Donnerstag, 28. Juni 2012

“Why Iran Should Get the Bomb”

Die renommierte Zeitschrift ”Foreign Affairs” hat in ihrer Juli/August-Ausgabe einen Beitrag veröffentlicht, in dem für die atomare Bewaffnung Irans plädiert worden ist; für US-amerikanische publizistische Standards in Sachen Iran und Naher Osten ein bemerkenswerter Vorgang. Keinem anderen als dem “Grandseigneur” des Neorealismus in den Internationalen Beziehungen, Kenneth N. Waltz, wäre dies Ehre zuteil geworden. Hoffentlich dient dieser Beitrag nicht als “Feigenblatt”, um jetzt umso intensiver publizistisch gegen den Iran zu agitieren. Hatte sich doch die Zeitschrift für diejenigen hergegeben, die für den völkerrechtswidrigen US-amerikanischen Überfall auf Irak getrommelt haben. 

Es muss abgewartet werden, ob in Deutschland diese rationalen Argumente aufgegriffen werden oder ob einige führende Meinungsmacher dieses Landes weiter in irrationaler Dämonisierung des Iran verharren. Ist der deutsche “Foreign-Affairs”-Verschnitt in der Lage, mehr als organisierte „wissenschaftliche“ Verrisse in puncto Iran zu publizieren, wie es bisher der Fall gewesen ist? Ob die deutsche publizistische Elite bereit ist, sich mit den Argumenten der Realpolitik auseinanderzusetzen¸ die nicht moralisierend daherkommen, muss sich erst noch zeigen. Politischer Realismus, Macht, Einfluss und die Sicherung nationaler Souveränität, und nur darum geht es in den internationalen Beziehungen, scheinen in diesen Kreisen nicht hoch im Kurs zu stehen.  

In einer Zeit der Hysterie in Sachen “Atomprogramm” des Iran, sind die vorgetragenen Thesen von Waltz überaus mutig, aus politisch-korrekter Sicht geradezu ungeheuerlich, dabei sind sie doch nur das Ergebnis einer unbefangenen rationalen Betrachtung der internationalen Beziehungen und der Nuklearpolitik seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Gegensatz zu den alarmistischen und zum Teil irrationalen Thesen der deutschen, israelischen und US-amerikanischen Analysten, die eine “existentielle Bedrohung” nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt bereits durch die imaginären Atomwaffen Irans “diagnostizieren”, stellt Waltz kühl fest, dass iranische Nuklearwaffen wohl das bestmöglichste Mittel wären, um die Stabilität und ein relatives Machtgleichgewicht im Nahen Osten wiederherzustellen.

Der Autor geht davon aus, dass jede Macht in den internationalen Beziehungen nach einer Gegenmacht verlange („Power, (…), begs to be balanced.“). Nachdem er drei Szenarien vorstellt, wie die Krise über das iranische Nuklearprogramm ausgehen könnte, konstatiert er, dass jedes Mal, wenn es einem Land gelungen sei, in den Klub der Nuklearmächte aufzusteigen, sich die anderen damit arrangiert hätten. Durch die Reduzierung des Machtungleichgewichtes hätten die neuen Nuklearstaaten zu mehr regionaler und internationaler Stabilität beigetragen.

Interessant ist die These von Waltz über das “geheime” israelische Nuklearwaffenpotenzial: Israels nukleare Monopolstellung über mehrere Dekaden „hat seit langem zur Instabilität im Nahen Osten beigetragen“, weil das Land solange “unkontrolliert als Nuklearmacht bestehen konnte”. “It is Israel’s nuclear arsenal, not Iran’s desire for one that has contributed most to the current crisis.” Das Überraschende im Falle Israel sei, dass es so lange gedauert habe, bis eine Gegenmacht auftreten konnte, so Waltz. Folglich könne die Krise im Nahen Osten erst behoben werden, wenn das militärische Gleichgewicht wiederhergestellt sei. 

Für Waltz werde die Gefahr einer iranischen Nuklearmacht erheblich übertrieben, was auf einem Grundirrtum über das Funktionieren des internationalen Systems beruhe. Der Autor räumt mit einem Argument auf, das im Kern rassistisch ist und auf westlicher Hybris beruht, und zwar, dass das iranische Regime “von Natur aus irrational” sei. Dagegen werde die iranische Politik nicht von “verrückten Mullahs”, sondern von überaus rationalen Ayatollahs gemacht. Obgleich diese sich manchmal einer “hasserfüllten und auf hetzerischen Rhetorik” bedienten, zeigten sie jedoch keinerlei Neigung zur Selbstzerstörung. Da die überwiegende Mehrheit der israelischen und US-amerikanischen Politiker und Experten aber diese Meinung vertrete, träfe für Iran “die Logik der atomaren Abschreckung” nicht zu. Diese Kreise argumentieren, dass, sollte Iran über die Atombombe verfügen, es nicht zögern würde, sie gegen Israel einzusetzen. Auch dieses irrwitzige Argument wird von Waltz souverän zurückgewiesen, indem er betont, dass Iran Nuklearwaffen zu seiner eigenen Sicherheit brauche und nicht wegen seiner “offensive capabilities” oder gar, um sich selbst zu zerstören. 

Diesen "rationalen" Analysten sei das Buch von Alastair Crooke besonders empfohlen. Irans Sicherheit ist massiv bedroht. Es ist umzingelt von der aggressiven US-Hypermacht, die bereits bis auf Iran alle Staaten dieser Region auf Grund einer Stützpunktpolitik oder direkt wie Irak und Afghanistan besetzt hält. Darüber hinaus droht die israelische Regierung  in regelmäßigen Abständen, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren. 

Auch das Argument, Irans Politik würde durch den Besitz von Atomwaffen aggressiver, oder das Land würde Terrorismus unterstützen, werden durch die Nukleargeschichte widerlegt. Alle Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Nuklearmächten aufgestiegen seien, hätten sich als sehr verwundbar erwiesen, weil ihnen bewusst war, dass sie ein “potenzielles Ziel in den Augen der führenden Mächte” darstellten. Waltz nennt als Beispiele das maoistische China, Indien und Pakistan. “Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Iran diesen Rahmen sprengen würde.” Die “Überwachungsmöglichkeiten” der USA stellten darüber hinaus ein zu großes Hindernis dar. Sollte Iran “Nuklearmacht” werden, sprechen alle rationalen Argumente dafür, die “volle Kontrolle über sein Arsenal zu behalten”. 

