"Was 2011 als lokaler innenpolitischer Konflikt in Syrien begann, ist durch aggressive, regionale und internationale Einmischung ein Flächenbrand geworden." Karin Leukefeld, freie Journalistin, erzählt die Geschichte eines Landes, das einer Verschwörung des Westens samt seiner reaktionärsten arabischen "Freunde" zum Opfer gefallen ist.
Dass selbst die westlichen Medien Teil dieser Verschwörung sind, zeigt ein eingangs zitierter Email-Verkehr, in dem ein Hintergrundbericht über die Lage in Syrien von der Autorin bestellt worden ist. Der Beitrag wurde mit folgender Begründung abgelehnt: "ich denke mich trifft der schlag!! sie schicken mir einen beitrag über ´ach wie schön ist syrien` - wo doch alles an allen ecken und kanten brennt, also: das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen, mit paste und copy finden sie zwei agenturmeldungen, die die lage wohl ziemlich gut beurteilen - was sollen wir nun mit ihrem beitrag machen?" Wie die fundierten Ausführungen der Autorin in "Flächenbrand" zeigen, wollten deutsche Medien keine Berichte mehr senden, die auf Recherchen vor Ort basierten. Dass dieser Konflikt von außen angeheizt worden ist, wollten die deutschen Medien auch nicht mehr wissen, da sie den Alleinschuldigen bereits ausgemacht hatten: Präsident Bashar al-Assad.
Die Autorin beschreibt die "vorsätzliche Zerstörung Syriens - und in deren Folge auch um die seiner Nachbarstaaten". Zuerst wird in einem Rückblick beschrieben, wie von den so genannten Freunden Syriens, zu denen neben anderen westlichen Staaten auch Deutschland gehört, jede Initiative Präsident Bashar al-Assads abgelehnt worden ist, da sie eine von ihnen handverlesene "Exilregierung" anerkannt sowie auf eine so genannte "Freie Syrische Armee", die sich vermutlich aus al-Nusra-Terroristen zusammensetzt, eingeschworen haben. Eine Lösung mit al-Assad kam für diesen "Freundeskreis" nie in Frage. Dieser "Freundeskreis" entschied sich für die saudisch-katarische "Alternative", und zwar für den Aufbau und die massive Unterstützung von Terrororganisationen wie al-Nusra-Front und den "Islamischen Staat" (IS oder ISIS=arabisch Daesh) durch den inzwischen geschassten berühmt-berüchtigten Saudi "Bandar Bush". Leukefeld verweist eindringlich auf die internationale Ebene des Syrien-Konflikts, der eigentlich ein Konflikt zwischen Russland, Iran, Irak und den BRICS-Staaten einerseits und den USA, seinen westlichen Vasallen wie der Türkei und den diktatorischen arabischen Regimen wie z. B. Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten andererseits ist.
Wie bei den anderen "orangenen Revolutionen" so hatten die USA durch ihren Botschafter Robert S. Ford auch in Syrien die Finger im Spiel. Ford ergriff offen Partei für die Demonstranten, was einem politischen Affront gegenüber der syrischen Regierung gleichkam. "Neben der Zerteilung Syriens und des Iraks und der politischen und wirtschaftlichen Schwächung der beiden Länder gehören auch die Vereinten Nationen und das Völkerrecht zu den großen Verlierern der von den USA und deren Verbündeten angestrebten Neuordnung des Mittleren Ostens."
In einem zweiten Teil befasst sich die Autorin mit den Nachbarstaaten Syriens: Türkei, Irak, Jordanien, Israel, Libanon und Palästina. Syrien nimmt eine geostrategisch zentrale Lage im Nahen und Mittleren Osten ein. Nachdem die Sowjetunion an ihr Ende gekommen war, musste Syrien sich umorientieren. Bis Ende 2010 schien alles auf eine enge wirtschaftliche Kooperation mit allen Staaten dieser Region hinauszulaufen. Insbesondere die Allmachtphantasien des türkischen Präsidenten Erdogan von einem neo-osmanischen Reich und seine Unterstützung der Muslimbruderschaft wurden von den arabischen Staaten und den USA zu spät durchschaut. Das türkische Regime wurde zum wichtigsten Transitland für westeuropäische "Kämpfer" und zum Unterstützer und Waffenlieferanten der diversen Terrororganisationen. Das Ziel Erdogans ist die "regionale Expansion", wie es die Autorin nennt.
