Miecui Langer: R.I.P. |
Mieciu Langer ist am 27. März in Tübingen verstorben. Damit endet auch eine Bilderbuch-Ehe nach 67 Jahren. Ende 2014 feierten Mieciu und seine Frau Felicia Langer ihre eiserne Hochzeit. Ein Geschenk, das nur wenigen Paaren zu Teil wird. Das Geheimnis dieser einzigartigen Liebesbeziehung hat Mieciu Langer in dem Satz zusammengefasst: "Wir haben die ganze Zeit Flitterwochen." In einem Interview drückte er seinen Stolz über Felicia aus und gestand, dass er sie immer noch liebe wie am ersten Tag.
Das Leben von Mieciu Langer verlief alles andere als "normal". Als die Nazis Polen überfielen, begann nicht nur für Mieciu, sondern für alle Juden ein Weg durch die Hölle. Während seine spätere Frau mit ihrer Familie in die Sowjetunion floh, begann Miecius Horrortrip durch fünf Konzentrationslager. Diese Zeit habe er nur durch "Glück" und aufgrund seiner starken "DNA" überlebt. Von einem Wunder wollte er nicht sprechen. Seine gesamte Familie fiel der Nazi-Barbarei zum Opfer.
Als 17-jähriger lernte er in einem Wohnheim für jüdische Waisen Felicia-Amalia kennen und gestand ihr seine "Liebe für das ganze Leben". 1949 heirate das Paar in Breslau und wanderte 1950 nach Israel aus, wo 1953 ihr Sohn Michael geboren worden ist. Mieciu, der sich in Israel Moshe nannte, arbeite als Verkaufsagent für eine Handelsgesellschaft. Felicia Langer studierte seit 1959 an der Hebräischen Universität Jura und eröffnete nach dem Sechstagekrieg 1967 eine Anwaltskanzlei in Jerusalem. Bis zu ihrer Schließung 1990 verteidigte sie Palästinenser vor israelischen Militärgerichten, den so genannten Känguru-Courts. Das Paar wanderte im selben Jahr nach Deutschland aus und ließ sich in Tübingen nieder, da dort bereits ihr Sohn lebte.
Mieciu Langer sprach in den ersten Jahrzehnten nicht über seine traumatischen Erlebnisse in der Öffentlichkeit. Dies änderte sich erst 1992, als in Tübingen eine Ausstellung über die schrecklichen Ereignisse des Holocaust eröffnet wurde. Als die Veranstalter erfuhren, dass ein Zeitzeuge in der Stadt lebte, bedrängte man ihn, doch öffentlich darüber zu sprechen. Anfangs war er noch zögerlich, bis sich seine Frau Felicia einmischte. Der für seinen tiefsinnigen Humor bekannte Miecui begründete seinen Sinneswandel mit einem polnischen Sprichwort: "Wo es der Teufel nicht schafft, schickt er die Frau." Er hielt daraufhin bei der Ausstellung eine Rede. Von diesem Augenblick an fühlte er sich von der Last der jahrzehntelangen Verdrängung des Geschehenen befreit. Hätte er sich früh auf Trauer eingelassen, wäre viel Lebensqualität verlogen gegangen, so seine Begründung. Er erzählte seine Geschichte wie ein Chronist seiner Frau, die diese Erinnerungen in dem Buch "Miecius später Bericht. Eine Jugend zwischen Ghetto und Theresienstadt" veröffentlichte.
Durch seine authentische Art konnte Mieciu in seinen Vorträgen vor Schulklassen sein Auditorium nicht nur überzeugen, sondern sogar in seinen Bann ziehen. Die Schülerinnen und Schüler lauschten seinen Vorträgen absolut andächtig. Neben der Aufklärung über die Nazi-Verbrechen war ihm die Solidaritätsarbeit seiner Frau Felicia für die Palästinenser ein großes Anliegen. Für ihn ist Israel eine brutale Kolonialmacht, die die Palästinenser unterdrückt und ihnen ihr Selbstbestimmungsrecht vorenthält. Bis fast zuletzt begleite Mieciu seine Frau zu ihren Vorträgen. Er teilte mit ihr die Freude über ihre zahlreichen öffentlichen Ehrungen und hohe Wertschätzung, die ihr von vielen Seiten entgegengebracht wurde, und er nahm Anteil an den Verleumdungen, der sie seitens der reaktionären zionistischen Lobby in Deutschland ausgesetzt war, zuletzt anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch den Bundespräsidenten. Für die Erpressungsversuche einiger zionistischer Funktionäre gegenüber dem Bundespräsidenten hatte er nur tiefste Verachtung übrig.
Als Nicht-Glaubender entgegnete er auf die Frage nach Gott: "Ich weiß nicht, ob Gott sich mit mir beschäftigt. Ich beschäftige mich jedenfalls nicht mit ihm." Nicht nur seine Frau Felicia hat einen wunderbaren Ehemann und Menschen verloren, sondern auch Palästina und Deutschland.