Mittwoch, 30. Oktober 2013

Israelkongress 2013: Don’t connect for tomorrow

Jüdische Deutsche mit einem realistischen Blick auf Israel: Felicia Langer, Abi Melzer, Rolf Verleger und Evelyn Hecht-Galinski.
Zum dritten Mal findet am 10. November ein so genannter Israelkongress statt, erstmalig im Internationalen Kongresszentrum in Berlin. Das Motto „Connecting for tomorrow“ soll das auf diesen Kongressen verbreitete Propaganda-Image Israels im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung verankern. Die Organisatoren beklagen, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Israelbild der politischen Klasse und dem der Bevölkerung gebe. Gott sei Dank, kann man da nur sagen. Es wäre schlimm, wenn die Masse der Bürger/innen ebenfalls das Cliché von einem „beautiful Israel“ pflegen würde, das aus Desinformation und Manipulation besteht. Mit allen propagandistischen Mitteln soll nun das realistische Israelbild der Menschen in Deutschland dem Propagandaimage der politischen Klasse angepasst werden. 

Wie Umfragen der letzten Jahre bestätigen, sehen zwei Drittel der Deutschen und auch der europäischen Bevölkerung Israel als die größte Bedrohung für den Weltfrieden. Nachdem diese Prozentzahlen auch von einer EU-Umfrage aus dem Jahre 2003 bestätigt worden sind, wurde diese im Giftschrank weggesperrt. Im Gegensatz zur politischen Klasse können die Menschen in Deutschland und in Europa noch gut unterscheiden, wer der Aggressor und wer der Leidtragende im Nahen Osten ist. Der Staat Israel als Kolonial- und Besatzungsmacht ist im 21. Jahrhundert ein Anachronismus. Wie man mit einer Besatzungsmacht ein „wahre Wertegemeinschaft“ eingehen kann, bleibt das Geheimnis der Veranstalter.

Schirmherren und Schirmfrau dieses Kongresses sind der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, die Verlegerin Friede Springer und Yacov Hadas-Handelsman, Botschafter Israels in Deutschland,. Gesponsert wird dieser Kongress u. a. von der Lotto-Stiftung Berlin Mitte, von der Deutschen Telekom, der Deutschen Bank, dem Wirtschaftsministeriums und der Wirtschaftssenatorin von Berlin. Selbst der abgewählte noch-Wirtschaftsminister Philipp Rösler gibt am 11. November einen Empfang, zu dem die Mitglieder der letzten Wirtschafts-Delegation eingeladen sind, die Israel besucht hatte.

Diese unausgewogene und einseitige Veranstaltung wird sogar von vier parteinahen Stiftungen sowie von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung unterstützt. Eine rühmliche Ausnahme bildet die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die für diesen Auftrieb der überwiegend rechtskonservativen Redner ihren guten Namen nicht hergeben wollte. Den Veranstaltern schwebt wohl vor, ein gleiches Polit-Spektakel zu inszenieren wie AIPAC in den USA. Zu deren jährlicher Politshow pilgert fasst die gesamte politische Klasse der USA, einschließlich des Präsidenten. 

An prominenter Stelle der Unterstützer werden auch in diesem Jahr die christlichen Fundamentalisten genannt. Diese Philosemiten werden von Kritikern als verkappte Antisemiten angesehen, so genannte „Wölfe in Schafspelz“, um eine Politphrase Netanyahus zu gebrauchen. Zu ihnen gehört: Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (Sponsor); zu den „Freuden“ und „Unterstützern“ gehören: Evangelische Marienschwesternschaft e. V., Internationaler Bibellehrerdienst Deutschland, Christliche Freunde Israels. Wie Rabbiner über diese so genannten „christlichen Freunde Israels“ denken, zeigen folgende Zitate: 

Zur „Judenmission“ dieser „christlichen Freunde Israels“ sagte der Vorsitzende der Rabbinerkonferenz in Deutschland, Henry G. Brandt: Sie sei ein "feindlicher Akt, eine Fortsetzung des Wirkens Hitlers auf anderer Basis". Und Dr. Jürgen Bühlern, der Leiter des Deutschen Zweig der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem, spricht vom: "zukünftigen messianischen Reiches Israel", das dann wohl das jüdische Reich ablösen soll. Bühlern weiter: "Noch erfreulicher jedoch ist, dass die Zahl der Juden, die an Jesus als Messias glauben, in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat..." 

Und für Rabbiner Chaim Z. Rozwaski sei das „Messianische Judentum“ der Versuch, „das jüdische Volk durch Entstellungen sowohl des Christentums als auch des Judentums zu zerstören“. „Messianisches Judentum“ sei ein „fortdauernder Versuch, Juden durch verführerische Reden und Arglist zu gewinnen, es ist die Fortführung der Shoah mit anderen Mitteln“. Die Kooperation zwischen den antijüdischen christlichen Fundamentalisten und der „Israellobby“ scheint nach dem Motto abzulaufen: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Bemerkenswert ist, dass sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft nicht an dieser Propaganda-Show beteiligt; von 51 Arbeitsgemeinschaften nehmen nur drei teil.

Ein breites Bündnis aus der Palästina-Solidarität und des kritischen Judentums haben einen bemerkenswerten Brief an die Vorsitzenden der fünf Stiftungen geschrieben und darauf aufmerksam gemacht, welche dubiosen Veranstalter und Redner sich auf diesem Kongress tummeln. Der Brief schließt mit einem Zitat des südafrikanischen Bischofs Desmond Tutu: In einer Konfliktsituation sei es eine moralische Pflicht, auf die Stimme des Opfers zu hören. „If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor. If an elephant has its foot on the tail of a mouse and you say that you are neutral, the mouse will not appreciate your neutrality”, so Tutu. 

Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost (EJJP) hat für den 10. November zu einer Protestveranstaltung vor dem Kongresszentrum aufgerufen. Der Protest richtet sich vor allem gegen die Teilnahme des Jüdischen Nationalfonds (JNF), der an maßgeblicher Stelle an der Kolonisierung Palästinas beteiligt ist. Die Satzung des JNF legt fest, dass er Land nur an Juden verkaufen oder verpachten darf.

Auf diesem Kongress gibt es keine liberale oder kritische Stimme, geschweige denn eine palästinensische. Für solch eine extrem einseitige Veranstaltung dürfte es keinerlei Unterstützung seitens des Staates, staatlich finanzierter Stiftungen oder anderer namhafter Organisationen geben. Solidarität sollte es nur mit den Unterdrückten und nicht mit dem Unterdrücker geben.

Samstag, 26. Oktober 2013

Stop Aid to Israel`s Occupation of Palestine

Removed Billboard in L. A.
In den USA gibt es zahlreiche Organisationen, die mit oft spektakulären Aktionen Aufmerksamkeit erregen, wie zum Beispiel die „Coalition to stop $ 30 billion to israel“. Im Juni letzten Jahres schloss diese Organisation mit „CBS Outdoor“, die zum Mediengiganten CBS gehört, einen Vertrag über die Präsentation von 23 Werbetafeln in Los Angeles und umliegenden Städten, auf denen für vier Wochen obiges Plakat gepostet werden sollte. Die Freude der Organisatoren währte jedoch nur eine Woche, denn „CBS Outdoor“ entfernte die Plakate und kündigte den Vertrag und erstattete das Geld zurück. Begründung: Die Organisation habe den Namen „CBS Outdoor“ ohne Genehmigung benutzt. 

