Samstag, 31. Dezember 2011

Saree Makdisi, Palästina - Innenansichten einer Belagerung

„Palästina – Innenansichten einer Belagerung“ ist keine Chronik israelischer Besatzungspolitik oder des Widerstandes, sondern eine Darstellung des alltäglichen Belagerungszustandes der Menschen in Palästina, die einem auf Militärrepression gegründeten Besatzungsregime ausgesetzt sind. Die konzisen Ausführungen des Autors, der als Professor englische Literatur und vergleichende Literaturwissenschaft an der University of California (UCLA) in Los Angeles lehrt, zeigen, dass kein normales Leben in der Westbank und dem Gaza-Streifen möglich ist. Die tagtäglichen Erniedrigungen, Misshandlungen und gewaltsamen Übergriffe des israelischen Militärs und der Besatzungsbehörden berauben die Menschen ihrer Würde und Menschenrechte und machen sie zu Objekten einer unberechenbaren Willkürherrschaft, die das Ziel verfolgt, den Widerstandswillen eines ganzen Volkes zu brechen und es zur Aufgabe und Auswanderung zu bewegen.

Das Besondere an der israelischen Besatzungsherrschaft über das palästinensische Volk besteht in der allumfassenden Durchdringung aller Lebensbereiche mit Hilfe einer erdrückenden Bürokratie, einem System von Genehmigungen und Pässen und einem Geflecht vom Militär auferlegter Verordnungen und Erlassen, denen die Menschen Folge leisten müssen, um überhaupt ein Leben führen zu können, schreibt der Saree Makdisi. Das von Israel besetzte Palästina ist der einzige Ort auf der Erde, an dem die inhärente tagtägliche Gewalt am deutlichsten sichtbar wird. Dieser Belagerungszustand durchzieht und bestimmt jeden Aspekt des Lebens der Menschen von der Wiege bis zur Bahre.

Das Buch gliedert sich in drei Kapitel: Außen, Innen und Koda. In dem Abschnitt „Außen“ beschreibt der Autor die Kontrollpraktiken, durch die Israel die Bewegungsfreiheit und den Kontakt der Menschen zur Außenwelt verhindert, während die Enteignung der Existenzgrundlagen forciert vorangetrieben wird, um Siedlerkolonien nur für jüdische Israelis zu bauen, deren Bewohner dann auf Straßen fahren, die nur jüdischen Israels vorbehalten sind. Das „Straßensystem“ für die Palästinenser dagegen ist mit Kontrollposten übersät.

Im Abschnitt „Innen“ konzentriert sich der Autor auf die Auswirkungen der Besatzung auf die Familien. Neben einer Politik der Häuserzerstörung versucht die israelische Regierung alles, um z. B. Familienzusammenführungen von Palästinensern, die in Ost-Jerusalem und der Westbank leben, zu verhindern. Ebenso zielt die Politik darauf ab, die Aufenthaltsgenehmigungen von Palästinensern besonders in Ost-Jerusalem zu annullieren. Diverse Gesetze sichern der jüdischen Bevölkerung Israels Privilegien gegenüber der nicht-jüdischen. Diese institutionalisierte Diskriminierung findet in zirka 30 Gesetzen ihren „legalen“ Ausdruck.

Im letzten Abschnitt „Koda“ vergleicht Makdisi das gescheiterte Apartheid-Regime in Südafrika und das militärische Besatzungsregime, das die Palästinenser beherrscht. Die Ausführungen zeichnen sich durch unzählige Einzelfallbeispiele und persönliche Berichte von Betroffenen aus. Besonders verheerend wirkt sich der völkerrechtswidrige Bau der Mauer und des Sicherheitszaunes auf das tägliche Leben der Menschen aus.

Obgleich die vierte Genfer Konvention von 1949 genau regelt, was eine Besatzungsmacht tun darf und was nicht, werden diese völkerrechtlichen Grundregeln durch die israelischen Regierungen missachtet, ignoriert bzw. ihnen zuwidergehandelt. Dies trifft zum Beispiel auf den Transfer von israelischen Staatsbürgern in die besetzten Gebiete wie die Westbank und die ebenfalls völkerrechtswidrig besetzten und annektierten Gebiete wie Ost-Jerusalem und die Golan-Höhen zu. Die Strangulierung des Völkerrechts wird an mehreren Stellen des Buches ausführlich behandelt. Makdisi weist zu Recht darauf hin, dass der Konflikt durch die Umsetzung von Völkerrecht einfach zu lösen wäre: Israel müsse sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen, seine Siedlerkolonien auflösen, deren Bewohner mitnehmen und die Verweigerung der Menschenrechte sowie der politischen Rechte der Palästinenser beenden. Danach könnten sich beide Staaten völkerrechtlich anerkennen.

Das Osloer-Friedensprozess-Drehbuch diene nur israelischen und US-amerikanischen Interessen. Den Palästinenser weist es nur die Hilfssheriff-Funktion für Israels Sicherheit zu. Der pro-israelische Berater von Bill Clinton und bis vor kurzem auch von dessen Gattin, der derzeitigen US-Außenministerin Hillary Clinton, Dennis Ross, hat die eindeutigen Bestimmungen des Völkerrechts immer als zweitrangig angesehen, wenn nicht sogar als „irrelevant“ abqualifiziert, so der Autor. Der US-Völkerrechtler Richard Falk hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Israelis sich weigern, das Völkerrecht und den wiederholt zum Ausdruck gebrachten Willen der Institutionen der internationalen Staatengemeinschaft zu akzeptieren. Trotz dieser permanenten Völkerrechtsverstöße gewährt die Europäische Union Israel quasi den Status eines Mitgliedsstaates wider alle Prinzipien der Staatengemeinschaft.

