Ein realitätsnäherer Titel für dieses Sammelsurium desperater Artikel wäre gewesen: „Deutschland, Iran und die israelischen Bomben“. Auch von einer substantiellen „Entgegnung“ auf das „Gedicht“ von Günter Grass kann keine Rede sein. Was der Autor den Lesern/innen jedoch ermöglicht, ist ein kleiner Einblick in seine verquere Weltsicht. Aber wer von diesem Autor etwas anderes erwartet hätte, sollte sich mit seiner politischen Vergangenheit und seinem Charakter beschäftigen.
Bis zum Zusammenbruch des Kommunismus war der Autor noch in Sachen kommunistischer Weltrevolution unterwegs. Nach 1990 hatte dieses Geschäftsmodell keine Zukunft mehr. Seither zieht er u. a. gegen den Islamismus, Jihadismus, „arabischen Antisemitismus“ und die nicht existenten iranischen Atomwaffen zu Felde. Was er dazu bereits zu Papier gebracht hat, wurde vom Islamwissenschaftler Alexander Flores in der Zeitschrift „Universitas“ wie folgt bewertet: „Wie jeder Antisemitismus sollte auch der arabische scharf bekämpft werden. Erste Voraussetzung dafür ist seine genaue Erkenntnis. Küntzels Buch, das in der Analyse des Phänomens einer fixen Idee folgt und seinen Zusammenhang mit dem Palästinakonflikt ausblendet, dient seiner wirklichen Erkenntnis – und damit auch seiner Bekämpfung – nicht.“ In der „Frankfurter Rundschau“ resümiert Flores über das gleiche Pamphlet: "Küntzels Analyse verkennt das Phänomen“.
Wer die brutale Wirklichkeit des Nahostkonflikts weitgehend in seinen Analysen über die arabisch-muslimische Welt und die massiven Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverstöße der 45-jährigen israelischen Besatzungsherrschaft ausblendet, dessen Analysen mangelt es an Realitätssinn. An dieser Einseitigkeit kranken alle „Analysen“ dieses Autors, weil er die Bedeutung dieses Konfliktes für das politische Bewusstsein nicht nur der Araber, sondern auch der Muslime weltweit unberücksichtigt lässt. Selbst das minimalste Verständnis für diese Region lässt er vermissen. Er schulmeistert in einer emotional-agitatorischen Sprache im Stile eines antideutschen und neokonservativen Kolonialherrn alle diejenigen Politiker oder Wissenschaftler, die eine differenzierte Meinung zu Iran, „arabischen Antisemitismus“, Nahostkonflikt usw. haben. Überhaupt ist es verwunderlich, wie eine angeblicher „Scholar for Peace in the Middle East“ so ideologisch verbohrt sein kann. Aber wer bei Organisationen wie „Stop the Bomb“ oder dem „Mideast Freedom Forum Berlin“ mit agitiert, darf sich über dessen schriftliche Ergüsse nicht wundern.
Neben seinem „Expertenwissen“ in Sachen „arabischer Antisemitismus“ hat sich der Autor als „Iran-Experte“ versucht. Auch dieses Experiment ist vor den Augen der wirklich Sachkundigen durchgefallen: So jage der Autor nicht nur einer „Fixen Idee“ nach, sondern sein Iran-Buch sei „von einer absoluten Unkenntnis der iranischen Gesellschaft geprägt“. Nach Meinung des Autors, so die Rezensentin, sei die „Hitler-Begeisterung“ eine Grundlage für die guten deutsch-iranischen Beziehungen! Die einzigen, welche die „Expertise“ des Autors aber immer noch zu schätzen scheinen, sind die zahlreichen Israelfans. Bedient er doch alle Vorurteile in Bezug auf Iran in einer wissenschaftlich verbrämten Sprache. Die Erwiderung des Autors auf die adäquate Besprechung der Professorin für Islamwissenschaft erfährt die gleiche von politischer Besessenheit geprägte Antwort, die alle anderen Artikel dieses Sammelbandes auch durchzieht.
Das einzig Seriöse an seinem jüngsten Buch scheinen die Gliederung und der Dokumentenanhang zu sein, aber was danach die Leser/innen erwartet, ist nicht nur starker Tobak, sondern schlicht unseriös. Folgende Sätze muss man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen, weil sie nicht nur von historischer Unkenntnis, sondern auch von ideologischer Verblendung geprägt sind: „Immer wieder hat Teheran dreist und selbstbewusst gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen.“ (47) Und weiter geht’s: „In seiner Kairoer Rede sicherte auch Barack Obama dem antisemitischen Regime das Recht auf Atomenergie, sofern es sich an den Sperrvertrag halte, zu.“(49 f.) Der Autor scheint nicht zu wissen, dass jedes Land, das den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat, natürlich das Recht hat, eine Nuklearindustrie aufzubauen und zu betreiben. Dagegen hat Israel den NPT-Vertrag nicht unterschrieben und verfügt über geschätzte 200 bis 300 Atomraketen, die keiner internationalen Kontrolle unterliegen und die eine Bedrohung für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens darstellen. Übrigens: Iran hat bis dato weder gegen den NPT-Vertrag verstoßen und schon gar nicht „dreist“! Die minutiöse Einhaltung des Vertrages scheint auch das größte Problem für die Kriegstreiber darzustellen, weil sie immer wieder Vorfälle initiieren, die als Vorwand für einen Angriff auf Iran herhalten könnten. Die IAEA-Inspektoren gehen in den iranischen Atomanlagen ein und aus und haben nichts Verdächtiges gefunden, was auf den Bau einer „Bombe“ hinweist. Warum nehmen sie sich nicht einmal die israelischen und US-amerikanischen Anlagen vor?
