Was jede „schwäbische Hausfrau“ beherzigt, aber auch jeder Ökonom unterstützen sollte, drückt das englische Sprichwort treffend aus: „Don´t throw good money after bad.“ In der Europäischen Union (EU) scheinen die simpelsten Haushaltsregeln außer Kraft gesetzt zu sein, wenn man sich die endlos Rettung des „griechischen Patienten“ anschaut, dem leider nicht mehr zu helfen ist, außer man gibt ihm seine Drachme und seine staatliche Souveränität und damit die Handlungsfähigkeit zurück, damit die Griechen endlich wieder Herr über ihr eigenes Schicksal sein können. Nicht die Griechen sind zu verurteilen, sondern die EU-Ideologen, die wider besseres Wissen Griechenland in den Euro-Club aufgenommen haben und ihnen jetzt diktieren, was sie zu tun haben. Die damalige Rot/Grüne-Bundesregierung trägt dafür eine erhebliche Mitverantwortung.
Die griechische politische Klasse könnte einem fast leidtun, wenn man sieht, wie ein Konglomerat aus EU-Kommission, IWF- und EZB-Funktionären ihnen vorschreibt, wie sie sich zu benehmen und wie sie in Zukunft Politik zu gestalten haben. Diese „diktatorischen“ Vorgaben scheinen das neue Verständnis von „Freiheit“ und „Souveränität“ à la Europäische Union auszumachen - einem freiwilligen Zusammenschluss souveräner Nationalstaaten auf dem Weg in die „Vereinigten Staaten von Europa“. Aus lauter Verzweiflung hat sich Griechenland am 9. Februar 2012 dem EU-Diktat gebeugt und bereitwilligt erklärt, das Land kollektiv in einen „Hartz-IV-Staat“ zu führen. Oder wie es der Patriarch der Griechisch-Orthodoxen Kirche, Hieronymos II., ausdrückt: “We are being asked to take even larger doses of a medicine that has proven to be deadly and to undertake commitments that do not solve the problem, but only temporarily postpone the foretold death of our economy.” Kritischer ausgedrückt: Es findet eine soziale “Konterrevolution“ statt. Diese scheint die Zukunft des neuen EU-Imperiums widerzuspiegeln. Jeder Staat sollte schnellstmöglich noch den Absprung vom Euro-Express schaffen, bevor es um die Freiheit seiner Bürger oder der Nationalstaaten endgültig geschehen ist. Kluge Europäer wie der tschechische Präsident Vaclav Klaus mahnen diese Souveränität seit Jahren an.
Franz Josef Strauß hat kurz vor seinem Tod etwas „Prophetisches“ in Bezug auf die machtpolitische Verfasstheit der EU gesagt: Das Politbüro sei von Moskau nach Brüssel umgezogen! Die Entwicklung der EU, insbesondere die Behandlung kleinerer Staaten gibt insbesondere für fortschrittliche Kräfte Anlass, über die Legitimität der EU-Klasse sowie generelle Konstruktionsfehler dieser Gemeinschaft nachzudenken, wie es Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 9. Februar 2012 getan hat. Das EU-Parlament ist keine demokratische Volksvertretung, da es nicht nach demokratischen Regeln gewählt wird, weil nicht jede Stimme den gleichen Wert besitzt. Welcher Souverän wählt eigentlich das EU-Parlament? Über andere Demokratiedefizite müssten eigentlich die an Aufklärung interessierten politischen Bildungsorganisationen informieren. Von dieser zivilgesellschaftlichen Front ist nur Affirmatives und wenig Kritisches zu vermelden.
Dass der Euro in dieser politischen Konstellation nicht mehr zu retten ist, weiß im Prinzip jeder. Es geht nicht primär um die Rettung Griechenlands, selbst in zweiter Linie nur um die Rettung des Euro, sondern um einen wichtigen Teil des „Raubtierkapitalismus“, und zwar das europäisch Banken-Konglomerat, das sich verspekuliert hat, um es höflich auszudrücken. Rationalere Analysten der politischen Szene haben bereits vor in Kraft treten der Währungsunion, deren Scheitern nach zehn Jahren prognostiziert. Die diversen Gutachten renommierter Wirtschaftsprofessoren sind alle bekannt.