Entgegen der Behauptung der Israelis, dass die Lösung des Nahostkonfliktes ungemein kompliziert und Israel ein außergewöhnliches Land sei, vertritt Makdisi die gegenteilige Meinung. Es gehe nicht um Religion, nicht um Sicherheit und nicht um Terrorismus, sondern nur um Land. Das Problem der Zionisten habe von Beginn ihrer Kolonisierung darin bestanden, dass das Land bereits von Nicht-Juden bewohnt ist – 93 Prozent waren in den 1920er-Jahren Araber. Zur Realisierung des zionistischen Projektes hat Vladimir (Ze´ev) Jabotinsky 1923 in seinem Beitrag „The Iron Wall“ die Strategie geliefert. Die „eiserne Mauer“ war als Metapher gedacht und stand für kompromisslose Unterdrückung der Palästinenser, um das Kolonisierungsprojekt zu verwirklichen. „Zionistische Kolonisation, selbst in sehr beschränktem Ausmaß, muss entweder aufgegeben oder gegen den Will der einheimischen Bevölkerung durchgesetzt werden. Diese Kolonisation kann deshalb nur unter dem Schutz einer von der lokalen Bevölkerung unabhängigen Macht fortgesetzt und entwickelt werden – einer eisernen Wand, die die einheimische Bevölkerung nicht durchbrechen kann. Das ist in toto unsere Politik gegen die Araber. Es auf irgendeine andere Weise zu formulieren wäre Heuchelei“, so der Stratege es revisionistischen Zionismus, in dessen Tradition u. a. auch Benjamin Netanyahu steht. Zur „eisernen Mauer“ ist seit einigen Jahren eine acht Meter hohe Mauer aus Beton hinzugekommen.

Die schockierenden Ausführungen zeigen, dass die Tragödie der Palästinenser nicht zufällig entstanden ist, sondern durch zielgerichtete Politik verursacht worden ist. Die Vorgänge im besetzten Palästina sind ungeheuerlich. Wer behauptet, der Nahostkonflikt sei so komplex, sitzt politischer Propaganda auf. Der Konflikt ist simpel, was komplex ist, ist die brutale Besatzungsherrschaft. Sie dient dazu, die Existenzgrundlage eines ganzen Volkes zu zerstören, und dies mit massiver Unterstützung des Westens. Die beschriebene Brutalität des israelischen Besatzungsregimes kann nur durch einen persönlichen Augenschein noch getoppt werden. Ein ausgezeichnetes, informatives und aufrüttelndes Buch, das nichts mit den zahlreichen „Märchenbüchern“ zum Nahostkonflikt gemein hat, die den deutschen Buchmarkt überfluten. Ob es zu einem einzigen, demokratischen und säkularen Staat in der Region kommt, wie der Autor hofft, oder am Ende Israel überall ist, wird die Zukunft zeigen.

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Einen Palästinenserstaat wird es nicht geben

Das Buch des französischen Anwalts Ziyad Clot macht für alle Nichtexperten in eloquenter Weise deutlich, welche Farce im Nahen Osten vor den Augen der Weltöffentlichkeit dargeboten wird und die sich „Friedensprozess“ nennt. Der Autor ist Franzose; sein Vater Normanne, seine Mutter palästinensische Libanesin, deren Eltern aus Haifa 1948 vertrieben worden sind. Mit 30 Jahren entschloss sich Clot, die Heimat seiner Mutter zu besuchen und seine Rechtskenntnisse in den Dienst der palästinensischen Sache zu stellen. Schon die Abfertigung auf dem Flughafen Roissy gerät für ihn zum Alptraum, weil er einen arabischen Vornamen hat. Die stundenlangen Kontrollen und törichten Befragungen durch Israelis auf französischem Boden sind nicht nur für jeden Franzosen, sondern auch für die stolze Grand Nation unwürdig!

In Palästina angelangt, erlebt er hautnah die israelische völkerrechtswidrige Besatzung mit ihren alltäglichen Demütigungen und Verletzungen der Menschenrechte der Palästinenser. „Nach dem zu urteilen, was ich seit meiner Ankunft gesehen und erlebt habe, scheint die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Palästinenser eher durch das militärisch definierte Vorgehen der Israelis bestimmt zu sein. Israel ignoriert und verletzt seine internationalen Verpflichtungen und diktiert mit dieser extremen Politik zugleich die gesamten Bedingungen des palästinensischen Lebensalltags. Der neue Friedensprozess änderte daran wenig, eher im Gegenteil.“ Auch Clot musste an den Kontrollpunkten (check points) die Demütigungen und Schikanen ertragen, trotz französischen Passes. Seine Absicht in Palästina war, an der Bir-Zeit-Universität Rechtswissenschaft zu lehren. Er bekam aber eine Anstellung bei der „Einheit zur Unterstützung der Verhandlungen“ („Negotiations Support Unit“ oder NSU) der PLO. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel die Flüchtlingsfrage.