Auch das oft vorgebrachte Argument, eine Nuklearmacht Iran würde das nukleare Wettrüsten in der Region anheizen, verfängt nach Waltz nicht. Seit 70 Jahren lebt die Welt im Nuklearzeitalter, und die “Furcht vor einer Verbreitung” habe sich als “grundlos” erwiesen. Iran wäre seit 1945 der zweite Staat in der Region, der über Nuklearwaffen verfügen würde. Israel verfügt seit den 1960er-Jahren über Atomwaffen, und diese stellten eine größere Gefahr für die arabische Welt dar als mögliche iranische, so Waltz. “If an atomic Israel did not trigger an arms race then, there is no reason a nuclear Iran should now.” 

1991 haben die Erzrivalen Indien und Pakistan in einem Vertrag vereinbart, ihre Nuklearanlagen nicht gegenseitig anzugreifen. Trotz immer wieder auftretender Spannungen, konnte der Frieden bis heute gewahrt bleiben. Nach Waltz könnten Israel und Iran einen ähnlichen Vertrag unterzeichnen. Bisher habe es nie einen “umfassenden Krieg” zwischen zwei Nuklearmächten gegeben. Wenn Iran die Nuklearschwelle überschreiten sollte, tritt das Prinzip Abschreckung in Kraft, selbst bei dem ziemlich kleinen iranischen Atomarsenal.

Iranische Atomwaffen würden für andere Mächte in der Region keinen Vorwand liefern, sich nun auch nuklear zu bewaffnen. Die gegenwärtige Krise würde sich auflösen und zu einem stabileren Nahen Osten führen. Dagegen sollte die Kommunikation zwischen Iran und den führenden Mächten intensiviert werden, da sie es dem Westen ermöglichen werde, besser mit einem nuklearen Iran leben zu können. Dass die Sanktionen aufgehoben werden sollten, versteht sich für Waltz von selbst; sie schaden nur den Menschen. 

Die politischen Entscheidungsträger und die Menschen in der arabischen Welt, Europa, Israel und den USA “sollten Trost aus der Tatsache ziehen, dass dort, wo eine Nuklearmacht entsteht, auch Stabilität entsteht. When it comes to nuclear weapons, now as ever, more may be better." Frei übersetzt heißt das nach Waltz:  Wenn es um Atomwaffen geht, könnte nach wie vor ihre Verbreitung den Frieden sichern.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Pakistan. The US, Geopolitics and Grand Strategies

The killing of Osama Bin Laden highlighted the already shattered relationship between the American and Pakistani governments. This incursion, the illegal drone war and other encroachments upon the Pakistan’s sovereignty by the US have brought the “special” relationship to square one. Yet, “the post 9/11 US-Pakistan relationship is not as special it is often portrayed as being. It reflects a complex combination of the phenomena of the war on terror, regional alliances and geopolitical realities, and Indian-Pakistani arch rivalries.” The skillful balancing of this political mélange is seen by the US and its Western cronies as a double game. Despite its close relationship with China and its difficult political and geopolitical maneuvering, Pakistan is still perceived as a key Western ally. 

The book’s editors, Usama Butt, director of the Institute of Islamic Sociopolitical and Strategic Affair (IISA), and Julian Schofield, deputy director of the Centre d’études des politoques étrangères et de sécurité (CEPES) at the Université du Québec in Montréal, have gathered leading scholars from Pakistan and some Western countries. Even a scholar from the American Enterprise Institute, a neo-conservative think tank, is on board. 

The book is divided into two parts: The first one deals exclusively with Pakistan-US relations; the second part discusses Pakistan´s foreign relations with other states. Pakistan’s domestic setting is as complex as its geopolitical situation and cannot be reduced to the decade of the “war on terror” or solely explained by its complicated relation to India. Both sections of the book are based on the paradigm that the country’s foreign policy should not be defined by the war on terror. Beside the US, Pakistan’s staunchest allies are Saudi Arabia and China, and the relations with Iran and Afghanistan are also excellent. 

Plodding through all the chapters is a bit laborious, although each is interesting to read. While each chapter is free-standing, reading them in sequence conveys the complexity of Pakistani political setting to the reader. Starting out with Usama Butt’s article that deals with the relationship between the dynamics of the “global war on terror (GWOT)”, the country’s Islamic orientation and the reactions of the masses, the article comes to a preliminary conclusion that “all the challenges the world faces today are the direct results of inhuman Western policies, its luddism, imperialism, and the selfish and arrogant attitude”. “Pakistan was formed in the name of Islam”, writes Butt and hints at the irony that the Islamic ideology is being contested today both within and outside its borders. Historical developments show that the Christian West from the eighth century on until today fought a bloody war against the religion of Islam, starting with the crusaders, the reconquest of Spain by the so-called catholic kings, the colonialism and imperialism to the Islamophobia of the neo-colonial period. The West and especially the US through its drone wars have caused massive anti-Westernism and anti-Americanism in Pakistan. As the main reasons for this attitude Butt blames “the Islamophobic theory of a clash of civilizations, constructed largely by neoconservatives and Christian-Zionists, along with the Bush doctrine of pre-emption, all viewed through the prism of the GWOT”. The author sees two ways out of Pakistan’s political deadlock: firstly, there must be an “honest debate” about the role of Islam in the running of the state; and secondly, there needs to be a serious re-evaluation of the conduct of the GWOT within the country. 

Michael Rubin, scholar at the American Enterprise Institute, hints at the different and often mutually exclusive understandings of the national interests and threat perceptions between the US and Pakistan, albeit they are considered allies. These different threat perceptions and the distrust often reserved for rogue states leads the US government astray writes the author: “India may be Pakistan’s greatest external threat, but ethnic nationalism poses just as serious a challenge to Pakistan’s integrity, and indeed its existence.” Rubin is not that optimistic about US-Pakistani relations. He writes that the difference in the perception of the national interest, the religious ideology and ethnic nationalism “are simply too vast to overcome”. 

