Die These, dass die Lösung des Nahostkonflikts alle andere Probleme des Westens in der arabischen Welt lösen würde, ist ein Ammenmärchen; es würde zwar einiges einfacher machen, aber an dem fundamentalen Glaubwürdigkeitsproblem des Westens und der Perpetuierung arabischer Despotien würde es nur wenig ändern. Denn der Nahostkonflikt dient beiden, dem imperialen Westen und den arabischen Despotien und Autokratien, als Feigenblatt. Beide bürdeten Israel für alle ihre Probleme die Alleinverantwortung auf; der Westen zwar nur rhetorisch, de facto und realpolitisch aber nicht, die arabische Welt dafür umso mehr, um von ihren Unfähigkeiten gegenüber ihren eigenen Bevölkerungen abzulenken. Der Nahostkonflikt diente letzterer dazu, um ein Herrschaftssystem zu etablieren und zu erhalten, dass mit Kleptokratie noch vornehm umschrieben werden kann.
Dass die arabische Welt mehr als reformbedürftig ist, ist seit der Veröffentlichung des „Arab Human Development Reports“ im Auftrag des „United Nations Development Programme“ (UNDP) für die Öffentlichkeit mehr als evident. Die vier Berichte machen deutlich, dass die arabische Welt im internationalen Vergleich weit abgeschlagen unter ferner liefen rangieren. Bezeichnenderweise versuchte die US-Regierung - zusammen mit ihren ägyptischen Marionetten - die Ergebnisse der Untersuchung zu verändern. Der Leiter des Projektes, der Ägypter Nader Fergany, äußerte sich dazu wie folgt: „At the forefront is the US government, actively supported and helped by the Egyptian government. It seems that the Egyptian government, while it has its own concerns, is doing the bidding of the US government.”
Dass eine demokratische Reform der arabischen Regime mehr als überfällig ist, kann niemand leugnen; sie sollte aber von innen erfolgen und ohne militärische Intervention von außen. Man sollte aber nicht so weit gehen wie der gelehrige ägyptische Muslim Hamas Abdel-Samed, der in seiner Streitschrift den Untergang der islamischen Welt prognostiziert. Er sollte wissen, dass nicht Kulturen, sondern Imperien untergehen. Die US-amerikanischen islamophoben Krakeeler und ihre deutschen Kopien sind eigentlich keines seriösen Argumentes wert, gleichwohl richten sie im Ressentiment geladenen gesellschaftlichen Unterholz verheerenden Schaden an. Nicht nur mutierten die Muslime Europas zu den „neuen Juden“, wie es ein renommierter Antisemitismus-Forscher formuliert hat, sondern „braun“ wurde zum neuen „schwarz“, so die zentrale These des Buches von Hamid Dabashi „Brown Skin, White Masks“. Für den Autor erfüllen so genannte „native informers“ eine wichtige Funktion in der Verbreitung von Vorurteilen. Folglich werden sie von ihren westlichen Meistern nicht nur hofiert und fürstlich entlohnt, sondern sie erzählen ihren Hörern und Lesern auch auf „authentische“ Art und Weise, was sie hören sollen. Wenn „die“ es sagen, muss es wohl stimmen, so das vorherrschende Vorurteil der Mehrheitsgesellschaft.