Nach einiger Zeit dämmerte es ihm, was für ein Spiel die so genannte Autonomiebehörde in diesem Prozess eigentlich zu spielen hatte. Seit 18 Jahren schleppt sich dieser „Friedensprozess“ nun schon dahin, und den Palästinensern entschwindet immer mehr Land unter ihren Füßen. Das Projekt eines eigenen Staates ist schon lange tot. Nach Meinung des Autors sah die Abbas-Verwaltung in dem Annapolis-Prozess eine letzte Gelegenheit, die sie nicht verpassen durfte. Die PLO wollte bis zum Ende des Jahres 2008 eine Friedensvereinbarung mit Israel erreichen, die von den Palästinensern in einem Referendum gebilligt werden und die baldige Schaffung eines lebensfähigen souveränen Palästinenserstaats auf dem Gebiet von Gaza und Westjordanland ermöglichen sollte. Damit wollte die Autonomiebehörde außerdem die Anerkennung ihrer Legitimität durch ihr eigenes Volk wiedergewinnen. Dabei setzte die PLO, nachdem sie die Herrschaft über den Gaza-Streifen anscheinend auf längere Dauer verloren hatte, alles auf diese eine Karte, schreibt Clot.

Obgleich die verschiedenen israelischen Ministerpräsidenten sich zwar rhetorisch für einen Palästinenserstaat ausgesprochen hatten, erklärte noch keiner, dass er die Gründung eines „unabhängigen und souveränen“ Palästinenserstaats „in den Grenzen von 1967, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt“ unterstützen wolle. Der Autor hat klar erkannt, „dass die Autonomiebehörde im Laufe der Jahre zu einer Behörde der Besatzung geworden war. Sie war mittlerweile darauf reduziert worden, die Drecksarbeit im Westjordanland an Stelle der Israelis zu erledigen, mit Unterstützung der USA und der EU“. Die Autonomiebehörde sei nicht ein einziges Mal in der Lage gewesen, die Schließung einer Kontrollstelle zu erreichen. Es sei eine Autonomiebehörde ohne Autonomie, eine „Authority“ ohne jede Autorität. Für Clot war es unbegreiflich, woher die Palästinenser bei der täglichen unvorstellbaren Gewalt seitens der israelischen Besatzungsmacht die physische und psychische Kraft nach 63 Jahren Unterdrückung und 44 Jahren brutalster Besatzungswillkür hernähmen.

Nach dem Wahlsieg der Hamas bei den ersten demokratischen, freien, gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlen in der arabischen Welt verstieß der Westen gegen alle seine Prinzipien. Das palästinensische Volk hatte zur Überraschung aller die falsche Partei gewählt, und dies wurde vom Westen bestraft, indem die Hamas-Regierung boykottiert worden ist. Präsident Abbas wurde seitens Israels und der USA unter Druck gesetzt, die demokratische Regierung ab- und eine dem Westen genehme einzusetzen. Parallel dazu wurden seine Fatah-Kämpfer von den USA militärisch aufgerüstet und mit Hilfe Jordaniens trainiert, um die Hamas militärisch zu besiegen. Für diese Arbeit wurde der Fatah-Warlord Dahlan auserkoren, „der Mann fürs Grobe“. Den Plan dazu hatten nach Meinung des Autors die USA geschmiedet. Sie legten ihn Abbas vor, der einige Anmerkungen anbringen konnte, so dass er zu „seinem Plan“ wurde. Das Endziel des Aktionsplanes liege darin, „einen Sicherheitsapparat zu schaffen, der in der Lage sein würde, einen Palästinensischen Staat in seiner Existenz als friedlicher Nachbar Israels zu stärken und zu schützen“.

Fatah bereitete mit Hilfe der USA einen Staatstreich vor, schreibt Clot. Noch bevor die Fatah in Gaza weitere schwere Waffen erhält, schlägt Hamas zu und besiegt die Abbas-Organisation, deren Kämpfer müssen über Israel ins Westjordanland fliehen; der Fatah-Putsch war gescheitert. Um an den Verhandlungstisch mit Israel zurückzukehren, „hatte Abbas sich zur Kollaboration bei der Liquidierung der Hamas bereit erklärt. Jedem Gedanken einer Einheit seines Volkes zuwider handelnd, hatte er sich dem Plan von George W. Bush angeschlossen.“ Dahlan hielt sich während des Putschversuches seiner Fatah zu einer Knieoperation in Berlin auf!

