Irak sollte zu einer Leuchte der Freiheit und der Demokratie im Mittleren Osten werden, so die naive Vorstellung der Bush-Regierung und ihrer neokonservativen Anhänger. Der jüngste Bericht von Amnesty International „Iraq: A Decade of Abuses“ zeichnet dagegen ein überaus düsteres Bild über die Lage der Menschenrechte und der Abwesenheit von Rechtsstaatlichkeit. „Thousands of Iraqis are detained without trial or serving prison sentences imposed after unfair trials, torture remains rife and continues to be committed with impunity, and the new Iraq is one of the world's leading executioners.“ Zehn Jahre nach “Iraqi Freedom” scheint es, als seien die Folterknechte des Sunniten Saddam Hussein nur durch diejenigen des Schiiten Nuri al-Maliki ersetzt worden.
Auch einige westliche Besatzungstruppen haben sich in Sachen Folter beispielhaft hervorgetan. Erinnert sei an die obszönen Szenen im Abu-Ghreib-Gefängnis, die von US-Soldaten nicht nur begangen, sondern auch gefilmt worden sind. Auch darf das Gefangenenlager in Guantanamo Bay auf Kuba nicht in Vergessenheit geraten, in dem angebliche Terroristen massiven Folterungen wie „waterboarding“ und anderen exzessiven Verhörmethoden ausgesetzt waren, und dies mit Wissen und ausdrücklicher juristischer „Rechtfertigung“ der Bush-Krieger. Die Bush-Administration hat sich aber auch den „Luxus“ geleistet, Folter auszulagern, und zwar in einige arabische Despotien wie Ägypten, Syrien, Libyen aber auch in geheime CIA-Gefängnisse in einigen EU-Staaten. Die CIA betrieb im großen Umfang „extraordinary renditions“, das heißt, die geheime Entführung von Personen aus einem Staat zum anderen mit der Absicht, sie dort brutalen Folterungen auszusetzen, um „Geständnisse“ zu erpressen. Eine große „Black Hole“ existiert noch im US-Militärlager in Bagram, Afghanistan. Die dort einsitzenden Gefangenen sind völlig rechtlos und der Willkür der US-Militärs ausgeliefert. Solange die USA diese Missstände nicht abstellen, aufarbeiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, haben sie ihr moralisches Recht verwirkt, andere Regierungen in Sachen Menschenrechte zu schulmeistern.
Dieser Bericht konzentriert sich auf die Verletzung der Menschenrechte von Häftlingen und Gefangenen, einschließlich Folter und andere Misshandlungen durch irakische Sicherheitskräfte und US-geführte Koalitionstruppen, die seit dem Sturz von Saddam Hussein vor zehn Jahren begangen worden sind. Der AI-Bericht macht dies anhand von zahlreichen Fallbeispielen deutlich. Nach Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahre 2004 seien mindestens 447 Gefangene hingerichtet worden, allein 129 in 2012. Die Zahl der zivilen Toten geht in die Hunderttausende. Auch im irakischen Kurdistan werden Gefangene misshandelt. Vor Veröffentlichung dieses Berichtes hat AI die irakische Regierung mit ihren Ergebnissen konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten - vergebens.
Der AI-Report befasst sich mit Folter und Misshandlung von Gefangenen unter direkter US-Besatzung (2003/04) und nach „Beendigung der Besatzung“ (2004) bis zum „Abzug“ der ausländischen Truppen (2011). Des Weiteren werden unfaire Strafverfahren, die zahlreichen Todesurteile und die mangelnde Rechenschaftspflicht der irakischen Behörden untersucht. Die Missachtung der Rechte von Gefangenen, seien es nun Männer, Frauen oder Kinder, sind symptomatisch für ein totalitäres Regime, das niemandem Rechenschaft schuldet. Die irakische Regierung verweist darauf, dass es sich bei den Verstößen um isolierte Zwischenfälle Einzelner handele, obgleich bei der Vielzahl der Fälle ein systematischer Verstoß vorzuliegen scheint.
Nach Angaben von AI wurden Folterungen durch US-Amerikaner, Briten und Irakern begangen. Kein Land habe irgendjemanden zur Rechenschaft gezogen. In den USA und Großbritannien habe es zwar vereinzelte Ermittlungen gegeben, aber eine systematische Untersuchung des Fehlverhaltens des Militärs sei nicht erfolgt. Zu den Foltermethoden gehören: Elektroschocks an Genitalien und an anderen Körperteilen, der Entzug von Nahrung, Wasser und Schlaf. Den Gefangenen werde mit direkter Vergewaltigung oder mit der ihrer weiblichen Angehörigen gedroht.
Schon vor der Veröffentlichung des AI-Berichts veröffentlichten die BBC und die Tageszeitung „The Guardian“ gleichlautende Berichte, in denen sowohl der ehemalige General und spätere CIA-Chef David Petraeus als auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in Verbindung mit Folter in iraktischen Polizeigefängnissen gebracht worden sind. Das dunkle Kapitel des US-Irak-Abenteuers harrt noch der Aufarbeitung. Die Verantwortlichen für diese Verbrechen müssen einer gerechten Strafe zugeführt werden, angefangen bei dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush und Tony Blair sowie allen weiteren in der direkten Befehlskette. Dafür kann auch dieser Bericht neben den zahllosen anderen bereits publizierten herangezogen werden.