65 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Teilungsresolution 181 vom 29. November 1947 ist Palästina wieder als Staat in die Vereinten Nationen zurückgekehrt, zwar noch nicht als Vollmitglied, weil die USA beim ersten Antrag ihr Veto im Sicherheitsrat angekündigt hatten, aber als „Nicht-Mitglied-Staat“, über den die UN-Generalversammlung eigenmächtig entscheiden konnte. Dieser Beobachterstatus entspricht dem des Vatikan-Staates.
Das Ergebnis der Abstimmung in der UN-Generalversammlung war überwältigend: 138 Ja-Stimmen.
Folgende 41 Staaten enthielten sich der Stimme und haben damit demonstriert, dass sie wenig Politik tauglich sind: Albanien, Andorra, Australien, Bahamas, Barbados, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Estland, Fidschi, Großbritannien, Guatemala, Haiti, Kamerun, Kolumbien, Kongo, Kroatien, Lettland, Litauen, Malawi, Mazedonien, Moldau, Monaco, Mongolei, Montenegro, Niederlande, Papua-Neuguinea, Paraguay, Polen, Ruanda, Rumänien, Samoa, San Marino, Singapur, Slowakei, Slowenien, Südkorea, Togo, Tonga, Ungarn, Vanuatu.
Fünf Länder nahmen an der Abstimmung gar nicht erst teil.
Neun Staaten stimmten dagegen: Israel, Kanada, Palau, Panama, Nauru, Mikronesien, Marshallinseln, Tschechien, USA.
Das Votum in der UN-Generalversammlung hat gezeigt, wie isoliert die USA und Israel in der UNO sind. Dies ist wenig überraschend, stimmen doch die USA immer so ab, wie Israel es will. Das Votum von Kanadas erzkonservativer Regierung überrascht nicht: ebenso wenig wie das der üblichen „Großmächte“ aus der Südsee oder des neokonservativen Tschechien. Das Abstimmungsverhalten der EU-Staaten hat jedem Beobachter vor Augen geführt, dass diese Staaten-Gemeinschaft als relevanter Akteur in den internationalen Beziehungen ausfällt.
Die Abstimmung machte darüber hinaus auch deutlich, wer zur Verweigerungsfront gehört und sich als friedensunwillig erweist: Israel und die USA. Wer das Buch „Israeli Rejectionism“ kennt, weiß, dass nicht die Araber es sind, die „never miss an opportunity to miss an opportunity“, wie es einst der ehemalige israelische Außenminister Abba Eban so plastisch, jedoch irreführend, formuliert hat, sondern die diversen israelischen Regierung, die gemäß der Meinung der Autoren niemals ein Interesse an einer friedlichen Einigung mit den Palästinensern hatten. “Our position is that Israel was never primarily interested in establishing peace with its neighbors unless such a peace was totally on its own terms”, schreiben die Auoren/innen auf Seite 11.
In völliger Verachtung der Vereinten Nationen erklärte Israels Ministerpräsident, dass das UN-Votum „bedeutungslos“ sei: „“This is a meaningless resolution that won’t change anything on the ground. No Palestinian state will arise without an arrangement ensuring the security of Israeli citizens.” Und weiter fügte er hinzu: “The way to peace between Jerusalem and Ramallah is through direct negotiations without preconditions, not unilateral decisions at the UN.” Netanyahu vergaß hinzuzufügen, dass es die israelischen Regierung sind, die durch ihre permanenten „einseitigen Entscheidungen“ ihre expansive Kolonisierungspolitik sei 1967 vorantreiben, insbesondere aber in eklatanter Verletzung der „Prinzipienerklärung“ vom September 1993, in der es ausdrücklich heißt, dass keine Seite den Status einseitig verändern dürfe.
Netanyahu gehört mit seinen Äußerungen noch zu den „gemäßigten“ Politikern in Israel. So hat Innenminister Eli Yishai vor dem Überfall auf den Gaza-Streifen erklärt, man müsse die Palästinenser zurück ins Mittelalter bomben, dann hätte Israel für die nächsten 40 Jahre Ruhe. Oder der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon, der gefordert hat, Gaza platt zu machen. Oder Transportminister Israel Katz: „Es gibt keine Unschuldigen in Gaza. Mäht sie nieder.“ Dieser Extremismus wird durch Umfragen unter der israelischen Bevölkerung gestützt. Stimmen der Vernunft sind eher rar gesät, wie die des ehemaligen israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, der nach dem Angriff auf den Gaza-Streifen in einer deutschen Talkshow gefordert hat, mit der Hamas zu verhandeln.
