Die 22-tägige israelische Militäroperation „Gegossenes Blei“ gegen eine wehrlose Bevölkerung des Gaza-Streifens um die Jahreswende 2008/2009 hat dem Image Israels enorm geschadet. Bei diesen Angriffen kamen 1 400 Palästinenser/Innen ums Leben, mehrheitlich Zivilisten und davon überwiegend Frauen und Kinder. Israel verlor 13 Soldaten, davon drei durch so genanntes „friendly fire“, d. h. sie kamen nicht durch Fremdeinwirkung ums Leben.
Die Gräueltaten der israelischen Armee wurden in mehreren Berichten von Amnesty International und Human Rights Watch sowie diversen Menschrechtsorganisationen in Israel und Palästina dokumentiert. Auch der UN-Menschenrechtsrat setzte eine eigene Untersuchungskommission ein, die von dem renommierten südafrikanischen Völkerrechtler Richard Goldstone geleitet worden ist. Obgleich sich die Kommission intensiv um eine Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung bemüht hat, verweigerte diese von Beginn an eine solche mit der Begründung, dass die Kommission „unausgeglichen“, „voreingenommen“ und „aufrührerisch“ und folglich kein seriöser Bericht zu erwarten sei. Bereits die Resolution S-9/1, welche zur Einsetzung der „Tatsachenfindungskommission“ geführt hat, ist von der israelischen Regierung und einigen Staaten der Europäischen Union wegen ihrer Einseitigkeit kritisiert worden.
Nach der Veröffentlichung des Berichtes, der den etwas sperrigen Titel „Bericht der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den Gaza-Konflikt“ (United Nations Fact Finding Mission on the Gaza Conflict) trägt, aber besser bekannt ist unter „Goldstone-Bericht“, brach über Richter Goldstone eine Verleumdungskampagne herein, die selbst zu solch grotesken Formen führte, dass Goldstone auf Druck der „South African Zionist Federation“ (SAZF) und der Synagoge auf die Teilnahme an der Bar-Mitzvah-Feierlichkeit seines Enkels verzichtete, wie die israelische Tageszeitung „Haaretz“ vom 16. April 2010 meldete. Eine unwürdige Geste seitens eines Teils der Verantwortlichen der südafrikanischen jüdischen Gemeinde. Nach einem Treffen zwischen Richter Goldstone, Vertretern von SAZF und der Synagoge wurde ihm die Teilnahme an den Feierlichkeiten erlaubt.
Schlimmer waren die Attacken, die von politisch-offizieller Seite gegen Goldstone geritten worden sind. So nannte Israels Präsident Shimon Peres den Bericht ein „Verhöhnung der Geschichte“. Und bei einem offiziellen Staatsbesuch in Brasilien bezeichnete er Goldstone als einen „kleinen Mann, ohne jeden Sinn für Gerechtigkeit, ein Technokrat ohne ein wirkliches Verständnis der Rechtssprechung“. Er forderte sogar, Untersuchungen gegen Goldstone einzuleiten, wie Gideon Levy in „Haaretz“ vom 15. November 2009 berichtete. Der israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, äußerte in „The New Republic“ vom 6. Oktober 2009, dass der Bericht übler als Ahmadinejad und die Holocaust Leugner sei. „Der Goldstone-Bericht geht weiter als Ahmadinejad und die Holocaust-Leugner, die den Juden nicht nur die Fähigkeit und Notwendigkeit, sondern auch das Recht, sich zu verteidigen, entziehen wollen.“
Dass die besagte „Israel-Lobby“, wie sie nach dem gleichnamigen Buch von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt genannt wird, gegen den Bericht Sturm läuft, war zu erwarten. Stellvertretend sei hier nur eine "mäßigende" Stimme zitiert. So forderte der Direktor der „Anti-Defamation League“, Abraham Foxman, Goldstone auf, sich von seinem eigenen Werk „zu distanzieren“! Wie immer tat sich Alain Dershowitz, seines Zeichens Juraprofessor an der Harvard-Universität, durch seinen extremen Pro-Israelismus hervor, als er am 7. Februar 2010 im Israelischen Militärrundfunk Goldstone einen „bösen, bösen Menschen“ nannte. Auf die Frage des Interviewers, ob Goldstone ein „Moser“, ein Verräter“, sei, antwortete Dershowitz mit einem entschiedenen „Ja“. „Er ist ein Mann, der seine Sprache, seine Worte gegen das jüdische Volk einsetzt. Ich betrachtete ihn als Freund. Jetzt sehe ich in ihm einen absoluten Verräter." Die Verleumdung Goldstones geht in Israel weiter. So meldete die Tageszeitung Yediot Ahronot, dass Goldstone in den Jahren des Apartheid-Regimes als Berufungsrichter an Todesurteilen von Schwarzen beteiligt gewesen sei. Und der israelische stellvertretende Außenminister Daniel Ajalon meinte, Goldstone habe den Gaza-Bericht genutzt, um für frühere „Sünden zu büßen und international an Ansehen zu gewinnen“. Gegen diesen erneuten Angriff auf Goldstone hat Larry Derfner gerade in der "Jerusalem Post" wieder für den Richter Partei ergriffen; eine überaus ehrenwerte Sache.