Mit der Forderung des Westens nach demokratischen Reformen in der arabischen Welt beginnen aber auch die Dilemmata der westlichen Welt. Zu lange hat sich der Westen arabischer Autokraten bedient und sich um Menschenrechte nicht gekümmert, als dass er als ein glaubwürdiger Befürworter demokratischer Reformen auftreten könnte. Wurde der Westen noch von der Protestwelle in Tunesien und Ägypten kalt erwischt, zeigt er durch seine militärisch-aggressive Parteinahme für obskure Aufständische in Libyen sein wahres imperiales Gesicht. Was dem Westen in Tunesien und Ägypten passiert ist, sollte sich in Libyen nicht wiederholen. Der Sinn und Zweck der Vereinten Nationen wurde auf den Kopf gestellt und im westlichen neokolonialen Interesse instrumentalisiert. Dabei hat sich besonders Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy, den man den „Zwerg von Paris“ nennt, hervorgetan. Hat er nicht selbst 2008 vor Muammar al-Gaddafi in Libyen gekatzbuckelt, damit der „Diktator“, wie man den libyschen Staatschef seit dem Überfall des Westens auf das Land jetzt in den Medien nennen darf, ihm Rüstungsgüter in Milliardenhöhe abkaufen sollte? Nein der Anbiederung nicht genug, ließen sich auch einige seiner Minister von den „Diktatoren“ in Tunesien und Ägypten zu einem luxuriösen Erholungsurlaub einladen. Was damals „König“ Bokassa für Jacques Chirac war, waren die „Präsidenten“ Ben Ali und Mubarak für die französischen Minister unter Präsident Sarkozy.
Sarkozy war es auch, der auf Empfehlung eines der kriegslüsternsten französischen Feuilleton-Philosophen zu diesem Überfall und zur „Anerkennung“ einiger Obskuranten dieses Aufstandes als „Repräsentanten Libyens“ hinreißen ließ; die „Grande Nation“ auf der gleichen Stufe mit Geheimdienst-gesteuerten „Aufständischen“! Der Aufstand von Rebellen in Libyen ist ein von der „Dreieinigkeit“ der Geheimdienste gesteuertes und finanziertes Unternehmen. Wer den französischen Feuilleton-Philosophen in der CNN-Sendung „Global Public Square“ vom 3. April erleben durfte, konnte einen Ideologen in Aktion sehen, dessen politischen Rat man meiden sollte. Der imperialen Drohkulisse des „Zwerges von Paris“ noch nicht genug, drohte Sarkozy auf dem EU-Gipfel allen arabischen Herrschern, die es wagen sollten, gegen ihre Bevölkerungen vorzugehen mit einer Intervention à la Libyen. Es sei das Modell für zukünftige Kriege, so Sarkozy. Warum ist dann Frankreich noch nicht in Bahrein, Saudi-Arabien oder Jordanien eingefallen, da dort einige westliche Lieblingstyrannen gegen ihre eigenen Bevölkerungen mit massiver Waffengewalt vorgehen? Dass der seit 20 Jahren angeblich der CIA nahestehende Exil-Libyer Khalifa Hifter justament jetzt in sein Heimatland zurückkehrt, um die „Rebellenarmee“ zu befehligen, scheint kein Zufall zu sein.
Nicht ohne Grund fragen Kritiker des westlichen Neokolonialismus, wenn es dem Westen um die Menschenrechte gehen würde, warum dann Sarkozy und das US-Imperium noch keine „no-fly zone“ über Israel gefordert haben, da das Land in regelmäßigen Abständen nicht nur seine Nachbarn angreift, wie zuletzt den Libanon 2006 (1 600 tote Libanesen waren zu beklagen) oder wie bei der Zerstörung eines angeblichen Nuklearreaktors in Syrien geschehen, sondern auch als 44-jährige „jüdische und demokratische“ Besatzungsmacht die palästinensische Bevölkerung massiv unterdrückt und 2008/09 im Gaza-Streifen ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt hat, bei dem zirka 1 400 Menschen - mehrheitlich Zivilisten - ums Leben kamen? Stephen Lendman forderte in einem Beitrag, eher Israel in seine Schranken zu weisen als Libyen.
