Tom Segev gehört zu den bekanntesten Journalisten Israels; ebenso zählt er zu den renommiertesten Historikern seines Landes. Dieses Buch erschien bereits 1986 auf Englisch. Nach 22 Jahren liegt es auf Deutsch vor. Es beschreibt die Ereignisse der ersten Jahre nach der Staatsgründung und gliedert sich in vier Teile: „Zwischen Juden und Arabern“, „Zwischen Veteranen und Neuankömmlingen“, „Zwischen Orthodoxen und Säkularen“ sowie „Zwischen Vision und Realität“. Die Ausführungen beruhen zu weiten Teilen auf erstmals zugänglichen Quellen. Sie dokumentieren eine etwas andere und differenzierte Sicht der Ereignisse, als sie manchen lieb sein kann. Der Autor zeichnet ein Bild der Gründergeneration mit all ihren Widersprüchen. So trafen die Überlebenden des Holocaust auf eine Siedlermentalität, die sich die Schaffung eines „neuen" Juden auf ihre Fahnen geschrieben hatte, der sich niemals mehr zur „Schlachtbank“ führen lassen werde. Eine solche Haltung war nach den Gräueltaten, die im deutschen Namen begangen worden sind, mehr als verständlich.
Als das Buch erstmals erschien, wurde von den Kritikern behauptet, es sei ein „subversiver Versuch“ einer neuen postmodernen Geschichtsschreibung, „die dem Zionismus feindlich gegenüberstehe“. Segev zeigt in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe sogar Verständnis für eine solche Haltung, denn in einem Staat, dessen Existenz auf grundlegenden historischen Annahmen basiere, „kann jeder Riss in existentiellen Mythen als lebensbedrohlich empfunden werden“. Trotz dieser Haltung wird in keinem anderen Land mit der zionistischen Ideologie so hart ins Gericht gegangen wie in Israel. Auch in diesem Buch kommt Segevs Misstrauen gegenüber der zionistischen Geschichtsschreibung wie der zionistischen Politik zum Ausdruck, gleichwohl ist er aber voller Bewunderung für deren Aufbauleistung. Ja, er beneidet „die ersten Israelis“ ein wenig, „dass sie teilhaben durften an der historischen Aufgabe, einen neuen Staat aufzubauen“.
Israel ist für Segev eine „Erfolgsgeschichte“, aber mit einer brutalen Kehrseite: der Tragödie der Palästinenser. Die Existenz dieses Landes beruhe auf einer bestimmen Geschichtsauslegung, und zwar der zionistischen. Bis zur Freigabe der Archive „besaß Israel eine nationale Mythologie“. Erst seit diesem Zeitpunkt gibt es eine wirkliche Geschichtsschreibung.
Für Segev ist Israel eine gespaltenes Land, „gefangen in einem Kulturkampf, einem Krieg zwischen grundlegender Moral und politischen Werten“. Der Kampf zwischen „Optimismus“ und „Pessimismus“ bringe die Grundhaltung des Konfliktes zum Ausdruck, der heute in Israel tobe. Gleichwohl ist der Autor optimistisch, weil seine Landsleute bereit seien, die „mythenbeladene Vergangenheit abzustreifen“. Trotzdem glauben viele Israelis nicht, dass der Frieden eine Chance habe. Sie sehen „Besetzung, Unterdrückung und Terror als Dauerzustand an“. Viel bedenklicher jedoch ist: „Im Gegensatz zu den ersten Israelis empfinden sie aber keine Begeisterung mehr darüber, in einem eigenen Staat zu leben.“ Eine erste Erklärung hatte der Autor in einem Gespräch in der Sendung Kulturzeit auf 3 SAT vom 31. Mai 2005 gegeben: "Das ganze Land ist ein riesiges Ghetto geworden dadurch, dass wir hinter einer Betonmauer leben müssen."
Tom Segev hat eine ehrliche Bestandsaufnahme der Gründungsphase seines Landes gegeben, die zeigt, unter welchen Schwierigkeiten sich der Aufbau eines Nationalstaates vollzieht. Der Autor zieht den Schleier von dem romantischen Mythos „vom Erblühen der Wüste“. Das Buch ist ein Muss für den politisch Interessierten, die politische Elite sowie für die Wissenschaft.