Vor genau 21 Jahren hat Alexander Flores ein Buch über die Hintergründe des Ausbruchs der ersten Intifada - der Abschüttelung der israelischen Besatzungsherrschaft – geschrieben, dessen Analysen bis heute Bestand haben. Er lehrt Wirtschaftsarabistik an einer Hochschule in Bremen. Mit dem vorliegenden Büchlein behandelt der Autor alle Facetten des unendlichen Palästinakonfliktes.
Das Buch gliedert sich in sieben kurze Kapitel, die sehr übersichtlich - durch farbliche Hervorhebungen und Ausstellungen zentraler Begriffe - ästhetisch gut aufgemacht sind. Der Autor lässt die Entstehung des Konfliktes mit dem Aufkommen der zionistisch inspirierten Besiedlung Palästinas beginnen. Jüdisches Leben hat es in Palästina immer gegeben, und Probleme zwischen palästinensischen Araber und palästinensischen Juden waren vor der Kolonisierung durch den Zionismus unbekannt. „Ein Problem schuf erst die zionistisch inspirierte Einwanderung.“ Diese „europäische Siedlerkolonie“ sei der autochthonen palästinensischen Bevölkerung von den Europäern aufgezwungen worden. Die zionistischen Kolonisatoren trafen auf eine Bevölkerung, die im Begriff war, ihr eigenes „nationales Selbstbewusstsein“ herauszubilden. Der Widerstand gegen die Inbesitznahme ihres Landes war durch alle Gesellschaftsschichten von Beginn an vorhanden und wurde als Bedrohung ihrer Existenz angesehen. Es könne keine Rede davon sein, dass „gewisse Elemente“ dagegen aufgehetzt worden seien, wie die israelische Geschichtsmythologie behauptet.
Da die Siedler über kein natürliches Hinterland verfügten, mussten sie sich immer wieder bei den europäischen Mächten rückversichern. So schrieb Theodor Herzl in „Der Judenstaat“: „In Europa würden wir dort eine Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“ Hat sich an dieser – doch wohl zeitbedingten - kolonial-rassistischen Haltung inzwischen etwas in Israel geändert? Ehud Barak hat Israel vor einigen Jahren als „Villa im Dschungel“ bezeichnet.
Auch ist die Haltung der diversen israelischen Regierung gegenüber den Palästinenser wenig überraschend, wenn man sich die programmatische Schrift „The Iron Wall“ von Vladimir Jabotinsky aus dem Jahre 1923 vor Augen führt: „Unsere Kolonisierung muss entweder beendet oder gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung fortgesetzt werden. Diese Kolonisierung kann daher nur weitergehen und sich entwickeln unter dem Schutz einer Kraft, die von der lokalen Bevölkerung unabhängig ist – eines eisernen Schutzwalles, den die einheimische Bevölkerung nicht durchbrechen kann.“ Diese „politische Vision“ wurde inzwischen vollständig realisiert: Israel ist die viertgrößte Militärmacht der Welt, ausgestattet mit über 200 Atomraketen, biologischen und chemischen Waffen, und es hat wider jedes Völker- und Menschenrecht eine über acht Meter hohe Mauer und einen Sicherheitszaum um Restpalästina errichtet, hinter dem die eigentlichen Besitzer des Landes ihr Leben fristen müssen. Und wenn die „Gefängnisinsassen“ keine Ruhe geben, werden sie angegriffen, wie um die Jahreswende 2008/09 geschehen. Die Todesrate betrug 100:1 zu Ungunsten der Bewohner des „größten Freiluftgefängnisses der Welt“ im Gaza-Streifen. Dass der „zivilisierte“ Westen dazu geschwiegen hat und weiterhin alles unternimmt, dass der "Goldstone-Report" nicht vor dem UN-Sicherheitsrat diskutiert wird, ist das Bemerkenswerteste. Auf die palästinensische "Autonomieregierung" wurde so großer Druck von Seiten der USA und Israels ausgeübt, dass die Betroffenen eine Debatte auch nicht wollten!
