Die deutsche Sprache ist bisweilen schwieriger als man denkt. Sie richtig einzusetzen, setzt Denken und Verstehen voraus und – dass man ihre Werte beherrscht. Diejenigen, welche die deutsche Sprache und ihre Werte beherrschen, wissen um den begrifflichen Unterschied zwischen Rehabilitierung (=Wiedereinsetzung in die ehemaligen Rechte; Ehrenrettung) und Rehabilitation (=Wiedereinsetzung in das berufliche und gesellschaftliche Leben). Beiden Begriffen ist gemeinsam, dass sie Teilhabe zum Ziel haben: Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Dieses Ziel ist Lizas Welt fremd.
Schlimmer als die mangelhafte Sprachkompetenz ist in Lizas Welt samt ihrer Bewohner allerdings die offenkundig zur Schau getragene Diskriminierung all jener Menschen, die behindert oder von Behinderung bedroht sind. Da wird einem behinderten oder kranken Mann, der sich im Bett einer Reha-Klinik mit einem Computer zu beschäftigen vermag, der Kopf entfernt. Seinen Ehering lässt man ihm noch. Auf seinen Rumpf wird der Kopf eines „Geächteten“ montiert. Dem Schlafanzug des Kranken wird die palästinensische Fahne verpasst. Die an Geschmacklosigkeit nicht zu überbietende Collage wird mit dem Titel versehen: „Aufstand in der Reha-Klinik“.
Die vor 14 Jahren mit der Absicht, einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung anzustoßen und zugleich den Schutz behinderter Menschen zu stärken, erfolgte Ergänzung des Grundgesetzes dieses Landes um Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, ist an Lizas Welt spurlos vorüber gezogen. Ebenso erging es denjenigen Gesetzen, mit denen in diesem Land Mitte des Jahres 2001 ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet worden ist: Teilhabe und Selbstbestimmung – all dies sind Fremdwörter für Liza so wie der Begriff der Rehabilitation behinderter Menschen. Vom Gleichstellungsgesetz behinderter Menschen und vom Sozialgesetzbuch SGB IX hat Liza offensichtlich keine Ahnung. Hätte sie „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) vom 17. Februar 2003 gelesen, wäre sie vielleicht klüger geworden.
Was einst Michel Foucault schrieb, scheint in Lizas Welt noch das Maß allen Denkens zu sein: „Die Lepra verschwand, der Aussätzige verschwand, oder fast, aus dem Gedächtnis. Die Strukturen jedoch blieben.“ Liza macht sich mit aller Macht lustig und her über den Menschen, der behindert oder von Behinderung bedroht, inzwischen überall angekommen ist: in Kunst, Wissenschaft, Lehre, Wirtschaft, Verwaltung sowie – hierzulande wie anderswo – in hohen politischen Ämtern. Lebte er noch, dem 32. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Franklin Delano Roosevelt, der durch Kinderlähmung auf den Rollstuhl angewiesen, vier Amtsperioden nicht nur durchhielt, sondern sogar den „New Deal“ einführte, würde es den Magen umdrehen, wenn er Lizas Welt kennen lernen müsste.
Man fühlt sich in diesen Tagen an diesen großen Staatsmann erinnert. In seiner beeindruckenden Rede erwähnte der soeben gewählte 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, an sehr prominenter Stelle neben den nicht behinderten auch die behinderten Menschen, denen er als seine Wähler dankte. Lizas Welt ist eine andere. Sie ist Galaxien hiervon entfernt. Während in diesem Land Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen in allen Lebensbereichen aktiv sind – dank der Rehabilitationsleistungen, welche die Gesellschaft für sie bereitstellt – zum Beispiel in Reha-Kliniken, die ihren Erfolg erstklassig ausgebildetem und unermüdlich arbeitendem Pflegepersonal und der Willenskraft der Patienten, die dort behandelt werden, zu verdanken haben, erklärt Liza die Reha-Kliniken schlicht zu Zonen des Aufstands. Schlimmer noch: die „Insassen“ und deren Oberärzte werden veralbert und in ihrer Ehre herabgesetzt.
Nein – diese Attacke trifft nicht nur den, dessen Konterfei in die Collage hineingescannt wurde. Sie trifft alle Menschen, die behindert sind und die, die sie auf dem Weg der Rehabilitation begleiten. Schlimmer geht´s nimmer! Alle, die in diesem Land Artikel 3 des Grundgesetzes Tag für Tag mit Leben erfüllen, muss sich der Magen beim Anblick dieser Verachtung ausstrahlenden Collage und ihrer kopflosen Überschrift umdrehen.