Another interesting article deals with the relationship between Pakistan and Iran, the nuclear question and US and Western concerns. Although Iran and Pakistan are bound by cultural, tribal and religious bonds, both countries have a complex relationship, writes Harsh V. Pant. While cooperation between the two countries is essential to stabilize the situation in Afghanistan, a decline in Afghanistan’s security can exacerbate the rivalry between the two. According to the author, Iran would consider a “re-Talibanization” of Afghanistan by Pakistan as an unfriendly act.

As regards the nuclear issue, the US administration applies double standards towards India and Pakistan. According to one of the authors, Shaista Tabuassum, professor of the Department of International Relations at Karachi University, the “United States and other western powers consider Pakistan’s nuclear program to be a threat to their own security and to the rest of the world”. It is true that neither Pakistan nor Israel have signed the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons and refuse inspections of their installations. But why is only Pakistan considered a threat to the peace? The author describes the history of Pakistan’s nuclear program and the US government’s preferential treatment of India because both of them see China as a threat to their hegemonic endeavor. 

The editors’ state in their conclusion that the relationship between the US and Pakistan lacks a basic principle of diplomacy: trust. After ten years of a “global war on terror” that affected especially Afghanistan, Pakistan and Iraq and caused havoc to the region, the question arises how Pakistan can remain resilient. The authors’ outlook is not too optimistic, in view of US hegemonic ambitions. According to their opinion, “distrust” is a polite way to describe the bilateral relations between the US and Pakistan. 

The book leaves the reader with the strong impression that the US Empire is not sensitive enough to the regional interests of its “ally” Pakistan, let alone of other actors. US President Obama’s drone war that causes many more deaths among civilians than among alleged terrorists infuriates the Pakistani people and contributes to the instability of the country. The global war on terror has badly affected the central Asian region. It serves only the hegemonic interests of the US and is directed against China and Russia.

Unfortunately, some authors use the phrase “global war on terror” to describe the havoc that is caused by the US Empire in the region. However, this terminology is a language construction. First, it is not a “war” and secondly, the operations going under this heading are not directed against “terrorists” but aim at US hegemony. The current discussions in the US show that the “drone war” and President Obama’s “hit list” are seen by some pundits as “state terrorism”. Unfortunately, the authors do not render these issues problematic.  

First published here and here.

Sonntag, 24. Juni 2012

Nobel Peace Prize for Bradley Manning

I support wholeheartedly the nomination of the American soldier Bradley Manning for this year's Nobel Peace Prize. Through his courageous decision to have allegedly forwarded material to the website WikiLeaks, he has drawn attention to the numerous war crimes and crimes against humanity by the U.S. Government.

The latest committee's decision to award the Nobel Peace Prize to U. S. President Barack Obama was totally wrong. This year's award for “Private First Class” (PFC) Breadley Manning would only be a small consolation. Obama turns out to be a non-white version of George W. Bush. Quite a few Americans consider him even worse. After having received the Nobel Peace Prize he stepped up the wars. Personally, he even presides over a "hit list" of people his administration considers "terrorists". They are assassinated without due process by drones controlled from somewhere in the United States.

Your committee should deprive him of the Nobel Peace Prize. Besides Manning, another worthy candidate would be Julian Assange. Why don't you award the Nobel Peace Prize to both of them?

I hope that this time your committee has a lucky hand.

Please send your support to the following email: postmaster@nobel.no

First published here and here.

Photo credits: MWC news.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Alexander Flores, Zivilisation oder Barbarei?

Die 9/11-Anschläge haben zum Thema „Islam“ und „Islamkritik“ eine Fülle von Publikationen hervorgebracht, die ihresgleichen sucht. Folglich soll dies kein weiteres Buch über „den“ Islam, sondern vielmehr ein Versuch sein, Licht in relevante Komplexe um den Islam zu bringen, um eine vernünftige Sicht auf die gesamte Problematik zu erhalten, so der Autor. Sachlich, souverän und professionell wird das Thema „Islam im historischen Kontext“ in all seinen Facetten von Alexander Flores, Professor für Wirtschaftsarabistik in Bremen, behandelt. Sein Umgang mit dem Thema passt so gar nicht zur schrillen Rhetorik der medialen Berichterstattung über diese Religion. Der unsachlichen und in weiten Teilen dilettantischen Islamkritik wird der Spiegel historischer Realität vorgehalten. Die polemischen und antiislamischen Äußerungen eines Ernest Renan stehen hier pars pro toto für eine ganze Zunft.

Über Islam wird nicht nur in Deutschland kontrovers diskutiert, sondern er wird in weiten Teilen der Welt fast blindlings mit Islamismus, Fundamentalismus, Terrorismus, Selbstmordattentaten, „Antisemitismus“ und „Judenfeindschaft“, Diskriminierung der Frau, Demokratiefeindlichkeit und Missachtung der Menschenrechte assoziiert. Einige Vorwürfe treffen ohne Zweifel zu, und der Autor arbeitet sie fein säuberlich heraus und stellt sie in ihren jeweiligen historischen Kontext, in dem sie dann doch in einem wesentlichen differenzierten Licht erscheinen. Hat es diese Erscheinungsformen vor noch gar nicht so langer Zeit auch in den Ländern gegeben, die „den“ Westen bilden? Viele Phänomene und Konflikte, die der Westen reflexartig „dem“ Islam zuschreibt, haben aber mit Islam nur am Rande zu tun. Alle diese Defizite, die man im Islam zu erkennen glaubt, werden zu einem neuen Feindbild des Westens zusammengebraut.

