Kritiker der israelischen Regierungspolitik haben seit der Regierungsübernahme durch Ariel Sharon im Februar 2001, aber spätestens seit der rechtsnationalistischen Regierung unter Benyamin Netanyahu und seinem rechtsextremen Außenminister Avigdor Lieberman keinen leichten Stand mehr. Kritiker dieser brutalen Kolonisierungs- und Unterdrückungspolitik geraten nicht nur in den USA, sondern auch in den Ländern Westeuropas - insbesondere auch in Deutschland, in dem es eine lange Tradition der Denunziation Andersdenkender gibt - ins Fadenkreuz von extremistischen, rechtszionistischen Lobbygruppen und einzelnen philosemitischen Parteigängern Israels, die gegen solche Personen mit den Mitteln der Diffamierung, Denunziation, Lüge, der Verdrehung von Tatsachen und massivem Mobbing vorgehen, und auch vor der beruflichen Vernichtung der Kritiker schrecken sie nicht zurück.
Auch vor Institutionen und den Medien machen diese Extremisten nicht halt. Sie werden massiv unter Druck gesetzt, so genannte Israelkritiker nicht auftreten zu lassen. Die Medien werden attackiert, weil sie angeblich zu einseitig über die Verbrechen der israelischen Besatzungsmacht berichten, sodass ihre Berichterstattung immer uniformer wird und über die skandalösen Vorgänge wie z. B. die rassistischen Statements von Rabbinern in Israel, die in Safed und anderenorts dazu aufgerufen haben, keine Wohnungen an israelische Palästinenser oder palästinensische Studenten zu vermieten, in deutschen Medien nichts zu lesen oder zu hören ist. Selbst vor dem Amt des Bundespräsidenten schreckten diese extremistischen Lobbyisten nicht zurück. Als der damalige Bundespräsident Horst Kohler es tatsächlich gewagt hatte, ohne Vorabsprache mit der „Israellobby“ (Mearsheimer/Walt), Frau Felicia Langer im Juli 2009 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zu überreichen, brach ein beispiellose Diffamierungskampagne über ihn herein. Diese Verleumdungskampagne gipfelte in der offenen Erpressung des Bundespräsidenten, Frau Langer die Auszeichnung wieder abzuerkennen, sonst würde einige deutsch-jüdische Funktionäre ihr Verdienstkreuz zurückgeben. Der Bundespräsident blieb standhaft, woraufhin zwei unbedeutende Altfunktionäre ihren Orden zurückgegeben haben. Die anderen Funktionäre zogen es vor, ihn weiter am Revers zu tragen.
Wie kam es zu einer solchen weltweiten „Delegitimierung“ von Kritikern der israelischen Regierungspolitik? Diese Kampagne hängt eng mit den 9/11-Anschlägen und in deren Folge mit den kolossalen Völkerrechts- und Menschenrechtsverbrechen, die von den USA und ihren „willigen Helfershelfern“ in Irak und Afghanistan und von der Sharon-Regierung in Palästina begangen worden sind, zusammen. Flankiert wird diese Delegitimierungskampagne von einer Diffamierungskampagne gegen den Islam und alles, was muslimisch aussieht. Sharon ließ das Militär gegen Arafats-Autonomiebehörde mit brutaler Gewalt vorgehen. Ein Vandalismus unvorstellbaren Ausmaßes konnte sich in den von Israel besetzten Gebieten austoben. Alle Ministerien wurden von israelischen Soldaten völlig verwüstet, Arafats Hauptquartier wurde in eine Ruine verwandelt. Der PLO-Chef hauste bis er todkrank nach Paris ausgeflogen worden ist wie ein Clochard in einem Raum. Die Sharon-Regierung konnte mit der weltweiten Kritik an ihrer Politik immer weniger rational umgehen, und man erfand den Popanz des „Delegitimierers“ Israels. „Israelkritiker“ mutierte zu einem Schimpfwort. Die Israellobbyisten und die israelische Regierung werfen den Kritikern vor, ihre Kritik ziele auf die Zerstörung des jüdischen Staates, was natürlich Unsinn ist. Es gibt keinen seriösen Kritiker der israelischen ‚Regierungspolitik, der Israels staatliche Existenz - wenigstens als Staat aller seiner Bewohner - in Frage stellt. Es sind alles ehrbare Persönlichkeiten, welche nur die Auswüchse einer brutalen Besatzungspolitik kritisieren; sie wollen, dass sich die israelische Regierung an die allgemeingültigen internationalen Rechtsnormen und Werte hält. Und diese nicht nur rhetorisch beschwört. Verwunderlich ist nur, dass die Medien sich diesen Propagandaunsinn vorsetzen lassen und nicht massiv dagegen anschreiben; aber auch sie stehen unter Druck, und die Journalisten sind eingeschüchtert.
Der weltweit verurteilte Überfall israelischer Kommandosoldaten auf die aus sechs Schiffen bestehende Flottille der Organisation "Free Gaza" am frühen Morgen des 31. Mai 2010 war nicht der erste seiner Art. Am 8. Juni 1967 wurden vom israelischen Militär auf dem US-Funkaufklärungsschiff Liberty 34 US-Marines getötet und 171 verwundet. Die USA kehrten diesen Vorfall unter den Teppich, und bis heute ist keinem, der an Bord war, gestattet, darüber öffentlich zu reden. Ein Israel-höriger US-Kongress hat kein Interesse an einer Aufklärung. Auch das Aufbringen von Schiffen in internationalen Gewässern hat in Israel Tradition. So brachte die israelische Marine am 29. Juni 1984 das zypriotische Passagierschiff „Alisur“ auf hoher See vor Libanon auf und nahm eine nicht genannte Anzahl von Passagier mit nach Israel, um sie zu verhören. Trotz der nun, 43 Jahre später, hingerichteten neun Friedensaktivisten aus der Türkei und 45 Verletzten hat die israelische Regierung keinerlei Konsequenzen rechtlicher oder politischer Art der internationalen Staatengemeinschaft zu gewärtigen.
