Die Kriegstreiberische Journaille in den USA und in den westeuropäischen Staaten hatte sich nach dem Giftgasanschlag in Ghouta, einem Vorort von Damaskus, am 21. August 2013, die Finger wundgeschrieben, um der Assad-Regierung die alleinige Schuld an diesem grausamen Mord in die Schuhe zu schieben, damit die USA und ihre kriegswilligen Alliierten - Frankreich und Großbritannien - Syrien angreifen sollten. Dass die Terroristen von der Al-Nusra-Front die Sarin-Anschläge durchgeführt haben könnten, wurde überhaupt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.
Am 6. April 2014 hat der US-amerikanische Investigativjournalist Seymour M. Hersh einen Beitrag in der „London Review of Books“ mit dem Titel „The Red Line and the Rat Line“ veröffentlicht, in dem er die Zusammenarbeit türkischer Sicherheitskreise mit syrischen Terroristen bei der Beschaffung des Giftgases nachgewiesen hat. In den USA wollte kein Presseorgan diesen exzellenten Beitrag veröffentlichen, um es sich nicht mit der politischen Klasse zu verderben, in deren Dienst sich die US-Medien gestellt haben.
Der Artikel wirft ein bezeichnendes Licht auf die US-Medienlandschaft, die sich noch immer als Sprachrohr der schießwütigen Neocons geriert. Unter einem falschen Vorwand sollte die Obama-Regierung in einen weiteren Krieg gegen ein muslimisches Land im Nahen Osten gelockt werden. Bezeichnend ist weiterhin, dass Hersh seinen Artikel in London veröffentlichen musste, weil der Inhalt den US-Regierungsmedien nicht in deren Weltbild passt.
Bei der Schuldzuweisung an Assad waren die US-Medien Spitze. Obwohl das US-Imperium keinen einzigen Beweis für die Verwicklung der Assad-Regierung in den Giftgasangriff vorlegen konnte, versuchte die New York Times und die Menschrechtsorganisation (!) Human Rights Watch etwas zu „beweisen“, dass kurz nach der Veröffentlichung wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel.
Hershs Artikel zeigt auch, dass Obama und seine willigen Helfershelfer in Paris und London massive Luftschläge gegen Syrien à la „shock and awe“ der Bush-Krieger planten. „Under White House pressure, the US attack plan evolved into ‘a monster strike’: two wings of B-52 bombers were shifted to airbases close to Syria, and navy submarines and ships equipped with Tomahawk missiles were deployed.” Jeden Tag sei die Liste mit Angriffszielen länger geworden, schreibt Hersh. “The new target list was meant to ‘completely eradicate any military capabilities Assad had’, the former intelligence official said. The core targets included electric power grids, oil and gas depots, all known logistic and weapons depots, all known command and control facilities, and all known military and intelligence buildings.”
Bereits im Juni 2013 wussten der US-amerikanische und der britische Geheimdienst, dass die Al-Nursa-Front mit Sarin-Gas experimentierte. Hersh zitiert aus einem US-Geheimdokument, dessen Existenz die Regierung leugnet. Im Mai letzten Jahres sind Al-Nursa-Terroristen mit zwei Kilo Sarin in der Türkei verhaftet worden. Noch bevor es zum Prozess kommen konnte, wurde sie freigelassen, und die Anklage wurde fallengelassen, so Hersh. Kurz nach Ausbruch des Aufstandes in Syrien hat das Erdogan-Regime sich für die Unterstützung der sunnitischen Extremistengruppen entschieden, und diese materiell und logistisch unterstützt. Für die Finanzen sorgten Saudi-Arabien und Katar.
Der Giftgasangriff war, so Hersh, als Anlass geplant, um die Obama-Regierung über ihre selbstgezogene „rote Linie“ zu drücken. Wie brisant der Hersh-Artikel ist, zeigt die Behauptung, dass die türkische Regierung oder ihr Geheimdienst zu dem Giftgasangriff in Ghouta angestiftet habe und „The Turks also provided the training in producing the sarin and handling it.” Der britische Geheimdienst hatte schon frühzeitig herausgefunden, dass das eingesetzte Giftgas nicht aus Assads Beständen stammte. Er teilte den US-Amerikanern mit: „We’re being set up here.“ Hersh legt auch nahe, dass die bittere Kontroverse über den Angriff auf das US-Konsulat und der CIA-Mission in Bengasi in 2012 direkt mit den Machtkämpfen über Syrien in Verbindung stehe. Die CIA hatte die Waffentransporte aus Libyen nach Syrien organisiert. Dieser Deal gehe auf eine geheime Absprache zwischen Obama und Erdogan zurück. Finanziert wurde der Waffentransport von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar, ausgeführt wurde er von der CIA und dem britischen MI6.
Vor zwei Wochen wurde auf YouTube der Mitschnitt einer Unterredung zwischen Außenminister Davutoglu, dem Geheimdienstchef Fidan, Vize-Armeechef Güler und Unterstaatssekretär Sinirlioglu veröffentlicht, in der über eine inszenierte Gewaltaktion gesprochen worden ist, die eine Intervention in Syrien rechtfertigen sollte. Sinnigerweise sperrte das Erdogan-Regime den Zugang zu YouTube und Twitter! Schon zuvor hatte die Türkei Syrien durch den Abschuss eines Kampfflugzeuges provoziert. Anstatt sich um die Kriegsspiele eines Nato-Mitgliedslandes zu kümmern, echauffiert sich die Nato über den Beitritt der Krim zu Russland und unterstützt die Putschisten in der Ukraine.
Für Obama ist sein Verhalten in der Syrienkrise mehr als peinlich. Nachdem er zuerst die Schuld Baschar al-Assad zugeschoben hatte („Asad has to go“), kann er jetzt nicht den wirklich Schuldigen, den türkischen Ministerpräsident Erdogan verantwortlich machen. Es scheint, als haben die US-Medien wie ihre europäischen Wiedergänger nichts aus ihrem Versagen beim Überfall auf den Irak gelernt, da sie wieder zum Angriff auf Syrien geblasen haben, obwohl die wirkliche Gefahr für den Frieden in der Türkei lauert.