Plakate mit Slogans gegen Israels Menschenrechtsverletzungen oder gegen Israels völkerrechtswidrige Besatzung Palästinas in Detroit, Seattle, New York, San Francisco, Sacramento und Albuquerque waren erfolgreich. In Denver, Colorado, konnte ein Kooperationsprojekt von „No Tax Dollars to Israel“ und „Colorado BDS Campaign“ ihren Slogan nur durchsetzten, weil die Gruppen auf eine Strategie zurückgriffen haben, die von der islamophoben Pamela Geller in New York erfolgreich angewendet worden ist.

In Deutschland gelingt es der palästinensischen Solidaritätsbewegung nicht, vergleichbare Aktionen auf die Beine zu stellen. Die Veranstalterin der Wanderausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“, die bisher in zahlreichen Städten gezeigt werden konnte, muss sich jedoch immer häufiger gegen politische Verleumdungen zur Wehr setzen. Auch die Kirchen knicken gegenüber dem Druck von Lobbyisten ein. Sowohl in den USA als auch Deutschland muss noch viel Aufklärungsarbeit über die Besatzungsverbrechen der diversen israelischen Regierungen gegenüber den Palästinensern geleitet werden, um einen Stimmungswandel zu erreichen.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Aufstand der "US-Vasallen"

Plötzlich ist das Geschrei in Deutschland und Europa wieder groß. Die Zwerge proben zum wiederholten Mal den Aufstand gegen den Goliath, der sie vollumfänglich abhört und bespitzelt. Was seit den Enthüllungen von Edward Snowdon aktenkundig geworden ist, dass das US-Imperium seine Kolonien in Europa und deren Repräsentanten flächendeckend abhört und ausspioniert, wird jetzt wieder aufgebauscht, nachdem bekannt geworden ist, dass die NSA das Handy der deutschen Bundeskanzlerin angezapft haben soll. 

So what, könnte man sagen, ist doch sowieso Routine! Dies machen die USA doch schon seit Jahren, und nicht nur die Kanzlerin wurde abgehört und ihre Mails gespeichert, sondern alles, was die politische Klasse in Deutschland so von sich twittert und mailt, wird von dem „Großen Bruder“ und „Freund“ aufgezeichnet und gespeichert. Was die NSA nicht ausspioniert, macht der britische Geheimdienst. Und dies geht bis heute auch weiter, trotz aller „Proteste“. Erscheint die Regierungschefin bei passender Gelegenheit möglicherweise politisch erpressbar? Warum benutzt Frau Merkel nicht wie weiland Helmut Kohl einfach eine Telefonzelle, weil nicht der „Feind aus dem Osten“, sondern der „Freund“ aus den USA mithört? Die Stasi und der KGB müssten vor Neid erblassen, wenn sie das noch erlebt hätten. 

Die politischen Naivlinge, die sich im Sommer in die USA aufgemacht haben, um „Aufklärung“ zu fordern, kehrten mit leerer Versprechung, aber befriedigt zurück. Die USA hatte sie mit politischem Valium abgespeist, obwohl doch Politiker eigentlich wissen müssten, dass das, was sie sagen, nur eine Halbwertszeit von gerade einmal fünf Minuten hat. Dass der für die Geheimdienste zuständige Kanzleramtsminister ein Ende der Debatte über die skandalösen Abhörpraktiken und Ausspähaktionen des US-„Freundes“ verkünden konnte, ist ein einziger Skandal, der aber auf alle Bundestagsparteien zurückfällt. Wie blauäugig muss man sein, um so etwas für bare Münze zu nehmen? Selbst der „Deutsche Michel“ ist nicht mehr so naiv, wie einige Vertreter der politischen Klasse. Die Bespitzelung und das Abhören durch die NSA wird weitergehen, mag man sich in Deutschland und Europa noch so echauffieren. 

Beruhigend für die deutsche Politikklasse sollte es eigentlich sein, dass das US-Imperium auch die stolze „Grande Nation“ und deren Elite flächendeckend ausspioniert hat. Die USA hatten ja seit Präsident Chiracs Weigerung, sich an dem Überfall auf den Irak zu beteiligen, noch ein Rechnung mit den Franzosen offen, und diese wurde jetzt beglichen, obwohl Präsident Hollande alles getan hat, um die Speerspitze der Kriegstreiber gegen Syrien anzuführen. Die anderen EU-Staaten können vernachlässigt werden, sie scheinen für das Imperium nicht relevant zu sein. Die Reaktion in Deutschland auf die massiven Ausspähungen durch das US-Imperium ist unpolitisch. Man fragt, ob Deutschland ein Feind der USA sei. Dies ist jedoch nicht die Frage. Freund-Feind-Kategorien taugen wenig im politischen Alltag, in dem es ausschließlich um politische Interessen geht. Die Freund-Rhetorik über die USA gehört in den Bereich der Sonntagsreden. Wenn jetzt der deutsche Innenminister von den USA eine „Entschuldigung“ verlangt, könnte man fragen, auf welchem Planeten er eigentlich beheimatet ist. Historisch ist es bis dato noch nicht verbrieft, dass sich ein Imperator bei seinen „Provinz-Gouverneuren“ jemals „entschuldigt“ hätte. War es nicht der Innenminister, der für die Internetsicherheit der Deutschen die Verantwortung trägt, der nach seiner USA-Reise verkündet hat, es sei alles in bester Ordnung und die Deutschen sollten sich nur die entsprechenden Programme anschaffen, um ihre Computer gegen die Ausspähungen durch die NSA zu schützen? 

Wie sollten die deutsche und die europäische Politikerklasse auf die Missachtung ihrer selbst und der Souveränität ihrer Länder reagieren? Die deutsche politische Klasse sollte alle US-Einrichtungen, die die deutsche Souveränität verletzten, schließen lassen und das US-Personal ausweisen. Alle US-Atomraketen müssen unverzüglich aus Deutschland abgezogen werden. Alle US-Geheimdienst-Einrichtungen sind zu schließen. Kein Datenaustausch mehr zwischen US- und deutschen Geheimdiensten. Der neugewählte Bundestag sollte umgehend einen neuen Geheimdienst-Untersuchungsausschuss einsetzen, um die Verbindungen der deutschen Dienste zur NSA und anderer Dienste aufzudecken. Insbesondere müssen die technischen Hilfestellungen deutscher Geheimdienste bei der illegalen Tötung Verdächtiger durch die USA aufgeklärt werden. 

Auf europäischer Ebene müssen umgehend die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen eingestellt werden, da dies nur den USA dient, um ihre genmanipulierten Produkte nach Europa exportieren zu können. Jedweder Datenaustausch beim transatlantischen Zahlungsverkehr (SWIFT-Abkommen) oder der Vorabübermittlung der Flugdaten von Passagieren sollte beendet werden. Europäische Datenschutzbestimmungen müssen gegenüber den USA massiver durchgesetzt werden. Sollte dies nicht gelingen, müssen Kooperationen beendet werden. Die Europäer wissen, dass auch ein Imperium keine Monade ist. Die Reaktionen der Staaten wie Brasilien, China, Russland und Indien könnten gute Beispiele abgeben, wie auf die Missachtung der Souveränität reagiert werden kann. Aufgrund der politischen Uneinigkeit der EU wird sich aber nichts ändern. Warum schafft sich die EU nicht gleich selbst ab?

