Dienstag, 29. November 2011

Der Taliban-Komplex

Als von zehn Jahres auf dem Bonner Petersberg die erste Afghanistan-Konferenz stattfand, waren die Veranstalter mit ihren handverlesenen afghanischen „Partnern“ noch voller Euphorie, was die demokratische Zukunft des Landes betraf. Nachdem die USA die Regierung der Taliban und ihrem „Islamischen Emirat Afghanistan“ nach einigen Wochen Dauerbombardement samt Al-Qaida-Terroristen ein Ende bereitet hatten, schickte sich der Westen an, ein neues Protektorat zu errichten, in dem Frieden, Demokratie, die Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Frauenrechte garantiert sein sollten.

Wenn man sich in illusterer Runde nach zehn Jahren am 5. Dezember 2011 wieder an altbekanntem Ort auf dem Petersberg zum Stelldichein trifft, dürfte auch dem letzten Teilnehmer klar sein, dass nichts von den proklamierten Zielen auch nur im Entferntesten erreicht worden ist. Die westlichen Besatzungstruppen samt ihrem Söldnerheer und den Tausenden von NGO-Mitarbeitern sollten ihr Scheitern eingestehen. Weder wird am Hindukusch die Freiheit Deutschlands verteidigt, noch das Westminister-Modell einer Demokratie eingeführt. Milliarden von US-Dollar und Euros haben sich in den Bergen und Tälern Afghanistans regelrecht verflüchtigt. Auf dieser zweiten Petersberger-Konferenz kann es nur um einen schnellen Abzug des Westens gehen, wenn dieser auch noch „in Würde“ zu bewerkstelligen ist, umso besser für die Psychohygiene des Westens.

Nach zehn Jahren Krieg sind die Taliban überall. „Taliban“ ist zu einer Chiffre für Widerstand gegen die westliche Besatzung geworden. Folglich sind alle diejenigen Afghanen „Taliban“, die nicht von dem Besatzungsregime profitieren. Diese Tatsache wird immer noch nicht von den westlichen Medien wahrgenommen. Sie hantieren mit Begriffen, die der Asservatenkammer der politischen Propaganda entstammen. „Gotteskrieger“, „fanatische“ und „archaische Krieger“, die das Land ins Mittelalter zurückführen wollen. Jede Gräueltat sei ihnen Recht, die zur Errichtung ihres „Gottesstaates“ führe. In der Wirklichkeit sind es die westlichen Besatzungstruppen und das von ihnen ausgehaltene Söldnerheer, die neben den Widerstandskämpfern überwiegend Zivilisten töten. Als besonders verwerflich gilt in den Augen der Menschen der Drohnenkrieg des US-Friedensnobelpreisträgers Barack Obama.

Der Westen scheint nicht mehr genau zu wissen, gegen wen oder um was er eigentlich kämpft. Das vorliegende Buch von Conrad Schetter, Privatdozent am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn, und Jörgen Klußmann, Studienleiter der Evangelischen Akademie im Rheinland, hat Autoren/innen versammelt, die eine realistische Bestandsaufnahme des Taliban-Komplexes vorgelegt haben. Den Mitgliedern der Afghanistan-Konferenz kann es nur empfohlen werden.

Für die westlichen Besatzungstruppen waren die Taliban der Inbegriff der Intoleranz, sie verachteten alle Werte, für die der Westen steht. Die Kenntnisse über die „Neo-Taliban“ und ihren national-islamischen Politikansatz haben sich noch nicht im Denken der westlichen Militärs durchsetzen können. Zu diffus ist das Netzwerk, das mit „Taliban“ nur sehr unzureichend beschrieben wird.

Auf drei Themenfelder konzentrieren sich die Buchbeiträge: Wer sind die Taliban? Die Rolle der Taliban sowie der militärische Einsatz. Die Autoren/innen trauen der Nato nicht zu, das Blatt militärisch noch wenden zu können. Obgleich haushoch überlegen, steigt die Zahl gefallener Soldaten, von den zivilen Toten gar nicht zu sprechen. Deren Zahl steigt permanent, was die sowieso geringe Legitimität der Karzai-Regierung weiter untergräbt. Obgleich die westlichen Truppen viele Taliban-Kämpfer töten, scheint deren Zahl weiter zuzunehmen; Schätzungen bewegen sich um die 35 000 Kämpfer. Über deren Motive, Motivation bzw. Ideologie gehen die Meinungen auseinander, wie der Beitrag über die ideologischen Facetten der Taliban zeigt.

In ihrer nüchternen Analyse konstatieren die Autoren/innen, dass die Taliban auf allen Gebieten professioneller geworden sind, insbesondere in der Anwendung neuster Kommunikationstechnologien. Die Grenzen Afghanistans sind umstritten, die Kriegsfürsten haben die Herrschaft über Afghanistan unter sich aufgeteilt, und im Grenzgebiet herrscht eine Auseinandersetzung zwischen Stamm und Staat, schreibt Conrad Schetter. Zahlreiche Konfliktfelder überlagern sich in Afghanistan. Da ist die Rolle Pakistans, Indiens, Irans und anderer Akteure. Ein undurchsichtiges Netzwerk von Kriegsfürsten teilt sich das Drogengeschäft; sie alle verfolgen ihre eigene Agenda. Schetter und Klußmann befürchten, dass der US-Drohnenkrieg einen Vorgeschmack auf die Kriege der Zukunft gibt und dazu führen könnte, dass weiteren Gesellschaften eine „Talibanisierung“ drohen könnte.

Die Aussichten für den Westen sind in Afghanistan nicht rosig. Ökonomisch lässt sich das Abenteuer keine weiteren zehn Jahre durchhalten. Allein die USA zahlen pro Monat in Afghanistan sieben Milliarden US-Dollar. Ohne eine Einbeziehung der „Taliban“ in Verhandlungen, die zum vollständigen Abzug der Nato-Truppen führen müssen, wird es kein Ende des Konfliktes geben. Wie sagen die Taliban: „Der Westen hat die Uhren, wir haben die Zeit.“ Was aus der afghanischen „Zivilgesellschaft“ wird, bleibt unklar. Sie ist noch zu schwach entwickelt, als dass Teile dieser neuen politischen Elite das Karzai-Regime ersetzen könnten.

Das Buch liefert eine sehr differenzierte, nüchterne und realistische Bestandsaufnahme des westlichen Afghanistan-Abenteuers. Einen Königsweg aus der Schlamassel bietet es nicht. Was es jedoch deutlich macht, ist das Ende westlicher Träumereien von Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte für die Völker Afghanistans. Der "Patient Afghanistan" ist im Verlauf der Operation gestorben. Darüber sollte auch auf der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz in Bonn gesprochen werden. Das Buch hebt sich wohltuend von den in den Medien verbreiteten Klischees über das Land und dessen Bewohner ab.

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Montag, 28. November 2011

AI-Bericht: Troubled Waters - Wassernöte

Der Zugang zu angemessenem und sauberem Wasser ist ein Menschenrecht. Dieses Recht wird den Palästinensern in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten (OPT=Occupied Palestinian Territories) durch diskriminierende Maßnahmen seitens der Besatzungsmacht verwehrt. Der Zugang zu Wasserressourcen für Palästinenser in den OPT wird von Israel kontrolliert und auf ein Maß beschränkt, das weder deren Bedürfnisse zu decken vermag, noch einen fairen und gleichberechtigten Anteil an den gemeinsamen Wasservorkommen darstellt.

Den Palästinensern stehen rund 70 Liter Wasser pro Kopf am Tag zur Verfügung, einem Israeli dagegen etwa 300 Liter. Zirka 200 000 Palästinenser in den ländlichen Gemeinden der Westbank haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Einigen stehen nur 20 Liter pro Tag zur Verfügung. Selbst in denjenigen Städten oder Dörfern, die an das Wassernetz angeschlossen sind, bleiben die Wasserhähne oft trocken – manchmal über Wochen oder sogar Monate.

Die Ungleichbehandlung beim Zugang zu Wasser zwischen Israelis und Palästinensern ist eklatant. Israel verbraucht rund 80 Prozent der Wasservorräte des Berg-Aquifers, der einzigen Grundwasserquelle in der Westbank, dazu noch das gesamte verfügbare Oberflächenwasser des Jordanflusses, von dem den Palästinensern überhaupt nichts zugestanden wird.

Im Gaza-Streifen herrscht gravierende Wassernot. Darüber hinaus sind 90 – 95 Prozent des Wassers verschmutz, weil durch Überverbrauch Abwasser und Meerwasser in die Grundwasserschichten einsickern. Für den menschlichen Genuss ist dieses Abwasser nicht mehr geeignet, wie die häufig auftretenden Krankheiten zeigen. Über Jahrzehnte hat die israelische Besatzungsmacht die Wasserressourcen einseitig für die Kolonisierung des Gaza-Streifens durch zirka 8 000 Siedler ausgebeutet. In einem Gebiet, in dem permanente Wasserknappheit herrscht, leisteten sich die Kolonisatoren extrem wasserintensive Bananenplantagen.

Im Gegensatz zu den Palästinensern „ertrinken“ die völkerrechtswidrigen Siedlerkolonien geradezu in Wasser. Dies zeigt der AI-Bericht überdeutlich. Wie es scheint, gibt es genug Wasser in der Region. Die Israelis benutzen es jedoch wider Völkerrecht und den Menschenrechten als politisches Druckmittel, um die Palästinenser auch auf diesem Gebiet zu zeigen, wer Herr und wer Knecht ist.

Der AI-Report stellt unmissverständlich fest, dass die israelische Vorgehensweise einen „Verstoß gegen die israelischen Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechtsabkommen und dem Humanitären Völkerrecht“ darstellt. Die Oslo-Verträge, die den so genannten Friedensprozess ausgelöst haben, wirken sich auch auf dem Gebiet der Wasserverwaltung verheerend für die Palästinenser aus. Wie auf allen anderen „ausgehandelten“ Politikfeldern auch, liegt die Letztentscheidung über die Wasserkontrolle allein bei Israel. Dieser Bericht informiert und dokumentiert diese Farce und die permanenten Völkerrechtsverstöße Israels auf beeindruckende Weise.