Wer sind nun die eigentlichen Delegitimierer Israels? Kein geringerer als der israelische Friedensaktivist Uri Avnery hat in einem Beitrag für die Zeitung „Junge Welt“ vom 10. August 2010 die wirklichen Delegitimierer Israels beim Namen genannt; es sind dies der Außen-, Verteidigungs- und Innenminister, die eine Politik betrieben, die nicht nur allen völkerrechtlichen Regeln, sondern auch allen so genannten westlichen Werten zuwiderlaufen. Insbesondere das Massaker an der Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens um die Jahreswende 2008/2009 oder die Hinrichtung von neun türkischen Staatsbürgern bei der Kaperung eines türkischen Hilfsschiffes in internationalen Gewässern für die eingeschlossene Bevölkerung des Gaza-Streifens wurde von Seiten Israels mit einer unvorstellbaren propagandistischen Gegenoffensive begleitet. Man schreckte selbst nicht davor zurück, den angesehen südafrikanischen Richter Richard Goldstone als „jüdischen Selbsthasser“ zu diskreditieren, der im Auftrag der UN-Menschrechtsrates einen Report über das Massaker angefertigt hatte und darin auch der Hamas vorgeworfen hat, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangenen zu haben. Dass der „Goldstone-Bericht“ sich zu neun Zehntel mit den Kriegsverbrechen der israelischen Armee befasst hat, lag in der Natur der Sache. Die „Israellobby“, insbesondere in den USA beteiligte sich massiv an diesen Verleumdungskampagnen „Wir brechen jetzt auf, um jene zu delegitimieren, die versuchen, uns zu delegitimieren“, sagte der israelische Ministerpräsident Benyamin Netanyahu, als sich der UN-Menschrechtsrat entschloss, den Goldstone-Bericht an den UN-Sicherheitsrat zu senden.
Folglich beauftragte Israels Außenminister Avigdor Lieberman seine Botschafter, in ihrem jeweiligen Gastland so genannte „Allies“ zu Propagandazwecken zu rekrutieren, die gegen die „Israelkritiker“ anschreiben sollen. Diese öffentliche Propaganda-Kampagne des israelischen Außenministeriums kommentiert Barak Ravid in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ vom 28. November 2010: „The campaign, which will make extensive use of professional advocacy and public relations experts by Israeli embassies in Europe, aims to also use as many as a thousand people in each country, who will be willing to volunteer to spread Israel's message (…) Each ambassador was instructed to prepare, by January 16, a list of at least 1,000 "allies" who will be routinely briefed by the embassy for advocacy and public relations. These "allies" will have to be willing to take action on behalf of Israel, through support demonstrations and rallies, in publishing articles in the press, etc.” Eine Frage drängt sich zwangsläufig auf: Machen diese “Israel-Allies” ihre propagandistische Arbeit aus philosemitischer Überzeugung oder gegen Bezahlung? Die israelische Hasbara und ihrer treuen Parteigänger bekämpfen nur die falschen „Israelkritiker“, weil die wirklichen Delegitimierer Israels nach Uri Avnery in Israel selber sitzen, und zwar in der Regierung.
Strategische Vorarbeiten zu dieser von Staatswegen organisierten Delegitimierung von berechtigter demokratischer Kritik wurden schon auf der „Internationalen Konferenz des Global Forum for Combating Antisemitism“ am 16. und 17. Dezember 2009 in Jerusalem geleistet. Auf dieser Konferenz wurde der Kampf gegen die „Delegitimierung“ und „Dämonisierung“ Israels als die „entscheidenden Themen unserer Zeit“ bezeichnet. Folglich befasste sich ein Panel unter Leitung von Professor Gerald Steinberg mit dem Thema „Trends in the Delegitimization of Israel in the International Arena“ sowie eine der fünf Arbeitsgruppen mit der „Deligitimization of Israel: ´Boycotts, Divestment and Sanctions`“. Als Co-Vorsitzende diese Arbeitsgruppe fungierten Dr. Mitchell Bard, executive director of the American-Israeli Cooperative Enterprise, und Professor Gil Troy von der McGill University. Sie schreiben: “We need to point out how BDS crosses the line from legitimate criticism to historically-laden, anti-Semitic messaging.” In ihrem Bericht erscheint eine solche Auseinandersetzung mit der BDS-Kampagne als „Krieg“. Ihre kriegerische Phraseologie klinkt wie folgt: „Feind“, „Kommandozentrum“, „Kampf“, „Schlacht“ oder „Schlachtfeld“. Als Ergebnis wurde ein Strategiepapier gleichen Namens veröffentlichte. Dieser Aktionsplan ist auf fünf Jahre hin ausgelegt. Eine zentrale Rolle in diesem Plan kommt dem israelischen Außenministerium zu, das helfen soll, „to centralize the fight against BDS and delegitimization, coordinate responses to what is a coordinated attack, share information, take a moral stand against the human rights hypocrites, engage diplomats in a fight for Israel’s basic rights, and train Israeli diplomats about the BDS movement”. Dieses Strategiepapier bedient sich einer offensiven und aggressiven Sprache, was erahnen lässt, was auf die Kritiker der israelischen Regierungspolitik zukommen wird.