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Vergesst Tebartz-van Elst

Armut versus Triumphalismus in der katholischen Kirche.
Roma locuta, causa non finita! Papst Franziskus hat die diplomatischste  aller möglichen Entscheidungen in der Causa Tebartz-van Elst getroffen. Dem im Luxus schwelgenden und dem Triumphalismus huldigenden Borgia-Bischof wurde nun eine „Auszeit“ auf unbestimmte Zeit verordnet. Und was geschieht dann? Soll Franz-Peter danach als wiedergeborener franziskanischer Minderbruder auf seinen Bischofsthron in Limburg zurückkehren? Soll alles nur ein Sturm im Wasserglas gewesen sein? In der Zwischenzeit wird der designierte Generalvikar Wolfgang Rösch, der sein Amt erst am 1. Januar 2014 hätte antreten sollen, die zeitliche Sedisvakanz überbrücken. Soll nach dieser „Auszeit“ Tebartz-van Elst dann einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen? Es ist eher unwahrscheinlich, dass bis dahin Gras über die Causa Tebartz-van Elst gewachsen sein wird. Die Funktionäre im Vatikan scheinen noch nicht alle zu begreifen, wie diskreditiert dieser Bischof in seinem Bistum ist. 

Mit dieser Entscheidung hat Papst Franziskus höchst selbst seine Armen-, Demuts- und Bescheidenheits-Rhetorik beschädigt und damit das franziskanische Motto seines ganzen Pontifikats in Frage gestellt. Gegen diesen Kurs gab es von Beginn seines Pontifikats erheblichen Widerstand seitens der konservativen Seilschaft im Vatikan. Diese wurde von Papst Benedikt XVI. als Präfekt der Glaubenskongregation unter Papst Johannes Paul II. installiert, und er hat diesen Kurs als Papst weiter gefestigt. Seine Bischofsernennungen sprechen Bände. Als seinen Nachfolger als Präfekt der Glaubenskongregation hat er Bischof Gerhard Ludwig Müller von Regensburg eingesetzt, der zur konservativen Riege im deutschen Episkopat gehört. Dieser oberste Glaubenshüter hat die Berichterstattung über die Prunk- und Verschwendungssucht des Limburger Bischofs als eine „Medienkampange“ in einer Predigt abgetan. So kann nur jemand denken, der bar jeder Kenntnis der Realität sich hinter den Mauern des Vatikans verschanzt und den Teufel mit Beelzebub austreiben will. 

Ein schlechtes Zeichen für die Gläubigen der Diözese Limburg war die überraschende Audienz von Kardinal Joachim Meisner justament bevor Tebartz-van Elst beim Papst vorsprechen durfte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Verbrämt wurde diese Privataudienz für Meisner damit, dass diese schon Monate zuvor anberaumt gewesen sein soll! Kardinal Meisner gilt als kirchenpolitisch reaktionär, aber bestens vernetzt im Vatikan, was auch über seinen Zögling Tebartz-van Elst berichtet wird. Meisner gilt als Strippenzieher hinter den Kulissen und hat schon viele gute Initiativen des deutschen Episkopats versucht zu torpedieren. Tebartz-van Elst galt bis zur Aufdeckung seiner Prunksucht als sein heimlicher Nachfolger. Will Papst Franziskus womöglich den Limburger Bischof als Bischof von Köln inthronisieren? Das Kölner Erzbistum ist Protest erprobt. Jahrelang protestierten die Gläubigen erst gegen die Ernennung von Meisner und dann gegen seine kirchenpolitischen Entscheidungen, dieser hat jedoch alle Proteste ausgesessen. Soll Tebartz-van Elst es ihm gleichtun? 

Musste sich Papst Franziskus eventuell dem Druck der superreichen katholischen Kirche in Deutschland beugen? Keine andere Kirche verfügt über ein solch unermessliches Vermögen wie die deutsche Ortskirche. Das Erzbistum Köln ist nach der Diözese Chicago die zweitreichste der Welt. Geld bedeutet Macht. Wer wüsste dies nicht besser als der Vatikan, der doch selbst eine Skandal umwitterte Bank sein eigen nennt. Sinnigerweise nennt sich die „Vatikanbank“ „Institut für die religiösen Werke“! Oder hat der Vatikan in der Causa Tebartz-van Elst selber Dreck am Stecken? Waren die Müllers, Gänsweins und andere umfassend darüber informiert, was der Limburger Bischof so alles trieb? Aber vielleicht kommt das Hamburger Amtsgericht der katholischen Kirche zur Hilfe und leitet ein Strafverfahren wegen eidesstattlicher Falschaussage gegen den Bischof ein. Dies wäre ein Novum in der deutschen Justizgeschichte. Auch liegen bei der Staatsanwaltschaft Limburg einige Anzeigen wegen Untreue gegen den Bischof vor. 

Das Pontifikat von Papst Franziskus steht jetzt nicht mehr unter einem guten Stern, weil er eine Provinzposse innerhalb der deutschen Ortskirche nicht lösen konnte. Wie viel schwerer wird es für ihn werden, den vatikanischen „Augiasstall“ auszumisten. Mit der Demutsrhetorik eines heiligen Franz von Assisi wird dies nicht gelingen. Als Gegenentwurf steht ihm die „Tempelreinigung“ des Rabbis Jesus zur Verfügung. Wie alle verkrusteten Bürokratien wird dies der Vatikan auch überleben, frei nach dem Motto: Der römischen Kurie kann es egal sein, wer unter ihr Papst ist!

Montag, 14. Oktober 2013

Tebartz-van Elst und die Glaubwürdigkeit von Papst Franziskus

Franz-Peter Tebartz-van Elst und sein ehemaliger Mentor.
Der Skandal- und Luxusbischof Franz-Peter Tebartz-van Elst entwickelt sich nicht nur zu einem Super-Gau für die katholische Kirche in Deutschland, sondern auch für die Glaubwürdigkeit von Papst Franziskus. Ein Papst, der als Kardinal und Erzbischof von Buenos Aires in Armut und Demut seinen Dienst für die Kirche verrichtet hat und jetzt im Gästehaus des Vatikans, Santa Marta, „haust“, darf einen in Prunk, Vergeudung von Kirchensteuergeldern und Triumphalismus gefangenen deutschen Provinzbischof nicht länger im Amt halten. Solche Bischöfe, die einem solchen Triumphalismus frönen, seien dem „auferstandenen Christus nicht begegnet“, so Papst Franziskus. 

Papst Franziskus ist es nicht zuzumuten, sich mit solch einem skandalumwitterten „Corpus delicti“ zu treffen. Hat sich jemals Papst Johannes Paul II. mit einem der zahlreichen Befreiungstheologen aus Lateinamerika oder anderen Theologieprofessoren getroffen, um sie anzuhören, bevor er ihnen die Lehrbefugnis entzogen hat? Diese honorigen Persönlichkeiten hatten wenigstens noch intellektuell etwas vorzuweisen, wohingegen der Provinzbischof aus Limburg nur Geldverschwendung und persönliche und luxuriöse Dekadenz „vorzuweisen“ hat. Den Empfang, den Papst Franziskus dem Befreiungstheologen Gustavo Gutiérrez am 12. September im vatikanischen Gästehaus Sankt Marta – seinem Wohnsitz (!) - gewährt hat, steht seinem im Luxus schwelgenden „Bruder in Christo“ nicht zu. 

Tebartz-van Elst möge zwar im Lichte der Probleme, denen sich die katholische Kirche weltweit gegenübersieht, ein Nullum sein, aber dieser Skandal muss durch eine klare Trennung gelöst werden. Dass selbst die protestantische Bundeskanzlerin jetzt vor einem großen Schaden für die katholische Kirche warnt, spricht Bände. In Zukunft wird in Deutschland wieder intensiv über die Kirchsteuerzwangsabgabe und die Offenlegung jeglicher „Reptilienfonds“ der einzelnen Bistümer diskutiert werden müssen. Erste Forderungen werden seitens der politischen Klasse bereits erhoben. Warum sollten Bischöfe und Priester nicht durch ihre Glaubwürdigkeit und Verkündigung für ihren finanziellen Unterhalt und dem ihres Bistums bei den Gläubigen werben, wie es fast in allen Ländern der Welt üblich ist? Bescheidenheit würden diesen Kirchfürsten gut anstehen. Die Mercedes S-Klasse sollte gegen einen Smart oder VW-Polo ausgetauscht werden. 