Aufgrund seines Insiderwissens trug sich Clot Anfang 2008 mit dem Gedanken, um seine Entlassung bei der NSU zu bitten und „dieses Schiff zu verlassen, das dem sicheren Untergang geweiht war: die ´Palestitanic`“. Nur ein Besuch in der Heimatstadt seiner vertriebenen Großeltern, Haifa, bewog ihn zum Bleiben. Beim Besuch des Hauses, das kraft des israelischen Rechts vor 60 Jahren als „Besitz von Abwesenden“ enteignet worden war und jetzt von einer anderen palästinensischen Familie bewohnt wird, übermannten ihn seine Gefühle. „Ich hatte plötzlich eine Gänsehaut. Tränen liefen meine Wangen herunter. Palästina, „mein“ Palästina, das meiner Mutter, war nicht tot, es war nicht an dem Tag, an dem meine Familie geflohen war, gestorben. Es lebte hier immer noch. Israel hin oder her, das Leben war hier nicht stillgestanden.“

Wie der Autor darlegt, verkörpert Abbas in unwürdiger Form die politische Tragödie des palästinensischen Volkes. Am 60. Jahrestag der Nakba, der Vertreibung und Flucht der Palästinenser aus ihrer Heimat, besuchte er weder ein Flüchtlingslager, noch hielt er sich in Palästina auf. Selbst ein Zeitungsbeitrag für drei große internationale Tageszeitungen kam vor lauter Taktieren und Bedenken von Saeb Erekat nicht zustande. Obwohl es keinerlei Annäherung in den Sachfragen gab, musste der Schein aufrechterhalten werden, beide Seiten näherten sich an. „Die PLO, die israelische Regierung, die US-Amerikaner und die EU mussten diese Illusion am Leben erhalten. Auch die EU gab sich durch die Heraufstufung ihrer Beziehungen zu Israel Mitte 2008 der Illusion hin, dadurch größeren Einfluss auf den „Friedensprozess“ ausüben zu können. „Wenn sie sich die Beziehungen zwischen den USA und Israel zum Vorbild nehmen wollten, dann hatte man sich auf einiges gefasst zu machen.“

Wie bereits aus den „Palestine papers“ bekannt, zeigte Israel keinerlei Kompromissbereitschaft. Die ehemalige Außenministerin Tzipi Livni, eine angebliche „Taube“, verhielt sich ebenso politisch unnachgiebig wie alle ihre Vorgänger im Amt, was Kompromisse in Bezug auf die Eigenstaatlichkeit Palästinas in den Grenzen von 1949/1967 betraf. Jede Rückgabe eines annektierten Gebietes müsse durch ein Referendum abgesegnet werden, wie es in einem Gesetz heißt.

Die Beschreibung der so genannten Friedensverhandlungen durch den Autor lässt für ihn nur den Schluss zu: der „Friedensprozess“ war nicht nur 2008/2009 ins Stocken geraten, sondern „er war beendet“. Die Gespräche mit der Olmert-Regierung zeigen, dass die Israelis die palästinensische Seite permanent ins Leere laufen ließen. Alle Gespräche endeten im Nirgendwo. Das „großzügige Angebot“ Olmerts galt nicht den Palästinensern, „sondern den Medien und der israelischen und internationalen Öffentlichkeit“. Die von Olmert vorgebrachten Positionen seien in Wahrheit ohne jede Beziehung zu dem, was am Verhandlungstisch besprochen worden sei, schreibt der Autor. Über das Lavieren der Abbas-PLO stellt Clot fest: „Mehr noch als die Konfrontation mit den Israelis fürchten sie, ihrem eigenen Volk von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. In den palästinensischen Vierteln Jerusalems richtet sich die Kritik in der Tat genauso gegen die Tatenlosigkeit der Autonomiebehörde wie gegen die israelischen Exzesse.“ Die PLO repräsentiere nicht mehr die Ansicht der Mehrheit des palästinensischen Volkes in der Flüchtlingsfrage.

Am Ende seines „Ausfluges“ in die Heimat seiner Mutter wirft Clot desillusioniert das Handtuch und gibt die demütigenden Verhandlungsprotokolle in Form der „Palestine papers“ an die Öffentlichkeit, damit sie von der Farce, die auf der Nahostbühne abgespult wird, Kenntnis nehme. Die Weltöffentlichkeit ist darüber hinweggegangen, keiner der verantwortlichen Politiker der Autonomiebehörde hat politische Verantwortung übernommen. Saeb Erekat hat die Kompromissfähigkeit der Abbas-Behörde laut „Palestine papers“ am treffendsten formuliert: „The only thing I cannot do is convert to Zionism.“ Ähnlich wie bereits in Taba ist man bereit, das Rückkehrrecht der Flüchtlinge von 1948, Ost Jerusalem als Hauptstadt, die völkerrechtswidrige Besiedelung ihres Heimatlandes, die Grenzen von 1949/1967 das Sicherheitsproblem u. v. a. m. weitgehend zu opfern, um endlich zu einem Staat zu kommen, wie immer dieser auch aussehen mag.

Nach Clot wird es niemals einen Palästinenserstaat geben. Auf lange Sicht wird es zu einer „Ein-Staaten-Lösung“ kommen, aber nicht im Sinne der Befürworter einer solchen, sondern nur in Form von Israel. Die Lektüre ist für Realisten eine Bestätigung, dass es mit der Sache Palästinas katastrophal bestellt ist. Entschädigt wird man durch eine exzellente Übersetzung aus dem Französischen und die Tatsache, dass es neben unzähligen Utopisten noch einige Klarsichtige wie den Autor gibt, der dies in einer verständlichen Sprache dargestellt hat.