Allen, die Tag für Tag ihre Arbeit in Reha-Kliniken, Werkstätten für behinderte Menschen, Berufsbildungs- und Fördereinrichtungen, Schulen und Kindergärten für behinderte und nichtbehinderte Kinder machen, kann es nur noch übel werden, wenn sie in Lizas Welt Einblick erhalten. Unnötig zu fragen, was Liza mit den Aufständischen vorhat. Die Antwort gibt sie sich selbst. Unnötig zu fragen, wer wohl der Chefarzt der Reha-Klinik ist, in welcher der „Geächtete“ zu liegen scheint. Die Antwort erschließt sich aus dem Text. Den Oberärzten jedenfalls scheint Liza die Leitungskompetenz abzusprechen, macht sie sich doch über sie besonders lustig. Lizas Welt – ach! Wirklich nicht gut!
Im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen brachte die „Nationale Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung“ eine beeindruckende Sammlung von Zeichnungen unter dem Titel „Kinder malen barrierefrei“ heraus, die zeigen, wie Kinder mit dem Thema Behinderung in der Gesellschaft umgehen. Darin befindet sich unter dem Kapitel „Neue Medien“ eine Zeichnung der damals 10jährigen Lisa Sommer. Sie trägt den Titel „Computer für Behinderte“ und zeigt einen behinderten Menschen, der die Tastatur des vor ihr stehenden Computers mit der Zunge bewegt, da seine Arme dies nicht können. Darunter hat Lisa geschrieben: „Ich möchte, dass viele kluge Menschen Dinge konstruieren, die behinderten Menschen helfen zu lernen.“
Heute ist Lisa Sommer 15 Jahre alt. Es ist ihr zu wünschen, dass ihr die behindertenfeindliche und zynische Welt der anderen Liza und deren Bewohner, die sich hinter ihr verbergen, erspart bleibt. Die Hoffnung ist begründet. Denn die Welt der damals 10jährigen Lisa und die der Liza und auch die von „achgut“ sind Galaxien voneinander entfernt. So wie das Denken der beiden. Es ist nicht jedem gegeben, die deutsche Sprache, die deutschen Gesetze und deren Werte zu verstehen und zu beherrschen. Und es ist nicht jedem gegeben, das Grundgesetz zu kennen. In Lizas Welt gelten andere Gesetze. Ihre Welt möge uns erspart bleiben!
Schlimmer als die mangelhafte Sprachkompetenz ist in Lizas Welt samt ihrer Bewohner allerdings die offenkundig zur Schau getragene Diskriminierung all jener Menschen, die behindert oder von Behinderung bedroht sind. Da wird einem behinderten oder kranken Mann, der sich im Bett einer Reha-Klinik mit einem Computer zu beschäftigen vermag, der Kopf entfernt. Seinen Ehering lässt man ihm noch. Auf seinen Rumpf wird der Kopf eines „Geächteten“ montiert. Dem Schlafanzug des Kranken wird die palästinensische Fahne verpasst. Die an Geschmacklosigkeit nicht zu überbietende Collage wird mit dem Titel versehen: „Aufstand in der Reha-Klinik“.
Die vor 14 Jahren mit der Absicht, einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung anzustoßen und zugleich den Schutz behinderter Menschen zu stärken, erfolgte Ergänzung des Grundgesetzes dieses Landes um Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, ist an Lizas Welt spurlos vorüber gezogen. Ebenso erging es denjenigen Gesetzen, mit denen in diesem Land Mitte des Jahres 2001 ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet worden ist: Teilhabe und Selbstbestimmung – all dies sind Fremdwörter für Liza so wie der Begriff der Rehabilitation behinderter Menschen. Vom Gleichstellungsgesetz behinderter Menschen und vom Sozialgesetzbuch SGB IX hat Liza offensichtlich keine Ahnung. Hätte sie „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) vom 17. Februar 2003 gelesen, wäre sie vielleicht klüger geworden.
