Warum sollte Henryk M. Broder nicht als Spitzenkandidat die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ins Europaparlament führen, wo er doch schon alle Argumente gegen die Auswüchse der Europäischen Union für unter 20 Euro geliefert hat? Seine Europa-Safari, die er zusammen mit seinem muslimischen Kofferträger Hamed Abdel-Samad über die steuerfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen unternommen hat, diente ihm als Blaupause für das vorliegende Buch über ein Politik-Monster, das sich Europäische Union nennt. Um es gleich vorweg zu sagen: Broder ist kein Anti-Europäer. Eigentlich kämpft er für die Erhaltung der europäischen Idee. Was er jedoch kritisiert, ist das, was die europäische Nomenklatura aus dieser Idee gemacht hat.
Er lehnt das „Merkel-Barroso-Draghi“-Europa ab, das zu einer Geldvernichtungsmaschine mutiert ist. Über dieses deformierte Europa hat Broder seitenweise Skurriles über ein zur Skurrilität geronnenes Möchtegern-„Imperium“ gesammelt und daraus ein realistisches Bild über die EU unter dem verkaufsträchtigen Titel „Die letzten Tage Europas“ veröffentlicht. Selbst das Cover vermittelt diese Message. Wie weiland auf der Titanic wollen die EU-Funktionäre ihren „Untergang“ nicht wahrhaben und erlassen in frivoler Manier weiterhin Vereinheitlichungsrichtlinien vom EU-Gemüse bis zum EU-Kondom. Für so viel Wahlkampfmunition gegen Europa sollte ihm die AfD eigentlich dankbar sein. Ob es ihm wirklich um die Auswüchse der EU oder gar die AfD geht, darf bezweifelt werden. Broder war schon immer sein bester PR-Manager, gleichgültig, um welches Thema es sich gehandelt hat.
Broders Stilblütensammlung über das europäische Bürokratie-Monster ähnelt sehr den letzten Tagen der implodierenden Sowjetunion. Nicht ohne Grund wird die Europäische Union von Kritikern auch als „EUSSR“ bezeichnet. Bereits Franz Josef Strauß hat der EU attestiert, dass das Politbüro von Moskau nach Brüssel übergesiedelt sei. Was Legionen von Wirtschafswissenschaftlern nicht gelungen ist, schafft Deutschlands „Großpolemiker“ im Handstreich. Der Autor hat eine Fülle von Fakten zusammengetragen, die der EU nicht schmeicheln. Anhand von Überzeichnungen führt er den Lesern/innen vor Augen, wie grotesk das ganze EU-Gebilde ist. Erschreckend jedoch ist, dass die Realität nach Ansicht des Autors noch himmelschreiender ist als dargestellt.
Die EU ist ein Selbstversorgungsunternehmen für eine politische Kaste von zirka 55 000 Eurokraten geworden, die keinem Rechenschaft schuldet, die von niemand legitimiert worden ist und deren „Regierung“ ihre eigenen Gesetze macht, die von einem „Parlament“ nicht beschlossen werden brauchen, welches darüber hinaus nicht nach demokratischen Kriterien „gewählt“ wird, da nicht jede Stimme das gleiche Gewicht hat. Den wundersamen Vermehrungsmechanismus von EU-Funktionären zeigt der Autor u. a. anhand neuer Kommissare auf, da jedes Neumitglied Anspruch auf einen EU-Kommissar hat, dem folglich eine inhaltliche Spielwiese samt Mitarbeitern zusteht. Diese politische Zellteilung und Postenvermehrung ist atemberaubend.