Ablehnend auf den Bericht reagierten die USA. Der US-Amerikanische Kongress hat in einer Resolution den „Goldstone-Bericht“ in Bausch und Bogen verdammt. Die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses verurteilten in einer nichtbindenden Resolution mit 344 Ja- gegen 36 Nein-Stimmen den Bericht. Wohingegen die UN-Generalversammlung ihn mit überwältigender Mehrheit angenommen hat: 114 Ja- bei 18 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen. Sieben EU-Staaten stimmten dagegen, darunter auch Deutschland. Die pro-israelischen Kritiker des Berichtes behaupten, das er voller Fehler sein, ohne jedoch einen einzigen zu benennen. Dass der „Goldstone-Bericht „ein verzerrtes Bild abgibt“, dass er „voreingenommen und unwürdig weiterer Prüfung“ sei, wie einige US-Abgeordnete behaupteten, findet in dem Bericht keine Bestätigung. Dass die unsachlichen und bösartigen Attacken gegen den „Goldstone-Bericht“ auch in Europa zunehmen, zeigt das Beispiel von Gidi Markuszower, „jüdischer Aktivist und Mitglied des niederländischen Likud“, der auf Platz fünf der Kandidatenliste der islamophoben „Wilders-Partei“ zur Parlamentswahl steht und schon „einmal wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen wurde“, wie die FAZ vom 22. April 2010 berichtete. Auch drohe Markuszower, dass jeder, der den „Goldstone-Bericht“ über die Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen unterstütze, „aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden“ müsse. Diese niederträchtigen Anschuldigen gegen Goldstone hat Larry Derfner endlich in der "Jerusalem Post" vom 22. April 2010 die Stirn geboten und eine Lanze für die moralischen Werte des Judentums und für Goldstones Einsatz für Gerechtigkeit gebrochen. Dies war allerhöchste Zeit.
Der „Goldstone-Bericht“ gliedert sich in fünf Teile: Methode, Kontext und anwendbares Recht; die besetzten palästinensischen Gebiete: der Gazastreifen; Israel; Verantwortlichkeitsmechanismen und gerichtlicher Rechtsschutz sowie Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Im Anhang befindet sich ein Briefwechsel zwischen Richard Goldstone und dem israelischen Botschafter bei den Vereinten Nationen Aharon Leshno-Yaar.
