Mittwoch, 18. September 2013

Uwe Krüger, Meinungsmacht

Der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger hat in seiner Dissertation, die unter dem Titel „Medienmacht“ soeben erschienen ist, erstmalig ein institutionelles Macht- und Beziehungsgeflecht, in dem sich die „Opinion Leader“ wie Fische im Wasser bewegen, sowie den Einfluss von so genannten Alpha-Journalisten auf die Meinungsbildung durch führende „Leitmedien, untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd und erschreckend zugleich. 

Krügers Thesen sind pointiert, spiegeln jedoch durchaus die Realität der täglichen Kommentare wider, und dies nicht nur in den Leitmedien. So würden sich die Kommentatoren der untersuchten Zeitungen wie „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), „Die Zeit“ und „Die Welt“ einer Übernahme von Begriffen und Techniken der Kriegspropaganda bedienen. So spiele „Frieden als Wert an sich“ in diesen Medien „keine Rolle“. Ein Einsatz und ein Verlust an Menschenleben würden als „hinnehmbar oder sogar geboten“ erachtet. Es herrsche eine starke Identifikation mit „dem Westen“ vor; wer sich diesem widersetzte, werde der „Barbarei“ geziehen, der man mit „kalter Entschlossenheit“ begegnen müsse. 

Diese spitzen Thesen werden anhand von ausgewählten Kommentaren von Klaus Frankenberger (FAZ), Stephan Kornelius (SZ), Josef Joffe (Die Zeit) und Michael Stürmer (Die Welt) exemplifiziert. Die Kapitel fünf bis sieben sind die entscheidenden, die ersten vier sind den theoretischen Ansprüchen einer Dissertation geschuldet. Diese „Alpha-Tiere“ des Journalismus lassen jedoch jegliche Distanz zu ihrem Gegenstand vermissen, ja, sie identifizieren sich mit den Vorgaben der Politik und begreifen sich als deren Transmissionsriemen, ohne die geopolitischen Vorstellungen kritisch zu hinterfragen. 

Der Autor hat ein Geflecht verschiedenster Institutionen und Organisationen der Außenpolitik entworfen, in dem nur noch das Pentagon fehlt. In diesem organisatorischen „Wirrwarr“ ist die deutsche Medienelite „eingebettet“, unterhält ein „Ego-Netzwerk“ in diesem Nato-Milieu und verbreitet dessen expansive Ideen zum Teil kritiklos weiter, um die Kluft zwischen einer kriegswilligen Elite und einer kriegsunwilligen Bevölkerung zu schließen, was besonders für Deutschland zutrifft. Die „Vereinnahmung“ in dieses Sicherheitsmilieu wird besonders in Kapitel sechs deutlich, in dem es um die „Ausweitung der Kampfzone durch Eliten und Leitmedien“ geht. Unkritisch wird der so genannte „erweiterte Sicherheitsbegriff“, den die Kriegsstrategen des Pentagon und der Nato definiert haben, von den Journalisten übernommen, wider jegliche journalistische Distanz und ethische Hinterfragung der Prämissen. Die Panik-Mache, die von den politischen Eliten verbreitet wird, werde unkritisch von diesen „Leit-Journalisten“ in ihre Kommentare übernommen. 

Krügers Untersuchung zeigt, wie eng Deutschlands Top-Journalisten mit dem außenpolitischen und militärischen Establishment verbunden sind, sodass die unterschiedlichen Interessen nicht mehr deutlich zu erkennen sind. Da es sich dabei um Journalisten handelt, die in Lohn und Brot von Medienkonzernen stehen, erscheint dies nicht verwunderlich. Es seien „Elite-Journalisten“ die nur für die Eliten schreiben. Warum sollen sie die Interessen der einfachen Menschen vertreten? Dies lässt sich am besten an dem politischen Dummspruch zeigen, nach dem Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde. Dass die Medienelite dieser politischen Aussage nicht nur eine seriöse Zeile, sondern ganze Kommentare gewidmet hat, zeigt, dass es dabei um „übergeordnete“ Ziele, sprich die Kriegsbereitschaft der Menschen auf eine höheres Niveau zu hieven, geht. Die Sicherheit des eigenen Landes steht nicht mehr im Vordergrund der Verteidigungspolitik, sondern sie werde „globalisiert und ausgeweitet“, so der Autor. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zur „Bush-Doktrin“, nach der aufgrund einer antizipierten „Bedrohung“ ein anderes Land überfallen werden kann. 

Anstatt sich mit dem Desaster des Afghanistan und Irak-Abenteuers kritisch auseinanderzusetzen, werden jetzt bereits fleißig die journalistischen Kriegstrommel gegen Syrien und Iran geschlagen. Vielleicht sollten sich diese „Pentagon-Journalisten“ einmal Gedanken um die Ausgestaltung der „Siegesparaden“ der gedemütigten Nato-Truppen machen, wenn diese 2014 aus Afghanistan zurückkehren. 

Der Autor fordert zu Recht eine gewisse Distanz zwischen Journaille und Sicherheitsestablishment. Wenn Journalisten in Gremien von sicherheitspolitischen Lobbyvereinen sitzen, können sie nicht mehr unbefangen über deren Strategien berichten. Vielleicht sollten sich die Medienkonzerne einmal die Mitgliedschaften ihrer meinungsführenden Journalisten ansehen, um feststellen zu können, dass diese mit einem Journalisten Ethos und einer unbefangenen Berichterstattung nicht mehr zu vereinbaren sind. 

Dass Uwe Krügers Untersuchung diesen Medien nicht gefällt, darf vorausgesetzt werden, da diejenigen, die am häufigsten Kritik üben, auf Kritik überaus empfindlich reagieren. Eine erhellende Studie, die einiges über die wirklichen Interessen der deutschen Medienelite aussagt und deren Stellung erschüttern könnte.