In den 400 Jahren Osmanischer Herrschaft habe es zwar nie eine Verwaltungseinheit „Palästina“ gegeben, aber trotzdem sei Palästina ein arabisches Land. Der Autor rückt die Legenden von einer „intensiven“ Zusammenarbeit der Palästinenser mit den Nazis zurecht, die besonders von politisch motivierten antideutschen Propagandisten und Pseudowissenschaftlern, neokonservativen und christlich-fundamentalistischen Extremisten sowie anderen Dilettanten ventiliert werden. Abgesehen vom „Mufti von Jerusalem“ habe es keine Zusammenarbeit gegeben; was es dagegen gab, war eine intensive Kooperation zwischen Nazis und Zionisten, wie das Buch „Zionismus und Faschismus“ (Kai Homilius Verlag) von Lenni Brenner zeigt.
Auch was die Vertreibung der Palästinenser betrifft, rückt der Autor einige israelische Geschichtsmythen ins rechte Licht. Die Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung sei in der „Transfer“-Diskussion der 1930er Jahre angelegt gewesen. Die Entvölkerung der Dörfer fand unter Aufsicht der britischen Mandatsmacht statt: „Man vertrieb die Araber, wo immer es möglich war, oft unter den Augen der britischen Armee.“ Die weiteren Vertreibungen während des 1948-Krieges mit den Arabern seien keine „natürlichen“ Begleiterscheinungen der Kampfhandlungen gewesen, „sondern wurden neben ihnen vorgenommen. Sie wurden immer mehr zu einem wichtigen Kriegsziel, das unabhängig von der Verteidigung und Ausdehnung des Staates Israels verfolgt wurde.“ Dass die Bevölkerung auf Anweisung geflohen ist, sei eine bis heute unbewiesene Behauptung „israelischer Propaganda“. Eine Vertreibung der Zivilbevölkerung ist völkerrechtswidrig. Die Behauptung Israels, man habe dies nicht gewollt, scheint angesichts der Verweigerung ihrer Rückkehr unglaubwürdig.
Der Autor verweist weitere israelische Behauptungen wie „Israel hatte keinen echten Verhandlungspartner“, Die arabische Bevölkerung Israels ist gleichberechtigt“, „Israel war in seiner Existenz bedroht“, „Die PLO wollte Israel vernichten“, „Israel war zu Kompromissen bereit“, „Die Araber tragen die Verantwortung“ und zahlreiche andere politische Parolen ins Reich der Legenden. Gerade für Deutsche sollte gelten, was Flores abschließend in „Perspektiven“ anmerkt: „Israel behauptet ja, im Interesse aller Juden der Welt zu agieren, und das immunisiert es bei denen, die ihm das abnehmen, gegen jede Kritik. Dieser Mechanismus greift besonders in Deutschland. Das ist zunächst nachvollziehbar – wer wollte den Juden nach allem, was passiert ist, eine sichere Heimstatt verweigern? Die Folgen sind freilich katastrophal. Wer aus dem Holocaust den Schluss zieht, man müsse zu neuen Verbrechen schweigen, wenn sie von Juden begangen werden, trägt zur Immunität Israels und damit zu seiner Skrupellosigkeit bei, welche den Konflikt mit all seinen Schrecken nur verlängern kann. Das ist weder im wohlverstandenen Interesse der israelischen noch in dem der nichtisraelischen Juden. Genaueres Hinsehen und weit verbreitete, wohlbegründete Kritik am israelischen Vorgehen werden die absolute Immunität Israels beenden, und das kann nach Lage der Dinge nur gut sein.“
Das Bändchen ist eine exzellente Darstellung des ältesten Regionalkonfliktes in den internationalen Beziehungen. Es ist überaus verständlich geschrieben. Die Urteile des Autors sind fundiert, präzise und souverän vorgetragen. Eine Pflichtlektüre für jeden politisch Interessierten. Auch dem durch einseitige pro-israelische Geschichtsdarstellungen überfluteten facettenreichen Bildungsbereich würde eine „Frisch-Zellen-Kur“ in der Form dieses Buches gut tun.
