1943 in Beerscheba/Palästina geboren, wurde seine Familie wie hunderttausende durch die israelischen Truppen im ersten israelisch-arabischen Krieg vertrieben; sie strandeten im Gaza-Streifen, in dem er und seine Familie bis heute leben. Zusammen mit seinem älteren Bruder gehörte Frangi zu den Gründungsmitgliedern der Fatah. Frangis Werdegang ähnelt in einem gewissen Sinne dem Tellerwäscher-Millionärs-Mythos, der auf palästinensisch gewendet lautet: vom Beduinenzelt zum Gesandten in der Bonner Republik.
Als Frangi 1962 in die Bundesrepublik Deutschland zum Studium einreiste, war nicht nur der Zollbeamte am Frankfurter Flughafen ratlos ob seines Herkunftslandes, sondern auch die deutsche Gesellschaft kannte nur Israel. Von Palästina, geschweige denn den Palästinensern oder gar einem palästinensischen Volk, hatte sie noch nie etwas gehört. Dies hing aufs Engste mit dem sich herausbildenden Israelbild der jungen Bundesrepublik zusammen. Dieses war zutiefst von den Gräueltaten der Nazis an den Juden Europas bestimmt, die im Namen des deutschen Volkes begangen worden sind. Sie sind bis heute sinnstiftend geblieben, zum Nachteil der legitimen Sache der Palästinenser.
Der Freiheitskampf seines unterdrückten Volkes wurde bald zum eigentlichen Anliegen Frangis. Er wurde zum „zweiten Standbein“ neben den diversen Studien. Beflügelt durch die aufkommende Protestbewegung Mitte der 1960er-Jahre und seinem Beitritt zur PLO, siegte die Politik über die Wissenschaft. 1970 ernannte ihn Arafat zum offiziellen Repräsentanten der Palästinenser in der Bundesrepublik. Ihm zollt er jeden Respekt und bringt ihm große Bewunderung entgegen. Was Frangi über Arafat schreibt, hat so gar nichts mit den Dämonisierungen durch Israel zu tun. Hinter dem „Terroristen-Image“ verbarg sich ein überaus einnehmendes Wesen. Keiner verkörpere die palästinensische Geschichte und Tragödie besser als Arafat. Er habe seinem Volk das Schicksal der US-amerikanischen Ureinwohner erspart - große Worte, die Frangi hier für seinen Mentor findet.
„Der Gesandte“ durchlebte in der Bundesrepublik Deutschland alle Höhen und Tiefen seines Volkes. Insbesondere nach den Terroranschlägen auf die israelische Olympiamannschaft und weiteren Exzessen durch die Strategie des „bewaffneten Kampfes“ begann für Frangi ein Spießrutenlaufen; auch der berüchtigte Mossad war ihm auf den Fersen, dessen Killerkommandos Jagd auf die Terroristen von München machten.
Obgleich Frangi hinter den Kulissen beharrlich „dicke Bretter bohrte“, gelang erst durch die Unterzeichnung der Osloer-Verträgen vom September 1993 zwischen Yitzhak Rabin und Yasser Arafat der gesellschaftliche und später diplomatische Durchbruch. Durch den Ausbruch des so genannten Friedensprozess ist zwar aus dem Gaza-Streifen kein zweites Singapur geworden, sondern das größte „Freiluftgefängnis“ der Welt, dessen Schlüssel bis heute immer noch in Händen der israelischen Besatzungsmacht sind. Darüber hinaus regiert die Hamas den Strip, nachdem der Fatah-Putsch des Warlords Dahlan gescheitert ist. Bei der Darstellung dieser traurigen Episode innerpalästinensischer Machtkämpft stand Frangi wohl seine Loyalität gegenüber dem amtierenden Präsidenten und seiner Fatah-Bewegung im Wege.
Abdallah Frangi hatte das palästinensische Volk in schweren Zeiten würdig vertreten und durch seine gute Vernetzung innerhalb der politischen Elite der Bundesrepublik wesentlich mit dazu beigetragen, dass Deutschland sich vorbildlich in Palästina engagiert, obgleich die U-Boot-Geschenke immer nur an die israelische Besatzungsmacht gehen. Dass die bundesrepublikanischen Politiker sich jetzt wieder nicht für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes und die Vollmitgliedschaft des Staates „Palästina“ in den Vereinten Nationen einsetzen, zeigt, dass sie nur unzureichende Schlüsse aus der Geschichte gezogen haben.
Diesen Sinnenwandel zu bewerkstelligen, ist die Aufgabe des Nachfolgers von Frangi und des Präsidenten Mahmud Abbas. „Der Gesandte“ hat eine beeindruckende Geschichte seines geknechteten Volkes geschrieben, die viele Leserinnen und Leser finden möge.