In seinem Vorwort zur deutschen Übersetzung des „Goldstone-Berichts“ schreibt der französische Botschafter Stéphan Hessel über die Qualität des Berichtes, dass er „ein hervorragendes Beispiel für die Sachlichkeit, die Objektivität, die Gründlichkeit und daher die absolute Verlässlichkeit des Verfassers“ sei. Und auf seinen Besuch im Gaza-Streifen vom Juni 2009 Bezug nehmend fährt er fort, „dass es sich um schwere Verletzungen seitens der israelischen Streifkräfte gehandelt hat, die man nicht anders bezeichnen kann als Kriegsverbrechen und in mehreren Fällen als ganz willkürlich vollstreckte Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Eine „starke“ Einführung über die Maßnahmen der israelischen Beatzungsmacht gegen die Bevölkerung des Gaza-Streifens hat der israelische Historiker Ilan Pappé verfasst. Er lebt und lehrt zur Zeit im Exil in Großbritannien, weil es ihm an der Universität in Haifa unmöglich gemacht worden sind, repressionsfrei zu lehren. Der Autor zählt zu den „Neuen Historikern“, die den offiziellen zionistisch-israelischen Narrative der Ereignisse von 1948 in Frage stellen. In der von Pappé beschriebenen Chronologie der Ereignisse von 2004 bis 2009 bildet das „Massaker“ von 2008/2009 nur die Spitze des Eisberges. Er zeigt auf, warum die israelischen Streitkräfte so handelten, wie sie es taten. Allein die Niederschlagung der Al-Aqsa-Intifada und die Zerlegung der „Palästinensischen Autorität“ in ihre Einzelteile von 2001 bis 2006 kostete weit über 5 000 Palästinensern das Leben, über 20 000 wurden verletzt. Auch Israel hatte etwas mehr als 1 000 Tote zu beklagen. Was aber durch den Nachrichtenraster der internationalen Medien gefallen ist, waren die Opfer der diversen anderen israelischen Militäroperationen, die „Gegossenes Blei“ vorausgingen, und die als Reaktion auf den Beschuss israelischer Städte und Ortschaften durch Qassam-Raketen erfolgten. Was neben dem eigentlichen Klima noch so anderes von Himmel herabkommen kann, zeigt die meteorologische Terminologie, der sich das israelische Militär bediente: „Erster Regen“, „Sommerregen“, „Herbstwolken“, zu guter Letzt regnete es „Gegossenes Blei“. Bei der Operation „Herbstwolken“ im November 2006 tötete das Militär in weniger als 48 Stunden 70 Zivilisten. Am Ende des Monats waren fast 200 Menschen tot, die Hälfte Frauen und Kinder. Wie sagte doch der ehemalige israelische Generalstabschef Moshe Yaalon: Man müsse der palästinensischen Bevölkerung die furchterregende Macht der israelischen Armee „im Bewusstsein einbrennen“.
Als der Präsident der UN-Vollversammlung und frühere katholische Priester und nicaraguanische Außenminister, Miguel D´Escoto Brockmann, die Militäraktionen 2009 als „Genozid“ brandmarkte, tat dies die israelische Regierung als „antisemitisch“ ab. Wie lange will sich die Weltöffentlichkeit mit solchen grotesken Vorwürfen wie „antisemitisch“ oder „jüdische Selbsthasser“ seitens Israel noch abspeisen lassen, wo es sich doch nur um Selbstverständliches handelt, und zwar die legitime Kritik an Militärmaßnahmen, welche die Menschrechte oder das Völkerrecht auf das Gröbste verletzen? Pappé resümiert am Ende seiner exzellenten Einführung: „Es ist die Einordnung des Massakers in das, was zuvor geschah und vermutlich in Zukunft geschehen wird, was alarmierend ist und die Möglichkeit eröffnet, dass wir eine genozidale Politik zu gewärtigen haben. Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft nicht mehr nötig sein wird, Beweise für die Stichhaltigkeit einer solchen Annahme zu überprüfen.“
Im Einzelnen enthüllt der „Goldstone-Bericht“ das ganze Ausmaß des schrecklichen „Massakers“, dass in den 22 Tagen vom israelischen Militär angerichtet worden ist. So heißt es in dem Bericht, Israel habe in unverhältnismäßiger Weise Gewalt angewendet, um die Zivilbevölkerung zu bestrafen, zu demütigen und zu terrorisieren. Das israelische Militär habe „gravierende Verstöße“ gegen die Genfer Konvention begangen und sich in nicht unerheblichem Umfang Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Der Bericht konnte keine Hinweise darauf finden, dass in den von den Israelis angegriffenen Ambulanzfahrzeugen Hamas-Militante oder Munition transportierte worden sei. Auch konnten die Vorwürfe, Hamas habe Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, nicht bewiesen werden.
Zu dem wahllosen Beschuss israelischer Städte und Ortschaften durch militante Palästinenser stellt der „Goldstone-Bericht“ fest, „dass starke Indizien für die Vermutung vorliegen, dass die Verbreitung von Terror unter der israelischen Zivilbevölkerung – eine Verletzung des Völkerrechts – zu den Hauptzielen der Raketen- und Mörserangriffe gehörte“. Die Kommission stellt darüber hinaus zur Absicht von Hamas und anderer Gruppierungen, wahllos auf Zivilpersonen zu zielen, fest, dass dies mit dem humanitären Völkerrecht unvereinbar sei.