Welche Wichtigkeit dieser Herausforderung für Israel besitzt, zeigt ein weiteres Strategiepapier, das vom Reut-Institut (Re´ut=Freundschaft) auf der jährlich Konferenz in Herzlyia 2010, auf der sich alles, was Rang und Namen im israelischen Sicherheitsestablishment hat, zu einem jährlichen Stelldichein zusammenkommt, um über die Sicherheit des Staates zu diskutieren. Das 92-seitige Dokument trägt den Titel: „Building a Political Firewall Against Israel´s Delegitimization“ Daneben gibt es eine 31 Punkte umfassende Zusammenfassung. Nach Ansicht des Reut-Instituts stellten die Kritiker Israels eine ernste Gefahr für die Existenz Israels dar. Folglich müssen sie im globalen Umfang bekämpft werden. Die Verfasser dieser antidemokratischen Richtlinien schrecken nicht davor zurück, der Regierung zu empfehlen, Menschrechtsaktivisten zu attackieren. Dieses Institut empfiehlt doch allen erstes der israelischen Regierung, durch ihre Geheimdienste, Menschenrechtsaktivisten in London, Toronto, Madrid und in San Francisco zu unterdrücken. Der ‚Bericht trifft aber eine Unterscheidung zwischen denjenigen, die Israel „kritisieren“ und anderen, die es angeblich „delegitimieren“. Nach der Art von Machiavelli sollte man sich auf erstere einlassen, wohingegen man letztere unterdrücken sollte. An den „Verbrechen“, die letztere angeblich begehen, zeigt sich die mangelnde Seriosität dieses „Forschungsinstitutes“, das nichts anderes im Sinn zu haben scheint, als die verbrecherische Besatzungspolitik der israelischen Regierung zu rechtfertigen. Gemäß dieses Berichtes, gehören alle zu den so genannten Delegitimierern, die „(1) single out the Israeli government for its failure to abide by international law and seek to hold its political and military leaders accountable under universal jurisdiction; (2) label recent Israeli military attacks on Palestinians and neighboring countries war crimes, crimes against humanity, or aggression; (3) describe Israeli settlements in the occupied territories as “illegal and immoral”; (4) demand an end to discrimination against Palestinians within Israel’s 1967 boundaries; (5) criticize the Israeli blockade of Gaza as illegal collective punishment; (6) label the Israeli government as a “pariah, apartheid state”; (7) refuse to accept Israel’s “right to exist” (4) or the right of the Jewish people to self-determination; or (8) call for a one-state solution to the Israeli-Palestinian conflict. Dass die Befürworter der Kampagne für “Boykott, De-Investment und Sanktionen” (BDS) zu den „Feinden Israels“ gehören, versteht sich nach diesem schrägen Weltbild von selbst. Die Einschätzung Uri Avnerys, dass diese Sorte von „Wissenschaftlern“ „Amateure“ seien, ist noch geschmeichelt. Dass sich die Re´ut-Mitarbeiter nicht zu schade sind, der israelischen Regierung zu empfehlen, Menschrechts- und Bürgerrechtsaktivisten zu „attackieren“ und zu „sabotieren“, sollte sie als „seriöses“ Institut ein für allemal disqualifizieren.
Da die Israellobbyisten mit Argumenten die massiven Völker- und Menschenrechtsverstöße nicht widerlegen können, greifen sie zum Mittel der Verleumdung. Das beliebteste Kampfinstrument ist der Vorwurf des „Antisemitismus“, dieser ergeht überwiegend an nicht-jüdische Israelkritiker; den jüdischen Israelkritikern wird überwiegend „jüdischer Selbsthass“ unterstellt, die sich von den Antisemiten als „nützliche Idioten“ missbrauchen ließen. Dass sich die noch freien westlichen Gesellschaften von diesen grotesken Vorwürfen beeindrucken lassen, spricht für deren mangelnden Mut, diesen Unfug zurückzuweisen. Da die Ideologie des Zionismus als zentrales Hindernis für einen Ausgleich mit den Palästinensern gesehen wird, behaupten die Israellobbyisten, dass Antizionismus oder Kritik des Zionismus gleich Antisemitismus sei, quasi eine neue Form, ein so genannter „sekundärer Antisemitismus“. Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und stellt nichts anderes dar als ein Kampfinstrument, um berechtigte Kritik mundtot zu machen. Der Zionismus ist eine Form des jüdischen Nationalismus und wie jeder Nationalismus des Teufels und deshalb kritikwürdig, weil er alle diejenigen, die nicht zum „Stamm“ gehören, als Bürger minderen Status behandelt. Ein weiterer Vorwurf ist die angebliche „Dämonisierung“ Israels, indem man nur dieses Land aussondere und heftig kritisiere. Man würde an Israel andere Maßstäbe anlegen als an die anderen Länder, in denen es ebenfalls Menschenrechtsverletzungen gebe. Weder wird Israel dämonisiert noch werden andere Maßstäbe an das Land angelegt, sondern die Kritiker verlangen nur, dass endlich die üblichen Maßstäbe wie das Völkerrecht und andere westliche Werte auch für Israel gelten sollten, wenn die Führung des Landes immer wieder behauptet, die“ einzige Demokratie des Nahen Ostens“ zu sein. Wer die Singularität Israels betreibt, sind die israelischen Regierungen, die sich wider alle Völkerrechts- und Menschrechtsnormen verhalten und permanent gegen alle so genannten westlichen Werte verstoßen. Israel beansprucht einen Sonderstatus in den internationalen Beziehungen, oder nimmt einen solchen für sich in Anspruch, da es davon ausgehen kann, dass die USA jegliches Fehlverhalten decken, entschuldigen, relativieren oder im UN-Sicherheitsrat mit einem Veto belegen. Die Israellobbyisten bekämpfen besonders diejenigen, die Israel als „Apartheid-Staat“ bezeichnen. Dass Israel nicht Südafrika ist, hat der britische Journalist Ben White in seinen Buch „Israeli Apartheid“ deutlich herausgearbeitet. Es hat nichts mit der südafrikanischen „petty Apartheid“ gemein. Israel dagegen hat ein Gerüst von zirka 30 Gesetzen und Verordnungen erlassen, welche die Ungleichbehandlung von Juden und Nicht-Juden festschreiben. In den besetzten Gebieten sieht es noch einmal anders aus. Dort gilt israelisches Recht und israelische Gerichtsbarkeit nur für die Siedler, für die Besetzten und Entrechteten gelten Militärverordnungen, und Militärgerichte, so genannte Kangaroo Courts, sind für sie zuständig.