Im so genannten Friedensprozess sind die Palästinenser der „Palästinensischen Autorität“ von den diversen israelischen Regierungen offensichtlich politisch getäuscht worden, wie dies der ehemalige Botschafter Palästinas in Deutschland, Abdallah Frangi, formuliert hat, oder sie waren einfach nur politisch naive und haben sich eingebildet, Israel würde ihnen einen „Staat“ geben. Niemals hat auch nur ein einziger israelischer Politiker während der Phase des „Friedensprozesses“ von einen palästinensischen „Staat“ gesprochen. Der ehemalige Meretz-Abgeordnete Yossi Sarid hat es besonders treffend formuliert: Wenn die Palästinenser dieses Gebilde „Staat“ nennen wollen, könnten sie dies tun!
Es sei daran erinnert, dass Netanyahus ehemaliger Parteifreund und Ministerpräsident Yitzhak Shamir nach seiner Wahlniederlage gegen Yitzhak Rabin 1992 gesagt hat, dass die Israelis und Palästinenser noch zehn Jahre in Washington verhandeln hätten können, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Diese Voraussage ist nicht nur eingetreten, sondern sie wurde fast um weitere zehn Jahre übertroffen! Wenn jetzt von Seiten der israelischen Regierung oder ihrer Cheerleader im Westen weiter auf dem endlose„Friedensprozess“ beharrt und eine Wiederaufnahme von „Friedens“-Verhandlungen gefordert wird, gibt es in einigen Jahren nur noch ein „Palästina“, das „Ghetto-ähnlichen Slums“ gleicht wie der Gaza-Streifen.
Nach dem jüngsten Überfall der israelischen Armee auf den Gaza-Streifen ist die politische Bedeutungslosigkeit von „Präsident“ Mahmoud Abbas für alle sichtbar geworden. Er sollte die Gelegenheit nutzen, um aus dem Prestigegewinn vor der UNO politisches Kapital zu schlagen. Da er über keinerlei politische Legitimität mehr verfügt - seit 2009 ist seine Präsidentschaft abgelaufen - sollte er nicht wieder in fruchtlose „Friedens“-Verhandlungen eintreten. Wie die „Palestine papers“ zeigen, verlangt die israelische Regierung nichts weniger als die Kapitulation der Palästinenser gegenüber Israel. Saeb Erekat drückte dies wie folgt aus: „The only thing I can’t do is convert to Zionism.“ Seine damalige Verhandlungspartnerin auf israelischer Seite war keine geringere als die als “politische Taube” geltende Zivi Livni. Darüber hinaus sollte die über Einhundert-jährige historische und politische Erfahrung mit dem Zionismus die Palästinenser lehren, dass es mit dieser Ideologie wahrscheinlich keinen Kompromiss geben kann.
Nach diesem diplomatischen Erfolg sollte die “Palästinensische Autorität“ umgehend folgende Maßnahmen ergreifen, wie sie Francis Boyle, Professor für Völkerrecht an der Universität von Illinois und Autor des Buches „Palestine, Palestinians. and international law“, formuliert hat. Eine solche „Legal intifadah“ könnte dazu führen, dass aller Welt vor Augen geführt wird, wie völkerrechtswidrig und Menschen verachtend die israelische Besatzungspolitik seit 45 Jahren ist. Auch könnte die „Palästinensische Autorität“ jetzt diejenigen Politiker juristisch zur Rechenschaft ziehen, die für das Massaker um die Jahreswende 2008/09 an der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen verantwortlich waren (1 400 tote Palästinenser, davon über zwei Drittel Frauen und Kinder, inklusive der horrenden Verwüstungen ziviler Einrichtungen). Der Goldstone-Bericht und die Berichte anderer Menschenrechtsorganisationen, wie z. B. Human Rights Watch oder Amnesty international, bilden dafür eine fundierte Grundlage.
Jetzt einer Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und Mahmoud Abbas das Wort zu reden, zeugt von politischer Naivität und Geschichtsvergessenheit, wenn man die politische Irrelevanz der "Palästinensischen Autorität" beim letzten Waffengang Israels gegen die Hamas im Gaza-Streifen betrachtet. Weitsichtige Israeli fordern schon seit langem, in Verhandlungen mit den relevanten Kräften in Palästina einzutreten.
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