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Sonntag, 27. November 2011

AI-Bericht: Operation Gegossenes Blei

Am 27. Dezember 2008 begann die israelische Armee unter dem Codenamen „Gegossenes Blei“ ein vernichtendes Bombardement des Gaza-Streifens. Anlass für diese kriegerische Aggression war der Beschuss Südisraels mit Kassam-Raketen. Hamas, die seit dem gescheiterten Putsch des Fatah-Warlords Mohammed Dahlan von 2007 den Strip regiert, hatte den Beschuss erst wieder aufgenommen, als Israel Anfang November 2008 vier Hamas-Mitglieder getötet hatte.

Das israelische Außenministerium selbst hat in einer Dokumentation mit dem Titel „The Hamas terror war against Israel“ gezeigt, wie vertragstreu sich Hamas verhalten hat. Es präsentierte zwei Schaubilder, die das „Intelligence and Terrorism Information Center at the Israel Intelligence Heritage & Commemoration Center“ erstellt hat. Sie belegen, dass Hamas erst wieder mit dem Beschuss israelischen Territoriums begann, als Israel vier ihrer Mitglieder getötet hatte.


Raketeneinschläge pro Monat.

Mörsergranateneinschläge pro Monat.


Diese Schaubilder wurden in der Nacht zum 4. Januar 2009 von der Website des Außenministeriums entfernt und durch folgendes Schaubild ersetzt, das man als verwirrend bezeichnen könnte. Dieses Dokument trug den gleichen Titel wie das ursprüngliche: „The Hamas terror war against Israel“.


Als am 18. Januar 2009 - zwei Tage vor der Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama - ein Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel vereinbart worden war, waren 1 400 Palästinenser tot, die überweigende Anzahl Zivilisten, darunter 300 Kinder. 14 israelische Soldaten - vier davon durch „friendly fire“ - kamen bei diesem Massaker der israelischen Armee ums Leben.

„Viele der Zerstörungen wurden mutwillig durchgeführt und resultierten aus gezielten Anschlägen auf zivile Objekte sowie wahllosen Angriffen, die nicht zwischen militärisch legitimierten Zielen und zivilen Objekten unterschieden. Solche Angriffe verletzten fundamentale Bestimmungen der internationalen Menschenrechte, vor allem das Verbot von Direktangriffen auf Zivilisten und zivile Objekte, das Verbot wahlloser oder unverhältnismäßiger Angriffe und das Verbot von Kollektivstrafen“, so der AI-Bericht.

Bei dieser Aggression wurde weißer Phosphor, eine hochbrennbare Substanz, wiederholt wahllos über dicht besiedeltem Gebiet abgefeuert. Neben den vielen Toten machte das israelische Militär auch vor der totalen Zerstörung der Infrastruktur nicht halt. Tausende Wohnungen, Geschäfte, Betriebe und öffentliche Gebäude wurden willkürlich zerstört, „ganze Nachbarschaften dem Erdboden gleich gemacht und Vieh getötet“. AI kommt zu dem Ergebnis, dass die Zerstörungen „absichtlich und gezielt“ erfolgten, militärisch nicht „notwendig“ oder „begründet“ waren. Sie seinen das Ergebnis „rücksichtsloser und wahlloser Angriffe“ gewesen.

Neben dem AI-Bericht erstellte Human Rights Watch sowie der UN-Menschenrechtsrat unter Leitung des südafrikanischen Richters Richard Goldstone Untersuchungsberichte, die alle zu ähnlichen Ergebnissen wie Amnesty International kamen. Das AI-Dokument zeigt das ganze Grauen, das das israelische Militär über die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens gebracht hat. Alle drei Berichte könnten als Grundlage für eine Anklage der Verantwortlichen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dienen.

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Samstag, 26. November 2011

Amnesty International Report 2011

Die jährlichen Berichte von Amnesty International (ai) zur weltweiten Lage der Menschenrechte sind bereits Tradition. Sie machen deutlich, dass es mit der Achtung der Menschenrechte nicht zum Besten steht. AI tritt überall auf der Welt gegen Unrecht ein. Wie der vorliegende Report für das Jahr 2010 zeigt, besteht dazu auch aller Anlass.

AI hat in seiner 50-jährigen Geschichte immer auch auf die Rolle der Medien bei der Veröffentlichung von Menschenrechtsverletzungen gesetzt. Insbesondere die neuen Medien wie Internet, Twitter oder SMS machen den Despoten, Autokraten, Diktatoren und autoritären Regimen das Leben schwer. Ihnen gelingt es immer seltener, ihre Länder vom Informationsfluss abzuschotten. In Echtzeit werden Verbrechen gegen die Menschenrechte um die ganze Welt geschickt. Hinzu kommt, dass es mit der Plattform „Wikileaks“ einen Whistleblower (Informant) gibt, die auf Missstände hinweist und einen weltweiten „Abladeplatz“ für nicht zur Veröffentlichung bestimmte Regierungsdokumente geschaffen hat. Den Zorn der USA haben ein Video erregt, das die willkürliche Tötung von unbewaffneten, wehrlosen irakischen Zivilisten durch einen Apache-Kampfhubschrauber zeigt, sowie die Fülle an US-Dokumenten, welche die dubiosen Machenschaften der USA in Afghanistan und Irak offengelegt haben.

Ohne den mutigen Einsatz von einzelnen Menschen in Ländern, in denen oft ein Menschenleben „wenig“ zählt, sähe es um die Achtung der Menschenrechte noch schlechter aus. AI unterstützt gerade auch diese Aktivisten/innen, indem sie auf deren prekäre Lage hinweist, was diesen wiederum einen gewissen Schutz vor totaler Repression des jeweiligen Regimes gibt.

Ein besonderes Augenmerk des AI-Berichtes liegt u. a. auf den Menschenrechtsverstößen in demokratischen Staaten. Hier sind vor allem die USA, die selbsternannte „shining city upon the hill“, zu nennen, deren Menschenrechtsbilanz seit 9/11 recht düster aussieht. Nicht nur in den Ländern Afghanistan (Bagram), Irak (Abu Ghreib) und Guantanamo Bay, Kuba, begehen die USA massive Menschenrechtsverletzungen, sondern auch in den USA selbst, wenn man sich den Umgang mit Migranten/innen, die Antiterrormaßnahmen, die Todesstrafe und die bis zum Bersten überfüllten Haftanstalten vor Augen führt.

Neben dem globalen Überblick über die Menschenrechtslage in Afrika, Amerika, Asien und Pazifik, Europa und Zentralasien sowie dem Nahen Osten und Nordafrika findet man Analysen zur Lage der Menschenrechte in 157 Ländern. Im Anhang findet sich eine Chronik über 50 Jahre AI, die Adressen der deutschsprachigen Sektionen sowie den Ratifikations- und Zeichnungsstand ausgewählter internationaler Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte.

Allein in Deutschland gibt es über 110 000 freiwillige AI-Helfer/innen. Zum 50. Geburtstag wurde AI allseits gelobt, es gab neben der Würdigung durch den Bundespräsidenten auch eine Sondermarke. Das Movens der Unterstützer und Helfer ist jedoch die immer noch schwierige Lage vieler Menschen, deren Situation sich trotz zahlreicher internationaler Pakte und Deklarationen nicht zum Besseren gewandelt hat. AI ist deshalb nötiger denn je.

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Donnerstag, 24. November 2011

Azoulay´s From Palestine to Israel

The present photobook uses a new approach to the explanation of the Palestine/Israel conflict. By reading over more than 200 photographs, Ariella Azoulay recounts the four crucial years that determine the history of this conflict till today. She analyses the photos as historical documents and presents them in a way to write and interpret history anew. With this presentation she created a civil archive “which makes it possible to view the catastrophe they recorded”. (7) Years of research made it clear “that the occupation is part of the Israeli political regime, and that reconstructing its schema should start in 1948”. (17) Indirectly, this statement repudiates the argument put forward by the Zionist left that Israel went wrong after it occupied the rest of Palestine in the June war of 1967. This photobook proves through pictures that the cause of the conflict is based on the forceful expulsion of the indigenous owners of the Land of Palestine by the Zionist forces.

Ariella Azoulay teaches political philosophy and visual studies. She directs the Photo-Lexic project at the Minerva Humanities Centre at Tel Aviv University. She has written several books; her latest “Civil Imagination: Political Ontology of Photography” was just published. In 2002, she won the Infinity Award for Writing, presented by the International Center of Photography for excellence in the field of photography.

This book traces the constituent violence carried out by the Zionist military and political leadership. The transformation of Palestine into the State of Israel was not achieved during an unavoidable war between the two peoples, “but by the exercise of systematic and planned violence to create a clear Jewish majority that would correspond to and justify the formation of a Jewish state and the Jew-ification of the state organs. This violence was called the ‘War of Liberation`.” (7) The author makes clear that the term “War of Liberation” is a misnomer. Why did the Zionists wanted to ‘”liberate” a territory from the British, the Palestinians or the Arab states? The terminology “liberation” or “independence” implies a decolonization project, liberation from a foreign power, in a manner that camouflaged the colonization of Palestine by the State of Israel, the author writes. None of these reasons existed in Palestine.