Es ist der Nahostkonflikt, an dem sich das westliche Glaubwürdigkeitsproblem und seine doppelten Standards am offensichtlichsten zeigen. Solange dieser ungelöst bleibt, stellt er die politische „Achillesferse“ westlicher Politik in punkto Glaubwürdigkeit dar. Der doppelte Standard des Westens kommt neben den USA am sichtbarsten durch die Politik der Europäischen Union gegenüber Israel zum Ausdruck. Obgleich das Land kein offizielles Mitglied der EU ist, wird es de facto wie ein solches behandelt. Dazu sagte der damalige EU-Außenpolitikbeauftragte Javier Solana 2009 in Jerusalem: „There is no country outside the European continent that has this type of relationship that Israel has with the European Union. Israel, allow me to say, is a member of the European Union without being a member of the institutions. It´s a member of all the (EU´s) programmes, it participates in all the programmes.” Solana erwähnte nicht, dass diese Beziehung auf Kosten der Menschenrechte und der Glaubwürdigkeit westlicher Demokratien geht. Die EU trägt rhetorisch die Menschrechte zwar wie eine Monstranz vor sich her, schaut aber permanent weg, wenn diese durch Israel auf das Eklatanteste verletzt werden.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die westliche Kriegsallianz (NATO) unter Führung der USA Libyen besetzen wird, um angeblich einen „Genozid“ zu verhindern. Wenn sich die US-amerikanisch geführte NATO in Libyen festsetzt, und dies ist das geostrategische Ziel der Allianz, kann es die politische Entwicklung in Tunesien und Ägypten beeinflussen, wenn nicht sogar steuern. Keiner der westlichen Journalisten in den Mainstream Medien hat jemals die Frage gestellt, warum gerade Libyen als Kriegsziel unter dem Deckmäntelchen einer „humanitären Intervention“ ausgesucht worden ist. Eine überzeugende Antwort gibt Paul Craig Roberts, ehemaliger Redakteur des „Wall Street Journals“ und Assistant Secretary of the U.S. Treasury in einem Beitrag der Website „Counterpunch“: Libyen gehörte nicht dem 2007 gegründeten „US Africa Command“ (AFRICOM) an. Außer den 49 Mitgliedsstaaten gehören diesem US-imperialen Kontrollinstrument für Afrika folgende Staaten auch nicht an: Sudan, Eritrea, Zimbabwe und die Elfenbeinküste. Außer in Zimbabwe gibt es überall eine kriegerische Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten dieser Länder. Unter dem Deckmantel einer so genannten Humanitären Intervention soll jetzt auch Afrika für einen neuen US-geführten NATO-Imperialismus sturmreif geschossen werden. China oder Russland hätten dies, wenn nicht verhindern können, so jedoch keine „Rechtfertigung“ dieser offensichtlichen Aggression durch ihre Enthaltung, die eigentlich ein verkapptes „Ja“ war, liefern sollen. Im Vergleich dazu war Deutschlands Enthaltung mutig, weil sich das Land - wenn auch halbherzig - gegen die NATO-Aggression gestellt hatte.
Bemerkenswert an der Haltung der westlichen Medien ist, dass sie Obamas Kriegseintritt so wohlwollend mit ihren Kommentaren begleitet haben; soviel Kriegsbegeisterung hätte man von einer so genannten kritischen Öffentlichkeit eigentlich nicht erwartet. Aber dieser Krieg gegen ein Land der „Dritten Welt“, dessen Repräsentanten man zuvor als „Exzentriker“, um die angenehmste Umschreibung für Gaddafi zu gebrauchen, dehumanisiert hatte, gehört zur neuen Rollback-Strategie eines westlichen Neokolonialismus, der im Angesicht knapper werdender Öl-Ressourcen und einer ungewissen Zukunft der Kernenergie immer aggressiver jedes ölproduzierende Land unter seine Kontrolle bringen will. Die Äußerungen der so genannten libyschen Rebellen lassen erkennen, dass sie zum Ausverkauf der nationalen Ressourcen Libyens an die internationalen Konzerne bereit sind.