In elf Kapiteln werden vom Autor auch alle unerfreulichen Erscheinungen einer islamischen Gesellschaft behandelt; Flores ordnet sie historisch ein und erklärt sie mit der Lage der Muslime in der Welt. Seine Schlussfolgerungen beziehen sich sowohl auf Muslime als auch auf die Mitglieder der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft, die schon aus der bloßen Zugehörigkeit zum Islam, den Muslimen politisch einen Strick zu drehen versuchen. „Von seinem Grundcharakter, seinen Glaubensinhalten, seinem mythischen Bestand und seiner ethischen Ausrichtung her unterscheidet sich der Islam nicht wesentlich von Judentum und Christentum; in seinem Selbstverständnis ist er deren Fortsetzung.“

Der Autor arbeitet sich weder an den Positionen der Islamkritiker noch an denen der Islam-Apologeten ab. In seinen Ausführungen zeigt er, wie über weite Strecken der islamischen Geschichte die Hegemonie der Religion über den Alltag menschliche Freiheit, Kreativität und Produktivität kaum eingeschränkt haben. Jegliche Islamkritik beginnt mit einer Kritik des für Muslime „heiligen Buches“, dem Koran. Flores zeigt, dass der Koran kein „widerspruchsfreies Dokument“ ist, in dem es gegensätzliche Meinungen zu ein und demselben Thema gibt. Wenn im Koran über „Höllenstrafen“, der Minderstellung der Frau, der Ablehnung von Angehörigen anderer Religionen oder zum Krieg gegen „Heiden“ berichtet wird, bedeutet dies jedoch kein muslimisches Alleinstellungsmerkmal, wie der Autor betont, sondern man könne ähnliche Passagen in anderen „heiligen Texten“, nicht zuletzt in der Bibel finden, in der „die Aufforderung zum Massaker stellenweise noch unbedingter formuliert ist, so z. B. Deuteronomium 20,16.“ Die ethischen Prinzipien, die im Koran grundgelegt sind, seien denen der beiden anderen nahöstlichen Religionen wie Judentum und Christentum sehr ähnlich. 

Auch mit der weithin dämonisierten Scharia, dem islamischen Recht, verhält es sich wesentlich anders als die so genannten Islamkritiker meinen. Nach deren Karikatur regelt sie das Leben der Muslime bis ins kleinste Detail, lasse diesen keinerlei Wahlmöglichkeit, und der Staat zwinge den Menschen die Vorschriften peinlich genau auf. Dies sei falsch, so Flores. „Die Scharia ist vielmehr eine Orientierungsmöglichkeit für Muslime in ihrem Verkehr mit anderen Menschen und gleichzeitig in ihrem Verhältnis zu Gott. Sie ist dies weitgehend ohne Intervention des Staates.“ 

Wie mit Koran, Scharia oder dem Dschihad (heiliger Krieg) verhält es sich auch mit den anderen „Problemzonen“ des Islams, die immer wieder von dessen Kritikern vorgetragen werden. Wie verhält es sich nun mit der „Judenfeindlichkeit“ im Islam? Nach Meinung des Autors zeichne der Koran ein “ausgesprochen zwiespältiges Bild von Judentum und Juden“, das wohl mit seiner Entstehungsgeschichte zusammenhänge. Es finden sich darin auch zahlreiche „judenfeindliche Wendungen“. Gleichwohl seien große Teile der Heilsgeschichte, wie sie der Koran zeichne, „mit der des Alten Testaments identisch“. Wiederholt werde die Rolle Moses als Prophet und der Auszug der Juden aus Ägypten erwähnt, die als „Kinder Israels“ bezeichnet werden.

Nimmt man die judenfeindlichen Passagen im Koran, der Prophetenbiographie und der Hadith (Mitteilung über den Propheten Mohammed) zusammen, so bleibt ein „negativer“ Gesamteindruck. „Der Verlauf der islamischen Geschichte zeigt, dass der negative Akzent im Verhältnis zu den Juden in aller Regel latent blieb.“ Es habe zwar Misstrauen und antijüdische Ausschreitungen gegeben, „aber keinerlei konsequent durchgehaltene generelle Judenfeindschaft. Die heilsgeschichtliche Aufladung der traditionellen christlichen Judenfeindschaft fehlt hier.“ Auch zeige die vormoderne islamische Geschichte, dass es keinen „Automatismus islamischer Judenfeindschaft gibt“. Die Hamas-Charta von 1988 wird ebenfalls kritisch gewürdigt. Besonders problematisch dabei sei, dass „die Auseinandersetzung mit Israel als Teil eines angeblich ewigen Gegensatzes zwischen Juden und Muslimen aufgefasst wurde“. 

Falls es zu „antisemitischen“ Äußerungen komme, seien diese als „Abwehrreflex“ gegen die Schädigung der islamischen Religion durch die Dominanz des Westens zu verstehen. Die aus dem „modernen europäischen Antisemitismus übernommenen judenfeindlichen Motive“ werden dann im Zusammenhang mit Israels Gewaltpolitik gegenüber den Palästinensern „als kruder Antisemitismus geäußert“. „Selbstverständlich ist auch eine so in den Kontext gestellte Judenfeindschaft höchst kritikwürdig.“ Kritik, die sich als generelle Judenfeindschaft äußere, „sollte man in jedem Fall scharf zurückweisen“, weil diese „antimuslimische Haltungen“ im Westen verstärke. 

Wenn man ein Buch zur Islamproblematik lesen möchte, das jenseits von Polemik und Apologie angesiedelt ist, dann sind die Leser mit „Zivilisation oder Barbarei“ bestens bedient. Es eignet sich besonders gut als Aufklärungsschrift gegen die Fülle der antimuslimischen Kampfschriften. Besonders profitieren davon könnten alle Institutionen im Bildungsbereich, da dort bereits die giftige Saat der Islamophobie aufgeht. In deren Buch-Beständen sollte eigentlich Tabula rasa angesagt sein. „Der Islam im historischen Kontext“ ist klar gegliedert, überaus verständlich geschrieben, verfügt über ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und Sachregister und hält auf jeder Seite ein Aha-Erlebnis für diejenigen bereit, die nicht über ein geschlossenes islamophobes Weltbild verfügen.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Peter Beinart, The Crisis of Zionism