Das Buch gliedert sich in sieben kurze Kapitel, die sehr übersichtlich - durch farbliche Hervorhebungen und Ausstellungen zentraler Begriffe - ästhetisch gut aufgemacht sind. Der Autor lässt die Entstehung des Konfliktes mit dem Aufkommen der zionistisch inspirierten Besiedlung Palästinas beginnen. Jüdisches Leben hat es in Palästina immer gegeben, und Probleme zwischen palästinensischen Araber und palästinensischen Juden waren vor der Kolonisierung durch den Zionismus unbekannt. „Ein Problem schuf erst die zionistisch inspirierte Einwanderung.“ Diese „europäische Siedlerkolonie“ sei der autochthonen palästinensischen Bevölkerung von den Europäern aufgezwungen worden. Die zionistischen Kolonisatoren trafen auf eine Bevölkerung, die im Begriff war, ihr eigenes „nationales Selbstbewusstsein“ herauszubilden. Der Widerstand gegen die Inbesitznahme ihres Landes war durch alle Gesellschaftsschichten von Beginn an vorhanden und wurde als Bedrohung ihrer Existenz angesehen. Es könne keine Rede davon sein, dass „gewisse Elemente“ dagegen aufgehetzt worden seien, wie die israelische Geschichtsmythologie behauptet.
Da die Siedler über kein natürliches Hinterland verfügten, mussten sie sich immer wieder bei den europäischen Mächten rückversichern. So schrieb Theodor Herzl in „Der Judenstaat“: „In Europa würden wir dort eine Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“ Hat sich an dieser – doch wohl zeitbedingten - kolonial-rassistischen Haltung inzwischen etwas in Israel geändert? Ehud Barak hat Israel vor einigen Jahren als „Villa im Dschungel“ bezeichnet.
Auch ist die Haltung der diversen israelischen Regierung gegenüber den Palästinenser wenig überraschend, wenn man sich die programmatische Schrift „The Iron Wall“ von Vladimir Jabotinsky aus dem Jahre 1923 vor Augen führt: „Unsere Kolonisierung muss entweder beendet oder gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung fortgesetzt werden. Diese Kolonisierung kann daher nur weitergehen und sich entwickeln unter dem Schutz einer Kraft, die von der lokalen Bevölkerung unabhängig ist – eines eisernen Schutzwalles, den die einheimische Bevölkerung nicht durchbrechen kann.“ Diese „politische Vision“ wurde inzwischen vollständig realisiert: Israel ist die viertgrößte Militärmacht der Welt, ausgestattet mit über 200 Atomraketen, biologischen und chemischen Waffen, und es hat wider jedes Völker- und Menschenrecht eine über acht Meter hohe Mauer und einen Sicherheitszaum um Restpalästina errichtet, hinter dem die eigentlichen Besitzer des Landes ihr Leben fristen müssen. Und wenn die „Gefängnisinsassen“ keine Ruhe geben, werden sie angegriffen, wie um die Jahreswende 2008/09 geschehen. Die Todesrate betrug 100:1 zu Ungunsten der Bewohner des „größten Freiluftgefängnisses der Welt“ im Gaza-Streifen. Dass der „zivilisierte“ Westen dazu geschwiegen hat und weiterhin alles unternimmt, dass der "Goldstone-Report" nicht vor dem UN-Sicherheitsrat diskutiert wird, ist das Bemerkenswerteste. Auf die palästinensische "Autonomieregierung" wurde so großer Druck von Seiten der USA und Israels ausgeübt, dass die Betroffenen eine Debatte auch nicht wollten!