Die „Israellobby“ in den USA und Deutschland sind die wichtigsten Vertreter in dieser Schmierenkampagne gegen Kritiker der israelischen Regierungspolitik. Dass es in den USA eine starke „Israellobby“ gibt, ist allseits bekannt. Spätestens seit dem Buch von John Mearsheimer und Stephen Walt mit dem gleichnamigen Titel. Dies ist nichts besonders, da die USA eine lange Tradition in Sachen Interessengruppen haben. Den Lobbyismus gibt es in allen Politikbereichen. Was die „Israellobby“ auszeichnet, ist ihr hoher Organisationsgrad, ihre Kompetenz und ihre Effektivität, alle gesellschaftlichen Bereiche der USA in ihrem Sinne zu beeinflussen. In Deutschland hat die „Israellobby“ diesen Status Gott sei Dank noch nicht erreicht, aber ihr Einfluss verhält sich auch jetzt schon überproportional zu ihrer Größe.
Wen kann man in Deutschland zu dieser „Israellobby“ zählen? Der Chefredakteur der Zeitschrift „Der Semit“, Abraham Melzer, hat in seinem Beitrag „Die Israellobby bedroht die Demokratie“ in gleichnamiger Zeitschrift, Nr. 6 vom Dezember/Januar 2009/10, S. 25-27, eine ganze Reihe von Organisationen und Personen zusammengestellt, die man in Deutschland zur „Israellobby“ zählen kann.
Eine besondere Rolle in der Bundesrepublik Deutschland spielt darin die israelische Botschaft. Ihre Vertreter bearbeiten nicht nur die Abgeordneten des deutschen Bundestages und die Mitarbeiter zahlreicher Ministerien permanent, sondern die Botschaftsmitarbeiter mischen sich auch massiv in die deutsche Innenpolitik ein. Eine solche Einmischung fällt nicht in den Aufgabenbereich einer Botschaft, die sich primär um ihre Staatsbürger zu kümmern und die Kontakte zur jeweiligen Regierung zu pflegen hat. So hat sich z. B. der israelische Geschäftsträger in Berlin, Emmanuel Nahshon, massiv in die Kampagne gegen die Rede von Alfred Grosser in der Frankfurter Paulskirche anlässlich der Reichpogromnacht im November 2010 eingemischt. Er kommentierte, dass „Herrn Grossers Israelkritik illegitim und unmoralisch“ sei und erklärte, dass „seine extreme Meinungen von Selbsthass geprägt“ seien. Deutlicher neben der Spur kann man gar nicht liegen, und kein Mitglied der deutschen politischen Klasse hatte den Mut, die Einmischungen eines israelischen Diplomaten in die deutsche Innenpolitik zurückzuweisen. Eine solche Art der Kritik seitens eines Diplomaten ist völlig inakzeptabel. Seit wann ist Kritik an der israelischen Regierungspolitik „unmoralisch“? Einen Überlebenden und Opfer des Nazi-Terrors des „Selbsthasses“ zu bezichtigen, kann nur als geschmacklos gelten.
Ein Kuriosum, das zur extremistischen“ Israellobby“ gerechnet werden kann, muss noch erwähnt werden. Es ist eine Gruppe, die besonders lautstark die Aggressionspolitik der USA in Irak und Afghanistan und diejenige Israels gutheißt, sie nennen sich die „Antideutschen“. Ihre Hauptaufgabe ist es, die noch rudimentär existierende politische Linke in der Bundesrepublik zu zersetzen und zu diskreditieren. Wie konnte aus ehemaligen Linken, denen die Weltrevolution ein Herzensanliegen war, Renegaten werden, die nicht nur die Unterdrückung des palästinensischen Volkes, sondern die Eroberungskriege des Westens in Irak und Afghanistan gutheißen und einen Angriff auf Iran lautstark fordern sowie deren Kritiker mit allen Mitteln bekämpfen?
Ihr innergesellschaftliches Feindbild sind die Kritiker israelischer Regierungspolitik gegenüber den Palästinensern. Dazu zählen u. a. Norman Finkelstein, Ilan Pappé, Alfred Grosser, Felicia Langer, Norman Paech, Abraham Melzer, Evelyn Hecht-Galinski, Rupert Neudeck oder auch ich. Die Methoden sind immer die gleichen: Durch öffentliche Mobbingaktionen wird jeder Israelkritiker solange gejagt, bis er aufgibt oder die Organisation oder die Politiker einknicken. Ohne die unrühmliche Rolle der zahlreichen „gutmeinenden“ Mitläufer hätte diese „Israellobby“ nicht diesen durchschlagenden Erfolg.
Das folgende Zitat des ehemaligen US-Botschafters, Chas Freemann, der als Geheimdienstkoordinator der Obama-Administration vorgesehen war, soll zeigen, mit welchen perfiden Mitteln die „Israellobby“ gegen Kritiker einer Politik vorgeht, die jegliches Völker- und Menschenrecht missachtet und alle westlichen Werte mit Füssen tritt. Er wurde von der Israellobby solange verleumdet und mit Diffamierungen überzogen, sodass er seinen Posten erst gar nicht angetreten hat. Er schrieb dieser Lobby Folgendes ins Stammbuch: „Die Taktiken der Israel-Lobby stellen Höhepunkte der Schande und Unanständigkeit dar, sie schließen Rufmord ebenso mit ein wie selektive falsche Zitate, vorsätzliche Verfälschung der Fakten, Fabrikationen von Unwahrheiten und vollkommene Missachtung der Wahrheit.“ Den Verleumdungskampagnen dieser Lobbyisten muss von allen Demokraten und zivilgesellschaftlichen Gruppen auf allen gesellschaftlichen Ebenen widersprochen und Widerstand entgegengesetzt werden.
