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Eric Chauvistré, freier Journalist in Berlin, hält der politischen Elite den Spiegel vor, in dem die Widersprüchlichkeiten, Unehrlichkeiten und Illusionen des militärpolitischen Engagements sich wie in einem Prisma bündeln. Selbst die edelsten Motive taugen nichts, wenn die angepeilten Ziele nicht erreicht werden, so der Autor. Das Weißbuch zählt einige Katastrophenszenarien wie z. B. den Klimawandel auf. Darüber hinaus will Deutschland Afghanistan die Demokratie bringen, den Frauen das Ende der Unterdrückung und allen Menschen Zugang zu Bildung ebnen; auch freie Wahlen sollten organisiert werden. Für all dies braucht man aber nicht die Bundeswehr.
Der Autor verlangt Offenheit und Ehrlichkeit der Politik gegenüber den Bürgern, wohin die Reise gehen soll. Er verweist zu Recht auf den Misserfolg militärischen Eingreifens auf dem Balkan. Dieser Krieg wurde mit dem Argument der Abwendung einer „humanitären Katastrophe“ begründet. Dieses „Argument“ war aber schon immer zweischneidig. Durch die militärischen Interventionen seitens der USA und der NATO wurde aber erst „eine humanitäre Katastrophe geschaffen, die ansonsten zur Begründung militärischer Einsätze angeführt wird“.
Es gibt keine Bundestagsdebatte über Afghanistan, die sich nicht im emotionalen Überschwang über die „Erfolge“ ergeht. Das Pentagon, die US-Geheimdienste, der UN-Generalsekretär und das Internationale Rote Kreuz jedenfalls „teilen die unbedarfte Haltung der deutschen Befürworter des Afghanistan-Einsatzes“ nicht. Bisher sind 32 deutsche „Aufbauhelfer“ (Soldaten) gefallen. Die Bundeswehr habe sich in ihren hermetisch abgeriegelten Feldlagern verbarrikadiert. Der Eigenschutz der Soldaten sei zum obersten Ziel geworden. Die Mission werde zum Selbstzweck. Den Soldaten und ihren Kommandeuren sei daraus kein Vorwurf zu machen. Sie müssten darauf bedacht sein, die viermonatige Abkommandierung möglichst ohne menschliche Verluste zu überstehen, so der Autor.
Chauvistré fordert eine offene und ehrliche Debatte, weil sonst das Engagement der Bundeswehr auch in Afghanistan scheitern werde. Die deutsche Militärpolitik leide an ihren „überschätzten Möglichkeiten“. Diese realistisch einschätzen zu können, heißt, Abschied nehmen vom Gutkriegertum und moralischer Überhöhung der eigenen Ansprüche.
Das Buch ist glänzend geschrieben. Chauvistré diskutiert ein sehr ernstes politisches Thema, bei dem man aber auch manchmal schmunzeln muss, ob des mangelnden Realitätssinnes der politisch Verantwortlichen. Ein Muss für den politisch Interessierten und hoffentlich ein Anstoß zu mehr Wahrhaftigkeit in einer todernsten Angelegenheit. Die politische Frage müsste eigentlich lauten: Wie kommt die Bundeswehr schnellstmöglich und ohne Prestige- und Gesichtsverlust aus dem afghanischen Morast heraus, weil es am Hindukusch nichts zu gewinnen gibt?