Daneben war es der Druck des US-amerikanischen Wirtschaftsneoliberalismus, der alle Hindernisse, die der Einführung des Euro im Weg standen, beseitigt hat. Diese neoliberalen Kräfte rissen die letzten Hürden gegen die uneingeschränkte und unkontrollierte Herrschaft des globalen Finanzmarktkapitalismus ein. Somit fehlt den EU-Ländern jede Schutzmöglichkeit, über die jeder souveräne Staat verfügt, und zwar das Recht auf Kapitalverkehrskontrollen. Länder wie Brasilien, Indien, Südafrika u. a. haben davon erfolgreich Gebrauch gemacht, um sich so vor einer Inflation durch das Einströmen künstlich billig gehaltener US-Dollar zu schützen, wohingegen die EU-Länder seit Maastricht dieser Überflutung ihrer Finanzmärkte hilflos zusehen müssen.
Die Währungsunion in der aktuellen Zusammensatzung ist auch deshalb gescheitert, weil sie ein politisches und ideologisches Projekt war und nicht aus einer wirtschaftspolitischen Notwendigkeit heraus erwachsen ist. Angeblich musste Deutschland den Preis für seine Wiedervereinigung mit dem Beitritt zur Währungsunion und die Entmachtung der Deutschen Bundesbank zahlen. Hätte der deutsche Souverän, das Volk, das Sagen gehabt, wäre dieses „Leichtmetall“ niemals zur europäischen Zahlungseinheit aufgestiegen. Folgende Frage wurde noch nicht einmal angedacht: Wer hätte sich denn dem Wunsch der Deutschen nach Wiedervereinigung realistischer Weise in den Weg stellen können, nachdem die DDR den Bach runter gegangen war? Das Symbol der Banane war wohl das politisch Primitivste, was aus Teilen der politischen Elite dagegen ins Feld geführt worden ist. Selbst die so genannten alliierten „Freunde“ hätte letztendlich nichts gegen den Vereinigungswillen der Menschen in Ost und West ausrichten können.
In der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ vom 12. November 2011 hat der ehemalige Schatzkanzler unter Premierministerin Margret Thatcher, Lord Nigal Lawson, auf die „Geburtsfehler“ der Währungsunion hingewiesen, die justament in seiner Ideologiebefangenheit und seiner mangelnden ökonomischen Rationalität gelegen haben. Die Zahlen des so genannten Rettungsfonds, die für die „Rettung“ Griechenlands und der anderen „Verdächtigen“ genannt werden, steigen inzwischen ins Astronomische. Hier wird ein Luftschloss aus ideologischen Gründen gebaut, das vielleicht ein Jahr, besten Falls zwei Jahre halten wird, bevor es kollabiert. Denn das Problem ist kein ausschließlich „griechisches“, sondern ein generelles „PIGS-Problem“. (PIGS=Portugal, Italien, Griechenland, Spanien).