Das Phänomen Tebartz-van Elst ist aber nicht nur ein deutsches Problem. Da van Elst vor dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz - dieses Mal mit einer Billig-Airline (!) - in der „Heiligen Stadt“ gestrandet ist, zeugt davon, dass er mächtige Fürsprecher in der Kurie hat. Kein Regionalbischof könnte sich sonst so etwas leisten, von Kardinal Joachim Meisner aus Köln einmal abgesehen, der diese direkte Intrige schon immer praktiziert hat. Er gehört auch zu den Mentoren dieses auf Abwege geraten „Schafes“. Dieses „Schaf“ wurde bereits als Nachfolger für Meisner gehandelt. Nicht auszudenken, was er wohl mit dem Milliardenvermögen des reichsten deutschen Bistums angestellt hätte. Jetzt muss jedes Bistum seine Finanzen offenlegen, dankt Tebartz-van Elst.

Sollte man nicht auch einmal unter Journalisten die Frage nach den Hintermännern des Bischofs stellen? Tebartz-van Elst wirkt nach außen nicht so, als ob er alleine diese "kriminelle" Energie aufbringen könnte. Wer hat im Bistum Limburg "durchgestochen", und wer hat aus anderen Bistümer ein Interesse am Sturz des Bischofs? Die Frage für wirklich kritische Journalisten müsste lauten: Cui bono? Oder ist es gar ein Konflikt zwischen Einfachheit und Repräsentation, der sich durch die ganze Kirchengeschichte zieht?  

Ein weiterer sehr einflussreicher Förderer dieses „Borgia-Bischofs“ ist der Präfekt der Glaubenskongregation, der ehemaligen Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, der noch von Benedikt XVI. berufen worden ist und an dem Papst Benedikt zum Leidwesen vieler weiter festhält; Müller gilt als konservativer Hardliner und Fürsprecher und Förderer von Tebartz-van Elst. Hat er nicht kürzlich während einer Predigt (!) von einer „Kampagne der Medien“ gegen seinen Amtsbruder gesprochen, als ob die finanziellen Exzesse des Bischofs von den Medien erfunden worden wären? Ist dies Papst Franziskus bewusst  und sollte er auch hier nicht personelle Konsequenzen ziehen?

Der Limburger Regionalbischof weilte nicht ohne Grund ständig in Rom. Er gilt dort als gut „vernetzt“, um als Nachfolger Kardinal Meisners inthronisiert zu werden. Dieser Traum scheint ausgeträumt zu sein. Darüber hinaus muss Papst Franziskus den vatikanischen „Augiasstall“ gründlich ausmisten, um mit seinem Stil, der sich auf die Freiheit und Verantwortung des Gewissens jedes einzelnen Gläubigen beruft, nicht zu scheitern. Die jesuitische Lehre von der Freiheit des Gewissens jedes einzelnen Gläubigen muss über die Lehre vom absoluten Gehorsam gegenüber dem Lehramt von Opus Dei obsiegen, damit die Kirche nicht völlig die Zeichen der Zeit verschläft.

Was soll nun die katholische Kirche mit dem Problembischof Tebartz-van Elst anstellen? Ihn in eine Kartause zu stecken, würde bedeuten, diese spirituelle Gemeinschaft zu korrumpieren und letztendlich zu zerstören. Ihm einen Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge zur Seite zu stellen, wäre nicht nur eine Beschädigung des Amtes des Koadjutors, sondern auch eine Verhöhnung der Gläubigen des Bistums Limburg. Es gibt zahlreiche noch zu vergebende Titularbischofssitze in Afrika. Man könnte Tebartz-van Elst zum Beispiel zum Titularbischof von Timbuktu in Mali ernennen, ausgestattet mit einem Gehalt eines deutschen Staatssekretärs, müsste ihm die Missionierung der islamistischen „Gotteskrieger“ gelingen. Ober man schickt ihn als seelsorglichen Betreuer der „Missionarinnen der Nächstenliebe“, die einst von Mutter Teresa gegründet worden sind, in die Slums von Kalkutta; dieses Mal aber nicht First sondern Business Class. 

In Deutschland jedenfalls ist er nicht mehr satisfaktionsfähig. Sollte er noch einmal eine Messe im Limburger Dom zelebrieren, sollten ihn die Gläubigen ausbuhen oder auspfeifen; auch dies wäre nach der massiven Geldverschwendung durch einen Bischof ein Zeichen des Selbstbewusstseins der katholischen Gläubigen in Deutschland.

Samstag, 12. Oktober 2013

Tebartz-van Elst versus Papst Franziskus

Gastgeschenk für van Elst. 
Es reicht, sollten die Gläubigen des Bistums Limburg ihrem noch-Bischof sagen. Jetzt fliegt der Limburger Skandalbischof, Luxus- oder Business Class? – auch noch nach Rom, um dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Robert Zollitsch, zuvorzukommen, um die konservativen Bataillone des Vatikans für seinen luxuriösen Lebensstil gegen den Bescheidenheit und Empathie mit den Mühseligen und Beladenen predigenden Papst in Stellung zu bringen.

Es soll wohl eine Art „Canossagang“ eines religiösen Geisterfahrers im Bischofshabit sein, um noch zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Dieses Unterfangen stellt die letzte öffentliche Brüskierung für den Vorsitzenden des deutschen Episkopats, Bischof Zollitsch, und fast aller deutschen Katholiken dar. Diese Aktion bestätigt nur das bisherige Verhalten dieses „Hirten“ ohne Herde. Wer begleitet van Elst? Sein ehemaliger Mentor Kardinal Meisner aus Köln nicht mehr, er hat ihm seine Loyalität aufgekündigt, bleibt vermutlich nur seine verschworene Kamarilla aus Limburg.

Wer werden seine Gesprächspartner im Vatikan sein? Der Chef der Glaubenskongregation Müller, ein konservativer Hardliner? Papst Franziskus wird ihn bestimmt nicht empfangen, um sich „erklären“ lassen zu müssen, warum ein Bischof in einer Edelbadewanne des Designers Philippe Starck im Werte von 15 000 Euro plantschen muss, wo Millionen von Armen nicht wissen, ob sie das Morgen noch erleben. Ober warum man sich ein Luxusrefugium für 31 Mio. Euro bauen muss? (Die wirklichen Baukosten sind bis dato noch nicht bekannt.) Unter den Borgia-Päpsten hätte man für solch einen schamlosen Luxus und Lebensstil ein offenes Ohr gehabt. Vielleicht wäre Tebartz-van Elst im Mittelalter besser aufgehoben gewesen, da er es zu dieser Zeit auch mit keiner nervigen Öffentlichkeit zu tun gehabt hätte. 

Der einzige Sinn dieses Besuches könnte sein, dass sich der Limburger Bischof persönlich seine „Entlassungsurkunde“ abholen möchte, die ihm dann aber nur vom Leiter der päpstlichen Garde am Tor zum Vatikan überreicht werden sollte. Als Gastgeschenk könnte man dem Bischof noch die unbenutzten „roten Schuhe“ des Papstes überreichen. Sollte Papst Franziskus diesen Bischof nicht seines Amtes entheben, um massiven Schaden von der schon genug gebeutelten katholischen Kirche abzuwenden, sollten alle Gläubigen des Bistums Limburg überlegen, ob sie nicht kollektiv aus der katholischen Kirche austreten sollten. 