Dienstag, 20. Dezember 2011

Ulrich Schäfer, Der Angriff

Als die Terroranschläge am 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Centers zum Einsturz brachten, brachen die USA unverzüglich zu ihrem „war on terrorism“ gegen Afghanistan und Irak auf, jedoch ohne überzeugende politische Strategie. Um es salopp zu formulieren, ging es dem „boy-emperor from Crawford, Texas“ darum, „to kick some ass“. Dass dies keine adäquate politische Gegenstrategie zu den Anschlägen war, zeigt auch das Buch des Ressortleiters des Wirtschaftsteils der „Süddeutsche Zeitung“, Ulrich Schäfer.

Nach Meinung des Autors zielt die eigentliche Absicht Al-Kaidas auf die Wirtschaft des Westens. Die Terroristen haben dem Westen einen „Wirtschaftskrieg“ aufgezwungen, der auf die Vernichtung des Wohlstandes abziele. Folglich müsse der islamistische Terror mit anderen Augen gesehen werden. Die beschwichtigenden Worte der Politiker sowie die Vorurteile der Medien über die Gotteskrieger müssten beiseitegeschoben werden, um den wahren Kern der Bedrohung zu erkennen. Diesen Anspruch will der Autor mit seinem Buch einlösen.

Die Gegenstrategie Schäfers besteht darin, auf die gravierenden Folgen des Terrors für Wirtschaft und Gesellschaft des Westens hinzuweisen und eine Gegenstrategie zu entwerfen, das heißt eine „Wohlstandssicherheitsstrategie“, welche die fragile Wirtschaft vor solchen Angriffen so gut wie möglich schützt. Ob die Anschläge von Al-Kaida-Terroristen oder nicht auch die völlig überzogenen Reaktionen des US-Imperiums für den drohenden Untergang der USA verantwortlich sind, wird vom Autor nur unzureichend thematisiert.

Schäfer versucht nachzuweisen, dass letztendlich Al-Kaida verantwortlich für die gegenwärtige Finanzkrise ist. Obgleich er für seine These, dass das Terrornetzwerk auch auf die Wirtschaft des Westens abzielt, um ihn ausbluten zu lassen, bis er bankrottgeht, Zitate anführt, würde diese These einem Freispruch für die zum Teil dubiosen Machenschaften gewissenloser Bankiers, Finanzjongleuren und Spekulanten bedeuten. Ebenso sind es nicht die Kosten für die zusätzliche Sicherheit, die der Westen aufbringen muss, sondern die horrenden Ausgaben für die zahllosen Kriege, die das US-Imperium und die Länder des Westens meinen führen zu müssen. So kostet der Afghanistankrieg die USA über sieben Milliarden US-Dollar pro Monat. Die USA werden letztendlich an ihrem Größenwahn und auch ihren Schulden zugrundegehen. Wie sagte es doch der ehemalige US-Finanz- und Außenminister unter George H. W. Bush dem Älteren, James Baker: „Wir sind bankrott, wirklich bankrott. Unsere größte Herausforderung ist die Schuldenzeitbombe.“

Der Autor stellt zu Recht fest, dass die Kriege des US-Imperiums nur vordergründig um die Entmachtung einiger Diktatoren geführt werden, sondern der Westen führe die Kriege in erster Linie „um Öl und Gas“. Also nicht um Freiheit, Demokratie und Gender Mainstreaming, wie die neokonservativen Bush-Krieger noch vor dem Überfall auf den Irak tönten. Das ernüchternde Resultat nach acht Jahren Krieg und Verwüstung in Irak: eine sunnitische Diktatur wurde durch eine schitische ersetzt zum alleinigen Nutzen Irans! Die Investitionen des US-Imperiums wurden also in den arabischen Treibsand gesetzt. All dies bleibt bei Schäfer völlig unterbelichtet. Eine maßlose Verschuldungspolitik der USA ist also die primäre Ursache der Finanzkrise, bewirkt durch eine irrationale politische Kriegsstrategie.

Nach Meinung des Autors ist der Westen den Al-Kaida-Terroristen in die Falle gegangen. Er zeigt, wie durch einen relativ geringen finanziellen „Aufwand“ seitens der Terroristen, enorme Folgekosten für die Sicherheit aufgewendet werden müssen. Es handele sich bei den Al-Kaida-Strategen nicht um „religiöse Wirrköpfe“ oder „Fanantiker“, die wahllos bombten. Von diesem Zerrbild müsse der Westen sich verabschieden, um zu den wirklichen Absichten Al-Kaidas vorstoßen zu können. Die erzeugte „Strategie der Angst“ sowie eine Politik der „strategischen Überdehnung“ könnten letztendlich zum Kollaps des US-Imperiums führen.

Um zu den sieben Punkten seiner „Wohlstandssicherheitsstrategie“ zu kommen, hätte es nicht dieser ausschweifenden und in Teilen redundanten Ausführungen bedurft. So müsse der Westen die Entwicklung der islamischen Welt, die Globalisierung, die Warenströme, die Energieversorgung, die Staatsfinanzen, die Finanzmärkte sowie die Computernetze sichern, um langfristig seinen Wohlstand erhalten zu können. Erwähnt wurde nicht, dass der Westen sich von seiner Hybris, Islamphobie und seinen Obsessionen gegenüber anderen Völkern und Kulturen befreien muss, die ihn auf den militärpolitischen Irrweg geführt haben. Die wirtschaftliche Stoßrichtung des Al-Kaida-Terrornetzwerkes hätte auch kürzer und mit weniger Alarmismus vorgetragen werden können.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Saudi Arabia: the "good" tyranny

The Western political class is obsessed with Iran and its virtual nuclear programs. But just next door, there exists the highly fundamentalist and brutal regime of the House of Saud. It does not only support almost all radical Islamist movements around the world but has also established a form of intolerant dictatorship the world has never seen before. At the same time, the Saudi regime is very well befriended with the U. S. Empire. These Saudi extremist can behave like madmen internally, but the U. S. government will look the other way. This telling silence is paid for in the currency of oil.