In seven chapters, the photos show a process of the newly established state that destroyed Palestinian society by killing, dividing, expropriating, expelling and preventing those expelled from returning. In order to pretend a democratic façade, the Israelis had to transform the catastrophe imposed on the Palestinians into a non-catastrophe, into what Azoulay calls the “catastrophe from their point of view” – “their”, of course, referring to the Palestinians. (9) The author sets the Zionist narrative, beginning with the dream of return to Zion and ending with the establishment of the State of Israel, and the Arab one, which situates the Nakba as the constitutive event of Palestinian existence and identity, aside. Instead of sticking to the drawing line between Jews and Arabs, Azoulay tries to understand its institutionalization as a central ruling principle of the Jewish state. She presents the catastrophe from a civil perspective and does not present it as an outcome of war that preceded “the creation of the Israeli regime, but as a component and as a product of that regime”. (9)

The photos show that expulsion of the population and the destruction of their homes was done in an organized and well-planned manner. The Zionist myth that all happened in the cause of war lies beside the truth. From its inception, the Israeli government eliminated every possibility of civil life, according to the author. The government did everything that the civil disaster which occurred in Palestine appeared as a “natural phenomenon” or a “necessary evil”. To the detriment of Zionist mythology, the photos tell a different story. Perhaps this photobook is more convincing than thousands of history books because it allows the readers to visually participate in the great injustice that was inflicted upon the Palestinian people by a movement that views itself as a “liberation movement” for Jews but was in fact just a mere colonial one for the Palestinians. This extraordinary set of photographs reawakens not only the disappearance of a country but also the invisibility of its real inhabitants. Impressive!

First published here.

Sonntag, 20. November 2011

Popular Resistance in Palestine

Palestinian resistance against an Israeli “belligerent occupation” is mostly viewed as terrorism and rocket attacks. The brutal violence that was inflicted upon the Palestinian people by the Israeli occupation force is mostly ignored by the West. The most what the Western politicians are doing, is recommending the Palestinian to abstain from using violence, ignoring Israel`s forty-five-year-old occupation and colonization of another people. For them, popular resistance seems immoral or unnecessary.

The late Israeli professor of sociology at the Hebrew University, Baruch Kimmerling, wrote on March 27, 2001 in the Israeli daily “Haaretz”: “Since 1967, millions of Palestinians have been under a military occupation, without any civil rights with, and most lacking even the most basic human rights. The continuing circumstances of occupation and repression give them, by any measure, the right to resist that occupation with any means at their disposal and to rise up in violence against that occupation. This is a moral right inherent to natural law and international law.”

Mazin B. Qzmsiyeh teaches at Bethlehem University and Birzeit University and works for a number of civil organizations. He received his Ph. D from Texas Tech University. He did his postdoctoral training at St. Jude Children Research Hospital and the University of Tennessee (included Clinical Fellowship). He published extensively in areas ranging from Zoology to Genetics. He serves as chairman of the board of the Palestinian Center for Rapprochement between People and coordinator of the Popular Committee against the Wall and Settlements in Beit Sahour. Besides this book, his political writing includes “Sharing the Land of Canaan: Human rights and the Israeli/Palestinian Struggle.

Many Western politicians keep recommending the Palestinian people to struggle for a state by nonviolent means. But hardly any of them ever has called on the Israeli government to restrain from its brutal repression of another people. By limiting their message to the undesirability of violence, they gloss over, according to the author, the long history of nonviolent struggle in Palestine. They do not attempt to ensure a colonized people the right of “plurality, justice, and human rights” (12) What the Palestinians want is “freedom and the right of return, not a flog over a canton called a state” (1) And they do not want what was envisaged for them by the former Israeli general and Army Chief of Staff Rafael Eitan: “When we have settled the land, all the Arabs will be able to do about it will be scurry around like drugged cockroaches in a bottle.” (15).

The author writes the history of popular resistance in Palestine beginning with the Ottoman rule, continuing during the Zionist build-up from 1917 to 1935, the great Arab revolt of 1936 to 1939, the devastation to the Nakba (the catastrophe) from 1939 to 1948, from the Nakba to the occupation of the whole of Palestine in 1967, via the period of the so-called peace process to the current Boycotts, Divestments and Sanctions campaign (BDS).

Qumsiyeh writes that by examining the Palestinian situation, everyone will recognize that there are no examples of completely nonviolent struggle for freedom from colonial occupation. “I cannot think fo a single historical precedent where the struggle for rights was waged solely by violent means or solely by nonviolent means. It seems that history of human struggle is a mix of both to varying degrees.” (21) International law recognizes the right to resists an occupation authority. This right is based not only in Article 3 of the 1949 Geneva Convention but also in the guiding lines set for by the International Tribunal in Nuremberg The statutory argument in article 2 of the indictments (concerning transgressions against the laws on conducts of war) at the Nuremberg Tribunal was based upon the Hague International Convention of 1907, writes the Israeli author Hans Lebrecht which Qumsiyeh quotes. (21) Not only thousands of Palestinians civilians have been killed over the past few decades for simply being Palestinians in Palestine but internationals too, like Rachel Corrie who was deliberately run over by a caterpillar bulldozer or Tom Hurndall who was killed by shot on his head.

The Israeli colonization of Palestinian land cannot be permanently maintained without ideological and material support from outside. The U. S. government, pro-Israeli pressure groups and the European Union give billions of dollars and Euros to Israel, used inter alia for building colonies on occupied land or are invested in the military sector. Billions of dollars are earned from Israeli exports, much of it security-related products, armaments and tourism. The BDS campaign, which Qumsiyeh strongly supports, brings these facts to the fore and attempts to induce governments, churches and private investors to restrain from investments in a country that has been occupying, oppressing and colonizing another people for the last 45 years. The author lists quite a few examples of the worldwide BDS campaign. (215-222) The appendix lists eighty out of 200 groups engaging in popular resistance in Palestine.

The author is optimistic that this form of popular resistance will bear fruit in the long run. This book refutes the claims that Palestinians never tried nonviolence. It would make more sense to ask the Israel military to restrain its violence and use nonviolent means to deal with the resistance. Qumsiyeh´s history of popular resistance in Palestine should be read by everyone who is opposed to colonialism and foreign domination. That is why it transcends the Palestinian case and can be a template for other resistance movements.

First published here, here and here.

Mittwoch, 16. November 2011

The Wandering Who?

Bücher, die sich mit der Frage nach der jüdischen Identität beschäftigen, dürften eine spannende Lektüre abgeben. Diesem nicht so einfachen Sujet hat sich der in Großbritannien lebende israelische Saxophonist Gilad Atzmon in seinem Buch gewidmet. Er geht der Frage nach, was eine jüdische säkulare Person motiviert, sich weiterhin als Jude zu fühlen. Darüber hinaus zeigt das Buch die negativen Konsequenzen einer jüdischen Identität, insbesondere wenn sie nicht auf der jüdischen Religion basiert. Jüdische Identität definiert er als „Jewishness“ (Jüdischkeit), die er vehement ablehnt. Für den Autor begann der Zionismus zu Beginn vielversprechend, bevor er von der „Jüdischkeit“ übernommen worden ist, und daraus resultiere das repressive israelische Verhalten gegenüber den Palästinensern. „Jüdischkeit“ ist für ihn eine säkulare ethnozentrische Ideologie bestehend aus: „Exklusivität, Einzigartigkeitsanspruch, rassischer Überlegenheit und einer tiefen innewohnenden Neigung zur Segregation“.

Der Autor wurde in Jerusalem geboren und lebt seit 1994 in London. Bescheidenheit scheint nicht zu seinen Stärken zu gehören, wie die einführenden selbstreferentiellen Bemerkungen über seine diversen Talente zeigen. Mit „Stolz“ bezeichnet er sich als einen „selbsthassenden Juden“, „Ich verachte den Juden in mir.“ Seine „Einsichten“ verdanke er Otto Weininger!

Seine Verweise auf jüdische Identität bleiben jedoch selektiv, spekulativ und wenig konzise. Hätte er sich konsequent nur auf diese Frage konzentriert, wäre das Buch ein Beitrag zu dieser wichtigen Debatte gewesen. Dagegen ergeht sich der Autor in kategorischen Aussagen zu Sachgebieten wie z. B. Geschichte, Wirtschaft, Psychologie, Völkerrecht und Menschenrechte. Ein gravierendes Problem des Atzmon-Buches besteht darin, dass der Autor mit zahlreichen Andeutungen arbeitet, um seine wirkliche Message an die Leserinnen und Leser zu bringen. „Jüdischkeit“ und jüdische Identität dienen ihm dabei nur als Vorwand. Im Subtext des Buches werden krude Verschwörungstheorien und antijüdische Vorurteile transportiert. Im November 2010 hat er auf einer Konferenz in Stuttgart erklärt: „Ich denke, dass Israel weit schlimmer ist als Nazi-Deutschland.“ Atzmon scheint von einem Nuklearkrieg zwischen Iran und Israel mit Millionen von Toten auszugehen, um fortzufahren: „Einige mutige Menschen werden sagen, dass Hitler recht hatte.“

Woher stammt die Koinzidenz in der Begrifflichkeit zwischen Atzmon und der Nazi-Terminologie? Nach Meinung des Autors sei es vielleicht die größte Leistung der zionistischen Bewegung, dass sie die jüdische tribale Haltung in ein kollektiv funktionierendes System verwandelt habe. „Betrachtet man den Zionismus als organismus, (sic!) würde dies zu einem grundlegenden Wandel unserer Sicht der Weltpolitik führen.“ (21) Schon die Nazis benutzen den Begriff „Organismus“, um den Unterschied zwischen der organischen Natur der menschlichen Gesellschaft im Gegensatz zu einer rein bürokratischen Organisation zu beschreiben. Die Nazis haben den Juden unterstellt, sie wollten die deutsche Nation „versklaven“. Atzmon schreibt: „Wie konnte es Amerika zulassen, sich von Ideologien versklaven zu lassen, die von Natur aus mit ausländischen (zionistischen) Interessen verbunden sind?“ (26) Atzmon benutzt „zionistischer organismus“ an verschiedenen Stellen des Buches.

