Dienstag, 30. November 2010

Jimmy Carter: Palästina. Frieden nicht Apartheid

Als das Buch des 39. US-Präsidenten Jimmy Carter auf den US-amerikanischen Büchermarkt kam, brach ein Sturm der Entrüstung los, entfacht von einer „Israellobby“ (Mearsheimer/Walt), deren Parteigänger das Bewusstsein der US-Amerikaner durch eine einseitige Berichterstattung in allen wichtigen Medien über den Nahen Osten auf Klippschulniveau halten. Um diesen Einfluss auf den US-Kongress zu verdeutlichen, kursiert in den USA ein schlechter Witz: Sollte AIPAC, dies ist die angeblich einflussreichste „Israellobby“ neben unzähligen anderen, feststellen, dass die Zehn Gebote „antisemitisch“ seien, werden die Mitglieder des US-Kongresses zu 95 Prozent einer Gesetzesvorlage zustimmen, diese zu verbieten!

Jimmy Carter ist der einzige US-Präsident, der in Bezug auf den Nahen Osten etwas Positives vorzuweisen hat. Er war der erste, der die Frage der Menschenrechte zu einem zentralen Anliegen US-amerikanischer Außenpolitik erhoben hat, wofür er sehr viel Spott von so genannten Experten und zynischen Analysten zu ertragen hatte. Der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten ist sein Werk. Er war der letzte „ehrliche Makler“ zwischen den verfeindeten Kontrahenten. Alle folgenden Präsidenten spielen die Rolle des „unehrlichen Maklers“, da sie die Seite der israelischen Besatzungsmacht in diesem Konflikt vertreten. US-Präsident Barack Hussein Obama ist der tragischste von allen, weil er versucht hat, den kolonisierten Palästinensern eine Stimme zu geben. Kurzerhand wurde er von Israels Ministerpräsidenten Benyamin Netanyahu eines Besseren belehrt; er knickte ein und leistete Abbitte und Tributzahlungen in Form von Stealth-Bombern, die dazu dienen könnten, Irans Nukleareinrichtungen anzugreifen, ohne unterwegs auftanken zu müssen.

Vergleicht man die Analyse Carters mit anderen, so ist festzuhalten, dass sie, was die Ergebnisse betrifft, nicht besonders Israelkritisch ist. Der Titel des Buches trifft jedoch den Nagel auf den Kopf: Selbst vernünftige israelische Politiker pfeifen es wie Spatzen von den Dächern: Frieden und Zweistaatenlösung für Palästina oder „Apartheid“ in Israel. Es gibt andere Publikationen, die das israelische politische System bereits eindeutig als „Apartheid“ klassifiziert haben. Das jüngste ist das Buch des britischen Journalisten Ben White „Israeli Apartheid“.

Jimmy Carter hat eigentlich nur das Selbstverständliche niedergeschrieben, und dies noch mit sehr viel Empathie für Israel, gleichwohl wurde er von der „Israellobby“ fast gekreuzigt, weil er die Verantwortung für den Konflikt nicht gleichmäßig auf beide Seiten verteilt habe. Dies ist kein „Argument“, sondern eine politische Unverschämtheit. Die israelische Besatzungsmacht - durch ihre völkerrechtswidrige Besetzung des palästinensischen Heimatlandes - ist diejenige, die seit 43 Jahren die Existenzgrundlagen eines Volkes, das seit tausenden von Jahren in dieser Region lebt, zerstört. Das Buch verdient eine große Verbreitung, ganz im Gegensatz zu Bushs Pamphlet über seine Menschenverachtende Kriegspolitik gegen die Völker Afghanistans und Iraks.

Erschienen im Melzer Verlag.