„Gezielte Tötung“ oder „targeted killing“ ist seit dem „Drohnenkrieg“ der Bush- und insbesondere der Obama-Administration in Mode bekommen. Die gezielte Tötung ist zum Markenzeichen des „Krieges gegen den Terrorismus“ geworden. Von einem Laptop irgendwo in den USA lassen sich „Terroristen“ oder andere dafür gehaltene missliebige Personen per Joystick töten, ohne auch nur einen Gedanken an ein rechtsstaatliches Verfahren zu verschwenden. Viele Regierungen denken seither über die Anschaffung dieser klinisch sauberen Killerwaffen (Drohnen) nach. Seit den 9/11-Anschlägen scheint im Namen der „nationalen Sicherheit“ alles erlaubt zu sein.
Armin Krishnan, Professor für Security Studies an der Universität von Texas, beschreibt in seinem Buch die Zukunft der Kriege, die vorzugsweise mit Drohnen oder anderen High-Tech-Techniken geführt werden. „Die gezielte Tötung ist somit eine eigenständige Form der Kriegsführung, die nicht auf eine Zielkategorie (Terroristen) beschränkt ist, sondern sich vielmehr im Prinzip universell anwenden lässt.“ Diese Art der Kriegführung wurde von einem Elitesoldaten als „Menschenjagd“ (manhunting) beschrieben, bei der es um die Unschädlichmachung von Individuen gehe. Jeder, der ins Fadenkreuz der US-Regierung gerät und eine potenzielle Gefahr für die „nationale Sicherheit“ darstellt, kann seines Lebens nicht mehr sicher sein. Dabei macht die Obama-Administration auch vor der Tötung eigener Staatsbürger nicht halt, wie der Fall Anwar al-Awlaki und dessen Sohn zeigt, die beide im Jemen durch eine Drohne getötet worden sind.
Schritt für Schritt führt der Autor die Leser/Innen in die „schöne neue Welt“ der „neuen Kriege“ gegen Individuen wie zum Beispiel Regimegegner, Aufständische, Diktatoren, Terroristen, Guerilleros, Drogendealer, Mafiosi oder andere ein, welche die Regierung als Kriminelle bezeichnet, ohne sie eines Delikts überführt zu haben. Nach humanitärem Völkerrecht werden sie als so genannten Nicht-Kombattanten bezeichnet, die unter den Schutz der Genfer Konvention fallen. Die USA haben sich mit der Bezeichnung „unlawful or illegal combatant“ eine „Rechtsfigur“ geschaffen, die es im Völkerrecht gar nicht gibt. Sie dient als Konstrukt, um mit „gezielten Tötungen“ politisch unliebsame Personen zu liquidieren und die allgemeinen Regeln des Völkerrechts auszuhebeln.
Der Autor weist darauf hin, dass „gezielte Tötungen“ nur schwer von Morden oder Attentaten abzugrenzen seien. Für die einen sind solche „illegale Tötungen“ völkerrechtswidrig, für die Befürworter sind es legale völkerrechtliche Maßnahmen, um gegen Terroristen vorzugehen. Welche Wichtigkeit die USA dem Drohnenkrieg beimessen, zeigt die Tatsache, dass sie im Jahr 2000 50 Drohnen besaßen, wohingegen sie zehn Jahre später über 5 500 verfügen. In zahlreichen Ländern haben die USA insgeheim 60 Drohnenstützpunkte aufgebaut. Krishnan weist darauf hin, dass Israel es war, das diese Liquidierungsmethode zuerst angewandt habe wie zum Beispiel bei dem an den Rollstuhl gefesselten paralysierten Scheich Ahmed Yassin, um nur einen von vielen zu nennen.
Das moderne Tötungsszenario der USA und anderer Staaten, das der Autor in sechs Kapiteln entwirft, ist nicht nur rechtlich höchst fragwürdig, sondern grenzt in einigen Bereichen geradezu an Sciencefiction. Aber die virtuelle Welt der Computerspiele hat schon lange Einzug in die militärische Realität gehalten, mögen einige Beispiele auch noch für „unvorstellbar“ oder „phantastisch“ gehalten werden. Die bisherige Bilanz der „gezielten Tötungen“ ist blutig, zieht man die so genannten „Kollateralschäden“ in Betracht. Das Argument der „militärischen Notwendigkeit“ kann in einem Rechtsstaat niemals ein ordentliches Verfahren ersetzten, um eine „extralegale Hinrichtung“ zu rechtfertigen.
Der Hauptvorwurf gegen „gezielte Tötungen“ sei der „staatlich sanktionierte Mord“. Gleichwohl sieht der Autor auch gute Gründe dafür gegeben, gegen einzelne Personen vorzugehen, als gleich Krieg gegen ein ganzes Volk zu führen. Es bleibe also ein Dilemma, da die Ermordung Einzelner kaum von politischen Attentaten unterscheidbar sei. Am Ende seiner Ausführungen steht jedoch die klare Ablehnung dieser Tötungsmethode. „Nur eine internationale Ächtung der Praxis, ein klares internationales und umfassendes Verbot von gezielten Tötungen kann helfen, staatlichen Missbrauch zu verringern und die schlimmsten Gefahren abzuwenden.“
Über eine Tatsache sollten alle sehr besorgt sein, nämlich dass die Tötung von „Terroristen“ oder „Regimekritikern“ im Geheimen bereits technisch möglich sei. So präsidiert Barack Obama persönlich über eine so genannte „hit list“, auf der Personen stehen sollen, über die sich Obamas Daumen irgendwann senken könnte. Der Autor plädiert für einen „politischen Richtungswechsel“, um das „Tötungsprogramm wie das der CIA“ zu beenden. Es habe nichts mit Verschwörungsdenken zu tun, wenn man befürchten müsse, dass es auch in „westlichen Demokratien verstärkt zu bequemen Selbstmorden und Herzinfarkten von Regierungskritikern kommen“ könnte.
Der Autor hat in seinem Buch viele nützliche Anregungen zu einem überaus brisanten Thema gegeben, das einer breiten gesellschaftlichen Debatte bedarf, bevor sich weitere Staaten Killerdrohnen zulegen