Seitdem das US-Imperium von einem nicht-weißen Präsidenten repräsentiert wird, scheinen auch alle seine Kriege über Nacht „Koscher“ geworden zu sein. Keine kritischen Fragen mehr zu Irak, Afghanistan oder den jüngsten Überfall des Westens auf Libyen. „Being a so-called liberal and non-white seems to make the difference”! Die Neokonservativen und die liberalen Interventionisten/Innen marschieren Hand in Hand gegen unfolgsame Dritte-Welt-Politiker. „Blacks Skin, White Masks“ scheint für die USA immer noch das dominante Verhaltensmuster zu sein, obgleich es in Europa bereits von „Brown Skin, White Masks“ abgelöst worden ist, wenn man sich die Rolle der „willigen Helfershelfer“ als „authentische“ Stimmen anschaut, die der westlichen Aggression ein weitere Legitimität verleihen. Obama scheint keinerlei Skrupel zu kennen und schloss sich begeistert dem feministischen Kriegs-Triumvirat an und erklärte, dass Gaddafi gehen müsse. Der Luftkrieg des Westens entspricht einer „obszönen“ Zurschaustellung westlicher militärischer Macht und Überlegenheit und soll die letzten renitenten und unabhängigen Regierungschefs in der arabischen Welt, Afrikas und Asiens auf Linie bringen. „Air war is the latest version of Gunboat diplomacy“, wie es der ehemalige indische Botschafter K Gajendra Singh nennt.
Die Parteinahme des Westens für so genannte Aufständische in Libyen hat die seit dem Westfälischen Frieden (1648) geltenden Prinzipien des Völkerrechts außer Kraft gesetzt. Die Souveränität eines Staates über die Handhabung seiner internen Angelegenheiten und alle anderen Regeln des Völkerrechts sind perdu. Der Stärkere, in diesem und anderen Fällen der Westen, diktiert die neuen „Völkerrechtsregeln“, die eher den Gesetzen des Dschungels gleichen als denen, die bisher den zivilen Umgang der Staaten untereinander geregelt haben. Sollte die westliche Kriegskoalition erfolgreich sein, könnte der Regierung in Damaskus ein Umsturz ins Haus stehen bevor dann die Kriegskarawane weiter nach Iran zieht. Bereits seit der Veröffentlichung von „Clean Break“ im Jahre 1996 steht „regime change“ auf der Agenda der Neokonservativen in den USA, die ihre Wiedergänger in den humanitären Interventionisten/Innen haben. Der Expansionsdrang der NATO nach Osten und seine diversen Kriege unter Führung des US-Imperiums stellen die größte Gefahr für den Weltfrieden dar, wie in Afghanistan oder Libyen zu beobachten ist. Das Militärbündnis sollte nicht erweitert, sondern aufgelöst werden.
Dass die arabische Welt mehr als reformbedürftig ist, ist seit der Veröffentlichung des „Arab Human Development Reports“ im Auftrag des „United Nations Development Programme“ (UNDP) für die Öffentlichkeit mehr als evident. Die vier Berichte machen deutlich, dass die arabische Welt im internationalen Vergleich weit abgeschlagen unter ferner liefen rangieren. Bezeichnenderweise versuchte die US-Regierung - zusammen mit ihren ägyptischen Marionetten - die Ergebnisse der Untersuchung zu verändern. Der Leiter des Projektes, der Ägypter Nader Fergany, äußerte sich dazu wie folgt: „At the forefront is the US government, actively supported and helped by the Egyptian government. It seems that the Egyptian government, while it has its own concerns, is doing the bidding of the US government.”