Das Buch “The Crisis of Zionism” von Peter Beinart hat zu heftigen emotionalen Eruptionen innerhalb des US-amerikanischen jüdischen politischen und kulturellen Establishments geführt. Der Autor bezeichnet sich selber als Zionist; er macht sich um die Zukunft Israels und die Entfremdung der jungen US-amerikanischen Juden vom Zionismus große Sorgen. Beinart ist nicht nur über die Politik der rechtsnationalistischen israelischen Regierung besorgt, sondern auch über deren unkritische Unterstützung durch die “Israellobby” (Mearsheimer/Walt) in den USA. Diese Besorgnis haben jüngst zwei so unterschiedliche Intellektuelle wie David Remnick, Chefredakteur von “The New Yorker”, und der Politikwissenschaftler Norman G. Finkelstein ebenfalls geäußert. Letzterer hat gerade ein Buch “Knowing too much” veröffentlicht, in dem er unter anderem ebenso wie Beinart eine Entfremdung junger liberaler US-amerikanischer jüdischer Studenten von Israel festgestellt hat. Deren liberaldemokratische Wertvorstellungen ließen sich nicht länger mit der illiberalen und intoleranten Politik der rechtsnationalistischen Netanyahu-Regierung in Einklang bringen.

Peter Beinart ist ehemaliger Redakteur von “The New Republic” und zurzeit außerordentlicher Professor für Journalismus und Politikwissenschaft an der “City University” in New York. Darüber hinaus schreibt er für „The Daily Beast“ und ist Chefredakteur für „Open Zion“, einem Blog, der sich Gedanken über Israel und die Zukunft der Juden macht. Sein Hauptanliegen ist die Rettung des “liberalen Zionismus”, was aus mehreren Gründen einer Quadratur des Kreises entspricht. Erstens gibt es keinen “liberalen Zionismus, sondern nur liberale Individuen, die sich zum Zionismus als Ideologie bekennen und diese vertreten; zweitens kann Israel nicht gleichzeitig ein jüdischer und demokratischer Staat sein, weil dies eine contradicito in adjecto oder ein Oxymoron ist, wie auch Abraham Burg in einem Interview festgestellt hat, und drittens ist Liberalismus nicht mit Tribalismus vereinbar. 

Liberaler Zionismus sei ein Mythos; dies hat schon der israelische Autor, Dichter und politische Aktivist Yitzhak Laor in seinem Buch “The Myth of Liberal Zionism” überzeugend dargelegt. Als ein liberaler Jude in den USA scheint der Autor dem Image vom “Beautiful Israel” nachzutrauern, das im Westen immer noch in einigen gesellschaftlichen Kreisen gepflegt wird. Dieses Bild entstand während der langen Herrschaft der Arbeitspartei. Beinart gibt sich als ein Bewunderer von David Ben-Gurion, Golda Meir und Yitzhak Rabin zu erkennen. Glaubt man jedoch den Ausführungen von Zalman Amit and Daphna Levit in ihrem Buch “Israeli Rejectionism”, so war Ben-Gurion der “greatest Israeli rejectionist”. 

Was ist so erstrebenswert für einen liberalen Demokraten, dass er versucht, die Privilegien einer ethnischen Gruppe (Juden) über eine andere (israelische Palästinenser) zu erhalten? Beinart sieht, wie z. B. andere Vertreter der so genannten zionistischen Linken, die Probleme Israels erst mit der Besetzung palästinensischen Landes im Juni-Krieg von 1967 entstehen. Diese Vertreter blenden jedoch das große Unrecht, das im Zuge der Staatsgründung Israels mit der Vertreibung von 750 000 Palästinensern aus ihrer Heimat entstanden ist, aus. Darüber hinaus scheinen für Beinart Israels demokratische Unzulänglichkeiten nur darin zu bestehen, dass religiös fanatisierte Siedler die Israelische Gesellschaft in Geiselhaft genommen haben. Ein weiterer Trugschluss in Beinarts Argumentation liegt der Behauptung zugrunde, dass es in Israel zwar eine liberale Demokratie gebe, dagegen aber in den besetzten Gebieten ein “undemokratisches” und “ethnozentrisches” Regime herrsche. Damit stellt sich für jeden Leser zwangsläufig die Frage, ob nicht die demokratisch gewählte israelische Regierung für die Situation in den besetzten Gebieten verantwortlich ist. Israel hat in der Tat erhebliche politische und gesellschaftliche Probleme, die zu einem großen Teil hausgemacht sind und in der zionistischen Ideologie begründet liegen; justament dieser, wenn auch deren „liberale“ Variante, will Beinart wieder neues Leben einhauchen. 

Für den Rezensenten scheint sich der Eindruck aufzudrängen, als habe der Autor ein stark eingeschränktes Bild der Realität von Israel und Palästina. Sein Buch ist primär für seine US-amerikanischen Landsleute, insbesondere seine jüdischen, geschrieben. Unter “ethnocracy” versteht Beinart einen “place where Jews enjoy citizenship and Palestinians do not”, und dies beziehe sich nur den “mini-state”, der von den Siedlern in der Westbank errichtet worden sei. Andere renommierte Israelis wie Oren Yiftachel, Professor an der Ben-Gurion Universität in Beer Sheva, und die deutsch-israelische Menschrechtsanwältin Felicia Langer und viele andere bezeichnen Israel als “Ethnokratie”, weil die jüdischen Israelis zahlreiche Privilegien gegenüber ihren israelisch- palästinensischen Mitbürgern genössen. Zerstört nicht gerade dieser illiberale Zionismus den “liberalen Zionismus” in Israel?

Neben diesen wenigen Unzulänglichkeiten schreibt Beinart Dinge über Israel und die pro-zionistische “Israellobby” in seinem Heimatland, die sich für amerikanische Ohren geradezu häretisch anhören müssen, wenn man die rosarote Berichterstattung der Medien in den USA über Israel vor Augen hat. Sätze wie “hoarding the Holocaust” seit den 1970er Jahren durch amerikanisch-jüdische Organisationen, oder dass die “Anti-Defamation League” nur einen “angeblichen” Antisemitismus bekämpfe, und dieses Problem eine Art jüdischer “Selbstbetrug” sei, sind überaus mutige Sätze für einen zionistischen US-Amerikaner. Auch was er sonst über Israels Misshandlung der Palästinenser sowie Israels Missachtung der Menschenrechte der Palästinenser und des Völkerrechts schreibt, ist nach US-amerikanischen Medien-„Standards“ inakzeptabel. Beinart lässt sich vom Geiste des großen Rabbiners Hillel leiten, demzufolge “Juden nicht anderen das antun dürfen, was sie selber als hassenswert empfinden, wenn es ihnen angetan werden würde”. Beinart lässt für die Leser ein anderes Judentum aufscheinen, das Israel durch sein politisches Verhalten so nicht repräsentiert.