Die katholische Kirche bot „verirrten Schafen“ schon immer einen Weg, um auf den Pfad der Tugend zurückzufinden. Dieser ideale Ort für Tebartz-van Elst wäre ein mehrjähriges Busschweigen in dem Kathäuserkloster auf der Schwäbischen Alb. Dort hätte er ausreichend Zeit, nicht nur die consilia evangelica, sondern auch Bescheidenheit, Demut und Armut einzuüben. 

In dieser Kartause bewohnt er dann ein kleines Häuschen, das aus zwei Zimmern besteht, das erste, das „Pater noster“, ist leer und eignet sich besonders zur Einübung der Demut, das zweite ist „möbliert“, und zwar mit einem Holzstuhl, Holztisch und einem Kastenbett. Betten müsste sich der Bischof auf einer Strohmatratze, das Kopfkissen und die Bettdecke sind mit Heu gefüllt. Man schläft übrigens wohlig in einem solchen Etablissement! Die Nasszelle ist besser als das, was den Obdachlosen zur Verfügung steht: Nur fließend kaltes Wasser für „Warmduscher“, der Wert des Materials ist weit entfernt von 15 000 Euro, es scheint eher bei 50 Euro zu liegen. Es gibt auch noch einen 30 Quadratmeter großen Garten, den man täglich oder wöchentlich umgraben kann, damit die Mühsal des täglichen Lebens nicht aus dem Blickfeld gerät. In einer kleinen Werkstatt kann man drechseln. 

Gebetet wird in dieser Einrichtung acht Mal am Tag, beginnend um 22.40 Uhr bis 2.00 nachts; um 6.00 Uhr beginnt die Mediation in der Zelle, um sich dann um 7.00 Uhr wieder in die Kirche zu treffen. Die einzige Mahlzeit würde dem Bischof um 11.15 durch eine „Durchreiche“ gereicht. Acht Stunden sind für Handarbeit reserviert. Wohl gemerkt: Es gibt weder Telefon, Radio, Fernsehen, Tageszeitungen oder Videos; auch ein Mercedes der Luxusklasse samt Chauffeur steht nicht Gewehr bei Fuß. Nach dieser Auszeit könnte der Geläuterte mit dem etwas klapprigen VW-Golf seines ehemaligen Vorgängers wieder von Dannen nach Nirgendwo ziehen und von neuem beginnen.

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Das Afghanistan-Desaster

Deutsche Minister bei der Schlüsselübergabe in Kunduz.
Die deutschen Medien haben den 12. Jahrestag des Afghanistan-Überfalls durch die USA geflissentlich übergangen. Es gibt auch keinen Grund, dieses Desasters zu gedenken. Über was die Medien jedoch berichtet haben, war eine bizarre Veranstaltung, bei der die „Schlüssel“ für das deutsche Feldlager in Kunduz in afghanische Hände übergeben worden sind. Zu diesem Event reisten der deutsche Verteidigungs- und der Außenminister an, um ihren afghanischen „Freunden“ viel Glück zu wünschen und das Versprechen abzugeben, sie auch in Zukunft nicht alleine zu lassen. Bis das Feldlager Kunduz von den Taliban überrannt werden wird, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Ehemalige Stützpunkte der US-Amerikaner sind bereits von den Taliban übernommen worden. 

Das Afghanistan-Abenteuer hatte doch für alle so hoffnungsvoll begonnen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überschlug sich die Bundesregierung in „uneingeschränkter Solidarität“ mit den USA, wohlwissend, dass Afghanistan nichts mit diesen Terroranschlägen zu tun hatte. Endlich konnte sich die Bundeswehr als Entwicklungs- und Aufbauhelfer bewähren, wenn man den Worten der damaligen Verteidigungsminister glauben wollte. Ein bewaffnetes THW wurde der deutschen Öffentlichkeit präsentiert, bis die ersten toten deutschen Soldaten zu beklagen waren. Peu à peu wurde aus dem Unwort „Krieg“ bittere Realität, die nicht länger geleugnet werden konnte. 

Wenn schon die USA nicht mit noblen Absichten Afghanistan in die Steinzeit zurückbomben wollten, so zeigte wenigstens das deutsche Expeditionscorps seine edlen Absichten. Man wollte den Afghanen die Segnungen samt dem bundesrepublikanischen Bewusstsein des 21. Jahrhunderts kostenlos liefern: Demokratie, Freiheit, Bildung, Frauenrechte, Gendermainstreaming usw. Nach 12 Jahren Besatzung ist die Bilanz niederschmetternd. 

Mehr als 20 Mrd. Euro wurden regelrecht am Hindukusch in den Sand gesetzt. 54 Soldaten mussten ihre Leben für eine politische Schnapsidee lassen. (Deutschlands Freiheit werde auch am Hindukusch verteidigt!) Unzählige Soldaten kommen traumatisiert zurück, weil sie mit der Sinnlosigkeit dieses Abenteuers nicht fertig werden. Von den hehren Zielen wurde nicht eines realisiert. Es geht den westlichen Besatzern nur noch darum, ohne Gesichtsverlust aus diesem Schlammassel rauszukommen. 

Die deutsche politische Elite sollte mit Wechseln auf die Zukunft behutsam umgehen und nicht schon jetzt Zusagen wie, „wir lassen sie nicht im Stich“, zu machen, die man dann doch nicht einhalten kann. Bis 2016 wurden weiter 430 Mio. Euro versprochen, und bis zu 800 Soldaten sollen auch über den offiziellen Abzugstermin Ende 2014 in Afghanistan stationiert bleiben. Die Verantwortlichen sollten sich jedoch eingestehen, dass das Afghanistan-Abenteuer die größte außenpolitische Fehlentscheidung war, die seit Gründung der Bundesrepublik gefällt worden ist. Hat der Gouverneur von Kunduz keine anderen Sorgen, als die deutsche Seite daran zu erinnern, dass sie das versprochene Schwimmbad noch nicht fertiggebaut habe? 

Die Hauptlast dieser fehlgeleiteten Politik haben jedoch die USA zu tragen. Sie haben allein in Afghanistan fast 2 300 tote Soldaten zu beklagen, nicht zu sprechen von den fast 4 500 Gefallenen in Irak. Die Schwerstverwundeten und Verkrüppelten übersteigen nach offiziellen Angaben 32 000; Schätzungen belaufen sich jedoch auf zirka 100 000. Jährlich begehen mehr als 300 Soldaten Selbstmord – Tendenz steigend. Die Kosten des Irak- und Afghanistan-Abenteuers werden auf über acht Billionen US-Dollar geschätzt. Von den Folgekosten für die Versorgung der arbeitsunfähigen Soldaten, deren medizinischer Betreuung samt deren Familien gar nicht zu reden. In der Tat eine stolze Bilanz für das größte Militärbündnis der Welt.

Dem US-Imperium und seinen Helfershelfern ist es in Afghanistan nicht anders ergangen wie weiland den Soldaten ihrer königlichen Majestät und der Sowjetunion. Wurde die Sowjetunion noch durch die „Glaubenskrieger“ geschlagen, die massiv von den USA und Saudi-Arabien mit Waffen und Geld unterstützt worden sind, so musste das westliche Militärbündnis vor den mit primitivsten Mitteln kämpfenden Taliban kapitulieren und den geordneten Rückzug antreten. 

Die fehlgeleitete Politik des Westens nach dem 11. September 2001 hat nicht nur in Irak und Afghanistan millionenfachen Tod und Zerstörung hinterlassen, sondern auch in Libyen und Syrien zu Chaos geführt. Der Überfall Frankreichs, Großbritanniens und der USA auf Libyen hat auch dieses Land zu einem Tummelplatz von islamistischen Terroristen und zu einem „gescheiterten Staat“ gemacht. Dank der Diplomatie Russlands ist Syrien dieses Schicksal bis jetzt erspart geblieben. Wäre es nach Obama und Frankreichs Präsident Hollande gegangen, befände sich „der Westen“ bereits in einem weiteren Krieg gegen ein muslimisches Land. 