Dass eine demokratische Reform der arabischen Regime mehr als überfällig ist, kann niemand leugnen; sie sollte aber von innen erfolgen und ohne militärische Intervention von außen. Man sollte aber nicht so weit gehen wie der gelehrige ägyptische Muslim Hamas Abdel-Samed, der in seiner Streitschrift den Untergang der islamischen Welt prognostiziert. Er sollte wissen, dass nicht Kulturen, sondern Imperien untergehen. Die US-amerikanischen islamophoben Krakeeler und ihre deutschen Kopien sind eigentlich keines seriösen Argumentes wert, gleichwohl richten sie im Ressentiment geladenen gesellschaftlichen Unterholz verheerenden Schaden an. Nicht nur mutierten die Muslime Europas zu den „neuen Juden“, wie es ein renommierter Antisemitismus-Forscher formuliert hat, sondern „braun“ wurde zum neuen „schwarz“, so die zentrale These des Buches von Hamid Dabashi „Brown Skin, White Masks“. Für den Autor erfüllen so genannte „native informers“ eine wichtige Funktion in der Verbreitung von Vorurteilen. Folglich werden sie von ihren westlichen Meistern nicht nur hofiert und fürstlich entlohnt, sondern sie erzählen ihren Hörern und Lesern auch auf „authentische“ Art und Weise, was sie hören sollen. Wenn „die“ es sagen, muss es wohl stimmen, so das vorherrschende Vorurteil der Mehrheitsgesellschaft.
Mit der Forderung des Westens nach demokratischen Reformen in der arabischen Welt beginnen aber auch die Dilemmata der westlichen Welt. Zu lange hat sich der Westen arabischer Autokraten bedient und sich um Menschenrechte nicht gekümmert, als dass er als ein glaubwürdiger Befürworter demokratischer Reformen auftreten könnte. Wurde der Westen noch von der Protestwelle in Tunesien und Ägypten kalt erwischt, zeigt er durch seine militärisch-aggressive Parteinahme für obskure Aufständische in Libyen sein wahres imperiales Gesicht. Was dem Westen in Tunesien und Ägypten passiert ist, sollte sich in Libyen nicht wiederholen. Der Sinn und Zweck der Vereinten Nationen wurde auf den Kopf gestellt und im westlichen neokolonialen Interesse instrumentalisiert. Dabei hat sich besonders Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy, den man den „Zwerg von Paris“ nennt, hervorgetan. Hat er nicht selbst 2008 vor Muammar al-Gaddafi in Libyen gekatzbuckelt, damit der „Diktator“, wie man den libyschen Staatschef seit dem Überfall des Westens auf das Land jetzt in den Medien nennen darf, ihm Rüstungsgüter in Milliardenhöhe abkaufen sollte? Nein der Anbiederung nicht genug, ließen sich auch einige seiner Minister von den „Diktatoren“ in Tunesien und Ägypten zu einem luxuriösen Erholungsurlaub einladen. Was damals „König“ Bokassa für Jacques Chirac war, waren die „Präsidenten“ Ben Ali und Mubarak für die französischen Minister unter Präsident Sarkozy.
Sarkozy war es auch, der auf Empfehlung eines der kriegslüsternsten französischen Feuilleton-Philosophen zu diesem Überfall und zur „Anerkennung“ einiger Obskuranten dieses Aufstandes als „Repräsentanten Libyens“ hinreißen ließ; die „Grande Nation“ auf der gleichen Stufe mit Geheimdienst-gesteuerten „Aufständischen“! Der Aufstand von Rebellen in Libyen ist ein von der „Dreieinigkeit“ der Geheimdienste gesteuertes und finanziertes Unternehmen. Wer den französischen Feuilleton-Philosophen in der CNN-Sendung „Global Public Square“ vom 3. April erleben durfte, konnte einen Ideologen in Aktion sehen, dessen politischen Rat man meiden sollte. Der imperialen Drohkulisse des „Zwerges von Paris“ noch nicht genug, drohte Sarkozy auf dem EU-Gipfel allen arabischen Herrschern, die es wagen sollten, gegen ihre Bevölkerungen vorzugehen mit einer Intervention à la Libyen. Es sei das Modell für zukünftige Kriege, so Sarkozy. Warum ist dann Frankreich noch nicht in Bahrein, Saudi-Arabien oder Jordanien eingefallen, da dort einige westliche Lieblingstyrannen gegen ihre eigenen Bevölkerungen mit massiver Waffengewalt vorgehen? Dass der seit 20 Jahren angeblich der CIA nahestehende Exil-Libyer Khalifa Hifter justament jetzt in sein Heimatland zurückkehrt, um die „Rebellenarmee“ zu befehligen, scheint kein Zufall zu sein.
