Montag, 20. Januar 2014

Syrien. Hintergründe, Analysen. Berichte

Was in Tunesien und Ägypten so hoffnungsvoll begonnen hatte, endete mit einem Militärputsch in Ägypten, in einem sektiererischen Bürgerkrieg in Syrien und brutaler Repression in den arabischen Despotien auf der Arabischen Halbinsel. Aus dem so genannten arabischen Frühling ist ein islamischer Winter geworden. Viele publizistische Schnellschüsse zum arabischen Frühling sind bereits Makulatur, weil sie mit heißer ideologischer Nadel gestrickt worden sind. Mit dem Buch von Fritz Edlinger und Tyma Kraitt verhält es sich dagegen anders. Kurz vor der Eröffnung der zweiten Syrien-Konferenz lohnt die Lektüre besonders, da sie keinen Tribut an die im Westen vorherrschende ideologische Berichterstattung geleistet hat. 

Seit dem Ausbruch des Aufstands gegen Baschar al-Assad im März 2011 vergeht kaum ein Tag, an dem es keine Meldungen über Kämpfe zwischen Regierungstruppen und islamistischen Terrorgruppen, von unzähligen Toten und enormen Verwüstungen ganzer Städte gibt. Die Dauer des Konfliktes und die Gefahren einer Destabilisierung der ganzen Region machen eine profunde Analyse dringend notwendig. Durch die Unterstützung der fundamentalistischen Gruppen, die einen islamischen Gottesstaat in Syrien und Irak errichten wollen, durch die Türkei, Saudi-Arabien, Katar sowie die westlichen Regierungen und deren Geheimdiensten, ist dieser sektiererische Bürgerkrieg längst zu einem Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und seinen despotischen Freunden von der arabischen Halbinsel einerseits und Russland, Iran und der Hisbollah andererseits geworden. 

Zwei Tage vor Eröffnung der Konferenz im schweizerischen Montreux gerät die Syrien-Konferenz zu einer Farce. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat Iran eingeladen. Die syrischen Aufständischen haben nun den UN-Generalsekretär ultimativ aufgefordert, Iran wieder auszuladen. Wenig überraschend haben sich USA dieser Forderung angeschlossen, wohlwissend, dass Iran den Schlüssel zu einer Einigung in Händen hält. Prompt knickte Ban Ki Moon ein und lud Iran wieder aus. Iran ist neben Russland der wichtigste Verbündete von Assad und könnte dazu beitragen, dass der syrische Staatschef eventuell zurücktritt. Dass es eine so genannte Übergangsregierung ohne Assad gibt, wie in dem Kommuniqué vom Juni 2012 gefordert, dürfte unrealistisch sein. Ban Ki Moon hätte Saudi-Arabien ausladen sollen, weil dieses Regime unter anderen der Hauptsponsor des Terrors in Syrien ist. 

Der Sammelband führt eine ganze Reihe renommierter Autoren/innen zusammen. Wie im Beitrag der Journalistin Karin Leukefeld deutlich wird, die als einzige deutsche Korrespondentin seit Ausbruch des Bürgerkrieges aus Syrien berichtet, ist die Berichterstattung in den deutschen Mainstream-Medien ideologisch extrem einseitig. Leukefeld wurde von Kollegen bei einigen Hörfunksendern als „Hofberichterstatterin“ Assads völlig zu Unrecht denunziert, weil ihre Berichterstattung nicht ins US-amerikanische Propagandaformat gepasst hat. Ihr Reportagebeitrag ist mitreißend geschrieben. 

Werner Ruf behandelt die Rolle der USA und der Golfstaaten, die die Hauptförderer der islamistischen Terrorgruppen sind, um ihre islamistische Herrschaft regional weiter abzusichern. Bei den Umstürzen in Tunesien und Ägypten bedienten sich die USA ihrer gewohnten Demokratierhetorik und verpassten den Islamisten das Etikett „gemäßigt“, gleichzeitig kollaborierten sie mit Vertretern des Militärs, um sie im Notfall zu einem Putsch zu animieren, wie in Ägypten geschehen. 

Der Libysche Herrscher Gaddafi wurde mit Hilfe der reaktionären Elemente der Arabischen Liga in Kooperation mit Frankreich und Großbritannien gestürzt, weil er für das „korrupte neo-koloniale System der Francafrique“ zu gefährlich geworden war. Die Demokratiebewegungen in der arabischen Welt haben das rassistische Paradigma von „Kampf der Kulturen“ und die damit einhergehende These von der Demokratieunfähigkeit der islamischen Welt widerlegt, da unterstützt der Westen gerade die reaktionärsten arabischen Regime, die das kulturalistische Paradigma nutzen, um ihre anachronistische Macht zu erhalten, schreibt Werner Ruf. 

Die auf der bevorstehenden Syrien-Konferenz auftretenden Vertreter der so genannten Freien Syrischen Armee stellen eine Mogelpackung dar, da in ihr die extremistischen Kräfte um Al-Kaida und anderer Terrorgruppen das Sagen haben. Der Beitrag von Karin Kulow zeigt, dass Russland das Nahostkonzept der USA verhindern und unterlaufen will. Sollte der Westen mit seinen reaktionären arabischen Despoten in Genf weiter darauf beharren, dass Assad einer Übergangsregierung nicht angehören darf, wird die Konferenz scheitern. Assads Tage sind noch lange nicht gezählt.

Wer sich abseits der manipulierten Berichterstattung durch die westlichen Medien umfassend und objektiv informieren will, sollte zu diesem ausgezeichneten Sammelband greifen.

Fritz Edlinger/Tyma Kraitt, Syrien, Promedia, Wien 2013.