Der Autor bemüht sich nahezu krampfhaft, die Existenz eines zionistischen „organismus“ oder Netzwerkes nachzuweisen. Ein solches sei verantwortlich für die US-amerikanischen Aggressionskriege und die Kreditklemme. An Personen wie Paul Wolfowitz, Scooter Libby und Alan Greenspan wird nun das, was Atzmon das “kollektive funktionierende System” oder wie er es vorzugsweise als „dritte Kategorie Bruderschaft“ (third category brotherhood) bezeichnet, und die als “rassische Solidarität” und mit „Zionismus“ gleichsetzt wird, exemplifiziert. (21) Der Autor behauptet allen Ernstes, ohne auch nur einen Beweis dafür vorzulegen, dass Greenspans Geldpolitik auf seiner jüdischen (oder zionistischen) Identität beruhte und das Ziel verfolgte, den Staat Israel zu unterstützen. Um diese Unterstellung „glaubhafter“ zu machen, schreibt Atzmon en Passant, dass jüdische Bankiers einen „Ruf“ als „Unterstützer und Finanziers von Kriegen und sogar der kommunistischen Revolution“ hätten. Diese hochrangigen jüdischen Politiker „blieben im Ausland, anstatt nach ‚Zion` zurückzukehren, um dem zionistische Interesse so gut wie möglich zu dienen“. Und er fragt weiter: „Wie kommt es, dass Amerika seine Wolfowitzes nicht zurückhalten konnte? Wie kommt es, dass Amerika es zulässt, dass Außenpolitik durch einige rücksichtslose ‚Zio-driven` Think Tanks gestaltet wird?“ Atzmon ist sich über die Problematik solcher Behauptungen durchaus bewusst und baut vor, indem er schreibt, dass die Kreditklemme „keine zionistische Verschwörung oder gar eine jüdische Verschwörung gewesen ist (…), denn es geschah alles in der Öffentlichkeit. Es ist tatsächlich ein Unfall.“ (30) Bei der Kapitelüberschrift „Credit Crunch or Zio-punch?“ hätten aber die Alarmglocken läuten müssen. Man fragt sich auch, warum führt er diese Beispiele in einem Buch über „jüdische Identität“ überhaupt an und weist darauf hin, dass jüdische Bankiers nicht nur Kriege finanzierten, sondern auch anzettelten? Die Medien hätten es nach Atzmon versäumt, „die amerikanische Öffentlichkeit vor der Gefahr von innen zu warnen“.

Der Autor pflegt ein ausgeprägtes Feindbild. Sein Hass richtet sich nicht nur gegen die Zionisten, sondern vor allem gegen jüdische Linke, linke Antizionisten und alle, die sich der Politik der israelischen Regierung als Juden widersetzen, wie z. B. Gruppen wie „Juden gegen Zionismus“ oder „Juden für Gerechtigkeit in Palästina“. Diese Personen agierten in einem globalen Netzwerk von „Jüdischkeit“ und Zionismus und zeichneten sich durch ein pathologisches Festhalten an ihrer jüdischen Identität aus. Atzmon lehnt nicht den Zionismus als koloniale Bewegung ab, sondern verurteilt sie nur, weil sie jüdisch ist. Ebenso stimmt er mit der These des Zionismus überein, dass es keine nicht-zionistische jüdische Identität geben könne. Er lehnt auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ab.

Wie denkt Atzmon über den Holocaust? Er leugnet nicht den Holocaust direkt, sondern flirtet eher mit den Holocaust-Leugnern. Der Holocaust „ist kein historischer Narrative, über den frei von Historikern, Intellektuellen oder einfachen Menschen debattiert wird“. Dieser müsse „richtig analysiert“ werden. „Ich denke, dass 65 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, wir berechtigt sind zu beginnen, Fragen zu stellen. Wir sollten nach historischen Beweisen und Argumenten fragen, anstatt einer religiösen Erzählung zu folgen, die durch politischen Druck und Gesetze aufrechterhalten wird.“ (174f.) Was soll die Frage nach den „historischen Beweisen“? Meint er etwa, es habe keine industrielle Vernichtung gegeben? Was Atzmon wirklich über dieses abscheuliche Verbrechen denkt, wird nicht klar. Er arbeitet auch hier wieder mit Andeutungen, wenn er fragt: „Warum wurden die Juden gehasst?“ Seine Schlussfolgerung überlässt er dem Leser, der die Bedeutung seiner Andeutung vermuten sollte.

Das Buch ist in einem Punkt sehr hilfreich: Es liefert Einblicke in Atzmons bizarre Gedankenwelt: Hass auf Linke, Sozialisten und Marxisten, jüdisches und zionistisches Verschwörungsdenken, Sympathie für die Hinterfragung der Ergebnisse der Holocaust-Forschung, Ablehnung der Charta der Menschenrechte gepaart mit einer gehörigen Portion Eitelkeit. Vielleicht ist dem Autor gar nicht bewusst, dass er ein politisches Pamphlet geschrieben hat, das sich eines Tages gegen das Judentum in den USA wenden könnte, wenn die These an Fahrt gewinnt, dass jüdische Persönlichkeiten für die US-Kriege und am Betrug am US-amerikanischen Volk verantwortlich sind und ihn dafür als "Kronzeugen" anführen. Das Buch ist sehr gut geschrieben, was dessen schädliche und rassistische Thesen umso gefährlicher machen.

Montag, 14. November 2011

Across The Wall

“Across the Wall” arose from collaboration between scholars from Israel and Palestine, seeking to arrive at a shared framework for studying the history of this tormented land. Historians from Israel/Palestine came together for dialogue on history, identity, and the meaning of the conflict. They argue for a concept of a “bridging narrative” that can accommodate incompatible national met-narratives. “Bridging narratives are usually intercalary chapters, short pieces that help connect the so-called ‘plot` chapters”. (3) All contested issues in the history of the Israeli-Palestinian conflict are discussed.

This get-together was characterized by mutual respect for each other not like a meeting between Israeli and Palestinian historians in Paris in May 1998, in which they clashed about issues such the equation between Zionism and colonialism and the designation of the Nakba as “ethnic cleansing”. At the forefront of this clash were Benny Morris and Itamar Rabinovitch. These Israeli historians, according to Pappé, doubted the expertise of, or the access to historical documents by, Palestinians necessary for writing their own history. This would mean that, at least in that case, only the colonizer can write the history of the colonized. The late Edward Said rebuffed vehemently this patronizing attitude by saying that not only had the “Israelis perpetrated the Nakba, they now also tried to confiscate its historiography”. (9)

The group focused only on issues of the past that haunt the present and surely affect the future. They also agreed on ditching the Western “paradigm of parity” i. e. that there are two warring parties in Palestine who each carries equal responsibility for both the outbreak of, and the solution to, the conflict. So far, this paradigm failed, because the situation on the ground is dominated by disparity and inequality between a brutal colonial regime and an oppressed, dispossessed and colonized people. And the parties do not have the same claim on the Land of Palestine.

The book contains articles by Ilan Pappé, Jamil Hilal, Moshe Zuckermann, Ehud Aviv, Dan Rabinowitz, Salim Tamari, Nur Masalha, Issam Nassar, Rema Hammami, Oren Yiftachel, Musa Budeiri, Lev Grinberg and Uri Davis. All the authors have one thing in common; they all transcend the biases inherent in national narratives, although most of the articles are critical of the Zionist narrative.

Aviv, Rabinowitz and Zuckermann try to deconstruct the hegemonic Israeli scholarly narrative of the past and present. They show early Israeli anthropological studies on Palestinians and their fabrications and manipulations embedded in the Zionist presentation of the realities in Israel and Palestine. The “cultural” views by the “Israeli Orientalist establishment” and their “adherence to certain segments of Zionism ideology and rationalization, had a profound political and intellectual impact” on the narrative, writes Rabinowitz. (68) Zuckermann exposes the instrumentalization of the Holocaust memory in Israel and concludes that “the memory of the Holocaust still remains to be liberated from the ideological chains of its instrumentalization”. (86)

Tamari explores the chronicles of the Palestinian community of Jerusalem in 1948 and beyond, an field of inquiry neglected by historians. For him, there is no doubt that the Zionist expelled 60 000 Palestinian Arabs from West Jerusalem according to a “central blueprint”; perhaps the best evidence of their true erstwhile intentions is that Israel continues to refuse to allow the refugees to return; “to this day, not one Palestinian Arab refugee has been able to make it back to his or her home in West Jerusalem”. (105) Masalha expands the notion of the Nakba – the Palestinian catastrophe created by Israel – beyond 1948, well into the late 1950s. Israeli policies towards the question of the refugees are integrated into the concept of the Nakba. On the one hand, Israel denies the Nakba, on the other hand, tries to resettle the refugees in the Arab world. This liquidation of the Palestinian refugee problem, through dispersal and resettlement remained a constant Israel goal, writes the author. These Israeli “solutions” underscore “Israel´s denial of any responsibility or culpability for the creation of the refugee problem. Morally, this is of course a highly questionable position to maintain, one that the victiims of the Nakba and their descendents will continue to challenge.” (154)

Pappé focuses on colonialism and Israeli nationalism and Hilal on the Palestinian nationalism. Pappè argues that before making “peace”, reconciliation between the Zionist victimizer and the Palestinian victim must come first. There has to be a “national discourse” between the two because “neither Israel´s huge sophisticated weapon arsenal nor the real or imaginary fears that are brought into play will enable Israel to silence its victims and escape the justice they demand.” (176) For Hilal, Israel´s unilateral separation accompanied by a forced Bantustanization with symbolic sovereignty might lead to the “re-emergence of a Palestinian resistance movement rekindling the struggle for decades to come”. (215)

Grinberg´s outlook on Israeli democracy is rather pessimistic. It will have ended together with the so-called peace process with Yitzhak Rabin`s assassination by a religious fundamentalist. Rabin´s assassination returned Israel to a “mythological debate”. This lies at the bottom of the political crisis that has “characterized Israel ever since (…) just when it was to imagine peace and the process seemed irreversible, Rabin´s assassin targeted the democratization process and succeeded in derailing it.” (391)

Two authors see the future of the inhabitants of Israel/Palestine in a “one-state”. Uri Davis searches for an a-national or de-segregationist definition of the inhabitants of a unitary democratic state in Palestine “liberated from colonization, occupation, and Apartheid”. For 2 000 years, Palestine was part of Great Syria within the Ottoman empire till the Zionist started colonizing it. Pappé sees the only solution to the conflict just in such one entity again: “One-State Palestine, a state for all its citizens, free and sovereign, democratic and independent.” (435) Why isn´t such an idea thrilling to the political classes in Israel and Palestine? Unfortunately, the authors do not answer this question.