Zuerst erschienen in: Der Semit. Unabhängige jüdische Zeitschrift; in anderer Version erschienen in: International. Zeitschrift für Internationale Politik.
Auch vor Institutionen und den Medien machen diese Extremisten nicht halt. Sie werden massiv unter Druck gesetzt, so genannte Israelkritiker nicht auftreten zu lassen. Die Medien werden attackiert, weil sie angeblich zu einseitig über die Verbrechen der israelischen Besatzungsmacht berichten, sodass ihre Berichterstattung immer uniformer wird und über die skandalösen Vorgänge wie z. B. die rassistischen Statements von Rabbinern in Israel, die in Safed und anderenorts dazu aufgerufen haben, keine Wohnungen an israelische Palästinenser oder palästinensische Studenten zu vermieten, in deutschen Medien nichts zu lesen oder zu hören ist. Selbst vor dem Amt des Bundespräsidenten schreckten diese extremistischen Lobbyisten nicht zurück. Als der damalige Bundespräsident Horst Kohler es tatsächlich gewagt hatte, ohne Vorabsprache mit der „Israellobby“ (Mearsheimer/Walt), Frau Felicia Langer im Juli 2009 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zu überreichen, brach ein beispiellose Diffamierungskampagne über ihn herein. Diese Verleumdungskampagne gipfelte in der offenen Erpressung des Bundespräsidenten, Frau Langer die Auszeichnung wieder abzuerkennen, sonst würde einige deutsch-jüdische Funktionäre ihr Verdienstkreuz zurückgeben. Der Bundespräsident blieb standhaft, woraufhin zwei unbedeutende Altfunktionäre ihren Orden zurückgegeben haben. Die anderen Funktionäre zogen es vor, ihn weiter am Revers zu tragen.
Wie kam es zu einer solchen weltweiten „Delegitimierung“ von Kritikern der israelischen Regierungspolitik? Diese Kampagne hängt eng mit den 9/11-Anschlägen und in deren Folge mit den kolossalen Völkerrechts- und Menschenrechtsverbrechen, die von den USA und ihren „willigen Helfershelfern“ in Irak und Afghanistan und von der Sharon-Regierung in Palästina begangen worden sind, zusammen. Flankiert wird diese Delegitimierungskampagne von einer Diffamierungskampagne gegen den Islam und alles, was muslimisch aussieht. Sharon ließ das Militär gegen Arafats-Autonomiebehörde mit brutaler Gewalt vorgehen. Ein Vandalismus unvorstellbaren Ausmaßes konnte sich in den von Israel besetzten Gebieten austoben. Alle Ministerien wurden von israelischen Soldaten völlig verwüstet, Arafats Hauptquartier wurde in eine Ruine verwandelt. Der PLO-Chef hauste bis er todkrank nach Paris ausgeflogen worden ist wie ein Clochard in einem Raum. Die Sharon-Regierung konnte mit der weltweiten Kritik an ihrer Politik immer weniger rational umgehen, und man erfand den Popanz des „Delegitimierers“ Israels. „Israelkritiker“ mutierte zu einem Schimpfwort. Die Israellobbyisten und die israelische Regierung werfen den Kritikern vor, ihre Kritik ziele auf die Zerstörung des jüdischen Staates, was natürlich Unsinn ist. Es gibt keinen seriösen Kritiker der israelischen ‚Regierungspolitik, der Israels staatliche Existenz - wenigstens als Staat aller seiner Bewohner - in Frage stellt. Es sind alles ehrbare Persönlichkeiten, welche nur die Auswüchse einer brutalen Besatzungspolitik kritisieren; sie wollen, dass sich die israelische Regierung an die allgemeingültigen internationalen Rechtsnormen und Werte hält. Und diese nicht nur rhetorisch beschwört. Verwunderlich ist nur, dass die Medien sich diesen Propagandaunsinn vorsetzen lassen und nicht massiv dagegen anschreiben; aber auch sie stehen unter Druck, und die Journalisten sind eingeschüchtert.
Der weltweit verurteilte Überfall israelischer Kommandosoldaten auf die aus sechs Schiffen bestehende Flottille der Organisation "Free Gaza" am frühen Morgen des 31. Mai 2010 war nicht der erste seiner Art. Am 8. Juni 1967 wurden vom israelischen Militär auf dem US-Funkaufklärungsschiff Liberty 34 US-Marines getötet und 171 verwundet. Die USA kehrten diesen Vorfall unter den Teppich, und bis heute ist keinem, der an Bord war, gestattet, darüber öffentlich zu reden. Ein Israel-höriger US-Kongress hat kein Interesse an einer Aufklärung. Auch das Aufbringen von Schiffen in internationalen Gewässern hat in Israel Tradition. So brachte die israelische Marine am 29. Juni 1984 das zypriotische Passagierschiff „Alisur“ auf hoher See vor Libanon auf und nahm eine nicht genannte Anzahl von Passagier mit nach Israel, um sie zu verhören. Trotz der nun, 43 Jahre später, hingerichteten neun Friedensaktivisten aus der Türkei und 45 Verletzten hat die israelische Regierung keinerlei Konsequenzen rechtlicher oder politischer Art der internationalen Staatengemeinschaft zu gewärtigen.