Während des „Massakers“ wurde der Einsatz des israelischen Militärs von verschiedenen Seiten als „unverhältnismäßig“ kritisiert. Diese Unverhältnismäßigkeit siegeln nicht nur die Opferzahlen, sondern auch der Inhalt des „Goldstone-Berichtes“ wider. Was die Zahl der Toten betrifft, ist das Verhältnis 100:1 zuungunsten der Palästinenser; was die Relation der gravierenden Menschenrechtsverstöße bei dem Überfall der israelischen Armee auf Gaza angeht, dokumentiert der Bericht zu neun Zehntel israelische Verstöße und nur ein Zehntel palästinensische. Ein Nachteil des „Goldstone-Berichtes“ besteht darin, dass er von Kriegshandlungen und von Verstößen gegen das Kriegsrecht spricht, obgleich es keinen Krieg im klassischen Sinne gegeben hat. Es gab weder Kämpfe im Gaza-Streifen noch hat die israelische Armee bei ihren zirka 3 000 Militäreinsätzen auch nur einen Kampfbomber verloren. Ein Blick auf die Website „Breaking the Silence“ (Das Schweigen brechen) zeigt, dass es keine Kämpfe gegeben hat. Trotzdem setzte die israelische Armee ein Maß an Feuerkraft ein, das unvorstellbar war. Im Angesicht der dort zusammengetragenen Aussagen von Soldaten kommt man trotz Ehud Baraks Diktum „Wir haben die moralischste Armee der Welt“ zu völlig anderen Schlüssen.
Diese UN-Tatsachenfindungskommission kam zu dem Ergebnis, dass beide Kontrahenten, Israel und die Hamas, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen haben. Die Disproportionalität in der Anzahl dieser „Verbrechen“ spiegelt nur die realen Machtverhältnisse wider. In Anbetracht der erdrückenden Faktenlage wäre die Bundesregierung gut beraten, ihre Ablehnung des „Goldstone-Berichtes“ zu revidieren. Der Bericht gehört nicht nur in jede Bibliothek, sondern auch in jedes Abgeordneten- und Journalistenbüro.
Die Gräueltaten der israelischen Armee wurden in mehreren Berichten von Amnesty International und Human Rights Watch sowie diversen Menschrechtsorganisationen in Israel und Palästina dokumentiert. Auch der UN-Menschenrechtsrat setzte eine eigene Untersuchungskommission ein, die von dem renommierten südafrikanischen Völkerrechtler Richard Goldstone geleitet worden ist. Obgleich sich die Kommission intensiv um eine Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung bemüht hat, verweigerte diese von Beginn an eine solche mit der Begründung, dass die Kommission „unausgeglichen“, „voreingenommen“ und „aufrührerisch“ und folglich kein seriöser Bericht zu erwarten sei. Bereits die Resolution S-9/1, welche zur Einsetzung der „Tatsachenfindungskommission“ geführt hat, ist von der israelischen Regierung und einigen Staaten der Europäischen Union wegen ihrer Einseitigkeit kritisiert worden.
Nach der Veröffentlichung des Berichtes, der den etwas sperrigen Titel „Bericht der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den Gaza-Konflikt“ (United Nations Fact Finding Mission on the Gaza Conflict) trägt, aber besser bekannt ist unter „Goldstone-Bericht“, brach über Richter Goldstone eine Verleumdungskampagne herein, die selbst zu solch grotesken Formen führte, dass Goldstone auf Druck der „South African Zionist Federation“ (SAZF) und der Synagoge auf die Teilnahme an der Bar-Mitzvah-Feierlichkeit seines Enkels verzichtete, wie die israelische Tageszeitung „Haaretz“ vom 16. April 2010 meldete. Eine unwürdige Geste seitens eines Teils der Verantwortlichen der südafrikanischen jüdischen Gemeinde. Nach einem Treffen zwischen Richter Goldstone, Vertretern von SAZF und der Synagoge wurde ihm die Teilnahme an den Feierlichkeiten erlaubt.