Nicht ohne Grund fragen Kritiker des westlichen Neokolonialismus, wenn es dem Westen um die Menschenrechte gehen würde, warum dann Sarkozy und das US-Imperium noch keine „no-fly zone“ über Israel gefordert haben, da das Land in regelmäßigen Abständen nicht nur seine Nachbarn angreift, wie zuletzt den Libanon 2006 (1 600 tote Libanesen waren zu beklagen) oder wie bei der Zerstörung eines angeblichen Nuklearreaktors in Syrien geschehen, sondern auch als 44-jährige „jüdische und demokratische“ Besatzungsmacht die palästinensische Bevölkerung massiv unterdrückt und 2008/09 im Gaza-Streifen ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt hat, bei dem zirka 1 400 Menschen - mehrheitlich Zivilisten - ums Leben kamen? Stephen Lendman forderte in einem Beitrag, eher Israel in seine Schranken zu weisen als Libyen.
Es ist der Nahostkonflikt, an dem sich das westliche Glaubwürdigkeitsproblem und seine doppelten Standards am offensichtlichsten zeigen. Solange dieser ungelöst bleibt, stellt er die politische „Achillesferse“ westlicher Politik in punkto Glaubwürdigkeit dar. Der doppelte Standard des Westens kommt neben den USA am sichtbarsten durch die Politik der Europäischen Union gegenüber Israel zum Ausdruck. Obgleich das Land kein offizielles Mitglied der EU ist, wird es de facto wie ein solches behandelt. Dazu sagte der damalige EU-Außenpolitikbeauftragte Javier Solana 2009 in Jerusalem: „There is no country outside the European continent that has this type of relationship that Israel has with the European Union. Israel, allow me to say, is a member of the European Union without being a member of the institutions. It´s a member of all the (EU´s) programmes, it participates in all the programmes.” Solana erwähnte nicht, dass diese Beziehung auf Kosten der Menschenrechte und der Glaubwürdigkeit westlicher Demokratien geht. Die EU trägt rhetorisch die Menschrechte zwar wie eine Monstranz vor sich her, schaut aber permanent weg, wenn diese durch Israel auf das Eklatanteste verletzt werden.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die westliche Kriegsallianz (NATO) unter Führung der USA Libyen besetzen wird, um angeblich einen „Genozid“ zu verhindern. Wenn sich die US-amerikanisch geführte NATO in Libyen festsetzt, und dies ist das geostrategische Ziel der Allianz, kann es die politische Entwicklung in Tunesien und Ägypten beeinflussen, wenn nicht sogar steuern. Keiner der westlichen Journalisten in den Mainstream Medien hat jemals die Frage gestellt, warum gerade Libyen als Kriegsziel unter dem Deckmäntelchen einer „humanitären Intervention“ ausgesucht worden ist. Eine überzeugende Antwort gibt Paul Craig Roberts, ehemaliger Redakteur des „Wall Street Journals“ und Assistant Secretary of the U.S. Treasury in einem Beitrag der Website „Counterpunch“: Libyen gehörte nicht dem 2007 gegründeten „US Africa Command“ (AFRICOM) an. Außer den 49 Mitgliedsstaaten gehören diesem US-imperialen Kontrollinstrument für Afrika folgende Staaten auch nicht an: Sudan, Eritrea, Zimbabwe und die Elfenbeinküste. Außer in Zimbabwe gibt es überall eine kriegerische Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten dieser Länder. Unter dem Deckmantel einer so genannten Humanitären Intervention soll jetzt auch Afrika für einen neuen US-geführten NATO-Imperialismus sturmreif geschossen werden. China oder Russland hätten dies, wenn nicht verhindern können, so jedoch keine „Rechtfertigung“ dieser offensichtlichen Aggression durch ihre Enthaltung, die eigentlich ein verkapptes „Ja“ war, liefern sollen. Im Vergleich dazu war Deutschlands Enthaltung mutig, weil sich das Land - wenn auch halbherzig - gegen die NATO-Aggression gestellt hatte.