Wer sind nun die eigentlichen Delegitimierer Israels? Kein geringerer als der israelische Friedensaktivist Uri Avnery hat in einem Beitrag für die Zeitung „Junge Welt“ vom 10. August 2010 die wirklichen Delegitimierer Israels beim Namen genannt; es sind dies der Außen-, Verteidigungs- und Innenminister, die eine Politik betrieben, die nicht nur allen völkerrechtlichen Regeln, sondern auch allen so genannten westlichen Werten zuwiderlaufen. Insbesondere das Massaker an der Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens um die Jahreswende 2008/2009 oder die Hinrichtung von neun türkischen Staatsbürgern bei der Kaperung eines türkischen Hilfsschiffes in internationalen Gewässern für die eingeschlossene Bevölkerung des Gaza-Streifens wurde von Seiten Israels mit einer unvorstellbaren propagandistischen Gegenoffensive begleitet. Man schreckte selbst nicht davor zurück, den angesehen südafrikanischen Richter Richard Goldstone als „jüdischen Selbsthasser“ zu diskreditieren, der im Auftrag der UN-Menschrechtsrates einen Report über das Massaker angefertigt hatte und darin auch der Hamas vorgeworfen hat, „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangenen zu haben. Dass der „Goldstone-Bericht“ sich zu neun Zehntel mit den Kriegsverbrechen der israelischen Armee befasst hat, lag in der Natur der Sache. Die „Israellobby“, insbesondere in den USA beteiligte sich massiv an diesen Verleumdungskampagnen „Wir brechen jetzt auf, um jene zu delegitimieren, die versuchen, uns zu delegitimieren“, sagte der israelische Ministerpräsident Benyamin Netanyahu, als sich der UN-Menschrechtsrat entschloss, den Goldstone-Bericht an den UN-Sicherheitsrat zu senden.
Folglich beauftragte Israels Außenminister Avigdor Lieberman seine Botschafter, in ihrem jeweiligen Gastland so genannte „Allies“ zu Propagandazwecken zu rekrutieren, die gegen die „Israelkritiker“ anschreiben sollen. Diese öffentliche Propaganda-Kampagne des israelischen Außenministeriums kommentiert Barak Ravid in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ vom 28. November 2010: „The campaign, which will make extensive use of professional advocacy and public relations experts by Israeli embassies in Europe, aims to also use as many as a thousand people in each country, who will be willing to volunteer to spread Israel's message (…) Each ambassador was instructed to prepare, by January 16, a list of at least 1,000 "allies" who will be routinely briefed by the embassy for advocacy and public relations. These "allies" will have to be willing to take action on behalf of Israel, through support demonstrations and rallies, in publishing articles in the press, etc.” Eine Frage drängt sich zwangsläufig auf: Machen diese “Israel-Allies” ihre propagandistische Arbeit aus philosemitischer Überzeugung oder gegen Bezahlung? Die israelische Hasbara und ihrer treuen Parteigänger bekämpfen nur die falschen „Israelkritiker“, weil die wirklichen Delegitimierer Israels nach Uri Avnery in Israel selber sitzen, und zwar in der Regierung.
Strategische Vorarbeiten zu dieser von Staatswegen organisierten Delegitimierung von berechtigter demokratischer Kritik wurden schon auf der „Internationalen Konferenz des Global Forum for Combating Antisemitism“ am 16. und 17. Dezember 2009 in Jerusalem geleistet. Auf dieser Konferenz wurde der Kampf gegen die „Delegitimierung“ und „Dämonisierung“ Israels als die „entscheidenden Themen unserer Zeit“ bezeichnet. Folglich befasste sich ein Panel unter Leitung von Professor Gerald Steinberg mit dem Thema „Trends in the Delegitimization of Israel in the International Arena“ sowie eine der fünf Arbeitsgruppen mit der „Deligitimization of Israel: ´Boycotts, Divestment and Sanctions`“. Als Co-Vorsitzende diese Arbeitsgruppe fungierten Dr. Mitchell Bard, executive director of the American-Israeli Cooperative Enterprise, und Professor Gil Troy von der McGill University. Sie schreiben: “We need to point out how BDS crosses the line from legitimate criticism to historically-laden, anti-Semitic messaging.” In ihrem Bericht erscheint eine solche Auseinandersetzung mit der BDS-Kampagne als „Krieg“. Ihre kriegerische Phraseologie klinkt wie folgt: „Feind“, „Kommandozentrum“, „Kampf“, „Schlacht“ oder „Schlachtfeld“. Als Ergebnis wurde ein Strategiepapier gleichen Namens veröffentlichte. Dieser Aktionsplan ist auf fünf Jahre hin ausgelegt. Eine zentrale Rolle in diesem Plan kommt dem israelischen Außenministerium zu, das helfen soll, „to centralize the fight against BDS and delegitimization, coordinate responses to what is a coordinated attack, share information, take a moral stand against the human rights hypocrites, engage diplomats in a fight for Israel’s basic rights, and train Israeli diplomats about the BDS movement”. Dieses Strategiepapier bedient sich einer offensiven und aggressiven Sprache, was erahnen lässt, was auf die Kritiker der israelischen Regierungspolitik zukommen wird.