Schlimmer waren die Attacken, die von politisch-offizieller Seite gegen Goldstone geritten worden sind. So nannte Israels Präsident Shimon Peres den Bericht ein „Verhöhnung der Geschichte“. Und bei einem offiziellen Staatsbesuch in Brasilien bezeichnete er Goldstone als einen „kleinen Mann, ohne jeden Sinn für Gerechtigkeit, ein Technokrat ohne ein wirkliches Verständnis der Rechtssprechung“. Er forderte sogar, Untersuchungen gegen Goldstone einzuleiten, wie Gideon Levy in „Haaretz“ vom 15. November 2009 berichtete. Der israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, äußerte in „The New Republic“ vom 6. Oktober 2009, dass der Bericht übler als Ahmadinejad und die Holocaust Leugner sei. „Der Goldstone-Bericht geht weiter als Ahmadinejad und die Holocaust-Leugner, die den Juden nicht nur die Fähigkeit und Notwendigkeit, sondern auch das Recht, sich zu verteidigen, entziehen wollen.“
Dass die besagte „Israel-Lobby“, wie sie nach dem gleichnamigen Buch von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt genannt wird, gegen den Bericht Sturm läuft, war zu erwarten. Stellvertretend sei hier nur eine "mäßigende" Stimme zitiert. So forderte der Direktor der „Anti-Defamation League“, Abraham Foxman, Goldstone auf, sich von seinem eigenen Werk „zu distanzieren“! Wie immer tat sich Alain Dershowitz, seines Zeichens Juraprofessor an der Harvard-Universität, durch seinen extremen Pro-Israelismus hervor, als er am 7. Februar 2010 im Israelischen Militärrundfunk Goldstone einen „bösen, bösen Menschen“ nannte. Auf die Frage des Interviewers, ob Goldstone ein „Moser“, ein Verräter“, sei, antwortete Dershowitz mit einem entschiedenen „Ja“. „Er ist ein Mann, der seine Sprache, seine Worte gegen das jüdische Volk einsetzt. Ich betrachtete ihn als Freund. Jetzt sehe ich in ihm einen absoluten Verräter." Die Verleumdung Goldstones geht in Israel weiter. So meldete die Tageszeitung Yediot Ahronot, dass Goldstone in den Jahren des Apartheid-Regimes als Berufungsrichter an Todesurteilen von Schwarzen beteiligt gewesen sei. Und der israelische stellvertretende Außenminister Daniel Ajalon meinte, Goldstone habe den Gaza-Bericht genutzt, um für frühere „Sünden zu büßen und international an Ansehen zu gewinnen“. Gegen diesen erneuten Angriff auf Goldstone hat Larry Derfner gerade in der "Jerusalem Post" wieder für den Richter Partei ergriffen; eine überaus ehrenwerte Sache.
Ablehnend auf den Bericht reagierten die USA. Der US-Amerikanische Kongress hat in einer Resolution den „Goldstone-Bericht“ in Bausch und Bogen verdammt. Die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses verurteilten in einer nichtbindenden Resolution mit 344 Ja- gegen 36 Nein-Stimmen den Bericht. Wohingegen die UN-Generalversammlung ihn mit überwältigender Mehrheit angenommen hat: 114 Ja- bei 18 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen. Sieben EU-Staaten stimmten dagegen, darunter auch Deutschland. Die pro-israelischen Kritiker des Berichtes behaupten, das er voller Fehler sein, ohne jedoch einen einzigen zu benennen. Dass der „Goldstone-Bericht „ein verzerrtes Bild abgibt“, dass er „voreingenommen und unwürdig weiterer Prüfung“ sei, wie einige US-Abgeordnete behaupteten, findet in dem Bericht keine Bestätigung. Dass die unsachlichen und bösartigen Attacken gegen den „Goldstone-Bericht“ auch in Europa zunehmen, zeigt das Beispiel von Gidi Markuszower, „jüdischer Aktivist und Mitglied des niederländischen Likud“, der auf Platz fünf der Kandidatenliste der islamophoben „Wilders-Partei“ zur Parlamentswahl steht und schon „einmal wegen illegalen Waffenbesitzes festgenommen wurde“, wie die FAZ vom 22. April 2010 berichtete. Auch drohe Markuszower, dass jeder, der den „Goldstone-Bericht“ über die Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen unterstütze, „aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden“ müsse. Diese niederträchtigen Anschuldigen gegen Goldstone hat Larry Derfner endlich in der "Jerusalem Post" vom 22. April 2010 die Stirn geboten und eine Lanze für die moralischen Werte des Judentums und für Goldstones Einsatz für Gerechtigkeit gebrochen. Dies war allerhöchste Zeit.