Why does the Obama administration keep mum over death sentences routinely executed by the Saudi regime? Is it because the U. S. also imposes death sentences on a regular basis or Saudi Arabia is considered a good friend or indispensible ally? The latest incidents happened just on December 12, 2011. A woman by the name of Amina bint Abdul Halim bin Salem Nasser was beheaded for allegedly practising “witchcraft and sorcery” that does not constitute a crime in the Saudi tyranny. No details concerning the exact charges were given.

According to amnesty international, 73 persons were sentenced to death in Saudi Arabia this year. Such trumped up charges like “sorcery” is often used as a pretext to punish people because they exercise their right of freedom of speech, practise another religion or just demonstrate against Saudi despotism.

The House of Saud and the “House of Bush” are best friends. The relationship between the U. S. elite and the Saudi regime is “ironclad”. That is why the U. S. does not express public criticism of Saudi Arabia´s dismal human rights record, the discrimination of women, disregard of people of another religion and so on. The U. S. also kept silent when the Saudi policemen were “invited “by Bahrain and crushed the protest movement against the despotic Sunni minority regime of the house of al-Khalifa. This despotic regime is also backed by the West which makes them “good despots”. They are therefore allowed to use any means to “keep their house in order”. Their “sovereignty” is respected by the West.

In his book “Quicksand. America´s Pursuit of Power in the Middle East”, Geoffrey Wawro, professor for Military History and director of the Military History Center at the University of North Texas, describes U. S. entanglement in the Middle East, solely motivated by the thirst for oil. The author holds that the successive US administrations pursue doctrines that do not match with the reality of the region. Wawro writes that America´s recent efforts to transform the Middle East have gone shockingly sour. He proffers another important argument why the U. S. Saudi relationship went astray: “The birth of Israel and the discovery of vast pools of oil in Saudi Arabia in the 1930s focused American attention on the Middle East as never before, and wove the Middle East into US domestic politics. American strategy in the Middle East has been muddled and confused over the years because it has been addressed politically, not strategically.”

For a foreign observer, the main problem of the policy of the U. S. Empire is its practice of double standards. It seems that all the “good guys” as they are seen by the U. S. administrations can violate democratic norms for which the “bad guys” like Iraq, Afghanistan, and Libya are severely punished. The next candidates on the U. S. “hit list” are Syria and Iran. But the real problem for America`s credibility is the policy of Israel that violates all norms of international law and human rights. U. S. acceptance of that policy even gets the U. S. government to ignore the Saudi peace plan which envisages full diplomatic relationships and recognition of the State of Israel by all Arab countries.

All the indications emanating from Obama´s policy show that his administration is too weak to make a U-turn in America`s Middle Eastern policy concerning Saudi Arabia and Israel. If the US won´t learn quickly, quicksand may turn into quagmire.

First published here and here.

Sonntag, 11. Dezember 2011

In memoriam Frantz Fanon

Vor 50 Jahren, am 6. Dezember 1961, starb Frantz Fanon. Post mortem erschien „Die Verdammten dieser Erde“. Neben „Black Skin, White Masks“ gehörte es zu denjenigen Schriften, die die antikolonialen Befreiungsbewegungen nicht nur in der „Dritten Welt“, sondern auch in den westlichen Metropolen inspirierten. In „Black Skin, White Masks“ analysiert er die traumatischen Folgen des Minderwertigkeitskomplexes der Menschen in den Kolonien und wie dieser zur Identifikation mit der Ideologie der Kolonialisten führt. Dass erneute Lesen seiner Werke, erscheint für den Leser wie ein déjà-vu.

Im Lichte der neuen US-amerikanisch geführten Politik des Neo-Kolonialismus und Imperialismus ist Fanon aktueller denn je. Beide Bücher können jedoch nicht als Blaupause für den Widerstand gegen westliche Hybris herhalten, da, wie Fanon schreibt, jede Generation ihre eigenen Schlüsse aus einer konkreten politischen Situation ziehen müsse. In der Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion hat sich die US-„Hypermacht“ auf neue koloniale Abenteuer eingelassen. Ein muslimisches Land nach dem anderen wird überfallen, oder es wird durch einen nicht-erklärten Drohnenkrieg – gesteuert aus dem CIA-Hauptquartier oder von Militärstützpunkten in Nevada – attackiert. Jüngstes Beispiel dieser US-Aggression ist Iran, dessen Führung man unterstellt, mit dem Bau von Nuklearwaffen beschäftigt zu sein, obgleich sie dies immer als „unislamisch“ zurückgewiesen hat und bis dato kein einziger glaubhafter Beweis für einen solchen Bau vorgelegt worden ist. Trotzdem sieht sich das Land zahlreicher obskurer Attacken ausgesetzt, wie das jüngste Einfangen einer US-Spionagedrohne über Iran zeigt.