Der Autor setzt sich intensive mit der “Krise in Amerika” und der “Krise in Israel” auseinander, aber nicht mit der “Krise in Palästina” oder der “Krise des Islam”. Folglich ist seine größte Sorge, welche langfristigen Auswirkungen die fortdauernde Besatzungsherrschaft auf die liberalen und demokratischen Ideale Israels oder auf seine physische Existenz haben werden. Auch würden die zahlreichen jüdischen Interessenverbände ihre Augen vor diesen Problemen verschließen und mit der rechtsnationalistischen Netanyahu-Regierung durch dick und dünn gehen. Als Zionist ruft Beinart sogar zum Boykott israelischer Waren aus den besetzten Gebieten auf.

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Autor der Beziehung zwischen US-Präsident Barack Obama und Ministerpräsident Benyamin Netanyahu. Als US-Amerikaner empfindet er Verachtung für die Demütigungen Obamas durch Netanyahu sowie den fanatischen Applaus, den er während seiner gesamten nationalistischen Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses im Mai 2011 erhalten hat. Netanyahu machte nicht nur Obama öffentlich lächerlich, als er sich seiner Forderung nach einer Verlängerung des sechsmonatigen Baustopps der völkerrechtswidrigen Siedlungen widersetzte, sondern dass er auch öffentlich äußerte, dass er von Obama “erwartet”, dass sich dieser an die Zusagen der Bush-Administration aus dem Jahr 2004 halte. Selbst einen überzeugten Zionisten wie den US-Vizepräsidenten Joseph Biden stellte die israelische Regierung während dessen Besuchs in Israel öffentlich bloß, obgleich dieser doch bei der Ankunft gesagt hat: “Good to be at Home!” Beinart bedauert, dass Obama sich permanent dem Druck der “Israel-Lobby” und anderen wichtigen jüdischen Meinungsführern beuge.

Der Autor äußert sich pessimistisch über den Zustand der liberalen und demokratischen Ideale in Israel, “and American Jews most committed to those ideals will become indifferent, at best, to the Jewish state”. Um das zionistische liberale Israel durch die Gründung eines Palästinenserstaates retten zu können, scheint es bereits zu spät zu sein. Zu sehr haben die religiösen Eiferer das Heft des Handelns übernommen. Beinart sollte auch zur Kenntnis nehmen, dass die gegenwärtige israelische Regierung einem “Staat Palästina” neben Israel, der diese Bezeichnung auch verdient, niemals zustimmen wird. Es dürfte wohl bei den augenblicklichen “Bantusatans” für die nächsten einhundert Jahre bleiben. Wo aber solche politischen Gebilde entstehen oder existieren, dürfte “Apartheid” gleich um die Ecke lauern. 

Für US-amerikanische publizistische Verhältnisse ein überaus mutiges Buch; darüber hinaus ist es exzellent geschrieben. Chapeau, Mr. Beinart!

Sonntag, 10. Juni 2012

Amnesty International, Starved of Justice

Der jüngste Bericht von Amnesty International zur Lage der Gefangenen in israelischen Gefängnissen ist deprimierend. Im Fokus dieser Untersuchung stehen solche Gefangene, die unter Administrativhaft gehalten werden, ohne dass sie jemals angeklagt, geschweige denn einen ordentlichen Prozess bekommen hätten. Diese Form des Wegsperrens ist bequem und erfolgt auch willkürlich gegen Personen, die keinerlei Gefahr für die Sicherheit Israels darstellen, wie z. B. Aziz Dweik, Vorsitzender des 2006 demokratisch gewählten palästinensischen Parlaments. Die Verwaltungshaft kann immer wieder um sechs Monate verlängert werden, theoretisch, falls nötig, ad infinitum. Mit dieser Haftmethode wird elementar gegen das Menschenrecht auf einen fairen Prozess verstoßen.

Der Massen-Hungerstreik palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen hat nicht nur deren miserable Lage und Misshandlung wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt, sondern auch ein Verhalten der israelischen Gefängnisbehörden bzw. der israelischen Regierung offengelegt, das jedem rechtsstaatlichen Verhalten Hohn spricht. Derzeit werden zirka 4.400 so genannte „securitiy prisoners“ von Israel gefangen gehalten, davon ungefähr 300 in Verwaltungshaft. 

Die israelische Menschrechtsorganisation B‘ Tselem bemerkt zur israelischen Handhabe der Verwaltungshaft: „Nach Völkerrecht kann Verwaltungshaft nur in extremen Ausnahmefällen angewendet werden, und zwar als letztes zur Verfügung stehendes Mittel zur Verhinderung drohender Gefahren, die nicht durch weniger schädliche Mittel vereitelt werden können. Israels Einsatz der Administrativhaft verstößt eklatant gegen diese Einschränkungen.“ Nach der Verwaltungshaft-Vorschrift Nr. 1591 von 2007 kann jeder Militärkommandeur Verwaltungshaft für sechs Monate verhängen. Der Gefangene hat die Möglichkeit des Einspruchs vor einem Militärgericht. Lehnt dieses den Einspruch ab, kann sich der Gefangene an ein militärisches Berufungsgericht wenden; diese militärischen „Gerichte“ fällen ihre Entscheidungen jedoch hinter verschlossenen Türen, also im Geheimen. 