The book presents a detailed analysis of the central issues of the Israeli Palestinian conflict. A tiny minority of scholars got together and published their excellent findings in an appealing book. Where are the forces that can translate these farsighted ideas into practice and make them a reality? The reading could be very inspiring for everybody interested in the Middle East.

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Sonntag, 13. November 2011

Norbert Copray, Fairness

Ein Buch über Fairness zu schreiben, erscheint auf den ersten Blick überflüssig, hört und liest man doch täglich über „Fairness“, „fair“ oder „Fair Trade“. Ein Allerweltswort, eine Selbstverständlichkeit, aber gleichzeitig hoch tabuisiert. Wer es anspricht, macht sich keine Freunde und erntet mitleidige Blicke. Fairness ist keine „weich gespülte Mitmenschlichkeit“, sondern das genaue Gegenteil: „Fair sein heißt nicht nett zu sein, sondern sehr deutlich, konsequent und mitunter mit harten Ereignissen für Fairness zu sorgen.“

Norbert Copray ist geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung und freiberuflicher Coach von Führungskräften, Unternehmen und Organisationen. Zeitweise hat er bis zu 300 Mitarbeiter/innen in langfristigen Reorganisationsprozessen geführt. Er ist langjähriges Mitglied der Jury des Erich-Fromm-Preises.

Fairness hat für den Autor nichts mit Nächstenliebe zu tun, noch ist sie gleichbedeutend mit Gerechtigkeit. „Fair ist nicht gerecht und gerecht ist nicht fair.“ Fairness ist vielmehr “das Kind der Gerechtigkeit“. Bei diesem Thema geht es Copray nicht um eine „eierlegende Wollmilchsau“, sondern um ein „Gesamtbild von Fairness, Fairness-Kompetenz und Fairness-Praxis zu gewinnen“. Und es gehe weiterhin darum, sich und sein Umfeld, seine Organisation sowie sich selbst in diesem Umfeld zu verorten und eine Vorgehensweise zum weiteren Aufbau von Fairness-Kompetenz und –Qualität zu entwickeln.

Das Buch stellt auch einen Erfahrungsbericht zehnjähriger Arbeit der „Fairness-Stiftung“ dar. Sie hat eine Fairness-Formel entwickelt, nach der Fairness bedeutet, „in Kooperation mit anderen seine Lebensziele autonom zu verwirklichen“. Und in Anlehnung an die „Goldene Regel“ bedeutet die Formel, praktizierte Fairness, indem „Du Dich und andere so behandelst, wie Du behandelt werden willst, wenn Du auf das Wohlwollen anderer angewiesen bist“ (…“wenn Du auf die Rücksichtnahme anderer angewiesen bist“ und „…“wenn Du auf das Entgegenkommen anderer angewiesen bist“.

Copray liefert mit diesem Buch einen Gegenentwurf zum „Recht des Stärkeren“, das im Wirtschaftsleben, Behörden und generell in der Lebenswelt immer noch vorherrschenden ist und zunehmend seinen Tribut in Form von „Burnout“, „Mobbing“, „Intrigen“, „Stalking“, „Nötigung“ und anderen unfairen Attacken fordert. Allein in Deutschland gibt es jährlich etwa 10 Millionen Opfer von Mobbing. Mobbing werde mit dem Ziel betrieben, Menschen zu demütigen oder sie loszuwerden, schreibt der Autor. Beliebt ist das Cyber-Mobbing, um Personen mit anderer Meinung wie z. B. über den Nahostkonflikt fertigzumachen. Besonders brutal wird das Mobbing via Internat, SMS oder Twitter unter Schülern/innen betrieben. Auch können über Flashmobs und Flashmobbern via Internet, SMS oder Twitter kurzerhand große Mengen von Menschen an einen bestimmten Ost dirigiert werden, wie das Beispiel der Revolutionen in der arabischen Welt, beim Aufstand in Iran gegen die unfairen Wahlen oder bei den Protesten gegen die Gewaltherrschaft Bashar al-Assad in Syrien zeigen.

Nach Ansicht des Autors gibt es eine natürliche „Fairness-Intuition“ unter Führungsperson; sie benötige man, um Erfolg zu haben und mit Untergebenen fair umzugehen. Fairness und Erfolg bilden folglich eine Einheit. Die Sensibilität für „ungleiche Behandlung“ scheint jedoch noch nicht ganz abgestorben zu sein. Im Kapitel „Das Fairness-Fiasko“ zeigt Copray auf, wie man organisierte Unfairness durchschauen kann. Gefolgt von Ausführungen über Fallen, wie Mitarbeiter/innen in einen „unfairen Sumpf“ geraten können. In den Kapiteln „Fairness-Kompetenz“ und „Fairness-Professionalität“, um zu einer belastbaren Fairness-Qualität zu kommen. Am Ende stellt der Autor Überlegungen zu einem Fairness-Ethos an. Er vermeidet von einer Fairness-Ethik zu sprechen, weil Ethik zu sittlich richtigen menschlichen Handeln anleiten will, wohingegen das Fairness-Ethos zu einer Haltung führen soll, die jede einzelne Person anstreben könne. In allen Kapiteln werden zahlreiche Fallbeispiele vorgestellt, die sehr bereichernd sind.

Neben langjährigen Mobbing-Opfern dürfte das Buch auf für noch nicht gemobbte Leser und Leserinnen ein großer Gewinn sein, weil es nicht nur destruktive Mechanismen offenlegt, sondern auch für positive Abhilfe sorgt. Es sollte nicht nur in Führungsetagen der Wirtschaft und Personalabteilungen von Behörden zur Pflichtlektüre gehören, sondern auch im Bildungsbereich zum Einsatz kommen, um unfaires Verhalten durch Cyber-Mobbing unter Schülern/innen besser Herr zu werden. Sehr lesenswert.

Erschienen hier.

Freitag, 11. November 2011

The Palestinian Right of Return

According to U. N. General Assembly Resolution 194 (III) of December 11, 1948, the Palestinian refugees have the right to return and receive financial compensation for lost property. “Refugees wishing to return to their homes and live at peace with their neighbors should be permitted to do so at the earliest practicable date, and that compensation should be paid for the property of those choosing not to return and for loss of or damage to property…“ The same body admitted in resolution 273 Israel as a member state to the U. N. on May 11, 1949 after Israel implements other U. N. Resolutions including resolution 194 and 181. Up till now, Israel has fallen short of its pledge.

Francis A. Boyle belongs to the rare species of law professors in the U. S. who take sides with the oppressed and dispossessed Palestinian people which caused him a lot of trouble by the “Israel firsters”. He teaches International Law at the University of Illinois at Champaign. The author was Legal Adviser to the Declaration of Independence of Palestine that was proclaimed in Algiers November 11, 1988 and to the Palestinian Delegation that conducted fruitless peace talks with the Israelis in Washington following the Peace Conference in Madrid of October/November 1991.

In his book, Boyle published two longer seminal press statements on the Right of Return by Dr. Hanan Ashrawi and Dr. Haidar Abdul Shafi given in Washington shortly before the Camp David talks begun in July 2000. Both made it clear to the government of the U. S. and Israel that without the implementation of U. N. resolution 194 there could be no peace. The late Abdul Shafi was Chair of the Palestinian Delegation who negotiated with Israel from 1991 to 1993 in Washington, and the former was its spokesperson. The author holds both of them in high esteem. “They are two of the best and the brightest that occupied Palestine has to offer.” (16) Both of them were no politicians but grassroot leaders living among their people under the boot of the most repressive, brutal, colonial, military occupation regimes in the post World War II era. Both became prominent because of their own personal courage, integrity, principles, and determination.

Ms. Ashrawi said that “we are witnessing attempts, Israeli and American, to sort of make temporary transitional arrangements as the terms of reference for any solution, and thereby to bring the Palestinians to relinquish those rights which were guaranteed to them by law, and foremost of which is the right of return”. (26f.) She made it clear that the Palestinian people will never relinquish its right of return. And she continued saying “what happened to Palestinians is a form of ethnic cleansing, which is a war crime par excellence”. (34)

Abdul Shafi added that a Palestinian leadership that abdicates the right of return “will disqualify itself”. (44) “The matter is so serious that it cannot pass by very easily.” (51) Abdul Shafi rebuffs the Zionist narrative that the Palestinians left their homeland voluntarily. He makes it clear that “they were evicted out by terrorism and force“. (53) The democratic world should not let the Israeli government get away with fait accomplis like illegal settlement because “that pertains to the lives of people”. (53)

In Chapter three the author deals with the “impending collapse of Israel in Palestine”. (57) At the beginning, Boyle reiterates the importance of all U. N. resolutions concerning not only the right of return but also the Palestine question as a whole. In all the negotiations between Israel´s government and the Palestinians either in Washington or under the Oslo accords, Israel has never negotiated in good faith, says Boyle. The Palestinians got absolutely nothing, and the negotiations got nowhere. Yitzhak Shamir said, when he was defeated by Yitzhak Rabin in 1992: We would have negotiated with the Palestinians for another ten years in Washington without achieving anything. This attitude of denial is convincingly documented by Zalman Amit and Daphna Levit in their book “Israeli Rejectionism”.