Welche Wichtigkeit dieser Herausforderung für Israel besitzt, zeigt ein weiteres Strategiepapier, das vom Reut-Institut (Re´ut=Freundschaft) auf der jährlich Konferenz in Herzlyia 2010, auf der sich alles, was Rang und Namen im israelischen Sicherheitsestablishment hat, zu einem jährlichen Stelldichein zusammenkommt, um über die Sicherheit des Staates zu diskutieren. Das 92-seitige Dokument trägt den Titel: „Building a Political Firewall Against Israel´s Delegitimization“ Daneben gibt es eine 31 Punkte umfassende Zusammenfassung. Nach Ansicht des Reut-Instituts stellten die Kritiker Israels eine ernste Gefahr für die Existenz Israels dar. Folglich müssen sie im globalen Umfang bekämpft werden. Die Verfasser dieser antidemokratischen Richtlinien schrecken nicht davor zurück, der Regierung zu empfehlen, Menschrechtsaktivisten zu attackieren. Dieses Institut empfiehlt doch allen erstes der israelischen Regierung, durch ihre Geheimdienste, Menschenrechtsaktivisten in London, Toronto, Madrid und in San Francisco zu unterdrücken. Der ‚Bericht trifft aber eine Unterscheidung zwischen denjenigen, die Israel „kritisieren“ und anderen, die es angeblich „delegitimieren“. Nach der Art von Machiavelli sollte man sich auf erstere einlassen, wohingegen man letztere unterdrücken sollte. An den „Verbrechen“, die letztere angeblich begehen, zeigt sich die mangelnde Seriosität dieses „Forschungsinstitutes“, das nichts anderes im Sinn zu haben scheint, als die verbrecherische Besatzungspolitik der israelischen Regierung zu rechtfertigen. Gemäß dieses Berichtes, gehören alle zu den so genannten Delegitimierern, die „(1) single out the Israeli government for its failure to abide by international law and seek to hold its political and military leaders accountable under universal jurisdiction; (2) label recent Israeli military attacks on Palestinians and neighboring countries war crimes, crimes against humanity, or aggression; (3) describe Israeli settlements in the occupied territories as “illegal and immoral”; (4) demand an end to discrimination against Palestinians within Israel’s 1967 boundaries; (5) criticize the Israeli blockade of Gaza as illegal collective punishment; (6) label the Israeli government as a “pariah, apartheid state”; (7) refuse to accept Israel’s “right to exist” (4) or the right of the Jewish people to self-determination; or (8) call for a one-state solution to the Israeli-Palestinian conflict. Dass die Befürworter der Kampagne für “Boykott, De-Investment und Sanktionen” (BDS) zu den „Feinden Israels“ gehören, versteht sich nach diesem schrägen Weltbild von selbst. Die Einschätzung Uri Avnerys, dass diese Sorte von „Wissenschaftlern“ „Amateure“ seien, ist noch geschmeichelt. Dass sich die Re´ut-Mitarbeiter nicht zu schade sind, der israelischen Regierung zu empfehlen, Menschrechts- und Bürgerrechtsaktivisten zu „attackieren“ und zu „sabotieren“, sollte sie als „seriöses“ Institut ein für allemal disqualifizieren.
Da die Israellobbyisten mit Argumenten die massiven Völker- und Menschenrechtsverstöße nicht widerlegen können, greifen sie zum Mittel der Verleumdung. Das beliebteste Kampfinstrument ist der Vorwurf des „Antisemitismus“, dieser ergeht überwiegend an nicht-jüdische Israelkritiker; den jüdischen Israelkritikern wird überwiegend „jüdischer Selbsthass“ unterstellt, die sich von den Antisemiten als „nützliche Idioten“ missbrauchen ließen. Dass sich die noch freien westlichen Gesellschaften von diesen grotesken Vorwürfen beeindrucken lassen, spricht für deren mangelnden Mut, diesen Unfug zurückzuweisen. Da die Ideologie des Zionismus als zentrales Hindernis für einen Ausgleich mit den Palästinensern gesehen wird, behaupten die Israellobbyisten, dass Antizionismus oder Kritik des Zionismus gleich Antisemitismus sei, quasi eine neue Form, ein so genannter „sekundärer Antisemitismus“. Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und stellt nichts anderes dar als ein Kampfinstrument, um berechtigte Kritik mundtot zu machen. Der Zionismus ist eine Form des jüdischen Nationalismus und wie jeder Nationalismus des Teufels und deshalb kritikwürdig, weil er alle diejenigen, die nicht zum „Stamm“ gehören, als Bürger minderen Status behandelt. Ein weiterer Vorwurf ist die angebliche „Dämonisierung“ Israels, indem man nur dieses Land aussondere und heftig kritisiere. Man würde an Israel andere Maßstäbe anlegen als an die anderen Länder, in denen es ebenfalls Menschenrechtsverletzungen gebe. Weder wird Israel dämonisiert noch werden andere Maßstäbe an das Land angelegt, sondern die Kritiker verlangen nur, dass endlich die üblichen Maßstäbe wie das Völkerrecht und andere westliche Werte auch für Israel gelten sollten, wenn die Führung des Landes immer wieder behauptet, die“ einzige Demokratie des Nahen Ostens“ zu sein. Wer die Singularität Israels betreibt, sind die israelischen Regierungen, die sich wider alle Völkerrechts- und Menschrechtsnormen verhalten und permanent gegen alle so genannten westlichen Werte verstoßen. Israel beansprucht einen Sonderstatus in den internationalen Beziehungen, oder nimmt einen solchen für sich in Anspruch, da es davon ausgehen kann, dass die USA jegliches Fehlverhalten decken, entschuldigen, relativieren oder im UN-Sicherheitsrat mit einem Veto belegen. Die Israellobbyisten bekämpfen besonders diejenigen, die Israel als „Apartheid-Staat“ bezeichnen. Dass Israel nicht Südafrika ist, hat der britische Journalist Ben White in seinen Buch „Israeli Apartheid“ deutlich herausgearbeitet. Es hat nichts mit der südafrikanischen „petty Apartheid“ gemein. Israel dagegen hat ein Gerüst von zirka 30 Gesetzen und Verordnungen erlassen, welche die Ungleichbehandlung von Juden und Nicht-Juden festschreiben. In den besetzten Gebieten sieht es noch einmal anders aus. Dort gilt israelisches Recht und israelische Gerichtsbarkeit nur für die Siedler, für die Besetzten und Entrechteten gelten Militärverordnungen, und Militärgerichte, so genannte Kangaroo Courts, sind für sie zuständig.
