Uri Avnery gehört neben Yeseyahu Leibowitz, Israel Shahak und Felicia Langer zu denjenigen Israelis, die den israelischen Regierungen immer wieder die Leviten gelesen haben und ihrer Zeit weit voraus waren. Am 10. September wird Uri Avnery 90 Jahre alt. Noch kein „biblisches“, aber ein sehr hohes Alter.
In Beckum 1923 geboren, flohen seine Eltern 1933 vor der Nazi-Diktatur nach Palästina. Avnery schloss sich 1938 der revisionistischen Irgun an, verließ diese Organisation aber 1942 wegen deren Terroranschläge gegen die britische Mandatsmacht und die palästinensische Bevölkerung. Wie fast alle Einwanderer kämpfte er im ersten israelisch-arabischen Krieg 1948 auf der Seite der zionistischen Verbände. Er wurde schwer verwundet.
1949 veröffentliche er sein Kriegstagebuch unter dem Titel „In den Feldern der Philister“. Seine Karriere als Journalist und Herausgeber begann 1950 mit der Gründung des israelischen „Spiegel“ – haOlam haZeh. Daneben gehörte er zehn Jahre als Abgeordneter der Knesset an. Wegen seiner politischen Ansichten wurde 1975 ein Attentat auf ihn verübt, das er schwer verletzt überlebte.
Avnery entsprach nie dem „Idealbild“ eines Israelis. So setzte er sich bereits für einen Ausgleich mit den Palästinensern und für einen Palästinenserstaat ein, als man beide Wörter in Israel nicht in den Mund nehmen durfte. Er war der erste, der sich mit dem „Terroristen“ Yassir Arafat traf, und zwar im Juli 1982 im „Bunker“ von Beirut, was nach israelischem Recht absolut verboten war. Damals bezeichnete Menachem Begin, Israels Ministerpräsident, Arafat als Wiedergänger von „Hitler im Bunker“, und Avnery war mittenmang dabei!
Wie kaum ein anderer setzt sich Uri Avnery seit Jahrzehnten für eine Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern und für einen gerechten Frieden im Nahen Osten ein. 1993 gründete er zusammen mit Gleichgesinnten die Friedensbewegung Gush Shalom. Seither versucht er, nicht nur die israelische politische Elite, sondern auch die westliche Öffentlichkeit von seinen Ideen eines friedlichen Zusammenlebens beider Völker in eigenen Nationalstaaten zu überzeugen. Avnery lehnt aus guten Gründen eine Ein-Staatenlösung ab, nicht nur aufgrund seiner zionistischen Überzeugungen, sondern auch aus realpolitischen Gründen, weil er sich um die Kräfteverhältnisse in Israel und der internationalen Staatengemeinschaft keinerlei Illusionen hingibt.
Avnery ist nach wie vor davon überzeugt, dass die Osloer Verträge nicht tot sind und eine Grundlage für einen Ausgleich bilden könnten. Hier scheint eher der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein. Oslo bedeutete nach der Katastrophe von 1948 und 1967 das endgültige „Aus“ für die Schaffung eines souveränen Staates für das palästinensische Volk. In Palästina werden „Homelands“ entstehen, welche die „Eingeborenen“ Staat nennen können. Dieser Vertrag von Oslo wurde zwischen der viertstärksten Militärmacht der Welt und einem kolonisierten Volk „abgeschlossen“. Es ist zwar richtig, dass es in Palästina zwei Nationen gibt, die dazu verdammt sind, zusammenzuleben oder zusammen zugrunde zu gehen. Beide Völker werden sich natürlich für ersteres entscheiden. Damit das Geburtstagskind die Gründung eines „Palästinenserstaates“ noch erlebt, sollte er so alt werden wie Methusalem. Yom Huledet Same’ach Uri Avnery.