Netanyahu at his speech in Bar-Ilan University in June 14, 2009, he came up with a brand-new demand that had never surfaced before in any peace negotiations. The Palestinian must now recognize Israel as a “Jewish State”. Not surprisingly, the Obama administration adores this latest roadblock to peace. This is as absurd as if the U. S. would ask Iran to recognize the U. S. as a WASP state as a precondition to negotiations. According to Boyle, if Israel wants to be recognized as a “Jewish State” it is free to change its name. “Israel is free to change its name to Jewistan—the State of the Jews.” (60) The name of “Jewistan” would automatically replace the name Israel through the United Nations system, so the author.

“In fact, ‘Israel` has never been anything but a Bantustan for Jews set up in the Middle East after the Second World War by the genocidal racist Western colonial/imperial powers who wished to severely limit the inflow of Jewish war refugees into their own states.” (60) Boyle foresees the collapse of this “Jewish Bantustan” in the foreseeable future. Therefore, he gave the following advice to the Palestinian leadership: “Sign nothing and let the Jewish Bantustan in Palestine collapse!” (61) For Boyle “the Jewish Bantustan (will) collapse of its own racist and genocidal weight over the next two decades if not much sooner. In the meantime, the Palestinians must stall and delay the so-called peace negotiations until then! Time is on their side.“ (64) All the legal, political, economic, military, diplomatic, sociological, psychological, and demographic forces are all working in favor of the Palestinians and against Israel, writes Boyle.

As a strategy, the Palestinians must ratchet up the pressure on Israel, Zionism, and the Zionists in Palestine and around the world by all available means like the Boycott, Divestment, and Sanctions campaign or continue their diplomatic, political and legal offensive against Israel, including the campaign of lawfare: “Human rights lawyers all over the world are now mobilizing in order to hunt down and prosecute Israeli war criminals wherever they might travel abroad.” (62) After a collapse of Israel, so Boyle, “Palestine will then be able to invite all of its refugees scattered around the world to return to their homes pursuant to Resolution 194! That in a nutshell is the ultimate solution for implementing and achieving the Palestinian right of return under international law.” (66)

As a political realist, I am troubled with such pipe dreams. Can Zionists be expected to agree to what they consider as an existential threat for Israel? Perhaps Israel´s only reliance on force and on his U. S. ally might not be an eternal insurance policy. As the author suggests, the international community cannot longer afford to let Israel get away with its permanent human rights violations, disregard of international law, and brutal behavior towards other peoples. Boyle as a well-known professor in International Law has highlighted the rights of the Palestinian people in this field that is shown in Appendix one at the end of the book.

The Middle East conflict can only be solved by ending the occupation, giving back the occupied Palestinians territory to its original owners, move the settlers back to Israel proper and establish international law as guidance to a lasting peace. This book is a challenging read.

Francis A. Boyle, The Palestinian Right of Return under International Law, Clarity Press, Atlanta, GA, 2011, 134 pp.

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Mittwoch, 9. November 2011

IAEA Report on Iran: a further step towards war

Die Öffentlichkeit hat erwartungsvoll der Veröffentlichung des Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über die angeblichen Pläne Irans zum Bau von Nuklearwaffen entgegengefiebert. Um es kurz zu machen: Der Bericht ist ein peinliches politisch motiviertes Pamphlet, das der Glaubwürdigkeit der IAEA großen Schaden zufügt. Die Organisation unter ihrem Generaldirektor Yukiya Amano ist zu einem Instrument US-amerikanischer Politik herabgesunken.

Wie amerikahörig Amano ist, zeigt sein Besuch im Weißen Hause einige Tage vor Veröffentlichung des Berichtes, wie die "New York Times" vom 8. November 2011 berichtet. Wie heikel dieser Besuch von Seiten der Obama-Administration gesehen wird, zeigt die Tatsache, dass es keine Bestätigung des Besuches gab. Sollte Amano die US-Regierung vorab über den Inhalt berichten und warum? Wurden dort Ideen ausgetauscht, wie der Bericht auszusehen hat? Wie kommt es, dass nur die USA vorab in Kenntnis gesetzt werden?

Der Bericht enthält nichts Greifbares oder Konkretes, deshalb bedient er sich Worte wie „dürfte“, „könnte“, „möge“ und anderer unkonkreter Floskeln. Er strotzt von Halbwahrheiten, Unterstellungen, Spekulationen, und er beruft sich auf geheime, dubiose Quellen, so genannte „Intelligence“ aus einigen Mitgliedstaaten. Wer sind diese? Welche Geheimdienste haben ihr Bunkerwissen geoffenbart? Sind es die gleichen, die an der Lüge über die nigerianischen Uranlieferungen an Saddam Hussein beteiligt waren? Seit wann ist in einem demokratischen Staat „Geheimwissen“ justiziabel? Ein solches ist nur vor „kangaroo courts“ zugelassen. Die einzige „illegale“ Aktion, die Iran begangen hat, sind Computersimulationen. Dies sei gleichbedeutend mit Nukleartests. Bravo, endlich hat der Westen den Beweis und kann ihn als casus belli missbrauchen! Und mit einer Neuigkeit wartet dieser Bericht auch noch auf: Angeblich habe der Iran noch bis 2010 an Nuklearwaffen gearbeitet, und das pakistanische A. Q. Khan-Netzwerk habe Hilfestellung beim Aufbau des Atomprogramms geleistet. Diese Unterstellung könnten die USA bei einem Überfall auf Iran benutzen, um mit Pakistan abzurechnen, das immer wieder gegen Obamas Drohnenkrieg protestiert.

Zu Recht weist Justin Raimondo von „antiwar.com“ auf den Schlüssel zum Verständnis dieses fragwürdigen Berichtes hin, der sich im ersten Paragraph der Zusammenfassung findet: “While the Agency continues to verify the non-diversion of declared nuclear material at the nuclear facilities and LOFs declared by Iran under its Safeguards Agreement, as Iran is not providing the necessary cooperation, including by not implementing its Additional Protocol, the Agency is unable to provide credible assurance about the absence of undeclared nuclear material and activities in Iran, and therefore to conclude that all nuclear material in Iran is in peaceful activities.” Übersetzt in Umgangssprache heißt dies, dass Iran kein geeignetes spaltbares Material besitzt. Weil das Land nicht bereit ist, auf seine Souveränität zu verzichten und der Westen nicht seine Atomanlagen besetzen kann, sind die Aussagen des Iran nicht glaubhaft. Iran ist schuldig und muss seine Unschuld beweisen. In iranischen Fall wird die übliche Beweislast umgekehrt.

Der Westen nimmt in der Tat diesen fragwürdigen Bericht zum Anlass, massiv gegen Iran vorzugehen, obgleich seit dem letzten seriösen Bericht der 17 US-Geheimdienste aus dem Jahr 2007 kein neues Detail hinzugekommen ist. Laut diesem Bericht gilt immer noch die damalige Feststellung, dass Iran sein Atomprogramm seit 2003 nicht mehr weiter verfolge.

Nach dem Überfall auf Libyen scheint Paris Blut geleckt zu haben. Außenminister Alain Juppé forderte „Sanktionen von nie gekanntem Ausmaß“ gegen Iran. Dass Israel von seinem aggressiven Konfrontationskurs nicht abgeht, versteht sich von selbst. Das Land wird den Druck mit Hilfe der „Israellobby“ und des US-Kongresses auf den angeschlagenen Obama weiter erhöhen, bis er seine Einwilligung für einen Überfall auf das Land erteilen wird. Den Anfang hat die israelische Oppositionsführerin Zipi Livni bereits gemacht, die alarmistisch erklärte. „Jetzt, wo die Wahrheit vor den Augen der Welt aufgedeckt wurde, muss Israel die freie Welt mobilisieren, um den Iran zu stoppen." Von Wahrheit finden sich in dem IAEA-Bericht allerdings nur Spurenelemente. Ein unsäglicher Mix aus "Iranian Terror Plot" und IAEA-Bericht könnte dazu beitragen, dass im Westen die Kriegsbefürworter die Oberhand gewinnen.

Der westlichen Politik liegt eine Ressentiment-geladene Grundhaltung gegenüber der islamischen Welt, insbesondere dem Iran gegenüber zugrunde: Rassismus. Gleichgültig, was der Präsident und die politische und geistliche Klasse dieses Landes auch sagen, man glaubt ihnen nicht. Alle haben versichert, dass das Land nicht nach Atomwaffen strebe und nur zivile Ziele mit seinem Nuklearprogramm verfolge, ein Besitz von Atomwaffen wurde sogar als „unislamisch“ verworfen. Diese Beteuerungen hält der Westen für Lüge. Ebenso betitelt er die iranische Führung als „irrational“, „fanatisch“ und „gefährlich“, obgleich das Kriegsgeschrei und die aggressiven Drohungen allesamt aus dem „rationalen“ und „aufgeklärten“ Westen stammen.

Solange der Westen Israel nicht zwingt, seine Atomanlagen für IAEA-Inspektoren zu öffnen, bleibt er unglaubwürdig. Anstatt sich über die israelische Verweigerungshaltung zu echauffieren, ergeht man sich in wilden Drohungen gegenüber einem Land, das gar keine Atomwaffen besitzt und besitzen will. Dieser doppelte Standard des Westens ist ebenfalls rassistisch motiviert. Darüber hinaus habe er dazu beigetragen, dass die Nichtverbreitung von Atomwaffen "lost its legitimacy in the eyes of Arab public opinion because of the perceived double standard" im Falle Israels, so der ehemalige Generaldirektor der IAEA, der Ägypter Mohamed El Baradei. Diesem wird jetzt von Seiten Israels vorgeworfen, er habe über Jahre das iranische Atomprogramm gedeckt, obgleich er es besser gewusst habe.