Die „Israellobby“ in den USA und Deutschland sind die wichtigsten Vertreter in dieser Schmierenkampagne gegen Kritiker der israelischen Regierungspolitik. Dass es in den USA eine starke „Israellobby“ gibt, ist allseits bekannt. Spätestens seit dem Buch von John Mearsheimer und Stephen Walt mit dem gleichnamigen Titel. Dies ist nichts besonders, da die USA eine lange Tradition in Sachen Interessengruppen haben. Den Lobbyismus gibt es in allen Politikbereichen. Was die „Israellobby“ auszeichnet, ist ihr hoher Organisationsgrad, ihre Kompetenz und ihre Effektivität, alle gesellschaftlichen Bereiche der USA in ihrem Sinne zu beeinflussen. In Deutschland hat die „Israellobby“ diesen Status Gott sei Dank noch nicht erreicht, aber ihr Einfluss verhält sich auch jetzt schon überproportional zu ihrer Größe.
Wen kann man in Deutschland zu dieser „Israellobby“ zählen? Der Chefredakteur der Zeitschrift „Der Semit“, Abraham Melzer, hat in seinem Beitrag „Die Israellobby bedroht die Demokratie“ in gleichnamiger Zeitschrift, Nr. 6 vom Dezember/Januar 2009/10, S. 25-27, eine ganze Reihe von Organisationen und Personen zusammengestellt, die man in Deutschland zur „Israellobby“ zählen kann.
Eine besondere Rolle in der Bundesrepublik Deutschland spielt darin die israelische Botschaft. Ihre Vertreter bearbeiten nicht nur die Abgeordneten des deutschen Bundestages und die Mitarbeiter zahlreicher Ministerien permanent, sondern die Botschaftsmitarbeiter mischen sich auch massiv in die deutsche Innenpolitik ein. Eine solche Einmischung fällt nicht in den Aufgabenbereich einer Botschaft, die sich primär um ihre Staatsbürger zu kümmern und die Kontakte zur jeweiligen Regierung zu pflegen hat. So hat sich z. B. der israelische Geschäftsträger in Berlin, Emmanuel Nahshon, massiv in die Kampagne gegen die Rede von Alfred Grosser in der Frankfurter Paulskirche anlässlich der Reichpogromnacht im November 2010 eingemischt. Er kommentierte, dass „Herrn Grossers Israelkritik illegitim und unmoralisch“ sei und erklärte, dass „seine extreme Meinungen von Selbsthass geprägt“ seien. Deutlicher neben der Spur kann man gar nicht liegen, und kein Mitglied der deutschen politischen Klasse hatte den Mut, die Einmischungen eines israelischen Diplomaten in die deutsche Innenpolitik zurückzuweisen. Eine solche Art der Kritik seitens eines Diplomaten ist völlig inakzeptabel. Seit wann ist Kritik an der israelischen Regierungspolitik „unmoralisch“? Einen Überlebenden und Opfer des Nazi-Terrors des „Selbsthasses“ zu bezichtigen, kann nur als geschmacklos gelten.
Ein Kuriosum, das zur extremistischen“ Israellobby“ gerechnet werden kann, muss noch erwähnt werden. Es ist eine Gruppe, die besonders lautstark die Aggressionspolitik der USA in Irak und Afghanistan und diejenige Israels gutheißt, sie nennen sich die „Antideutschen“. Ihre Hauptaufgabe ist es, die noch rudimentär existierende politische Linke in der Bundesrepublik zu zersetzen und zu diskreditieren. Wie konnte aus ehemaligen Linken, denen die Weltrevolution ein Herzensanliegen war, Renegaten werden, die nicht nur die Unterdrückung des palästinensischen Volkes, sondern die Eroberungskriege des Westens in Irak und Afghanistan gutheißen und einen Angriff auf Iran lautstark fordern sowie deren Kritiker mit allen Mitteln bekämpfen?
Ihr innergesellschaftliches Feindbild sind die Kritiker israelischer Regierungspolitik gegenüber den Palästinensern. Dazu zählen u. a. Norman Finkelstein, Ilan Pappé, Alfred Grosser, Felicia Langer, Norman Paech, Abraham Melzer, Evelyn Hecht-Galinski, Rupert Neudeck oder auch ich. Die Methoden sind immer die gleichen: Durch öffentliche Mobbingaktionen wird jeder Israelkritiker solange gejagt, bis er aufgibt oder die Organisation oder die Politiker einknicken. Ohne die unrühmliche Rolle der zahlreichen „gutmeinenden“ Mitläufer hätte diese „Israellobby“ nicht diesen durchschlagenden Erfolg.
Das folgende Zitat des ehemaligen US-Botschafters, Chas Freemann, der als Geheimdienstkoordinator der Obama-Administration vorgesehen war, soll zeigen, mit welchen perfiden Mitteln die „Israellobby“ gegen Kritiker einer Politik vorgeht, die jegliches Völker- und Menschenrecht missachtet und alle westlichen Werte mit Füssen tritt. Er wurde von der Israellobby solange verleumdet und mit Diffamierungen überzogen, sodass er seinen Posten erst gar nicht angetreten hat. Er schrieb dieser Lobby Folgendes ins Stammbuch: „Die Taktiken der Israel-Lobby stellen Höhepunkte der Schande und Unanständigkeit dar, sie schließen Rufmord ebenso mit ein wie selektive falsche Zitate, vorsätzliche Verfälschung der Fakten, Fabrikationen von Unwahrheiten und vollkommene Missachtung der Wahrheit.“ Den Verleumdungskampagnen dieser Lobbyisten muss von allen Demokraten und zivilgesellschaftlichen Gruppen auf allen gesellschaftlichen Ebenen widersprochen und Widerstand entgegengesetzt werden.
Zuerst erschienen in: Der Semit. Unabhängige jüdische Zeitschrift; in anderer Version erschienen in: International. Zeitschrift für Internationale Politik.