Christian Wulff, Ex-Bundespräsident, arbeitet persönlich seine eigene „Affäre“ auf. Der publizistische Flop seiner „fahnenflüchtigen“ Gattin hätte Warnung genug sein sollen. Mit diesem Buch wolle Wulff einen Beitrag zur politischen Kultur in Deutschland leisten. Herausgekommen ist jedoch das genaue Gegenteil. Deutschland wäre mit einer politischen Kultur à la Christian Wulff arm dran. „Der Rücktritt war falsch – ich wäre heute noch der Richtige im Amt“. Was sagen Joachim Gauck oder Angela Merkel zu dieser Hybris?
Wie ein Notar listet er penibel seine zahlreichen moralischen und politischen Verfehlungen auf, die eines Bundespräsidenten einfach nicht würdig sind. Sie waren zwar nicht justiziabel, wie man weiß, aber politisch-kulturell inakzeptabel. Die Person des Bundespräsidenten sollte es nicht nötig haben, sich von schillernden Highsociety-Figuren seinen Hotelupgrade oder andere Vergünstigungen sponsern zu lassen. Wie man sieht, scheint Wulff diese politisch-moralischen no-goes auch heute noch nicht begriffen zu haben. Letztendlich waren es die Summe dieser lächerlichen Quisquilien und sein politisch-taktisch falsches Changieren, die Wulff sein Amt als Bundespräsident gekostet haben. Darüber im Nachhinein zu lamentieren, bringt ihm die verlorene „Ehre der Katharina Blum“ nicht mehr zurück.
Wulff stilisiert sich als Opfer einer Medienkampagne. Er arbeitet mit Unterstellungen, Vermutungen und Verschwörungstheorien, für die er keine Belege liefert. So sei es eine Intrige zwischen Medien und Justiz gewesen, die ihn zu Fall gebracht habe. Regie sei in den einschlägig bekannten Verlagshäusern geführt worden. Auch sein Vorgänger im Amt, Horst Köhler, sei an dieser Macht gescheitert. Über dessen Rücktritt gibt es aber andere glaubwürdigere Versionen, die in der Tat das Potenzial zu einem politischen Skandal hätten. Gauck sei der Liebling einer Handvoll Politiker und Journalisten gewesen.
Den Unterstellungen und Verschwörungstheorien noch nicht genug, unterstellt er dem damaligen niedersächsischen Justizminister Bernd Busemann, den er als Ministerpräsident Niedersachsens vom Kulturminister zum Justizminister „degradiert“ habe, für seine persönliche Malaise verantwortlich zu sein, ohne dazu auch nur den geringsten Beweis zu liefern. „Dass ausgerechnet das niedersächsische Justizministerium eines Tages von entscheidender Bedeutung für mich persönlich werden würde, konnte ich nicht ahnen.“ „Stuff happens“, wie einst der ehemalige US-Kriegsminister Donald Rumsfeld in seiner zynischen Art zu sagen pflegte.
Christian Wulff und seine exaltierte Gattin haben die Nähe zu den Medien nicht nur gesucht, sondern sich ihnen geradezu aufgedrängt. Wer sich so politisch prostituiert, darf sich nicht wundern, dass er bei der ersten passenden Gelegenheit fallen gelassen wird, wie dies Marianne Faithful in ihrem legendären Song „Falling from Grace“ für ihre Situation ergreifend besungen hat. Wulffs Drohanruf aus dem Ausland auf die Mailbox des Bild-Chefredakteurs Kai Dickmann war eines Bundespräsidenten unwürdig.
Wulff war bei der Präsentation seines Buches medial nicht optimal beraten. Die Unterscheidung zwischen „Qualitätsjournalismus“ und anderen Medien, die sich an die Stelle der Justiz setzen, wird keine Mitleidstränen unter ersten hervorrufen, weil in der „Causa Wulff“ sich alle einige waren: Dieser Bundespräsident war für das höchste Amt im Staate moralisch nicht geeignet. Da er sich selber für das dritthöchste Amt, dass des Bundeskanzlers, für nicht gewachsen gehalten habe, fragt man sich verwundert, wie er sich dann für das höchste Amt als qualifiziert habe halten können.
Christian Wulff wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel inthronisiert. Dass er in seinem Buch über einen bisher vertraulichen Besuch der Kanzlerin bei dem „Delinquenten“ in seiner Dienstvilla plaudert, dürfte seine Hoffnung auf ein mögliches politisches Recycling endgültig erledigt haben. Die Bundeskanzlerin hat noch niemals das Ausplaudern von Interna goutiert, noch hat sie politische Loser gefördert.
Niemand interessiert das Selbstmitleid von Gescheiterten, die ihr Scheitern auch noch größtenteils selbst verursacht haben. Übrigens: Mit einer jährlichen politischen „Apanage“ von 200 000 Euro kann man nie „Ganz Unten“ sein. Was sollten da Hartz-IV-Empfänger sagen?