Die zweite destabilisierende Macht in dieser Region ist Israel. Das Land missachtet und verletzt nicht nur permanent das Völkerrecht, sondern auch jede UN-Resolution, wenn sie nicht vorher von den USA mit einem Veto belegt worden ist. Einer der wichtigsten Fürsprecher des zionistischen Besatzungsregimes und Befürworter einer militärischen Intervention à la Libyen in Syrien ist der französische Schriftsteller Bernard-Henri Levy. Er organisierte bereits im Juli 2011 in Paris eine Veranstaltung (SOS-Syrien), auf der die pro-zionistische Stoßrichtung unschwer zu erkennen war. Gemäß seiner "Gaddafi-Theorie" sollte auch Bashar al-Assad beseitigt werden, dafür wolle er seinen Einfluss auf Präsident Sarkozy nutzen.
Die unter dem Einfluss der zionistischen Lobby zusammengekommen "Vertreter Syriens" in Paris wollten nach ihrer Machtübernahme umgehend einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnen, wie die Autoinr schreibt. So dürfte Israel und sein Geheimdienst Mossad eine wichtige Rolle innerhalb der verfeindeten syrischen Opposition spielen. Auch in die geheimdienstliche Kooperation in Jordanien, die die syrischen Terroristen unterstützt und mit ausbildet, "dürfte Israel zumindest indirekt eingebunden sein". Obgleich die Autorin hier sehr vorsichtig formuliert, ist bekannt, dass der Mossad in der Geheimdienstzentrale in Amman ein- und ausgeht. Ohne die Unterstützung der USA und Israels wäre das Regime in Jordanien schon längst zusammengebrochen.
Zentrales Anliegen der USA, seiner diktatorischen arabischen Freunde und Israels ist es, al-Assad zu stürzen, um damit die Achse Iran, Syrien und Hisbollah zu schwächen, wenn nicht sogar zu zerstören, wie die Autorin schreibt. Seit seiner Besetzung des Südlibanon versucht Israel, die Hisbollah, die sich erst 1982 im Zuge der israelischen Kriegsverbrechen gegen den Libanon gegründet hat, als "Terrororganisation" zu verunglimpfen. Auf Geheiß der USA und Israels hat die Europäische Union diese Propaganda-Formel übernommen. Obgleich Israel alles versucht hat, der Hisbollah "Terror" nachzuweisen, ist das Land bisher jeden Beweis schuldig geblieben. Trägt nicht der Anschlag in Burgas eher die Handschrift des Mossad als der Hisbollah?
Leukefeld zählt einige kriminelle Machenschaften auf, an denen der Mossad federführend beteiligt war, wie zum Beispiel bei der Ermordung einiger iranischer Atomwissenschaftler, bei der Ermordung mit Hilfe der CIA von Imad Mughniyeh in Damaskus, der Ermordung von Mahmoud Al-Mabhouh in einem Luxushotel in Dubai, wobei einige Mossad-Agenten gefasst worden sind und diese Pässe "befreundeter" Staaten bei sich trugen, oder die Beteiligung von Mossad-Agenten am Kampf gegen die kolumbianische FARC. Einer der Agenten trug ein T-Shirt mit IKRK-Symbol.
Was gerade im Nahen und Mittler Osten vor sich geht, erscheint wie die Umsetzung eines Planes, den der Israeli Odeh Jinon bereits 1982 in der hebräischen Zeitschrift "Kiwunim" (Richtung) veröffentlicht hatte. Darin beschrieb er die Zerstückelung der Länder des Nahen Osten entlang religiöser und ethischer Linien als im Interesse Israels liegend. Diese Zerstörung im Sinne Jinons wurde im Irak begonnen, in Libyen fortgesetzt, in Syrien und Jemen ist sie in vollem Gange. Warum sollte diese Zerstückelung vor Saudi-Arabien, den anderen arabischen Despotien oder sogar Israel Halt machen?
Das Durchbrechen einer angeblichen "schiitischen Allianz" liegt im Interesse der USA, seiner westlichen Verbündeten und Israel. Bei diesem westlich-ideologischen Konstrukt handelt es in Wahrheit aber "um eine von regionalen Interessen geleitete Allianz gegen (pro)-westliche Einmischung und Dominanz in der Region", schreibt Karin Leukefeld. Die Förderer des Terrorismus, die USA, Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und Israel, wollen den IS oder arabisch "Daesh" durch so genannte moderate Kämpfer ersetzen. Heißt das, dass die Enthauptungen anstatt mit einer Machete jetzt mit einem Taschenmesser ausgeführt werden sollen?
Nach der Lektüre dieses Buches kommt sich der Leser vor, als sei er bisher in einer falschen medialen Inszenierung über Syrien gewesen. Jetzt wird klar, warum die Region in Flammen steht. Wer sich über die tatsächlichen Hintergründe des Krieges gegen Syrien objektiver informieren will, als durch die deutschen und internationalen Medien bisher geschehen, muss das Buch der Nahostberichterstatterin Karin Leukefeld unbedingt lesen.
PapyRossa, Köln 2015, € 14,90.