Der auf der Karibik-Insel Martinique Geborene gilt als radikaler Humanist und als ein Vertreter absoluter Gleichberechtigung. Jeder Mensch habe das gleiche Recht, an der gemeinsamen Welt mitzuarbeiten. Den Status-quo als definitiv anzuerkennen, lehnte Fanon ab. Er schuf das „revolutionäre Subjekt“, das als Gegenentwurf zur „strukturellen Gewalt“ der Kolonialisten auftreten sollte. Sie verweigerten den Kolonisierten die Aufnahme als gleichwertige und gleichberechtigte Bürger in deren heile weiße Welt. Fanon entwickelte seine Theorien nicht für seine Heimat Martinique sondern für Algerien, das unter französischem Kolonialjoch zu leiden hatte.

Mit 27 Jahren schrieb er „Black Skin, White Masks“, das 1952 veröffentlicht worden ist. Erst nach seinem Tod und durch die Übersetzung ins Englische wurde es 1967 weltweit bekannt und avancierte zur „Bibel“ der Studentenbewegung. Das Buch inspirierte all diejenigen, welche sich für die “Idee eines schwarzen Bewusstseins“ einsetzten wie z. B. Martin Luther King, der ein Jahr später ermordet worden ist. Fanons Entrüstung richtet sich nicht nur gegen „den schwarzen Mann, der seine Rasse weiß machen will”, sondern auch gegen das Image eines idealisierten „Negros“, der eine Erfindung der Weißen ist. Fanon benutzt den Begriff „weiß“ als exemplarisch für die „europäische Zivilisation und deren Repräsentanten“ und „schwarz“ für alles nicht-westliche im Allgemeinen.

Fanons Werke können heute als ein Leitfaden gegen den Termidor (Periode der Reaktion, die auf eine Revolution folgt) gelesen werden, der ein Land nach dem anderen, sei es in Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten zurückerobert entweder durch die direkte Intervention westlicher Mächte oder durch indigene Proxys, die gegen die Interessen ihrer Völker handeln. Im Sinne von Fanon wird die Souveränität der „schwarzen“ (nicht-westlichen) Völker wiederum missachtet. Ihn als einen Befürworter von Gewalt zu bezeichnen, missinterpretiert sein Werk. Fanon hat auch niemals behauptet, dass Formen antikolonialer Revolution eins zu eins auf den Westen übertragbar seien. Dass seine Aussagen zur Anwendung brutaler Gewalt missbraucht worden sind, scheint eher der Romantik seiner irregeleiteten „Jünger“ geschuldet zu sein. Fanon war seiner Zeit weit voraus, weil er sich dafür aussprach, dass jede Gesellschaft ihre Unterschiede frei leben solle. Dies ist ein Grund, warum er von vielen bewusst missverstanden und abgelehnt wird.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Der vergessene Nahostkonflikt

Die Arabische Welt kommt nicht zur Ruhe. Und es zeigt sich immer wieder, dass selbst in diesen demokratischen Erhebungen gegen die seit Dekaden herrschenden Autokraten und Diktatoren immer wieder der Nahostkonflikt um das historische Palästina aufscheint. In der Arabellion geht es auch um den vergessenen Nahostkonflikt. Um die an diesem Konflikt beteiligten Akteure kreist das Buch des Journalisten und Nahostkorrespondenten der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Markus Bickel, der seit 2005 aus Libanon berichtet.

„Die Arabische Revolution klopft an Israels Tür“, kommentierte die israelische Tageszeitung „Haaretz“ die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge über die syrisch-israelische Grenze in den von Israel 1981 annektierten Golan. Mag der syrische Präsident Asad diese „spontane“ Rückkehr mit Wohlwollen betrachtet haben, so zeigt diese jedoch, dass das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge neben der Gründung eines Palästinenserstaats das Herzstück des Nahostkonflikts bildet.

Im Kapitel „Arabiens Stunde null“ legt der Autor bereits den Finger in die Wunde westlicher Nahostpolitik. Eine an Stabilität statt Demokratie, Realpolitik statt rechtsstaatlicher Prinzipien ausgerichteten Politik sei der Stützpfeiler amerikanischer und europäischer Politik gewesen, bevor sie durch den „arabischen Frühling“ ihre Basis verloren haben. Auch Israel habe sich bequem eingerichtet mit den autoritären Regimen in seiner Nachbarschaft. Bis zuletzt hielt Israel an Mubarak fest. Auch das Asad-Regime war Garant für Stabilität; seit 40 Jahren war kein Schuss mehr zwischen beiden Staaten gefallen.

In den weiteren Kapiteln befasst sich Markus Bickel mit dem schiitischen Halbmond, der Rolle Syriens in Libanon und dessen Verwicklungen in das Attentat auf Rafik Hariri, den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten. Weitere Akteure wie der Hisbollah und die Hamas werden behandelt. Auch die deutsche Rolle bei den Vermittlungen zwischen Israel und dem Hisbollah beim Austausch von entführten Israelis gegen libanesische Gefangene in Israel oder bei der versuchten Aufklärung des Mordes an Hariri durch den deutschen Staatsanwalt Detlev Mehlis kommt zur Sprache.