Dass sich Deutschland an dem Sturz Gaddafis nicht beteiligt hat, war politisch klug, weil dieser auf dem Missbrauch der Resolution des UN-Sicherheitsrates beruhte. Russland und China wurden vom Westen getäuscht, deshalb werden sie keiner weiteren UN-Sicherheitsratsresolution im Falle Syriens zustimmen, die auch nur die geringste Chance für einen Missbrauch durch den Westen bieten könnte. Wenn der Westen Syrien überfallen will, ist dies ein völkerrechtswidriger Aggressionskrieg. 

Aufgrund der negativen Erfahrungen, die Deutschland mit seinen westlichen Verbündeten gemacht hat, sollte das Land verstärkt seine Außenpolitik nach eigenen nationalen Interessen ausrichten und sich nicht mehr ins Schlepptau des US-Imperiums und seiner anderen willfährigen Verbündeten begeben.

Dienstag, 8. Oktober 2013

Is Netanyahu Israel’s „wolf in wolf’s clothing“?



Netanyahu's speech at the UN General Assembly was a political impudence. He showed the world that he has not understood the signs of times. He seemed out of place with diplomacy and still caught up in aggressive rhetoric. He threatened Iran with an attack. If no other country wants to participate in a raid, Israel will do it alone, he said. President Obama should be forewarned and made clear that the U. S. would not help Israel in a war of aggression. The U. S. should not accept any longer to be jerked around by a politically deranged leader of a tiny country. 

The Israeli leadership freaked out politically when noticing a rapprochement between Iran and the U. S. Netanyahu seems not to have understood the writing on the wall. The American people are fed up with spilling their boys’ blood for other countries’ interests. In case of Iran, 85 per cent of the American public favors diplomacy over war. It seems as if the belligerent American political class can only be stopped by massive public opinion, as the case of Syria has shown. Whether the Zionist lobby AIPAC can overturn antiwar opinion by financially supporting the U. S. midterm elections remains to be seen. 

Netanyahu showed a lack of political acumen when he dismissed the Rosh Hashanah greeting of Iran’s newly elected President Hassan Rohani to the Jewish people as politically motivated. He furthermore accused him of being a "wolf in sheep's clothing” for his rant before the UN General Assembly. Netanyahu called Rohani’s predecessor even a “wolf in wolf’s clothing”, forgetting that he himself behaves politically only slightly better. There are occasional diplomatic voices that reject Israel’s destructive influence on the negotiations of the five veto powers and Germany with Iran. To succeed with Iran on the nuclear issue, Israel should be bypassed. 

For the last 20 years, Netanyahu’s political fad has been to warn the world of Iran’s fictive “atomic bomb”, which was alleged to be just around the corner. This bogus “Iranian threat”, however, is now widely recognized as a phantom. All the intelligence agencies know it. And even the notorious Mossad knows that Iran’s nuclear program is neither an existential threat to Israel, let alone to the U. S. So why is Netanyahu still beating the drums of war? To keep the “phantom menace” alive serves a single purpose: Israel intends to maintain its hegemony over the entire Middle East and does not want to make real concessions to the Palestinians despite the ongoing secret “negotiations”. The Israeli security establishment fears that it would lose its maneuverability and the usefulness of its own deterrence should Iran acquire nuclear capability. A look at the facts shows who presents a danger to world peace. 

Israel is the forth strongest military power in the world. Armed to the teeth with 100 to 300 nuclear warheads, five submarines capable of carrying nuclear weapons, and a significant biological and chemical weapons arsenal and led by an aggressively behaving political leadership, which threats Iran with an attack. Contrary to Israel, Iran has signed the NPT Treaty and its nuclear – intended to serve only peaceful purposes – is under tight scrutiny of the IAEA. The country has also signed and ratified the Chemical Weapons Convention (CWC). Israel has only signed but not ratified the CWC. Since the Islamic revolution, the Iranian leadership has rejected the production of nuclear and biological weapons on ethical and religious grounds. Out of opportunism, the West does not believe statements by elected Iranian leaders, but believes every declaration made by Osama bin Laden or his phantom. Even if Iran would develop a nuclear weapon, it could not use it because it would take years before they could weaponize it. Should Iran actually proceed to do so, Israel and the U. S. could within hours obliterate the country. The U. S. alone has almost 8 000 nuclear warheads. 

However, Iran has every reason to distrust the U. S. and Israel. Both countries conduct cyber warfare (Stuxnet) against Iran. The U.S. engages in direct and indirect economic warfare against the country and its citizens. The U.S. and Israel also presumably stand behind the assassination of Iranian scientists. The U. S. and its Western allies have earlier provided poison gas to Saddam Hussein who used it against its own people and against Iran during the war from 1980 to 1988. Iran cannot forget that nations that have no credible deterrent are liable to invaded by the United States as the case of Iraq, Afghanistan, Libya shows and perhaps Syria if it surrenders its chemical weapons totally. 

The reason why Netanyahu goes berserk is his fear that Israel will be politically isolated should Iran and the U. S. strike a deal. That is why he will order his Zionist cohorts to Capitol Hill in order to increase pressure on the U. S. lawmakers and try to torpedo any such potential deal. Until now he knows that corporate media is on Israel’s side. Would Israel’s attitude change if Iran would officially recognize Israel right to exist? Iran has never questioned this right. Iran questioned Israel’s illegal occupation of Palestinian land, including Jerusalem. Has the Israeli leadership forgotten that both countries collaborated very well during the Iraq-Iran war? And does it ignore that the largest Jewish community within the Islamic world lives well in Iran? During his visit to the United Nations Rohani was accompanied by the Jewish representative of the Iranian parliament. 

Israel’s long term interests might be best served by stopping its belligerent rhetoric against Iran and by bringing its obedient U. S. senators on Capitol Hill to walk the line.

Oh, by the way, in the Persian program of the BBC Netanyahu explained when young Iranians were really free, they could wear jeans, listen to Western music and choose freely. The reaction from Iran came immediately by twitter. The Iranians responded with glee. Why did the Mossad fail to bring Netanyahu up on the latest state of fashion in Iran? How can a serious statesman know something that happens under the ground, when he does not even know what's happening on the street?

First published herehere, herehere, here and here.

Montag, 7. Oktober 2013

"Apartheid gehört auf den Müllplatz der Geschichte" von Rupert Neudeck

Das vorliegende Buch scheint mir in der ausufernden Literatur und den Medienberichten bislang der nüchternste und im Urteil klarste Bericht über den politischen Zustand Israels zu sein. Schon der Buchtitel deutet auf die Brisanz des Inhaltes. Den Titel „Apartheid“ im Zusammenhang mit Israel aufrechtzuerhalten, bedeutet, wie wir in Deutschland wissen, schon Mut, denn man darf das Wort „Apartheid“ unter Gefahr des Antisemitismus-Vorwurfs nicht in Bezug auf Israel verwenden. 

Michel Bole-Richard war von 1984 bis 1990 in Südafrika und von 2006 bis 2009 in Israel als Korrespondent einer der besten und zuverlässigsten Zeitungen der Welt tätig: Le Monde. Man braucht ihm nicht zu erzählen, was Apartheid ist. Aber man erfährt, dass die moderne Politik und der Schutz von Millionen von Menschen sowie deren Würde manchmal von einem Wort oder einem magischen Begriff abhängt. Hätte die US-Botschafterin Madeleine Albright damals im April 1994 das magische Wort „Völkermord“ im UN-Sicherheitsrat 1994 benutzen dürfen, dann hätte die Weltgemeinschaft sofort gegen den beginnenden Völkermord in Ruanda einschreiten müssen. Sie durfte es aber nicht, die Regierung stand noch unter dem Trauma der gescheiterten Somalia Mission und erlaubte es ihr nicht. 