In Folge von 9/11 hat sich die israelische Regierung an die Praktiken ihrer Schutzmacht USA angelehnt. In 2002 wurde ein Gesetz gegen „Unlawful Combatants“ erlassen, das die Einbuchtung einer Person auf ewig gestattet, wenn diese „Feindseligkeiten“ und im Kriegsfall „Kampfhandlungen“ gegen den Staat Israel begeht. Ein „Unlawful Combatant“ ist eine Zivilperson, die sich nach Völkerrecht an Kriegshandlungen unter Verletzung des Kriegsvölkerrechts beteiligt. Die Bush-Regierung hat mit dem Begriff „Enemy Combatant“ einen neuen Begriff ins Völkerrecht eingeführt. Gemäß US-Patriot-Act können diese Personen „auf unbestimmte Zeit“ und ohne rechtsstaatliches Gerichtsverfahren gefangen gehalten werden.

Neben unzähligen anderen Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Besatzungsmacht hat Amnesty International darauf hingewiesen, dass die israelischen Behörden durch folgende Maßnahmen versucht haben, den Hungerstreik der Gefangenen zu beenden: Isolationshaft, Kontaktsperre zur Familie und Anwalt, Verhinderung der Verlegung der Hungerstreikenden - ihrem Gesundheitszustand entsprechend - in entsprechende Krankenhäuser, keine Zulassung von Ärzten ihres Vertrauens. Einige Gefangene berichten sogar von „körperlichen Angriffen“ durch das Gefängnispersonal. Einigen der Hungerstreikenden Administrativ-Häftlingen wurde nach Angabe ihrer Anwälte angeboten, sie zu deportieren, was alle abgelehnt hätten, so Amnesty. Die Organisation weist ebenfalls auf die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen seitens der Abbas- und der Hamas-Regierung in der Westbank und dem Gaza-Streifen hin. 

Im Amnesty-Report werden zuerst die Geschichte und die rechtlichen Grundlagen der Administrativhaft geklärt, bevor minutiös alle Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Behörden aufgelistet werden. Wie immer gibt Amnesty zahlreiche Empfehlungen an die israelische Regierung und die anderen Signatarstaaten der Menschrechtspakte. Abgerundet wird dieser Bericht durch einen umfangreichen Anhang, in dem einige Stellungnahmen der israelischen Behörden zu einzelnen Administrativ-Häftlingen abgegeben werden. 

Dieser Amnesty-Bericht zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der seit 45 Jahren andauernden Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Besatzungsmacht gegenüber den eigentlichen Besitzern des Landes Palästina. Dieser permanente Skandal scheint immer öfter durch die zahlreichen anderen inszenierten Krisen dem internationalen Vergessen anheimzufallen. Ob dies der Hungerstreik der palästinensischen Gefangenen oder die BDS-Kampagne verhindern können, wird die Zukunft zeigen.

Dienstag, 5. Juni 2012

Norman G. Finkelstein, Knowing too much

The more danger, the more honor - this saying could be a trade mark for the straightforward attitude and non-corruptible scholarly work of the US-American political scientist Norman G. Finkelstein. There is no other American Jew in the United States whom the right-wing pro-Israel Zionist lobbies and their cheerleaders’ worldwide love to hate more than Finkelstein.

One of his fiercest opponents is Alan Dershowitz, law professor at Harvard University, whose book, “In Case of Israel”, Finkelstein not only ridiculed but also exposed in many parts as plagiarism. Dershowitz returned this compliment by pursuing a smear campaign against Finkelstein at DePaul University where he was just up for tenure. He achieved his goal. Finkelstein considered an excellent teacher by his students and an outstanding scholar by the faculty was not accepted for tenure. That the biggest Catholic university in the U. S. yielded to the pressure of parts of the right-wing pro-Likud Zionist “Israel-Lobby” is something to be noted.

The Dershowitz pamphlet was translated into German, and was prefaced by the German-Jewish journalist Henryk M. Broder, known for his islamophobic leanings. In that foreword he wrote inter alia: “It is correct: Israel is today more a perpetrator than a victim. That´s good and that is how it should be after Jews had played for almost 2,000 years the role of victims and had only bad experience with that role. Perpetrators usually have a longer life expectancy than victims and it is more fun to be a perpetrator than a victim.” At the end, the book did not succeed at the German market because it could only convince the already converted, i. e. real believers.

Finkelstein’s record to frontally attack the “Israel Lobby” has a long history starting with his dissertation, in which he criticized Zionism and its ideology. Stronger however, was his reaction towards the book “From time Immemorial” by Joan Peters, widely acclaimed in United States, though not in Israel. In a detailed analysis Finkelstein proved that her book was a hoax, one of many Zionist fairy-tales that strove to demonstrate the “historic” right of the Zionist enterprise in Palestine, regardless of all historical facts.

Another author who was intellectually debunked by the team Norman Finkelstein and Ruth Bettina Birn, was Daniel Jonah Goldhagen. His book “Hitler´s Willing Executioners” was very well received in Germany. Goldhagen was treated like a “savior” by certain German progressive political circles. The “Goldhagen phenomenon” in Germany can only be explained by a confused German political conscience. The Goldhagen hype was shattered by the book “A Nation on Trial” in which Finkelstein and Birn presented many historical flaws in Goldhagen`s book and demonstrated that his work was ideologically driven but lacked scientifically basis.

Finally, Finkelstein`s book “The Holocaust Industry” created an uproar among some representatives of the American Jewish community. The author argued that some money from European governments in the name of “needy Holocaust victims” was withheld and that some Jewish organizations pocketed some of the “Holocaust compensation” monies. Although the late well-known Holocaust scholar Raul Hilberg praised the book and spoke in high terms of Finkelstein, it marked the beginning of the end of Finkelstein’s academic career. He lost immediately his teaching post at Hunter College, and later DePaul University used the book as the basis of getting rid of him.

„If Israel has become a crazy state, it is in no small part because of American Jews”, writes the author at the end of his analysis about the attachment of American Jews towards Israel. Despite this fact, American-Israeli relations are undergoing a major shift. Zionist propaganda is not as readily accepted by liberal American Jews as before. Young American Jews do not automatically support Israel, the government of which continues to pretend that it speaks in the name of worldwide Jewry.

The main focus of the book is what Steven M. Cohen has observed of the contemporary American Jewish scene: “For many American Jews, politics - in particular pro-Israel and liberal activity - have come to constitute their principal working definition of Jewishness.” According to Finkelstein, Israel can no longer count on the blind support of American Jews. This shift in perception is especially palpable on American college campuses. Despite all the efforts of pro-Zionist and pro-Israel propagandists in the U. S., young American Jews, as many opinion-polls indicate, turn their back on Israel and its extremist policies that offend liberal, democratic people.

