Mittwoch, 4. Dezember 2013

Schmutzige Kriege. Amerikas geheime Kommandoaktionen

Wer sich bis heute noch irgendwelchen Illusionen über die Vereinigten Staaten von Amerika als dem Land der „Tapferen“ und „Freien“, der „Stadt auf dem Hügel“ und als Hort der Demokratie und Freiheit hingibt, sollte sich von diesen Fairytales schnellstens verabschieden. Nach der Lektüre dieses Buches sollte jedem Leser/in klar sein, dass es sich bei den USA um ein Land handelt, das die meisten Kriege gegen andere Völker geführt, grundlos andere Länder überfallen und zahlreiche Staatsstreiche organisiert hat sowie unschuldige Bürger in anderen Ländern durch unbemannte Drohnen, gesteuert aus einem wohligen Büro in den USA, per Joystick killt. Bei dieser Aufzählung handelt es sich nur um eine winzige Auswahl der Verbrechen, die von den USA weltweit begangen werden. Von den weltumspannenden Abhör- und Ausspähaktionen gar nicht zu reden.

Eine Besonderheit dieser „auserwählten Nation“ besteht darin, dass jeden Dienstag im Weißen Haus die so genannte „Pizza-Connection“ unter Leitung von Präsident Barack Hussein Obama zusammensitzt und berät, wer auf Obamas „Tötungsliste“ kommt und wer als nächster ohne Prozess hingerichtet wird. (In Parenthese seien die Leser daran erinnert, dass jeder US-Amerikaner die Polit-Phrase von der „rule of law“ mit der Muttermilch aufsaugt.) Obamas berühmt-berüchtigte “hit list“ stellt im Washingtoner Politikbetrieb so etwas Ähnliches dar wie die „Liste“ der Oskar-Preis-Träger, mit der besonderen Spezialität, dass den „Auserwählten“ als Trophäe nicht der „Oskar“ sondern der Tod droht. 

Diese Tötungsart ist die klinisch „saubere“ US-Version der „Banalität des Bösen“. Die für die Tötung Auserwählten werden nicht als Menschen, sondern dehumanisiert als so genannte „High Value Targets“ bezeichnet, wie zum Beispiel der US-Amerikaner Anwar al-Awlaki und dessen 16-jähriger Sohn, die im Jemen durch eine Drohne auf „klinisch saubere“ Art hingerichtet worden sind. Die in die Tausende gehenden unschuldigen Opfer, die zufällig zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren, werden auf zynische Weise als „Kollateralschäden“ bezeichnet. Dies und vieles mehr erfährt man in Scahills Buch „Schmutzige Kriege“.

Der Autor schreibt als Korrespondent über Sicherheitspolitik für das Magazine „The Nation“. Sein Bestseller über die Söldneragentur „Blackwater“, der sich mit der berühmt-berüchtigten privaten Sicherheitsarmee befasst, wurde mit dem „George Polk“-Buchpreis ausgezeichnet. Seine ersten journalistischen Sporen verdiente sich Scahill bei Amy Goodman, die die Sendung „Democracy Now“ leitet. Scahill hat als Kriegsberichterstatter über die Nato-Aggression gegen Jugoslawien, Irak und Nigeria berichtet.

Der Autor ist kein Obama-Fan. Seit Jimmy Carter und Ronald Reagan habe es keinen US-Präsidenten mehr gegeben, der nicht auf der CIA-Gehaltsliste gestanden hätte. Als Obama 2008 in Berlin vor der Siegessäule seine Schau aufführte, gleich seiner Yes-We-Can-Kampagne in den USA, und über 200.000 Deutsche wie aus dem Häuschen waren, als ob sie den „Messias“ in Black persönlich gesehen hätten, wurde dieser Auftritt von den Republikanern als „Lady-Gaga-Auftritt“ lächerlich gemacht. 

Obamas bisherige Bilanz als US-Präsident ist mehr als enttäuschend, da er den von der Bush-Regierung initiierten konstitutionellen „Staatsstreich“ weiter vervollkommnet habe. Obama sei „Staatsanwalt, Richter und Henker“ in einer Person. Scahill bezeichnet das Bush-Regime als „Murder Incorporated“. Der „Patriot Act“ sei die amerikanische Version des „Ermächtigungsgesetzes“, so Scahill. Anstatt Bush und dessen Hintermänner wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor ein US-Gericht zu stellen, verkündete Obama, der „Friedensnobelpreisträger“ und „Professor für Verfassungsrecht“: „We have to look ahead not back“! 

Dass die Kriege gegen Afghanistan, Irak, Libyen oder vielleicht auch noch gegen Syrien und Iran bereits lange vor den Anschlägen vom 11. September 2001 geplant worden waren, ist nicht erst seit Scahills Buch bekannt. Keinem geringeren als dem ehemaligen Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Wesley Clark, wurden die Angriffe bei einem Besuch im Pentagon wenige Tage nach 9/11 angekündigt.

Die USA haben sich für ihre weltweiten Aggressionen und Menschrechtsverletzungen ihre eigenen Regeln geschaffen, für den Rest der Welt gelten dagegen andere Gesetze. Nach Scahill haben sich Bush, Cheney und Rumsfeld darauf verständigt, das die USA keine Gesetze einhalten bräuchten, die auch von Al-Kaida nicht akzeptiert würden. Eine überaus merkwürdige Rechtsauffassung. Folglich ist die Einrichtung des Foltercamps auf Guantanamo, Bakram oder von so genannten „Black Holes“ in einigen europäischen Ländern nur konsequent. In letztere wurden Menschen durch die CIA verfrachtet, um sie foltern zu lassen. Man stelle sich vor, so Scahill, Russland oder China hätten sich diesen „Luxus“ geleistet, die US-Regierung wäre „Amok gelaufen“. 

Bush, Cheney und Rumsfeld haben zwar diesen „Sicherheitsstaat“ samt seiner „nationalen Sicherheitsbürokratie“ aufgebaut, aber die Obama-Administration habe diesen nicht nur weiter vervollkommnet, sondern dieser Krake den Schein von „Legitimität“ gegeben, so der Autor. In über 100 Ländern seien US-Spezialkommandos im Einsatz. Die CIA sei zu einer paramilitärischen Organisation geworden. Nach 9/11 sei es zu einem „Coup“ gekommen, indem die Bush-Krieger diese Tragödie für ihre expansionistischen Ziele missbraucht habe. Der Autor macht deutlich, dass dieser „Sicherheitsstaat“ weiter wuchert, unabhängig wer das Amt des Präsidenten gerade inne habe. 

Der Autor betont die große Bedeutung, welche Informanten wie Chelsea „Bradley“ Manning, Edward Snowden oder Thomas Drake gespielt haben. Ohne die Enthüllungen von Wikileaks hätte Scahill seine Passagen über Somalia und die Warlords nicht schreiben können. Der Autor verweist auf die zwielichtige Rolle, die die US-Medien in ihrer einseitigen und gefärbten Berichterstattung spielten. So habe es keine Berichte über den Prozess gegen Chelsea Manning gegeben, wohingegen über 50 TV-Teams über den Prozess gegen Jodie Arias täglich berichtet hätten.

Das Buch enthüllt schonungslos die unzähligen Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die das US-Imperium infolge der Anschläge von 9/11 begangen hat und weiter begeht. Gegenüber Barack Obama erscheint George W. Bush aber wie ein Waisenknabe. Ein sehr beeindruckendes Buch.