In der heutigen Lage müsste die Weltgemeinschaft auch in der Westbank einschreiten. So müsste sie, wenn das Wort nicht nur von einem französischen Journalisten, einem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter oder dem südafrikanischen Bischof Desmond Tutu, sondern von einer politischen Großmacht benutzt würde. Dann müsste die so festgestellte Apartheid in Israel und den besetzten Gebieten beendet werden. Dann bräuchte der US-Außenminister auch nicht seinen Kinofilm „Palästina-Israel Friedenskonferenz“ aufführen, denn es geht nur darum, die Apartheid abzuschaffen, die Besatzung zu beenden, und dies kann Israel ohne irgendeine Konferenz alleine tun. Da aber alle an der Fortsetzung des Stückes „Palästina Autonomiebehörde“ interessiert sind, macht man teure und sinnlose „Cinema-Konferenzen“, möglichst weit weg von dem besetzten Gebiet und dem Problem. Viele würden sich in Deutschland die Augen reiben und sich sagen: Das hat ihnen noch niemand gesagt. Man setzte sich nicht mit dem Besatzungsregime an einen Tisch, warum auch, das tut man erst, wenn die Besatzung aufgehoben ist oder diese Aufhebung damit ratifiziert wird.

Der Autor zitiert den Minister der Geheimdienste in Südafrika Ronnie Kasrils, Jude, ehemaliger Kommunist, Kämpfer gegen die Apartheid, 27 Jahre im Exil, der sich auf eine Reise nach Israel gemacht hatte. Danach erklärte er 2007: Es würde oft die Analogie gezogen zwischen der Apartheid in Südafrika und der Besatzung Palästinas durch Israel. Aber “das ist nicht die gleiche Sache. Die Besatzung (in Palästina) ist schlimmer. Diese Besatzung erinnert mich an die düstersten Tage der Apartheid. Und wir haben noch nicht mal Panzer und Flugzeuge gegen eine Zivilbevölkerung eingesetzt erlebt. Die Mauer, die Checkpoints, die Straßen nur für Juden, das dreht mir den Magen um als jemandem, der groß geworden ist unter der Apartheid. Das ist hundertfach schlimmer!“ 

Lassen wir das so stehen, wir Deutschen, die wir schon beim Lesen dieses glaubwürdigen Zeugen die Gänsehaut bekommen und uns denken, hoffentlich hat uns niemand beim Lesen ertappt. Ronnie Kasrils zitiert David Ben Gurion, der in den 1950er Jahren erklärt hat: „Warum sollen die Araber Frieden machen? Wenn ich ein arabischer Führer wäre, ich würde keine Verhandlungen und kein Arrangement mit Israel eingehen. Das ist doch normal. Wir haben ihnen ihr Land weggenommen. Sicher, Gott hatte es uns versprochen, aber für sie hat das keine Bedeutung. Unser Gott ist nicht ihr Gott. Wir kommen aus Israel, aber es mussten 2500 Jahre vergeben, bis das getan werden konnte? Gewiss es gab den Antisemitismus, Hitler, Auschwitz, aber waren sie dafür verantwortlich? Das einzige, was sie sehen, ist: das wir hierhin gekommen sind und ihren ihr Land gestohlen haben. Warum sollten sie das akzeptieren?“ 

Wie das alles ausgeglitten ist, wie religiöse Bestimmungen ins Rassistische und Faschistische entarten, kann der Autor an einigen Ereignissen seiner und unserer Tage aufzeigen. So kann zum Beispiel ein Rabbiner jemandem mit einem religiösen Verdickt (jüdische „Fatwa“) bedrohen, wenn er als Jude eine Wohnung an einen Araber vermietet. Was wäre wohl los, zitiert der Autor Uri Avnery, „wenn der Erzbischof von New York einem Katholiken verbietet, ein Appartement an einen Juden zu vermieten und dieses als eine Todsünde bezeichnen würde, die mit dem Risiko der Exkommunikation einhergeht?“ Genau das spiele sich aber in Israel permanent ab. 

Mit „Sklerose Gesetze“ überschreibt der Autor ein Kapitel, in dem wir Dinge finden, die uns besser nicht bekannt sein sollen. 47 Prozent der Juden in Israel wollen, dass die Minderheit von 20 Prozent arabischen Israelis in das Gebiet der Palästinensischen Autorität vertrieben werden soll. Eine Hälfte der jüdischen Bevölkerung möchte nicht gern mit einem Araber als Nachbar und nicht ihre Kinder mit einem Araber in dem gleichen Klassenraum erleben. Man stelle sich vor, ein Drittel der Franzosen würden sagen, die Juden in Frankreich dürfen nicht wählen, die Hälfte würde sich weigern, einen Juden als Nachbar und ein jüdisches Kind in derselben Klasse wie ihre Kinder zu haben. Selbst die Propagandisten der extremen Rechten würden schreien und erklären das sei Antisemitismus. „Die Demokratie, ja selbstverständlich. Aber nur für die Juden!“ 

Das alles hat sich nach Meinung des Autors noch gesteigert als die Knesset im Juli 2011 das Gedenken der Palästinenser an die Nakba unter Strafe stellte. Am 13. November 2011 wurde ein Gesetz verabschiedet, das man sonst nur aus diktatorischen Systemen (USA, Russland) kennt, das die Finanzierung von israelischen Nichtregierungsorganisationen durch ausländische Geldgeber verbot. Am 21. November setzte die Knesset noch einen drauf und erließ Strafen für diejenigen, die den Staat Israel diffamieren: Strafen bis zum 300.000 Euro oder sechs Jahre Gefängnis, wenn der Wille bewiesen wurde, dass man dem Staat Israel schaden wolle.

Die Kapitel sind klar und ohne Umschweife, der Autor beschreibt das judaisierte Jerusalem, das gegen alle Welt aus Jerusalem die Hauptstadt von Juden machen und die Araber langsam verdrängen möchte. Er beschreibt die blinde Freundschaft des Westens. Ein weiteres Kapitel ist überschrieben: „Gaza sehen und schweigen“. Er vergleicht die israelische Gesellschaft mit einer, die keine Zukunft hat, weil sie sich einer Strategie des Bunkers verschworen hat und sich da immer weiter eingräbt.

Als die Palästinenser mit der Stimme von Mahmud Abbas in der Generalversammlung der UNO am 2. Dezember 2012 sich unbotmäßig gegenüber der Regierung Israels verhielten und die Anerkennung Palästinas als Staat verlangten, da tobte der Premierminister Israels ohne jeden Grund. 138 Staaten von 188 hatten für den Staat Palästina gestimmt.

Das Buch schließt mit einer prophetischen Äußerung von Amos Oz im Januar 2013. Er sagte damals „Für mich ist die Regierung Netanyahu die antizionistischste, die Israel je gehabt hat. Er macht alles, damit es am Ende nicht zwei Staaten gibt, sondern einen einzigen. Er hört nicht auf, auf Mahmud Abbas einzuschlagen, und gegen ihn moralische, finanzielle und politische Sanktionen zu verhängen.“

Sie glauben, die Juden könnten immer eine arabische Mehrheit beherrschen. Kein Apartheid-Staat in der Welt kann seinem Schicksal auf Dauer entgehen und wird zusammenbrechen. Die Zeit, so Michel Bole-Richard, arbeite gegen Israel. 