Bemerkenswert an der Haltung der westlichen Medien ist, dass sie Obamas Kriegseintritt so wohlwollend mit ihren Kommentaren begleitet haben; soviel Kriegsbegeisterung hätte man von einer so genannten kritischen Öffentlichkeit eigentlich nicht erwartet. Aber dieser Krieg gegen ein Land der „Dritten Welt“, dessen Repräsentanten man zuvor als „Exzentriker“, um die angenehmste Umschreibung für Gaddafi zu gebrauchen, dehumanisiert hatte, gehört zur neuen Rollback-Strategie eines westlichen Neokolonialismus, der im Angesicht knapper werdender Öl-Ressourcen und einer ungewissen Zukunft der Kernenergie immer aggressiver jedes ölproduzierende Land unter seine Kontrolle bringen will. Die Äußerungen der so genannten libyschen Rebellen lassen erkennen, dass sie zum Ausverkauf der nationalen Ressourcen Libyens an die internationalen Konzerne bereit sind.
Seitdem das US-Imperium von einem nicht-weißen Präsidenten repräsentiert wird, scheinen auch alle seine Kriege über Nacht „Koscher“ geworden zu sein. Keine kritischen Fragen mehr zu Irak, Afghanistan oder den jüngsten Überfall des Westens auf Libyen. „Being a so-called liberal and non-white seems to make the difference”! Die Neokonservativen und die liberalen Interventionisten/Innen marschieren Hand in Hand gegen unfolgsame Dritte-Welt-Politiker. „Blacks Skin, White Masks“ scheint für die USA immer noch das dominante Verhaltensmuster zu sein, obgleich es in Europa bereits von „Brown Skin, White Masks“ abgelöst worden ist, wenn man sich die Rolle der „willigen Helfershelfer“ als „authentische“ Stimmen anschaut, die der westlichen Aggression ein weitere Legitimität verleihen. Obama scheint keinerlei Skrupel zu kennen und schloss sich begeistert dem feministischen Kriegs-Triumvirat an und erklärte, dass Gaddafi gehen müsse. Der Luftkrieg des Westens entspricht einer „obszönen“ Zurschaustellung westlicher militärischer Macht und Überlegenheit und soll die letzten renitenten und unabhängigen Regierungschefs in der arabischen Welt, Afrikas und Asiens auf Linie bringen. „Air war is the latest version of Gunboat diplomacy“, wie es der ehemalige indische Botschafter K Gajendra Singh nennt.
Die Parteinahme des Westens für so genannte Aufständische in Libyen hat die seit dem Westfälischen Frieden (1648) geltenden Prinzipien des Völkerrechts außer Kraft gesetzt. Die Souveränität eines Staates über die Handhabung seiner internen Angelegenheiten und alle anderen Regeln des Völkerrechts sind perdu. Der Stärkere, in diesem und anderen Fällen der Westen, diktiert die neuen „Völkerrechtsregeln“, die eher den Gesetzen des Dschungels gleichen als denen, die bisher den zivilen Umgang der Staaten untereinander geregelt haben. Sollte die westliche Kriegskoalition erfolgreich sein, könnte der Regierung in Damaskus ein Umsturz ins Haus stehen bevor dann die Kriegskarawane weiter nach Iran zieht. Bereits seit der Veröffentlichung von „Clean Break“ im Jahre 1996 steht „regime change“ auf der Agenda der Neokonservativen in den USA, die ihre Wiedergänger in den humanitären Interventionisten/Innen haben. Der Expansionsdrang der NATO nach Osten und seine diversen Kriege unter Führung des US-Imperiums stellen die größte Gefahr für den Weltfrieden dar, wie in Afghanistan oder Libyen zu beobachten ist. Das Militärbündnis sollte nicht erweitert, sondern aufgelöst werden.