Der mit so viel Hoffnung begonnene „Arabische Frühling“ ist längst einem „Sibirischen Winter“ gewichen, wie der Putsch in Ägypten zeigt. Die zahlreichen publizistischen Schnellschüsse sind bereits Makulatur. Dieser Sammelband hebt sich jedoch davon positiv ab.
In diesem Band sind zahlreiche profilierte Islamwissenschaftler/innen versammelt, deren Analysen über den Tag hinaus Bestand haben. Sie erklären die Entstehung, Verlauf und Perspektiven dieser Erhebung der Menschen in einigen Ländern der arabischen Welt. Neben Tunesien und Ägypten werden auch die Aufstände in Syrien, Jemen, Libyen, dem Maghreb und Bahrain analysiert. Alle Beiträge zeichnen sich durch eine sachlichen und unaufgeregten Stil aus, was beim Thema „Islam“ im Westen nicht vorausgesetzt werden kann, weil Islam-Bashing quasi zu einem „Volkssport“ bestimmter politischer Kreise geworden ist.
Neben grundsätzlichen Artikeln, die von Reinhard Schulze, Oliver Schlumberger u. a., Stephan Rosiny, Volker Perthes und Annette Jünemann verfasst worden sind, befasst sich ein Kapitel des Buches mit der Rolle der Sozialen Medien im „Arabischen Frühling“, der Jugend, der Geschlechterpolitik, der Situation der Christen in Syrien sowie der politischen Partizipation von Islamisten in Ägypten unter der Herrschaft von Hosni Mubarak. Einzelne Länderstudien werden im dritten Kapitel vorgestellt.
Der „Arabische Frühling wurde durch die Selbstverbrennung eines tunesischen Straßenhändlers ausgelöst. Der daraufhin ausbrechende Volkszorn fegte nicht nur die „Lieblinge“ des Westens in Tunesien und Ägypten hinweg, sondern führte auch – unter Täuschung Russlands und Chinas - zur militärischen Intervention des Westens gegen den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi. In Syrien wurde vom Westen und den arabischen Despotien, insbesondere Saudi-Arabien und Katar, aber auch der Türkei, und fremden Söldnertruppen, ein Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad initiiert, um das letzte säkulare Regime in der arabischen Welt zu stürzen.
Ein „Arabischer Frühling“ ist jedoch auf der arabischen Halbinsel, insbesondere in Saudi-Arabien und Katar dringender von Nöten als anderswo, weil dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und beide Länder in die Förderung und Finanzierung terroristischer Gruppen verstrickt sind, wie das Beispiel Syrien zeigt. Dazu schweigen sich die Autoren/innen jedoch aus.