Was einst Michel Foucault schrieb, scheint in Lizas Welt noch das Maß allen Denkens zu sein: „Die Lepra verschwand, der Aussätzige verschwand, oder fast, aus dem Gedächtnis. Die Strukturen jedoch blieben.“ Liza macht sich mit aller Macht lustig und her über den Menschen, der behindert oder von Behinderung bedroht, inzwischen überall angekommen ist: in Kunst, Wissenschaft, Lehre, Wirtschaft, Verwaltung sowie – hierzulande wie anderswo – in hohen politischen Ämtern. Lebte er noch, dem 32. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Franklin Delano Roosevelt, der durch Kinderlähmung auf den Rollstuhl angewiesen, vier Amtsperioden nicht nur durchhielt, sondern sogar den „New Deal“ einführte, würde es den Magen umdrehen, wenn er Lizas Welt kennen lernen müsste.
Man fühlt sich in diesen Tagen an diesen großen Staatsmann erinnert. In seiner beeindruckenden Rede erwähnte der soeben gewählte 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, an sehr prominenter Stelle neben den nicht behinderten auch die behinderten Menschen, denen er als seine Wähler dankte. Lizas Welt ist eine andere. Sie ist Galaxien hiervon entfernt. Während in diesem Land Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen in allen Lebensbereichen aktiv sind – dank der Rehabilitationsleistungen, welche die Gesellschaft für sie bereitstellt – zum Beispiel in Reha-Kliniken, die ihren Erfolg erstklassig ausgebildetem und unermüdlich arbeitendem Pflegepersonal und der Willenskraft der Patienten, die dort behandelt werden, zu verdanken haben, erklärt Liza die Reha-Kliniken schlicht zu Zonen des Aufstands. Schlimmer noch: die „Insassen“ und deren Oberärzte werden veralbert und in ihrer Ehre herabgesetzt.
Nein – diese Attacke trifft nicht nur den, dessen Konterfei in die Collage hineingescannt wurde. Sie trifft alle Menschen, die behindert sind und die, die sie auf dem Weg der Rehabilitation begleiten. Schlimmer geht´s nimmer! Alle, die in diesem Land Artikel 3 des Grundgesetzes Tag für Tag mit Leben erfüllen, muss sich der Magen beim Anblick dieser Verachtung ausstrahlenden Collage und ihrer kopflosen Überschrift umdrehen.
Allen, die Tag für Tag ihre Arbeit in Reha-Kliniken, Werkstätten für behinderte Menschen, Berufsbildungs- und Fördereinrichtungen, Schulen und Kindergärten für behinderte und nichtbehinderte Kinder machen, kann es nur noch übel werden, wenn sie in Lizas Welt Einblick erhalten. Unnötig zu fragen, was Liza mit den Aufständischen vorhat. Die Antwort gibt sie sich selbst. Unnötig zu fragen, wer wohl der Chefarzt der Reha-Klinik ist, in welcher der „Geächtete“ zu liegen scheint. Die Antwort erschließt sich aus dem Text. Den Oberärzten jedenfalls scheint Liza die Leitungskompetenz abzusprechen, macht sie sich doch über sie besonders lustig. Lizas Welt – ach! Wirklich nicht gut!
Im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen brachte die „Nationale Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung“ eine beeindruckende Sammlung von Zeichnungen unter dem Titel „Kinder malen barrierefrei“ heraus, die zeigen, wie Kinder mit dem Thema Behinderung in der Gesellschaft umgehen. Darin befindet sich unter dem Kapitel „Neue Medien“ eine Zeichnung der damals 10jährigen Lisa Sommer. Sie trägt den Titel „Computer für Behinderte“ und zeigt einen behinderten Menschen, der die Tastatur des vor ihr stehenden Computers mit der Zunge bewegt, da seine Arme dies nicht können. Darunter hat Lisa geschrieben: „Ich möchte, dass viele kluge Menschen Dinge konstruieren, die behinderten Menschen helfen zu lernen.“
Heute ist Lisa Sommer 15 Jahre alt. Es ist ihr zu wünschen, dass ihr die behindertenfeindliche und zynische Welt der anderen Liza und deren Bewohner, die sich hinter ihr verbergen, erspart bleibt. Die Hoffnung ist begründet. Denn die Welt der damals 10jährigen Lisa und die der Liza und auch die von „achgut“ sind Galaxien voneinander entfernt. So wie das Denken der beiden. Es ist nicht jedem gegeben, die deutsche Sprache, die deutschen Gesetze und deren Werte zu verstehen und zu beherrschen. Und es ist nicht jedem gegeben, das Grundgesetz zu kennen. In Lizas Welt gelten andere Gesetze. Ihre Welt möge uns erspart bleiben!