Dass folgender politischer Unfug bisher nur auf der Website des Autors erschienen konnte, überrascht nicht, aber dass der LIT-Verlag die seriösen publizistischen Mindeststandards - wohl bewusst - unterboten hat, scheint nicht auf ein sorgfältiges Lektorat zu schließen. Für die „israelfeindliche Stimmung“ (der Autor meint Deutschland) seien in erster Linie die Medien verantwortlich. (56) „Schreiben Journalisten so verdreht über Israel, weil die Leute es wollen, oder ist es umgekehrt? Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass viele Deutsche die permanente Berieslung mit ‚Angriffen‘ und ‚Verbrechen‘ des jüdischen Staates wie Balsam für ihre Seele empfinden: Wenn auch Juden schlimme Verbrechen begehen, sind wir moralisch quitt. Vielleicht liegt es an dieser Projektion, dass 65 Prozent der Deutschen auf die Frage, welches Land sie als die größte Bedrohung für den Weltfrieden betrachteten nur ein Antwort kannten: Israel. Heute ist es diese Paranoia, die Ahmadinejad in die Hände spielt.“ (56) Es scheint, als funktioniere der moralische Kompass der Europäer noch. Würde der Autor die Drohungen der beiden „messiancs“ (Yuval Diskin, Ex-Inlandsgeheimdienstchef, über Netanyahu und Barak) und den Widerstand des überwiegenden Teils des israelischen Sicherheitsestablishments gegen einen Überfall auf Irans Nuklearanlagen zur Kenntnis nehmen, müsste ihm eigentlich ein Licht aufgehen.
Entwaffnend für den Autor ist die Präsentation eines auf einem abgelehnten Artikel für die Tageszeitung „Neues Deutschland“ (ND) beruhenden Email-Austausches. Die Redaktion schrieb ihm, dass er am Thema vorbeigeschrieben habe, „und zweitens fehlt ihm (dem Artikel L. W.) jede journalistische Seriosität“. Wow, das hat gesessen. Polemisch antwortet der Autor: „Sie scheinen pünktlich zum 50. Jubiläum des „ND“ beweisen zu wollen, dass sich an der Zeitung im Prinzip nichts geändert hat. Glauben Sie denn wirklich, Sie können die Argumente, die ich anführe, so zum Schweigen zu bringen?“ Natürlich nicht, kann man antworten, der LIT-Verlag war sich nicht zu schade, auch diesen unqualifizierten Beitrag unredigiert zu veröffentlichen. Warum haben die Tageszeitungen „Die Welt“ oder andere neokonservative Blätter den „ausgezeichneten“ Artikel des Autors nicht mit Handkuss genommen?
