Der jüngste Bericht von Amnesty International zur Lage der Gefangenen in israelischen Gefängnissen ist deprimierend. Im Fokus dieser Untersuchung stehen solche Gefangene, die unter Administrativhaft gehalten werden, ohne dass sie jemals angeklagt, geschweige denn einen ordentlichen Prozess bekommen hätten. Diese Form des Wegsperrens ist bequem und erfolgt auch willkürlich gegen Personen, die keinerlei Gefahr für die Sicherheit Israels darstellen, wie z. B. Aziz Dweik, Vorsitzender des 2006 demokratisch gewählten palästinensischen Parlaments. Die Verwaltungshaft kann immer wieder um sechs Monate verlängert werden, theoretisch, falls nötig, ad infinitum. Mit dieser Haftmethode wird elementar gegen das Menschenrecht auf einen fairen Prozess verstoßen.
Der Massen-Hungerstreik palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen hat nicht nur deren miserable Lage und Misshandlung wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt, sondern auch ein Verhalten der israelischen Gefängnisbehörden bzw. der israelischen Regierung offengelegt, das jedem rechtsstaatlichen Verhalten Hohn spricht. Derzeit werden zirka 4.400 so genannte „securitiy prisoners“ von Israel gefangen gehalten, davon ungefähr 300 in Verwaltungshaft.
Die israelische Menschrechtsorganisation B‘ Tselem bemerkt zur israelischen Handhabe der Verwaltungshaft: „Nach Völkerrecht kann Verwaltungshaft nur in extremen Ausnahmefällen angewendet werden, und zwar als letztes zur Verfügung stehendes Mittel zur Verhinderung drohender Gefahren, die nicht durch weniger schädliche Mittel vereitelt werden können. Israels Einsatz der Administrativhaft verstößt eklatant gegen diese Einschränkungen.“ Nach der Verwaltungshaft-Vorschrift Nr. 1591 von 2007 kann jeder Militärkommandeur Verwaltungshaft für sechs Monate verhängen. Der Gefangene hat die Möglichkeit des Einspruchs vor einem Militärgericht. Lehnt dieses den Einspruch ab, kann sich der Gefangene an ein militärisches Berufungsgericht wenden; diese militärischen „Gerichte“ fällen ihre Entscheidungen jedoch hinter verschlossenen Türen, also im Geheimen.
In Folge von 9/11 hat sich die israelische Regierung an die Praktiken ihrer Schutzmacht USA angelehnt. In 2002 wurde ein Gesetz gegen „Unlawful Combatants“ erlassen, das die Einbuchtung einer Person auf ewig gestattet, wenn diese „Feindseligkeiten“ und im Kriegsfall „Kampfhandlungen“ gegen den Staat Israel begeht. Ein „Unlawful Combatant“ ist eine Zivilperson, die sich nach Völkerrecht an Kriegshandlungen unter Verletzung des Kriegsvölkerrechts beteiligt. Die Bush-Regierung hat mit dem Begriff „Enemy Combatant“ einen neuen Begriff ins Völkerrecht eingeführt. Gemäß US-Patriot-Act können diese Personen „auf unbestimmte Zeit“ und ohne rechtsstaatliches Gerichtsverfahren gefangen gehalten werden.
Neben unzähligen anderen Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Besatzungsmacht hat Amnesty International darauf hingewiesen, dass die israelischen Behörden durch folgende Maßnahmen versucht haben, den Hungerstreik der Gefangenen zu beenden: Isolationshaft, Kontaktsperre zur Familie und Anwalt, Verhinderung der Verlegung der Hungerstreikenden - ihrem Gesundheitszustand entsprechend - in entsprechende Krankenhäuser, keine Zulassung von Ärzten ihres Vertrauens. Einige Gefangene berichten sogar von „körperlichen Angriffen“ durch das Gefängnispersonal. Einigen der Hungerstreikenden Administrativ-Häftlingen wurde nach Angabe ihrer Anwälte angeboten, sie zu deportieren, was alle abgelehnt hätten, so Amnesty. Die Organisation weist ebenfalls auf die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen seitens der Abbas- und der Hamas-Regierung in der Westbank und dem Gaza-Streifen hin.
Im Amnesty-Report werden zuerst die Geschichte und die rechtlichen Grundlagen der Administrativhaft geklärt, bevor minutiös alle Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Behörden aufgelistet werden. Wie immer gibt Amnesty zahlreiche Empfehlungen an die israelische Regierung und die anderen Signatarstaaten der Menschrechtspakte. Abgerundet wird dieser Bericht durch einen umfangreichen Anhang, in dem einige Stellungnahmen der israelischen Behörden zu einzelnen Administrativ-Häftlingen abgegeben werden.
Dieser Amnesty-Bericht zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der seit 45 Jahren andauernden Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Besatzungsmacht gegenüber den eigentlichen Besitzern des Landes Palästina. Dieser permanente Skandal scheint immer öfter durch die zahlreichen anderen inszenierten Krisen dem internationalen Vergessen anheimzufallen. Ob dies der Hungerstreik der palästinensischen Gefangenen oder die BDS-Kampagne verhindern können, wird die Zukunft zeigen.