Wenn sich der UN-Sicherheitsrat mit diesem IAEA-Bericht befasst, sollten Russland und China den kriegswilligen Staaten des Westens ihr klares Nein, verbunden mit einer klaren Androhung von Gegenmaßnahmen, entgegensetzen. Das Gebot der Stunde lautet: Die Aggressionen, irrationalen Emotionen und Drohungen einiger verrückter Militaristen zurückzufahren, um zu verhindern, dass durch einen Überfall eine ganze Region in Flammen aufgeht, die niemand mehr eindämmen kann. Nur Verhandlungen zwischen Iran und den USA auf gleicher Augenhöhe können einen bevorstehenden Krieg noch verhindern. Dafür muss US-Präsident Obama wieder zum Ausgangspunkt seiner Präsidentschaft zurückkehren, als er für einen Neuanfang in den Beziehungen zur islamischen Welt aufrief – Präsidentschaftswahlen hin oder her. Und um noch einmal El Baradei zu zitieren: „Israel would be utterly crazy to attack Iran.“

Dienstag, 8. November 2011

Rice´s No Higher Honor

Jetzt hat die Dame aus der Phalanx der Bush-Krieger auch ihre Memoiren vorgelegt. Die „Bushies“ werden nicht enttäuscht: Es gibt nicht die geringste Spur von Selbstkritik, auch Selbstzweifel über mögliche getroffene Fehlentscheidungen – Fehlanzeige. Der Einmarsch in den Irak – richtig. Für eine Professorin an der Stanford University ein Armutszeugnis. Was vermittelt sie eigentlich ihren Studenten/innen? Vielleicht „values“, über die sie am 25. Oktober 2011 an der Queens University in Charlotte, North Carolina, vor 2 000 Zuhörern/innen sprach.

Nicht um die Zerstörung US-amerikanischer „Werte“ während der achtjährigen Bush-Präsidentschaft ging es, sondern um den Wert der „Chancengleichheit“ für alle; er habe gelitten. In “the idea that you can come from humble circumstances and also do great things”, sah sie eine der Ursachen, die in Amerika falsch gelaufen seien. Dieser Tellerwäscher-Millionärs-Mythos war immer die seltene Ausnahme von der Regel. Condoleezza Rice hätte ihre jungen Zuhörer darüber aufklären sollen, wie die Bush-Administration mit den so genannten US-amerikanischen Werten umgesprungen ist.

Auch über das Irak- und Afghanistan-Desaster nichts Reflektiertes, das erwähnenswert wäre. Kein Wort über das „Fünf-Sterne-Wellness-Hotel“, inklusive „waterboarding“-Kur in Guantanamo Bay, Kuba, nichts über die obszönen Folterorgien in Abu Ghreib, Irak, nichts über die Kerker in Bagram, Afghanistan, nichts über die CIA-Geheimgefängnisse u. v. a. m. Das Einzige, was sie selbstkritisch über ihr Verhalten zu berichten weiß, war ihre Abwesenheit und Sprachlosigkeit während des Hurrikans Katrina, der weite Teile New Orleans verwüstet hat; in diesem Augenblick weile Rice auf Shopping- und Theatertour in New York City.

Das Buch bedient sich einer akademischen Marotte: Es vermittelt den Eindruck, als habe Rice ihren Stickwort- und Zettelkasten minutiös aufgearbeitet. So sind es auch die Anekdoten, die das Opus auflockern und konsumierbar machen. Es gibt kein Wort der Kritik an George W. Bush. Obgleich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld oder US-Vizepräsident Dick Cheney härter mit Rice ins Gericht gegangen sind, zahlt die Professorin es ihnen nicht mit gleicher Münze heim. Beide hätten nicht alles richtig gemacht. Das kritischste über Cheney klingt dann so: „Cheney mochte nicht den Wandel zu mehr Diplomatie in Bushs zweiter Amtszeit. Wenn der Präsident seinen Rat nicht annahm, war er enttäuscht“, so Rice. Irgendwie vermitteln die Ausführungen zwischen den Zeilen, dass Rice von den männlichen Bush-Kriegern nicht ganz ernst genommen worden ist.

Wie schon von Bush so bekommt Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder auch von Rice sein Fett ab. Angeblich sei Bush von Schröders Antikriegsposition geschockt gewesen. Den Satz, der auf eine deutsche Beteiligung am Irakkrieg hindeuten sollte und auf den Rice anspielt, wird von Bush in seinen Memoiren zitiert: „Wenn Sie es schnell und entschieden erledigen, dann bin ich mit Ihnen.“ Der Ex-Kanzler hatte schon bei Erscheinen der Bush-Memoiren diesen dementiert.

Die ehemalige US-Außenministerin scheint es zu bedauern, dass zur Zeit des Irak-Überfalls nicht Angela Merkel und Nikolas Sarkozy an der Macht gewesen sind. „Ich kam nicht umhin zu denken: Wie anders wäre alles gelaufen, hätten wir das Problem Saddam Hussein mit Sarkozy angehen können, statt mit Chirac im Elysée oder mit Merkel anstelle von Schröder in Berlin“, so Rice.

Dass Rice Bushs Politik des Demokratie- und Freiheitexports durch die Aufstände in der arabischen Welt bestätigt sieht, verwundert doch sehr. Eine deutlichere Widerlegung des gewaltsamen „Regimewechsels“ à la Bush hätten die friedlichen Proteste nicht liefern können. Auch kein Wort zum ersten „Regimewechsel“ durch demokratische, freie, allgemeine, gleiche und geheime Wahlen in Palästina. Die Bush-Regierung hat wesentlich dazu beigetragen, dass die mit absoluter Mehrheit gewählte Hamas-Regierung international boykottiert worden und folglich gescheitert ist.

Das Vermächtnis, dass auf Rice und den führenden Akteuren der Bush-Regierung lastet, ist enorm. Irak ist keine Demokratie, sondern immer noch eine Diktatur. Im Lande herrscht das Chaos. Jenseits der so genannten „grünen Zone“ herrscht das Recht des Dschungels. Trillionen von US-Dollars wurden im arabischen Treibsand versenkt. Von all dem Desaster liest man auch bei Rice nichts. Lange ist es her, dass ein alternder ehemaliger US-Verteidigungsminister seine Verantwortung für den Schlamassel des Vietnamkrieges öffentlich eingestanden hat, zwar spät, aber nicht zu spät. Von dieser Größe ist leider kein Strahl auf die Bush-Krieger gefallen. Von einer Professorin hätten die Leser/innen mehr Selbstkritik und Reflexion erwartet, aber in der vorliegenden Form können die Memoiren von Condoleezza Rice ihr nicht zu „Höheren Ehren“ gereichen.

Montag, 7. November 2011

Is Iran next?

Wenn die neokonservativen Kräfte in den USA und die rechtsnationalistischen Kreise in Israel weiter das Sagen haben, kann die Frage eines Überfalls auf Iran mit Ja beantwortet werden, aber noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Man kündigt einen geplanten und vielleicht sogar schon beschlossenen Überfall nicht so lautstark an, sondern nutzt den Überraschungseffekt. Was im Augenblick geschieht, ist der Aufbau einer enormen Drohkulisse, die zum Ausschluss aller Optionen bis auf die Angriffsoption führen kann. Die virtuellen Atomwaffen und die eingebildete Bedrohung durch Iran werden zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

In den vergangenen Wochen hat die israelische Regierung Signale ausgesandt, dass es vorbereitet ist, Iran anzugreifen. Ein solcher völkerrechtswidriger Überfall würden die USA in einen katastrophalen Konflikt verwickeln. Dies scheint die US-Abgeordneten wenig zu interessieren. Der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses berät erneut über die Verabschiedung eines „crippling sanctions“-Gesetzes, das die Basis für einen Krieg gegen Iran bilden soll.

Der eindeutige Hinweis, dass das Ziel dieses Gesetzes der Krieg gegen Iran ist, findet sich im Paragraph 601, in dem es heißt:

„ (c) RESTRICTION ON CONTACT - No person employed with the United States Government may contact in an official or unofficial capacity any person that -
(1) is an agent, instrumentality, or official of, is affiliated with, or is serving as a representative of the Government of Iran; and
(2) presents a threat to the United States or is affiliated with terrorist organisations.

(d) WAIVER - The president may waive the requirements of subsection (c) if the president determines and so reports to the appropriate congressional committees 15 days prior to the exercise of waiver authority that failure to exercise such waiver authority would pose an unusual and extraordinary threat to the vital national security interests of the United States.”

Was ist die politische Bedeutung dieses einmaligen Vorgangs? „It means that neither the president, the secretary of state, nor any US diplomat or emissary may engage in negotiations or diplomacy of any kind unless the president convinces the "appropriate congressional committees" (most significantly, the House Foreign Affairs Committee, which is an AIPAC fiefdom) that not permitting the contacts would pose an "extraordinary threat to the vital national security interests of the United States", schreibt M. J. Rosenberg. Wie kann sich ein Auswärtiger Ausschuss eines Abgeordnetenhauses anmaßen, allen Mitgliedern der US-Regierung, den Präsidenten eingeschlossen, diplomatische Kontakte zu einem anderen Staat zu untersagen?

Hatte nicht US-Präsident Barack Hussein Obama sich zu Beginn seiner Amtszeit für Gespräche mit Iran eingesetzt und eine neue Politik gegenüber der muslimischen Welt angekündigt? Von diesen rhetorischen Luftblasen sind nur die Expansion der durch seinen Vorgänger angezettelten Kriege und Kriegsdrohungen gegenüber Iran und die exzessive Ausweitung des Drohnenkrieges gegenüber Pakistan und andere muslimische Länder übriggeblieben. Erstmalig hat ein US-Präsident im Vorgriff auf die Expansion von Kriegen den Friedensnobelpreis erhalten.