Der „Goldstone-Bericht“ gliedert sich in fünf Teile: Methode, Kontext und anwendbares Recht; die besetzten palästinensischen Gebiete: der Gazastreifen; Israel; Verantwortlichkeitsmechanismen und gerichtlicher Rechtsschutz sowie Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Im Anhang befindet sich ein Briefwechsel zwischen Richard Goldstone und dem israelischen Botschafter bei den Vereinten Nationen Aharon Leshno-Yaar.
In seinem Vorwort zur deutschen Übersetzung des „Goldstone-Berichts“ schreibt der französische Botschafter Stéphan Hessel über die Qualität des Berichtes, dass er „ein hervorragendes Beispiel für die Sachlichkeit, die Objektivität, die Gründlichkeit und daher die absolute Verlässlichkeit des Verfassers“ sei. Und auf seinen Besuch im Gaza-Streifen vom Juni 2009 Bezug nehmend fährt er fort, „dass es sich um schwere Verletzungen seitens der israelischen Streifkräfte gehandelt hat, die man nicht anders bezeichnen kann als Kriegsverbrechen und in mehreren Fällen als ganz willkürlich vollstreckte Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Eine „starke“ Einführung über die Maßnahmen der israelischen Beatzungsmacht gegen die Bevölkerung des Gaza-Streifens hat der israelische Historiker Ilan Pappé verfasst. Er lebt und lehrt zur Zeit im Exil in Großbritannien, weil es ihm an der Universität in Haifa unmöglich gemacht worden sind, repressionsfrei zu lehren. Der Autor zählt zu den „Neuen Historikern“, die den offiziellen zionistisch-israelischen Narrative der Ereignisse von 1948 in Frage stellen. In der von Pappé beschriebenen Chronologie der Ereignisse von 2004 bis 2009 bildet das „Massaker“ von 2008/2009 nur die Spitze des Eisberges. Er zeigt auf, warum die israelischen Streitkräfte so handelten, wie sie es taten. Allein die Niederschlagung der Al-Aqsa-Intifada und die Zerlegung der „Palästinensischen Autorität“ in ihre Einzelteile von 2001 bis 2006 kostete weit über 5 000 Palästinensern das Leben, über 20 000 wurden verletzt. Auch Israel hatte etwas mehr als 1 000 Tote zu beklagen. Was aber durch den Nachrichtenraster der internationalen Medien gefallen ist, waren die Opfer der diversen anderen israelischen Militäroperationen, die „Gegossenes Blei“ vorausgingen, und die als Reaktion auf den Beschuss israelischer Städte und Ortschaften durch Qassam-Raketen erfolgten. Was neben dem eigentlichen Klima noch so anderes von Himmel herabkommen kann, zeigt die meteorologische Terminologie, der sich das israelische Militär bediente: „Erster Regen“, „Sommerregen“, „Herbstwolken“, zu guter Letzt regnete es „Gegossenes Blei“. Bei der Operation „Herbstwolken“ im November 2006 tötete das Militär in weniger als 48 Stunden 70 Zivilisten. Am Ende des Monats waren fast 200 Menschen tot, die Hälfte Frauen und Kinder. Wie sagte doch der ehemalige israelische Generalstabschef Moshe Yaalon: Man müsse der palästinensischen Bevölkerung die furchterregende Macht der israelischen Armee „im Bewusstsein einbrennen“.