Das weiß Israel auch deshalb nicht, weil die deutsche Regierung diese Kritik an Israel auch von ihren Wahlbürgern möglichst fernhalten will, allein schon aus Feigheit. Um die Feigheit in uns zu besiegen, ist das Buch ein wunderbares Aufmunterungsmittel.

Rupert Neudeck

Michel Bole-Richard: Israel Le Nouvel Apartheid. LLL, Les liens qui liberent. Paris 2013  207 Seiten. 

Dienstag, 1. Oktober 2013

Netanyahu „A wolf in wolf’s clothing“?

Cartoon von Carlos Latuff.
Die Rede des israelischen Ministerpräsidenten Benyamin Netanyahu war keine, die zu Optimismus oder Friedfertigkeit Anlass gibt. Gerade hat die internationale Diplomatie über die Kriegsbefürworter sowohl was Syrien als auch Iran betrifft, einen Etappensieg errungen, gießt Netanyahu durch sein aggressives Auftreten vor der UN-Generalversammlung neues Öl ins Feuer. Er drohte Iran, es notfalls auch allein zu überfallen. „Israel wird es dem Iran nicht erlauben, Nuklearwaffen zu besitzen. Wenn Israel allein tätig werden muss, dann wird es das tun.“ Somit hat sich Netanyahu selber aus dem diplomatischen Prozess hinaus katapultiert. Er will, dass die USA zusammen mit Israel Iran überfallen und seine Nuklearindustrie zerstören, damit Israel die alleinige Hegemonie über den gesamten Nahen und Mittleren Osten behält. Ein nuklearer Iran wäre wie „50 Nordkoreas“, so Netanyahu. Iran besitzt aber keine einzige Atombombe und strebt auch nicht danach. Israel dagegen hat zirka 300 Atombomben und fünf U-Boote, die atomar bestückt sind, dank deutscher Hilfe. Von wem geht eigentlich die Gefahr aus?

Netanyahu scheint kein seriöser Politiker zu sein. Er genießt nicht den größten Respekt unter seinen internationalen Amtskollegen, wie die Einschätzung von Nikolas Sarkozy im November 2012 deutlich zeigt. „Ich kann ihn nicht ausstehen.“ Der ehemalige französische Präsident nannte ihn sogar einen „Lügner“. Obama entgegnete: „Sie haben ihn satt, aber ich habe mit ihm jeden Tag zu tun.“ Netanyahu scheint durch sein politisches Getöse einfach zu nerven. Er scheint zwar noch die von AIPAC gesponserten US-Senatoren auf seiner Seite zu haben, aber nach neuesten Umfragen wollen 85 Prozent der US-Amerikaner eine diplomatische Lösung und keine kriegerische, um die strittigen Fragen mit Iran zu lösen. Wer einen anderen Staatschef "Wolf im Schafspelz" oder sogar dessen Vorgänger "Wolf im Wolfspelz" bezeichnet, über den wird die Geschichte nach dieser UN-Rede einfach hinweggehen. 

Wie lange will sich eigentlich die internationale Staatengemeinschaft die Chuzpe Netanyahus noch bieten lassen? Ihm steht kein Recht zu, anderen Staaten mit einer Aggression zu drohen und von ihnen zu verlangen, dass sie ihr fiktives Nuklearprogramm „total demontiert“ müssen, weil Israel selbst ein geheimes Atomprogramm unterhält, das keinerlei Kontrolle durch die IAEA unterliegt. Israel hat im Gegensatz zu Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet und weigert sich, seine Atomanlagen internationaler Kontrolle zugänglich zu machen, wohingegen Irans Nuklearanlagen einer strikten Kontrolle durch die IAEA unterliegen. Darüber hinaus verfügt Israel über große Mengen biologischer und chemischer Waffen. Es hat zwar die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Auch diese Depots können nicht international kontrolliert werden. 

Beweise oder gar die „Wahrheit“ über ein iranisches Nuklearprogramm konnte Netanyahu vor der UNO nicht präsentieren, wie er noch vor seiner Abreise aus Jerusalem angekündigt hatte. Auch der berüchtigte israelische Geheimdienst Mossad weiß, dass Iran kein Nuklearprogramm unterhält. Dies wissen selbst die 17 US-Geheimdienste. Gleichwohl reden sowohl Netanyahu als auch Obama, als ob es deren Expertisen gar nicht gebe. 

Anstatt Netanyahu abblitzen zu lassen, drohte Obama dem Iran wieder mit  militärischen Mitteln, obgleich er vor der UNO und in einem persönlichen Telefonat mit Irans Präsidenten Hassan Rohani versöhnliche Töne angeschlagen hat und auf Diplomatie setzt. Es scheint, als sei er unter dem Druck Netanyahus wieder einmal eingeknickt. Obamas Verhalten ist politisch schwer einzuschätzen, was sich schon in der Syrienkrise gezeigt hat. 

Wie es scheint, ist die politische Vernunft augenblicklich nicht in Washington oder Tel Aviv zuhause. Vergleicht man den Beitrag von Russlands Präsidenten Vladimir Putin in der New York Times und Präsident Rohanis Rede vor der UN-Generalversammlung und dessen Interview in der Washington Post mit den Statements von Obama und Netanyahu, so drängt sich dieser Eindruck unmittelbar auf. Obama müsste Putin eigentlich dankbar sein, dass er ihn vor einem Syrienkrieg bewahrt hat. Sein Gerede von den „roten Linien“ ist politisch verantwortungslos. Wäre nicht eine „rote Linie“ im Falle Israels eher angebracht, weil das Land seit 1967 ein anderes Volk kolonisiert und dessen Existenzgrundlage systematisch zerstört, sowie ein brutales Besatzungsregime in Palästina etabliert hat, das wider das Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt? 

Israel hat in der politisch aufgebauschten iranischen Nuklearfrage eigenartige Verbündete gewonnen, und zwar die reaktionärsten arabischen Regime wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain. Sie sprechen sich alle gegen eine Annäherung zwischen den USA und Iran aus. Saudi-Arabien, Katar und die anderen arabischen Despotien drängen die USA, dass Assad-Regime zu stürzen, um die Verbindung Irans zur libanesischen Hisbollah zu unterbinden. Die arabischen Despoten sind auch die Financiers der diversen fundamentalistischen Terrorgruppen, die in Syrien Massaker unter anderem an Alewiten, Kurden und Christen begehen und Giftgas eingesetzt haben, um die USA und Frankreich in einen Krieg zu verwickeln.

Das israelische politische Establishment hat auf die Charmeoffensive des neuen iranischen Präsidenten geradezu hysterisch reagiert. Mit Mahmud Ahmadinedschad war für sie die Welt noch in Ordnung. Ihn konnte man dämonisieren ("Wolf in wolf's clothing"), weil er durch seine politischen absurden Statements alle Vorurteile des Westens gegen Iran bestätigt hat. Vergleicht man jedoch einmal die Äußerungen Rohanis mit denen Ahmadinedschads in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm, so sagen beide das gleich: Jedem Land steht das Recht auf friedliche Nutzung der Nukleartechnologie zu. Alle führenden iranischen Politiker haben immer wieder betont, nicht nach Nuklearwaffen zu streben. Sie haben diese Waffen immer aus religiösen und ethischen Motiven abgelehnt und sich für einen atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Osten ausgesprochen. Das einzige Land, das sich diesen politischen Forderungen widersetzt, ist Israel. Dass der Westen immer wieder Zweifel an den Aussagen der religiösen Repräsentanten des Iran äußert, zeigt seinen Rassismus gegenüber diesen Menschen. Selbst der nicht-weiße US-Präsident ist gegen diesen Rassismus nicht gefeit. Von einem Dialog auf Augenhöhe mit Iran ist der Westen noch meilenweit entfernt.