Die Obama-Administration hat bis dato keinen ernsthaften Versuch unternommen, der Diplomatie eine wirkliche Chance zu geben, zu stark sind die politischen Kräfte in Washington, die einen Waffengang gegen Iran befürworten. Bei einem möglichen Krieg, der bestimmt kein Spaziergang für die US-Truppen in der Region werden dürfte, geht es darum, Israels hegemoniale Stellung über den Nahen- und Mittleren Osten auf Dauer zu sichern. Kein anderes Land stellt diese so in Frage wie Iran.

Iran hat mehrfach wie zuletzt durch die Freilassung zweier US-Amerikaner aus iranischer Haft signalisiert, dass es bereit ist, auf Augenhöhe mit den USA über die Nuklearfrage zu verhandeln. Die US-Regierung und insbesondere der US-Kongress haben darauf aber immer mit noch härteren Sanktionen und aggressiven Drohgebärden geantwortet. Warum entsendet die Obama-Administration nicht einen glaubwürdigen US-Diplomaten in den Iran, um die Seriosität der dortigen Führung auszuloten, aber bitte nicht Dennis Ross?

Aber an Diplomatie scheint Obama nicht mehr zu denken, wie das jüngst aufgedeckte „Komplott“ Irans in den USA signalisiert. Der Bush-Regierung in nichts nachstehend, hat man eine mehr als bizarre und komisch anmutende „Verschwörung“ Irans aus dem Hut gezaubert, die allem widerspricht, was der iranische Geheimdienst bisher getan hat. Dass die US-Medien auf diesen Schwindel reingefallen sind, spricht nicht für sie, oder sie betätigen sich wie im Fall des Irak auch jetzt wieder als Sprachrohre für einen weiteren Überfall auf ein muslimisches Land. Die neokonservativen Kriegstreiber sitzen immer noch in den Redaktionstuben der führenden Meinungsmacher in den USA und arbeiten an weiteren Propaganda spins.

Dieser „Iranian Terror Plot“ taugt noch nicht einmal für einen billigen Hollywoodstreifen. Dieses Komplott liefert den perfekten Stoff für Satiriker und Komiker. Das Drehbuch ist so kurz wie simpel: Angeblich wurde ein iranischer US-Amerikaner, ein Gebrauchtwagenhändler, der nicht in der Lage sein solle, morgens ein gleichfarbiges Paar Socken anzuziehen, von den Quds-Brigaden kontaktiert, Mitglieder der mexikanischen Drogenmafia anzuheuern, um den Botschafter Saudi-Arabiens zu ermorden und Anschläge auf die israelische Botschaft in Washington auszuüben. Der angeheuerte Mansour Arbabsiar ist nicht nur ein schlampiger „Agent“, sondern seine Glaubwürdigkeit ist gleich Null. Er wurde bereits wegen Drogenkriminalität verhaftet. Auf offiziellem Wege ließ man ihm angeblich aus Iran Geld zukommen. Die ganze Geschichte sieht eher nach einer geheimdienstlichen Räuberpistole als nach einer professionellen „Verschwörung“ durch iranische Stellen aus. Gleichwohl reiten die US-Abgeordneten immer noch dieses Steckenpferd für einen möglichen casus belli.

In Israel ist es gelungen, Außenminister Avigdor Lieberman ins Lager der Angriffsbefürworter zu locken. Die Mehrheit des sogenannten Sicherheitskabinetts hat sich noch gegen einen Überfall auf Iran ausgesprochen. Dass Israel einen möglichen Angriff plane, wurde in die Presse lanciert. Als Quellen werden die ehemaligen Geheimdienstchefs des Mossad (Meir Dagan) und des Shin Bet (Yuval Diskin) vermutet. Durch diese Indiskretion solle nicht nur ein Überfall verhindert, sondern auch Netanyahu als Ministerpräsident gestürzt werden. Merkwürdig mutet auch an, dass Präsident Shimon Peres andere Länder an ihre angeblich gemachten Zusagen im Falle eines israelischen Angriffs auf Iran öffentlich meint erinnern zu müssen. Bisher hat nur Großbritannien sich als treuer Vasall der USA angeboten, bei einem Überfall wieder dabei zu sein.

Bereits unter der Bush-Administration wurden 400 Mio. US-Dollar für verdeckte Aktionen und Geheimdienstaktivitäten in Iran zur Verfügung gestellt. CIA-Agenten erhielte freie Hand, um Terroranschläge auszuführen, Regimegegner, so genannte Aufständische zu rekrutieren, Propaganda und Lügen über das Land zu verbreiten, die Währung zu manipulieren und andere gesetzlose Maßnahmen durchzuführen. Diese illegalen und rechtswidrigen Aktionen dauern bis heute an. Zur gleichen Zeit versuchen radikale Neokonservative vom Schlage eines John Bolton und andere, die Mujahedin-e Khalq (MEK oder MOK) von der Terrorliste des State Department streichen zu lassen, um sie legal mit Geldern unterstützen zu können.

Die US-Außenpolitik hat auch immer eine starke innenpolitische Komponente. Bereits im Februar 2010 hat der antimuslimische Extremist Daniel Pipes Obama den Rat erteilt, Iran anzugreifen, um seine Wiederwahl zu sichern. Tatsächlich steht es um eine zweite Amtszeit Obamas nicht zum Besten. Ökonomisch liegt das Land am Boden, die Arbeitslosigkeit steht auf Rekordniveau, ebenso die Anzahl der Armen, Obamas Popularität ist auf einem Allzeit-Tief, der Krieg in Afghanistan ist unpopulär, und der Abzug aus Irak wird von der Kriegslobby und den Neokonservativen kritisiert, weil er nur Iran nütze. Nicht Alarmismus sondern Entwarnung wäre eher angebracht, denn die USA bringen ihre Besatzungstruppen nicht nach Hause, sondern verlegen sie nur in die an Iran angrenzenden Länder. Außerdem haben die USA eine Botschaft von der Größe des Vatikan-Staates in Bagdad, in der auch in Zukunft tausende von Diplomaten, CIA-Agenten, Militär, Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen, Kontraktors und andere fragwürdige Gestalten die irakische Regierung überwachen werden.

Obama repräsentiert ein Land, das scheinbar ohne Kriege nicht leben kann. Sein Drohnenkrieg suggeriert, dass kein Land vor einem US-Angriff sicher sein kann. Das Ziel der US-Strategie im Mittleren Osten ist eine „Balkanisierung“ der Region. Sie soll über eine Fragmentierung von Ländern entlang ethischer Kriterien erfolgen, wie im Irak bereits praktiziert. Für Pakistan und Iran ist ähnliches vorgesehen. Den US-Geostrategen schwebt ein „Groß-Belutschistan“ vor, in dem iranische und pakistanische Belutschen unter einer US-Marionetten-Regierung eine US-freundliche Politik betreiben sollen. Wie schreibt Carl Boggs in seinem Buch „The Crimes of Empire“ nicht ohne Grund: „The U. S. stands today as the most fearsome outlaw nation in the world, its leaders having contributed to a steady descent into global lawlessness.“

Die USA haben ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem in Fragen der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Solange Israel ein Atomwaffenarsenal von bis zu 300 Sprengköpfen unterhält, den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat, keinerlei Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde in Wien zulässt und das palästinensische Volk seit mehr als 44 Jahren einer brutalen Militärbesatzung unterwirft und andere Länder angreift und mit Krieg droht, solange kann die US-Regierung von keinem anderen Land verlangen, sich keine Atomwaffen zuzulegen, weil sie anscheinend die einzige Garantie dafür sind, dass Länder von den USA und ihren Verbündeten nicht überfallen werden. Der Irak ist das beste Beispiel. Hätte Saddam Hussein wirklich Atomwaffen besessen, wäre die Bush-Regierung nicht in das Land eingefallen.

Von der iranischen Führung hat man bis heute noch keine Drohungen gegenüber anderen Ländern vernommen. Auch hat Iran in den letzten 200 Jahren keine Kriege geführt, im Gegenteil es wurde immer Ziel militärischer Aggressionen, zuletzt musste es sich gegen einen von den USA, dem gesamten Westen und Saddam Hussein inszenierten Krieg verteidigen. Dieser Krieg forderte 1 Million Tote auf iranischer Seite. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit spricht Netanyahu über eine angebliche Bedrohung, die ein „nuklearer“ Iran nicht nur für Israel, sondern für die Region und für die ganze Welt darstelle. Für die Israelis ist es bereits fünf nach Zwölf, was das virtuelle Atomprogramm Irans betrifft. Aber mit den israelischen Voraussagen über die iranische „Atombombe“ verhält es sich wie mit den Voraussagen christlicher Fundamentalisten über den Weltuntergang.

Gespannt darf man auf den Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde sein. Ihr neuer Chef ist Amerikahörig, sodass im Gegensatz zum letzten Bericht einige Merkwürdigkeiten stehen dürften, von denen man auf das Fortschreiten des Atomprogramms schließen kann, obgleich es trotz Inspektionen keine neuen Erkenntnisse gibt. Auch an der Einschätzung der 17 US-Geheimdienste hat sich gegenüber 2007 nichts geändert. Immer noch gilt, dass Iran sein Atomprogramm 2003 eingestellt habe.

Es gibt also keine verwertbaren neuen Erkenntnisse, die einen Überfall rechtfertigen könnten, außer Gerüchten. Wollen die USA es zulassen, dass ihr Schützling sie in einen Krieg verwickelt, dessen Auswirkungen nicht prognostizierbar sind? Angenehm werden sie für keine der Parteien sein, glaubt man den Reden iranischer Politiker und der Geistlichkeit. Aber wie schreibt Paul L. Atwood von der University of Massachusetts in dem Buch „War and Empire“ über sein Land: „War is the American way of life.“ Die US-amerikanische Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie ein Land mit dem Schwert lebt, um „Frieden“ zu schaffen. Folglich steht der Welt ein weiterer Waffengang des US-Imperiums bevor.

Bildnachweis: Bob Boldt, Editor of MWC news. Thanks for the favor.