Der Beitrag „Deutschland, Iran und die Linkspartei“ ist nicht nur vom journalistischen Standpunkt völlig indiskutabel, sondern er zeigt auch exemplarisch, wie schräg das Weltbild des Autors inzwischen geworden ist. So schreibt er: „Treibt sie (die Linkspartei L. W.) den Kampf gegen den iranischen Faschismus, Antisemitismus und Atomwahn voran? (…) Es war aber nicht der Antisemitismus des iranischen Präsidenten, der Lafontaines Zorn erregte, sondern die ‚pharisäerhafte‘ und ‚nicht haltbare‘ Iran-Politik des Westens.“ (91) (…) „Ob die Führung eines Landes vom Märtyrerkult besessen ist oder nicht, ob sie einen anderen Staat erklärtermaßen auslöschen will oder nicht – all das scheint Peach egal zu ein.“ (Professor Norman Peach war bis 2009 außenpolitischer Sprecher der Partei „Die Linke“ im Deutschen Bundestag L. W.) Oder folgender Satz: „Die Nonchalance gegenüber der Androhung eines neuen Genozids und die Ablehnung jeglicher Sanktionspolitik durch die Bundestagsfraktion (Die Linke L. W.) machen deutlich, wie wenig die Katastrophe Auschwitz und der Vernichtungsantisemitismus der Nazis das Bewusstsein dieser Linken in Wirklichkeit tangiert. (…) Offenkundig hat die eingeschliffene Gegnerschaft zu den USA und Israel die Fähigkeit zerstört, neue Formen des Antisemitismus und die Bedrohung Israels mit Massenvernichtungswaffen auch nur zu erkennen, geschweige denn dagegen anzugehen.“ (93) Zu diesem unerquicklichen Email-Verkehr schrieb abschließend der zum 1. August ausgeschiedene Chefredakteur des „ND“, Jürgen Reents: „Wünsche Dir, dass Du irgendwann heil und ohne Uniform aus diesem gedanklichen Irrgarten rauskommst.“
Zu den „Lieblingsfeinden“ des Autors scheinen der ehemalige Direktor der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), Christoph Bertram, und sein Nachfolger, Professor Volker Perthes, zu gehören. Der SWP ist es hoch anzurechnen, das sie trotz Dauerbeschuss von gewissen Kreisen, die Entwicklung in der arabischen Welt durch die Brille des politischen Realismus und nicht der ideologischen Verblendung sieht. So wird Bertram dafür kritisiert, weil er geschrieben habe, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht hinter jede „Katastrophenwarnung Israels stellen“ sollte. (159) Dass sich Bertram in seinem Buch „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik“ einsetzt, ist nur zu begrüßen, weil er damit der Vernunft ein Bresche geschlagen hat. Auch Perthes bekommt sein Fett ab. Er gehöre zur „Gruppe der Merkelgegner und Regimepartner“. Was der Autor an Perthes-Aussagen zur Iran-Politik zitiert, ist überaus vernünftig und sollte generelle Politik der Bundesregierung werden. Allen Ernstes schreibt dieser „Iran-Experte“: „Bertram und Perthes treten öffentlich für eine deutsche strategische Partnerschaft mit der weltweit einzigen antisemitischen und den Holocaust leugnenden Macht dieser Erde ein.“ (160) Selbst der bereits lange verstorbene Iran-Experte der SWP, Johannes Reissner, wird noch posthum in ein negatives Licht gesetzt, weil er die iranischen Rüstungsanstrengungen überwiegend als defensiv eingeschätzt hat. Auch der Lehrbeauftragte an der Universität Bonn, Kinan Jäger, wird angemacht, weil er eine andere Sicht als die Iran-Besessenen vertritt. (150)
Vielleicht sollte sich der Autor doch einmal auf die Fakten und die Realität einlassen: Alle bisherigen Einschätzungen der 17 US-Geheimdienste bestätigen, dass Iran nicht den Bau einer Bombe verfolge. Nach dem jüngsten von Israel-„messiancs“ in die Presse lancierten angeblichen aktuellen US „National Intelligence Estimate“ baue Iran doch an einer Bombe. Dummerweise ist der US-Regierung von der "neuen" Einschätzung ihrer „eigenen“ Geheimdienste nichts bekannt! Selbst das Gerede von der angeblichen „Zerstörung Israels“ ("wiping Israel off the map") ist schon lange als eine falsche Übersetzung entlarvt worden. Selbst der stellvertretende israelische Ministerpräsident Dan Meriodor bestätigte in einem Interview gegenüber dem arabischen Fernsehsender „Al Jazeera“, dass der iranische Präsident falsch zitiert worden sei! Wenn der iranische Präsident, dessen Amtszeit im März 2013 ausläuft, angeblich von einem „Judenhass“ und „Antisemitismus“ besessen ist und den Holocaust permanent leugne, drängt sich die Frage auf, warum er dann nicht gegen die über 35 000 iranische Juden zählende Gemeinde in Iran vorgeht oder darüber nachdenkt, sie nach Israel auszuweisen? Warum liest der Autor nicht einmal die Beiträge von Roger Cohen in der „New York Times“ über das gute Verhältnis zwischen der iranisch-jüdischen Gemeinde und der iranischen Regierung oder beschäftigt sich mit dem „israelischen Massenvernichtungswaffenprogramm“, wie es jüngst Oberstleutnant a. D. Jürgen Rose in seinem Beitrag „Israel: Ein Goliath im Gewande des David“ in der Zeitschrift „International“ genannt hat? Oder er könnte auch einmal der Frage nachgehen, warum die arabischen Juden (Mizrahim) unter einer massiven Diskriminierung seitens der Aschkenasim in Israel leiden? Die Liste solcher Fragen ließe sich bis ins Unendliche fortführen, realistische Antworten darauf erhält man aber nicht in dem vorliegenden Buch.
Man hätte durchaus noch mehr von diesen politisch-schrägen Ausführungen den Lesern/innen präsentiert können, was die Sache aber nicht besser gemacht hätte. Wer gern seine politischen Vorurteile bedienen möchte, ist mit diesem politischen Pamphlet bestens bedient. Leider findet man in diesem Buch nichts über die Realität; diesbezüglich ist es faktenfrei. Fazit: Der gruseligste Horrorthriller kann dieses Buch nicht toppen.