In den 400 Jahren Osmanischer Herrschaft habe es zwar nie eine Verwaltungseinheit „Palästina“ gegeben, aber trotzdem sei Palästina ein arabisches Land. Der Autor rückt die Legenden von einer „intensiven“ Zusammenarbeit der Palästinenser mit den Nazis zurecht, die besonders von politisch motivierten antideutschen Propagandisten und Pseudowissenschaftlern, neokonservativen und christlich-fundamentalistischen Extremisten sowie anderen Dilettanten ventiliert werden. Abgesehen vom „Mufti von Jerusalem“ habe es keine Zusammenarbeit gegeben; was es dagegen gab, war eine intensive Kooperation zwischen Nazis und Zionisten, wie das Buch „Zionismus und Faschismus“ (Kai Homilius Verlag) von Lenni Brenner zeigt.
Auch was die Vertreibung der Palästinenser betrifft, rückt der Autor einige israelische Geschichtsmythen ins rechte Licht. Die Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung sei in der „Transfer“-Diskussion der 1930er Jahre angelegt gewesen. Die Entvölkerung der Dörfer fand unter Aufsicht der britischen Mandatsmacht statt: „Man vertrieb die Araber, wo immer es möglich war, oft unter den Augen der britischen Armee.“ Die weiteren Vertreibungen während des 1948-Krieges mit den Arabern seien keine „natürlichen“ Begleiterscheinungen der Kampfhandlungen gewesen, „sondern wurden neben ihnen vorgenommen. Sie wurden immer mehr zu einem wichtigen Kriegsziel, das unabhängig von der Verteidigung und Ausdehnung des Staates Israels verfolgt wurde.“ Dass die Bevölkerung auf Anweisung geflohen ist, sei eine bis heute unbewiesene Behauptung „israelischer Propaganda“. Eine Vertreibung der Zivilbevölkerung ist völkerrechtswidrig. Die Behauptung Israels, man habe dies nicht gewollt, scheint angesichts der Verweigerung ihrer Rückkehr unglaubwürdig.
Der Autor verweist weitere israelische Behauptungen wie „Israel hatte keinen echten Verhandlungspartner“, Die arabische Bevölkerung Israels ist gleichberechtigt“, „Israel war in seiner Existenz bedroht“, „Die PLO wollte Israel vernichten“, „Israel war zu Kompromissen bereit“, „Die Araber tragen die Verantwortung“ und zahlreiche andere politische Parolen ins Reich der Legenden. Gerade für Deutsche sollte gelten, was Flores abschließend in „Perspektiven“ anmerkt: „Israel behauptet ja, im Interesse aller Juden der Welt zu agieren, und das immunisiert es bei denen, die ihm das abnehmen, gegen jede Kritik. Dieser Mechanismus greift besonders in Deutschland. Das ist zunächst nachvollziehbar – wer wollte den Juden nach allem, was passiert ist, eine sichere Heimstatt verweigern? Die Folgen sind freilich katastrophal. Wer aus dem Holocaust den Schluss zieht, man müsse zu neuen Verbrechen schweigen, wenn sie von Juden begangen werden, trägt zur Immunität Israels und damit zu seiner Skrupellosigkeit bei, welche den Konflikt mit all seinen Schrecken nur verlängern kann. Das ist weder im wohlverstandenen Interesse der israelischen noch in dem der nichtisraelischen Juden. Genaueres Hinsehen und weit verbreitete, wohlbegründete Kritik am israelischen Vorgehen werden die absolute Immunität Israels beenden, und das kann nach Lage der Dinge nur gut sein.“
Das Bändchen ist eine exzellente Darstellung des ältesten Regionalkonfliktes in den internationalen Beziehungen. Es ist überaus verständlich geschrieben. Die Urteile des Autors sind fundiert, präzise und souverän vorgetragen. Eine Pflichtlektüre für jeden politisch Interessierten. Auch dem durch einseitige pro-israelische Geschichtsdarstellungen überfluteten facettenreichen Bildungsbereich würde eine „Frisch-Zellen-Kur“ in der Form dieses Buches gut tun.