Der Autor zeigt nicht nur anhand des ehemaligen Bürgermeisters von Würselen, der es bis zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gebracht hat, wie personell überfrachtet allein sein persönliches Portfolio ist. Von diesem Präsident ist Folgendes überliefert: „Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden – aus Mengel an demokratischer Substanz.“ Wenn das die Meinung von Martin Schulz ist, sollte er sich dann nicht zuerst einmal um die Demokratisierung dieses anti-demokratischen Staatenkonglomerats kümmern, bevor er weiter die Trommel für die Erweiterung dieser „EUSSR“ rührt? Für seine schwierige Arbeit stehen dem Präsidenten noch ungefähr 14 Vize-Präsidenten samt Stab zur Seite! Auf seiner Europa-Safari lief Broder und seinem Diener der kürzlich verstorbene Abgeordnete der Linkspartei, Lothar Bisky, in Straßburg über den Weg, als er donnerstags fluchtartig das Parlamentsgebäude in Richtung Heimat verließ. Der kurze Smalltalk hat gezeigt, wie wunderbar doch die EU für ihre Funktionäre sorgt und wie wohl sich diese in der Europäischen Union aufgehoben fühlen.
Die Holländerin Neelie Kroes ist Broders „Lieblingskommissarin“. Sie ist mit ihren 22 Mitarbeitern/innen für die „Digitale Agenda“ zuständig und tummelt sich in sieben Netzwerken. Der Autor zitiert die Banalitäten, die, von wem auch immer, an einem einzigen Tag unter ihrem Namen ins Netz gestellt werden. Neben ihr gibt es weitere 27 Kommissare, die über eine Unzahl von Generaldirektoren samt Dienststellen und Abteilungen verfügen. So hat allein die „Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher“ 960 Mitarbeiter, die für „alles zuständig ist, außer für Dioxin in deutschen Bio-Eiern, rumänisches Pferdefleisch in Rindfleisch-Fertigprodukten, Schimmel im Futtermais aus Serbien, Frostschutzmittel in Weinen aus Österreich, Fadenwürmer in Fischstäbchen, Gammelfleisch im Döner, Unkrautvernichtungsmittel im Hühnerfutter, Mäusekot im Mozzarella Käse, Kolibakterien auf Bio-Sprossen – um nur einige der Lebensmittelskandale zu nennen, von denen die Mitarbeiter der ‚Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher‘ aus den Medien erfahren haben.“ Um zu erfahren, mit was sich die ganze Truppe eigentlich beschäftigt, empfiehlt Broder den Lesern/innen, die Homepage der EU-Kommission zu besuchen.
Broder geißelt zu Recht das EU-Bürokratie-Monster und die „Gleichschaltung“, die letztendlich in einem Totalitarismus mündet und die Freiheit zerstört, und er stellt sich auf die Seite derjenigen, die dies kritisieren und deshalb als EU-Fundamentalisten, Euroskeptiker oder gar als Rechtspopulisten verunglimpft werden. Ebenso lehnt er das bürokratisch-verordnete Europa als „alternativlos“ ab. Broder ist zwar „weder für noch gegen die Auflösung der EU“, aber „entschieden gegen die Einrichtung eines Superstaates, der unter dem Vorwand, nationale Souveränität abzuschaffen oder abzubauen, ein Phantom kreiert, das einerseits allgegenwärtig, andererseits (…) unfassbar ist“. Der Autor empfiehlt ein „Moratorium, eine Auszeit“; die EU soll neudeutsch „on hold“ gestellt werden. Eine Rückabwicklung zu mehr Subsidiarität wäre ebenso empfehlenswert, weil ein unionskonformes „EU-Kondom“ wohl besser nach nationalen Befindlichkeiten angefertigt werden könnte.
Nachdem es Broders islamophobes Pamphlet „Hurra, wir kapitulieren!“ in das „Pantheon“ der Publikationen für die politische Bildung geschafft hat, kann dieses Buch für diese Klientel empfohlen werden, da in diesem Milieu die von Broder zu Recht kritisierten Auswüchse der Europäischen Union unter den Teppich gekehrt werden. In diesem Bereich tut Aufklärung dringend Not, auch wenn sie von Henryk M. Broder kommt.