Lawson weist in diesem Artikel auf den wirtschaftlichen Schaden hin, der der Euro jeden Tag nicht nur für Europa, sondern auch für den Rest der Welt anrichte – gar nicht zur reden von den „politischen Verwerfungen und der zerstörerischen Spaltung innerhalb der EU“. Bereits 1963 hat der damalige Bundesbankpräsident Karl Blessing das ökonomische Einmaleins für eine Währungsunion selbst für ökonomische Analphabeten buchstabiert: „Eine gemeinsame Währung und ein föderales Notenbanksystem sind nur denkbar, wenn es außer einer gemeinsamen Handelspolitik auch eine gemeinsame Finanz- und Budgetpolitik, eine gemeinsame Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, eine gemeinsame Sozial- und Lohnpolitik, also eine gemeinsame Politik überhaupt gibt, kurz, wenn es einen Bundesstaat mit einem europäischen Parlament gibt, das Gesetzgebungsbefugnisse gegenüber allen Mitgliedsstaaten hat.“
Oder wie Gerda Zellentin 1996 in ihrem Beitrag zum Sammelband „Maastricht neu verhandeln“ feststellte: „Die vorzeitige Verwirklichung einer einheitlichen europäischen Geld- und Währungspolitik würde die realpolitischen und machtpolitischen Divergenzen in der EU lediglich verdecken. Um sie statt dessen auszugleichen, wären nicht allein die Weichwährungsländer zur Stabilitätspolitik zu verpflichten; die Hartwährungsländer, insbesondere die Bundesrepublik, müssten zu diesem Zweck einen Ausgleich ihrer Handels- und Leistungsbilanzen anstreben. Den enormen Überschüssen des deutschen Exportweltmeisters versuchten die schwächeren Länder durch Abwertungskonkurrenz, größere Staatsverschuldung u. ä. gegenzusteuern, um die Arbeitslosigkeit im eigenen Land aufzuhalten. Dabei vertiefen sich die die Divergenz, statt Konvergenz zu fördern.“
Wider jede politische Vernunft gibt es in der Tat politische Geisterfahrer in Deutschland, die ihre ideologisch motivierte EU-Begeisterung für eine politische Totalintegration durch eine Vorwärtsstrategie versuchen zu retten. In dieser existentiellen Situation, in der sich die Euro-Zone befindet, sind solche Forderungen geradezu politisch unverantwortlich, wenn sie nicht gar eine Beleidigung für andere Mitgliedsländer darstellen, denen ihre nationale Souveränität und Identität noch etwas bedeuten.
Dass gegen die Vereinbarungen der Maastricht-Verträge massiv verstoßen wird, ist jedem Kenner klar. Ein Bail-Out war nie vorgesehen. Jeder Regierung war für ihre Verschuldungspolitik selber verantwortlich. Die Europäische Zentralbank ist zu einer Ankaufzentrale für wertlose Staatspapiere geworden, die eigentlich geschreddert gehörten. Deutschland darf auch bei der Verschuldungsfrage nicht mit dem Finger auf andere Länder zeigen. Eine Transferunion ist vertraglich ausgeschlossen. Die EU ist keine föderal verfasste Bundesrepublik, in der ein nationaler Finanztransfer von den reicheren zu den weniger reichen Bundesländern stattfindet, um die verfassungsmäßige Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse wenigsten einigermaßen zu garantieren. Ein solcher Finanzausgleich lässt sich innerstaatlich rechtfertigen, europaweit jedoch nicht, da er einer verantwortungslosen Ausgabenpolitik Tür und Tor öffnen würde.
Noch ist der Euro keine Weichwährung. Deshalb darf es zu keiner politischen Union kommen unter den Auspizien eines permanenten Bruches der EU-Verträge. Die „Halbwertszeit“ der Aussagen der poltischen Klasse in Anbetracht ihrer vergangenen Äußerungen einer weiteren Aufstockung des europäischen Rettungsschirms ESM betreffend, beträgt etwa der Zeit zwischen einer EU-Presseerklärung, der Reaktionszeit der nationalen Regierung und der Reaktion der Abgeordneten.
Es gibt in Deutschland einige Experten, die eine Aufteilung der Euro-Zone in einen „Nord-Euro“ und einen „Süd-Euro“ befürworten. Dies erscheint rational nachvollziehbar: Die „PIGS“ könnten, vielleicht noch ergänzt durch die Führungsmacht Frankreich, einen „Süd-Euro“ („Oliven-Euro“) einführen, die Nord-Länder, Deutschland, Österreich, die Benelux-Staaten, Irland und Finnland, dagegen konzentrieren sich auf einen „Nord-Euro“.
