Mittwoch, 9. Mai 2012

The political Disenchantment of Francois Hollande

Der neugewählte französische Staatspräsident Francois Hollande ist nicht als ein Mann mit politischen Ecken und Kanten bekannt. Selbst seine Wahlkampfrhetorik war wenig kämpferisch, sondern eher blass und politisch unbestimmt. Einer seiner Slogans „nicht spalten, sondern versöhnen“, erinnerte stark an die Rhetorik eines ehemaligen deutschen Bundespräsidenten. Sein Wahlsieg dürfte also eher der Tatsache geschuldet sein, das die Franzosen die Nase von Nikolas Sarkozy voll hatten, als dass Hollande ihnen einen Weg in eine weit zurückliegende glorreiche Zukunft à la „Grande Nation“ hätte weisen könnten. Sarkozy trug den Titel „L‘Américain“ nicht ohne Grund. Neben seiner „egomanischen“ Attitüde und „aggressiven“ politischen Rhetorik galt er auch noch als ein „Bewunderer“ von George W. Bush, und dies will vor allem in Frankreich etwas heißen.

Präsident Hollande hat angekündigt, den Fiskalpakt neu zu verhandeln und ihm einen Wachstumspakt zur Seite zu stellen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kommt das Aufschnüren des Fiskalpakts nicht in Frage. Aber was haben gerade in der Debatte um die Griechenland-Rettung die Worte von Politikern noch für einen Wert? Hat nicht Bundeskanzlerin Merkel in den letzten Jahren einige 180-Grad-U-Turns bei politischen Sachfragen (z. B. Kernenergie) vollzogen, sodass man sich nur verwundert die Augen reiben konnte? Und wenn sie auf Parteitagen merkte, dass ihr politischer Gegenwind ins Gesicht blies, drehte sie sich einfach um und sagte, dass die Partei voll hinter ihr stehe, wie es kürzlich der Kabarettist Volker Pispers formulierte. Die politischen Irritationen zwischen ihr und Präsident Hollande dürften deshalb nicht lange anhalten, obgleich sie sich massiv für die Wiederwahl von Sarkozy eingesetzt hatte. 

Wenn man der These vom „Putsch der Märkte“ gegenüber den politischen Eliten zustimmt, wird auch Hollande schnell merken, dass er nur im Bereich der “symbolischen Politik“ noch souveräne Entscheidungen treffen kann, oder aber er besinnt sich wieder auf die französische Sonderrolle, die das Land bis zur Präsidentschaft von Sarkozy nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt gespielt hat. Er ist nicht der Typus eines französischen „Thatchers“, der fordern würde: „I want my sovereignty back“, aber er könnte andere Zeichen setzen.

Zu einem ersten souveränen Paukenschlag böte sich der am 20. und 21. Mai in Chicago stattfindende Nato-Gipfel an, auf dem Frankreich wieder seinen Austritt aus der militärischen Struktur der Nato erklären könnte, wie es weiland Charles de Gaulle schon einmal vorexerziert hat. Wenn er diese Größe nicht hat, muss er auf alle Fälle zu seinem Wort stehen, die französischen Truppen zum Jahresende aus dem besetzten Afghanistan abzuziehen. Auch hat er seine Skepsis gegenüber einem Überfall auf die Atomindustrie des Iran geäußert. Ein Veto Frankreichs könnte als Signal für die gesamte EU sein, die nur widerwillig der US-amerikanisch-israelischen Angriffsrhetorik folgt. Dies wäre ein Signal der Hoffnung für eine konstruktive europäische Außenpolitik, fern vom zerstörerischen US-amerikanischen Interventionismus. 

Hollande sollte aber auch gegen die zentralistischen Tendenzen der Brüsseler Bürokratie zu Felde ziehen, die die nationalstaatlichen Souveränitätsrechte der Einzelstaaten immer stärker ad absurdum führen. Durch den ESM-Vertrag geben die Staaten letztendlich das Königsrecht des Parlament, die Hoheit über den Haushalt, an ein bürokratisches Gremium ab, das über keinerlei demokratische Legitimation verfügt und den gewählten nationalen Parlamenten seine finanzpolitischen Oktrois ohne Einspruchsmöglichkeit zur Erfüllung abfordert.

Wenn es nicht mehr gelingt, die Macht der „Banksters“ mit ihrem vagabundierenden und globalisierten Kapital das Handwerk zu legen, kann die politische Klasse in Europa ihre „Kompetenzen“ an die Finanzoligarchen abtreten, wenn es diese nicht schon lange getan hat. Hollande sollte die anderen europäischen Regierungschefs für eine radikale Wende ihrer Politik gegenüber der Zentralmacht der Brüsseler Bürokratie gewinnen, ansonsten bleibt ihm nichts anders mehr übrig, Frankreich in folgenden wichtigen Politikbereichen auf europäischen Standard zu hieven. Diesen verbleibenden Handlungsspielraum hat Diana Johnstone auf der Website „counterpunch“ wie folgt umschrieben: „He can advocate gay marriage, which has become the flagship proposal of those who want to prove they are “on the left” by infuriating a segment of the conservative right. Hollande has promised to give homosexuals the right to marry and adopt children, to enforce employment quotas for the handicapped, to propose legislation allowing the incurably ill to benefit from medical assistance to end life in dignity, to combat racial discrimination, including in police identity checks. If – and it is still a big if – he gets a majority in next month’s legislative elections, President Hollande can keep these civilizational promises without asking permission of Brussels or “the markets”. And based on experience, it is to be expected that the police will be better behaved toward ethnic minorities under a Socialist government than under Sarkozy.”

Da auch die griechischen Wähler/innen ein eindeutiges Signal nach Europa geschickt haben, sollte Hollande vielleicht den Ball aufgreifen, um dem Euro-Abenteuer ein Ende zu bereiten. Der Euro hat nicht, wie von den Ideologen intendiert, die politische Union Europas befördert, sondern die Währung hat sich als Sprengsatz erwiesen. Der so genannte europäische Geist ist nicht gekannten nationalistischen Ressentiments gewichen, und die Souveränität der Einzelstaaten wird durch eine anmaßende Bürokratie zerstört. Wie das Beispiel Griechenland zeigt, zerstört die wider alle ökonomische Vernunft durchgesetzte „Euro-Rettung“ in Griechenland sogar die Demokratie. Das Bemerkenswerteste daran aber ist, dass die EU-trunkenen medialen Eliten dies völlig ignorieren.

Das Skandalon der so genannten „Rettungsaktionen“ besteht schlechthin darin, dass die unteren Gesellschaftsschichten das Monopoly der herrschen finanzpolitischen Klassen bezahlen müssen, weil die 20 angeblich „Systemrelevanten“ Banken nicht über die Wupper gehen können. Es ist atemberaubend, mit welcher politischen Kaltschnäuzigkeit die Eliten Europas die Casino-Zockerei der „Banksters“ mit Steuergeldern reinwaschen.

Die französischen Sozialisten haben immer die europäische Integrationsideologie vertreten. Nicht ohne Grund war Hollande über zehn Jahre Chef der „Parti Socialiste“. Die EU-Politiker werden ihn nicht düpieren und durch kosmetische Zugeständnisse seinen „radikalen“ Forderungen versuchen, die Spitze zu nehmen. Aber Staatspräsident Francois Hollande ist nicht der Politiker-Typ, der als brüllender französischer Löwe starten wird, um als handsamer EU-Bettvorleger in Brüssel zu landen. Europa hat von Präsident Hollande nichts zu befürchten. Don´t worry, take him easy!