Als der Präsident der UN-Vollversammlung und frühere katholische Priester und nicaraguanische Außenminister, Miguel D´Escoto Brockmann, die Militäraktionen 2009 als „Genozid“ brandmarkte, tat dies die israelische Regierung als „antisemitisch“ ab. Wie lange will sich die Weltöffentlichkeit mit solchen grotesken Vorwürfen wie „antisemitisch“ oder „jüdische Selbsthasser“ seitens Israel noch abspeisen lassen, wo es sich doch nur um Selbstverständliches handelt, und zwar die legitime Kritik an Militärmaßnahmen, welche die Menschrechte oder das Völkerrecht auf das Gröbste verletzen? Pappé resümiert am Ende seiner exzellenten Einführung: „Es ist die Einordnung des Massakers in das, was zuvor geschah und vermutlich in Zukunft geschehen wird, was alarmierend ist und die Möglichkeit eröffnet, dass wir eine genozidale Politik zu gewärtigen haben. Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft nicht mehr nötig sein wird, Beweise für die Stichhaltigkeit einer solchen Annahme zu überprüfen.“
Im Einzelnen enthüllt der „Goldstone-Bericht“ das ganze Ausmaß des schrecklichen „Massakers“, dass in den 22 Tagen vom israelischen Militär angerichtet worden ist. So heißt es in dem Bericht, Israel habe in unverhältnismäßiger Weise Gewalt angewendet, um die Zivilbevölkerung zu bestrafen, zu demütigen und zu terrorisieren. Das israelische Militär habe „gravierende Verstöße“ gegen die Genfer Konvention begangen und sich in nicht unerheblichem Umfang Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Der Bericht konnte keine Hinweise darauf finden, dass in den von den Israelis angegriffenen Ambulanzfahrzeugen Hamas-Militante oder Munition transportierte worden sei. Auch konnten die Vorwürfe, Hamas habe Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, nicht bewiesen werden.
Zu dem wahllosen Beschuss israelischer Städte und Ortschaften durch militante Palästinenser stellt der „Goldstone-Bericht“ fest, „dass starke Indizien für die Vermutung vorliegen, dass die Verbreitung von Terror unter der israelischen Zivilbevölkerung – eine Verletzung des Völkerrechts – zu den Hauptzielen der Raketen- und Mörserangriffe gehörte“. Die Kommission stellt darüber hinaus zur Absicht von Hamas und anderer Gruppierungen, wahllos auf Zivilpersonen zu zielen, fest, dass dies mit dem humanitären Völkerrecht unvereinbar sei.
Während des „Massakers“ wurde der Einsatz des israelischen Militärs von verschiedenen Seiten als „unverhältnismäßig“ kritisiert. Diese Unverhältnismäßigkeit siegeln nicht nur die Opferzahlen, sondern auch der Inhalt des „Goldstone-Berichtes“ wider. Was die Zahl der Toten betrifft, ist das Verhältnis 100:1 zuungunsten der Palästinenser; was die Relation der gravierenden Menschenrechtsverstöße bei dem Überfall der israelischen Armee auf Gaza angeht, dokumentiert der Bericht zu neun Zehntel israelische Verstöße und nur ein Zehntel palästinensische. Ein Nachteil des „Goldstone-Berichtes“ besteht darin, dass er von Kriegshandlungen und von Verstößen gegen das Kriegsrecht spricht, obgleich es keinen Krieg im klassischen Sinne gegeben hat. Es gab weder Kämpfe im Gaza-Streifen noch hat die israelische Armee bei ihren zirka 3 000 Militäreinsätzen auch nur einen Kampfbomber verloren. Ein Blick auf die Website „Breaking the Silence“ (Das Schweigen brechen) zeigt, dass es keine Kämpfe gegeben hat. Trotzdem setzte die israelische Armee ein Maß an Feuerkraft ein, das unvorstellbar war. Im Angesicht der dort zusammengetragenen Aussagen von Soldaten kommt man trotz Ehud Baraks Diktum „Wir haben die moralischste Armee der Welt“ zu völlig anderen Schlüssen.
Diese UN-Tatsachenfindungskommission kam zu dem Ergebnis, dass beide Kontrahenten, Israel und die Hamas, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen haben. Die Disproportionalität in der Anzahl dieser „Verbrechen“ spiegelt nur die realen Machtverhältnisse wider. In Anbetracht der erdrückenden Faktenlage wäre die Bundesregierung gut beraten, ihre Ablehnung des „Goldstone-Berichtes“ zu revidieren. Der Bericht gehört nicht nur in jede Bibliothek, sondern auch in jedes Abgeordneten- und Journalistenbüro.