Among those concerned about the Israeli drift towards “fascism”, reported by Michael Warschawski from the “Alternative Information Center” in Jerusalem, we find not only American Jewish critics of Zionist ideology and Israeli policies like Finkelstein, but also liberal American Zionists, such as Peter Beinart and David Remnick, who are deeply concerned by the hazardous, irrational and extremist policy of the Netanyahu government and its right-wing coalition partners. Their disenchantment is palpable. For them, Israel bears a large burden of guilt for what is going wrong in the Middle East.

After the “glorious” victory in the June war of 1967, a special relationship between the U. S. and Israel developed. The “light unto nations” became the prime concern and the focal point of American Jewry. After the Israeli leadership decided to colonize the Palestinian Occupied Territories, the “benign occupation” turned into a brutal occupation regime. Finkelstein shows that the American public was only rudimentarily informed. Since the beginning of the first intifada in 1987, it has become impossible, even for the staunchest Israel supporter, to turn a blind eye to Israel´s massive human rights violations.

As Finkelstein shows in his book, ever fewer U. S. American Jews support the ethnically based State of Israel, albeit kinship among Jews is still the main bedrock in their relationship. What alienates liberal American Jews from Israel is the “hijacking” of the relationship between the U. S. and Israel by the right-wing pro-Likud “Israel Lobby” and its neoconservative and Christian fundamentalist allies. Their legitimization of Israeli politics clashes with human values democratic American Jews stand for. Precisely because most American Jews adhere to a robust liberalism, they loosen their ties with Israel. That is why Finkelstein feels optimistic about reaching American public opinion and the mainstream of Jewish public opinion.

Finkelstein argues that the awareness of the Israel-Palestine conflict changed because knowledge shifted from fiction to fact “that has rendered support for Israel on the basis of liberal values increasingly untenable”. In the early 70s and 80s, only a few “esoteric” Israelis like Felicia Langer and Israel Shahak spoke out against Israeli occupation and the oppression of the Palestinian people. Later advocate Lea Tsemel joined in. These were and still are wonderful and courageous individuals. At the time they could be easily dismissed as marginal’s but in the 90s several human rights organizations, such as B`tselem, amnesty international and Human Rights Watch appeared on the scene, writes the author. And these could not be dismissed.

Especially in the last decade, the facts on the ground have become so revolting that hardly any liberal Jewish American could justify what the Israel government does. Although the record of Israeli governments is disastrous, there are still [Jewish] groups [in the United States] that attempt to whitewash Israel’s human rights violations and distain for international law. Significant portions of Finkelstein`s try to set the record straight. Israeli Hasbara (propaganda) fights an uphill or even a losing battle. Should Israel really face an existential threat – and not one concocted by invoking Iran´s non-existent nuclear capabilities – almost all American Jews, according to Finkelstein, “will almost certainly rally, and should rally, to [Israel’s] defense”. A peace settlement could have reached decades ago, so the author, but “Israel – with critical U. S. backing, largely because of the Israel lobby – has blocked it”.

In four chapters Finkelstein shows that American Jewry can no longer reconcile Israel´s right-wing ideology and extremist policies with its liberal principles. American Jews do not anymore pretend they do not know. All the propaganda by the Dershowitz’es and his ilk, let alone the powerful "Israel lobby", cannot anymore bridge the gap between Zionist fiction and the brutal reality in Palestine. Finkelstein shows that finally, liberal American Jews have grasped it. The lobbies’ attempts to tar critics with “anti-Semitism” or label them “self-hating Jews” are not anymore effective.

According to Finkelstein, Israel must be held accountable to the same standards as any other country. That means that international law has to be enforced: Israeli settlements are illegal under international law; Israel has no legitimate title to the West Bank, Gaza, or Jerusalem, and the Palestinians have a right to return to their country. The author mentions that President Barack Obama was criticized by Benyamin Netanyahu for not holding on to the Egyptian dictator Hosni Mubarak. Young liberal Jewish Americans don’t want to hear this political nuisance any longer, so Finkelstein.

Also in this book, the author remains true to his brand. He deals with the books of Jeffrey Goldberg, Dennis Ross, Isabella Ginor and Gideon Remez, Michael Oren, and Benny Morris. Finkelstein lashes at the Israeli “new historian” Benny Morris for justifying a potential “ethnic cleansing” of the Palestinians and advocating a „nuclear attack“ on Iran by Israel, should the United States not do the job: “It is no longer possible to both be an honest historian and perpetuate the Exodus version of Israel’s past, and it is no longer possible to defend Israel on the basis of liberal values. To gain entry into the elite tier of Israel’s historiographic establishment, however, it has always required recycling the mythical version of Israel’s past and staunchly defending the Israeli state (…) If Morris has gone berserk, it is because he aspires to be the official storyteller of a nation that itself has gone over the cliff . His degeneration vividly illustrates that except by resorting to a mishmash of lies and lunacies, deceits and delusions, it is no longer possible for Israel’s defenders to justify its policy.”

To show the hypocrisy of the so-called Zionist left or Zionist liberals, Finkelstein compares in an Appendix the ruling of the High Court of Israel (HCI) – considered a bastion of liberalism and Jewish democracy – and the ruling of the International Court of Justice (ICJ) concerning the Wall that purports to separate the West Bank from Israel proper. Whereas the latter saw in this monstrous construction a grave violation of international law, the HCI justified the wall in every ruling. “Despite its pious lip-service to the rule of law, the HCI again breached it in the service of raison d’état. In addition, the HCI decisions on the wall were riddled with internal contradictions. The Court deferred absolutely to the military authority of the state, but also disputed the state’s military rationale for segments of the wall, in the process undercutting the basis of the Court’s own finding of the military necessity of the wall.”

To make a long story short: this book is typical Finkelstein. He always handles hot iron but based solely on meticulously researched facts and convincingly argued. All in all, very worth-reading, intellectually challenging, and a real treat.

First published here, here and here.
Translation into Spanish.