Wie undurchdringlich das komplexe Gestrüpp aus internationalen, politischen, persönlichen, familiären, kulturellen und ökonomischen Beziehungen in dieser Region und hier insbesondere in Libanon ist, zeigt die „Aufklärung“ des Attentats auf Hariri. Deutete zu Beginn alles auf Syrien und den Hisbollah hin, so scheint eine Aufklärung heute weniger wahrscheinlich als im Jahr 2005, als die Vereinten Nationen erstmalig ein Sondertribunal zur Aufklärung einer „terroristischen Straftat“ an einer Person eingerichtet haben.

Die Beschreibung der Komplexität dieser Region wäre noch überzeugender gelungen, wäre auf die Rolle Israels etwas mehr Kritik verwandt worden. Israels massive Zerstörungen 2006 im Libanon oder 2008/09 im Gaza-Streifen werden nur en passant erwähnt. Die Leserschaft erhält tiefe Einblicke in Gesellschaften und deren politische Vorstellungen, denen man im Lichte einer islamkritischen Öffentlichkeit im Westen sehr skeptisch gegenübersteht. In dieser nuancenreichen Darstellung liegt der Wert dieses Buches.

Zuerst erschienen hier.

Guttenbergs Comeback: "Vorerst gescheitert"

„Oh yes, I´m a great pretender.“ Dieses „fünfte“ Kapitel fehlt leider in der Plauderei zwischen Karl-Theodor zu Guttenberg und dem Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Giovanni di Lorenzo. Ganz unverhohlen stellt der „Distinguished Statesman“(!), wie er prätentiös in den USA genannt wird, seine Rückkehr in die deutsche Politik in Aussicht. „Vorerst“ suggeriert, dass das erfolgreiche Ende noch aussteht. Kehrt zu Guttenberg vielleicht als „frisch“ promovierter „US-Trojaner“ in die deutsche Politik zurück?

Es scheint, als habe zu Guttenberg eines in den USA gelernt: Größenwahn und Hybris gleich dem US-Imperium. Der Freiherr lässt die politische Klasse wissen, was er von ihr hält: wenig bis nichts. Seine früheren Kollegen/innen hält er sogar für ahnungslos. Auch der CSU schreibt er einige Nettigkeiten ins Stammbuch. Ein Comeback dort dürften die Söders zu verhindern wissen.

Bis zur Ermüdung (30 Seiten) ergeht sich zu Guttenberg in der Rechtfertigung seiner plagiierten Dissertation. Er habe eine „beschissene“ Doktorarbeit abgeliefert, die von einem der renommiertesten Staatsrechtler Deutschlands trotzdem mit der Höchstnote bewertet worden ist. Eine Promotion auf redliche Art und Weise zu erwerben, war bei der Mehrfachbelastung einfach nicht drin! Falls die chaotische Arbeitsweise – er will an „mindestens 80“ Datenträgern gearbeitet haben - tatsächlich zutreffen sollte, darf ihm niemals wieder ein öffentliches Amt übertragen werden. Was der Freiherr perfekt beherrscht, ist die Selbstinszenierung. Davon zeugt dieses Geplauder und dessen Timing sowie das Interview in Afghanistan mit Johannes B. Kerner und seiner „First Lady“ in spe.

Für einen „Distinguished Statesman“ dürfte es ein Leichtes sein, eine neue Partei zu gründen. Das Potenzial liegt quasi in Form von über 30 Prozent Nichtwählern auf der Straße. Da alle Parteien sowieso orientierungslos seien, ist es höchste Zeit, dass zu Guttenberg endlich wieder die Richtung in der deutschen Politik vorgibt. Er könnte sich aber auch der FDP anschließen, die ebenfalls händeringend nach Themen und Führungspersönlichkeiten sucht. Als „Distinguished Statesman“ dürfte diese Klientelpartei ihm wie auf den Leib geschneidert sein. Übrigens: Der „Oxford Advanced Learner´s Dictionary“ definiert „distinguished“ wie folgt: „very succesful and admired by other people“ oder „having an appearance that makes somebody look important or that makes people admire or respect them“.

Für den distinguierten und jetzt brillenlosen zu Guttenberg treffen beide Umschreibungen zu. Wenn sich nun noch „Die Welt“ und „Bild-Zeitung“ seiner annehmen, müsste es mit dem Comeback klappen. Es ist dem „Distinguished Statesman“ zu wünschen, dass dies seine potenziellen Wähler/innen ebenfalls so sehen und sein „Scheitern“ und die „inszenierte“ Treibjagd der medialen Klasse anlasten. „Die Zeit“ jedenfalls hat zum Guttenberg-Relaunch das Ihre beigetragen. Hatte nicht ihr Chefredakteur auf dem Höhepunkt der Plagiatsaffäre sich dafür ausgesprochen, dass zu Guttenbergs sein Amt behalten solle?

Mit dieser Plauderei in Form eines endlosen Interviews war kein „mea culpa“ beabsichtigt, sondern es geht um Vorwärtsverteidigung. Das bewusste vergrätzen der gesamten politischen Klasse zielt darauf ab, durch ein Plebiszit wieder an die Macht zu kommen. Die deutschen Wahlbürger/innen sollten in der „Causa Guttenberg“ Folgendes bedenken: Fool me once, shame on you, fool me twice, shame on me!

Veröffentlicht auch hier.