Deutschland könnte natürlich auch, um dem „worst case“ vorzubeugen, die D-Mark als Parallelwährung wieder zulassen, neue DM-Scheine in Umlauf setzen, um dann zu einem politisch opportunen Zeitpunkt den Euro wie weiland die DDR-Währung aus den Verkehr zu ziehen: im Umtauschverhältnis ein Euro für zwei D-Mark natürlich. Oder man könnte unter Aufnahme von Tschechien, Dänemark, Schweden u. a, eine wirklich stabile und seriöse Euro-Zone bilden, aber dieses Mal unter Einhaltung der vereinbarten Verträge und der Achtung der wirklichen Souveränität der Mitgliedsländer. Die Leser/innen haben spätestens jetzt gemerkt, dass es sich bei diesen Vorschlägen um völlig utopische Vorschläge handelt, da diese aus „rationalen“ Erwägungen für die politischen Eliten in Europa „out of question“ sein dürften.
Selbst in Australien, das so gar nicht von den ökonomischen Ungereimtheiten des Euro betroffen ist, herrscht eine sehr realistische Einschätzung über die Überlebensfähigkeit der Einheitswährung vor: „Europe has run out of easy solutions to its many simultaneous crises. When it runs out of money to even buy itself more time to gloss over the symptoms of a dysfunctional monetary union, perhaps European leaders will finally start tackling the underlying problems. Time has become unaffordable“, schreibt Oliver Marc Hartwich im “Business Spectator“ vom 19. Januar 2012.
Die Krise des Euro offenbart neben den finanzpolitischen Risiken auch einen Machtkampf um die Hegemonie in Europa. Niemand sollte sich von dem „harmonischen“ Pärchen „Merkozy“ täuschen lassen. Die politischen Interessen eines französischen Präsidenten, selbst wenn er als „The American“ firmiert, sollten nicht unterschätzt werden. Ideen wie die „Grand Nation“ und „französische nationale Interessen“ sind immer noch prioritär vor jedweden europäischen Visionen, die besonders in Deutschland das politische Urteilsvermögen eintrüben.
Die Idee „Europa“ darf nicht nur den Politikern überlassen werden. Europa muss ein Projekt aller seiner Bürger und nicht nur seiner Funktionäre sein; nur wenn es eine zivilgesellschaftliche Legitimation besitzt, wird es nicht scheitern. Folglich sollte diese Idee dem Einfluss der Politiker entzogen und der Zivilgesellschaft anvertraut werden. Sie muss sich mit Zivilcourage, kritischem und demokratischem Bewusstsein mündig, aktiv ins politische Leben einmischen, um das Handeln der politischen Elite immer wieder zum Wohl der Bürger Europas zu hinterfragen, um ggf. immer wieder neu aufzubrechen und die saturierten EU-Funktionäre hinter sich zu lassen. Wenn dies nicht mehr möglich ist, sollte nicht nur die Politik, sondern auch deren verfasste institutionelle Bildung einpacken.
Die Zukunft Europas liegt in seinen Nationalstaaten, die nach der philosophischen Maxime „Identität in Differenz“ ein Europa bauen sollten, das auf folgenden europäischen Errungenschaften basiert: Demokratie, Gleichheit und Freiheit der Person unter Achtung aller kulturellen Unterschiede. Wie die Geschichte lehrt, gehört ein europäisches Imperium nicht zur Tradition und zu den Idealen europäischer Geistesgeschichte. Das Ende des Euro würde nicht das Ende Europas bedeuten.
Das realistische Resümee von Rainer Hank in der Zeitschrift „Merkur“ vom Januar 2012 klingt überzeugend, wenn er argumentiert, dass bereits mit der Aufnahme Italiens das Dilemma mit der Währungsunion begonnen hat und nicht erst mit Griechenland. „Wer das alles nüchtern abwägt, kann auch nüchtern den Euro als Fehlentwicklung verabschieden. Es hängen an ihm weder Heil, Glück, Wohlstand noch gar die Freiheit in Europa. Dann erhalten die Notenbanken der einzelnen Länder wieder die Souveränität über ihr Geld zurück. Zu behaupten, dies sei ein Rückfall in eine Welt des Merkantilismus vor den Zeiten wirtschaftlicher Freiheit, ist abwegig. Ein nicht nur nach innen, auch nach außen offenes vereintes Europa, ein großer europäischer Binnenmarkt, braucht keine Gemeinschaftswährung. Europa braucht Vielfalt, nicht Einfalt.“