Montag, 23. April 2012

James K. Galbraith, Inequality and Instability

Das jüngste Buch des renommierten US-Ökonomen James K. Galbraith, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Texas, führt einige „heilige Kühe“ der vorherrschenden Ideologie der Deregulierung und Globalisierung zur Schlachtbank. Er macht die herrschenden Finanzoligarchen für die Finanzkrisen verantwortlich, ohne nicht unerwähnt zu lassen, dass die politischen Klassen ihnen dazu alle politischen Hindernisse aus dem Weg geräumt haben. Er widerspricht damit auch den „Finanzpäpsten“, dass angeblich mysteriöse technologische Kräfte hinter der stark zunehmenden Ungleichheit stünden. Die treibende Kraft sei die politische Entfesselung der Geldpolitik gewesen, die für den Zusammenhang von Ungleichheit und wirtschaftlicher Instabilität verantwortlich zu machen sei.

Den Sargnagel dafür habe kein geringer als der demokratische US-Präsident Bill Clinton geliefert, wie der Autor im Interview mit Paul Jay auf “the Real news” feststellte: „In the Clinton administration, I mean, you had very powerful figures dominating the Treasury and the White House who were very determined to reduce the regulation of the financial sector, both to eliminate the regulations that had been put in place to protect investors at the start of the New Deal and to broaden the access that American financial institutions had to overseas markets. And the Clinton administration pursued both of those agendas, producing in 1999 the repeal of Glass-Steagall, and in 2000 at the very end of his term the Commodity Futures Modernization Act, which opened the sluiceways to the spread, proliferation of credit default swaps, those derivatives that Mr. Buffett described as financial weapons of mass destruction.”

Als die George W. Bush-Administration die Macht übernahm, befand sich nach Ansicht des Autors die US-Wirtschaft bereits in einer Rezession, und die Deregulierung hatte ihren Höhepunkt überschritten. Im Zusammenhang mit den 9/11-Anschlagen setzte jedoch ein unverantwortlicher Kontrollrückgang des Finanzsektors ein. „Right after September 11, 500 FBI agents who had been working on financial fraud were shifted to counterterrorism, which was understandable, but they were never replaced. So that functionality, that capability was sharply reduced (…) And you had industry-friendly people who were appointed to run practically all of the financial regulatory institutions, and at the Federal Reserve, Alan Greenspan, who was, notoriously, philosophically opposed to effective federal supervision of the banking sector."

Galbraith vertritt weiterhin die These, dass Gesellschaften, in denen eine geringere ökonomische Ungleichheit herrsche, eine größere Stabilität aufweisen. Dies treffe nicht nur für Roosevelts „New Deal“ und Johnsons „Great Society“, sondern auch für die Länder Europas zu, die eine Gesellschaftspolitik verfolgen, die auf Ausgleich zwischen den Sozialpartner beruhe, wie das „Skandinavische Modell“ zeige. Der Autor verweist auf die Krise in den 1930er-Jahren als in den USA Roosevelt gewählt worden ist, der unabhängig von den Banken war und folglich die richtigen Maßnahmen ergreifen konnte. Er schloss die Banken und erlaubt nur solchen wieder zu eröffnen, die finanziell ein gesundes Fundament besaßen. Es gab eine strikte Kontrolle der Banken. Nicht so unter der Obama-Regierung, die die gleiche Finanzpolitik verfolgte wie die Bush-Administration, ja sogar mit den gleichen Personen. Dies führte dazu, dass „you lose the liberty to make a fundamental change of policy.” Und dies ist “just a huge difference between the Hoover-Roosevelt transition in 1933 and the Bush-Obama transition in 2009”.

Galbraith weist auf einen weiteren interessanten Aspekt innerhalb der Demokratischen Partei in den USA hin, dem die Partei entgegentreten müsse, und zwar „that finance is dominant in the Democratic Party“. Dass die Demokratische Partei stark von den Gewerkschaften beeinflusst sei, ist ein Mythos. Die Kontrolle hat längst die Wall Street übernommen, und die Gewerkschaften sind nur noch die „Cheerleaders“.

Galbraith spricht sich für ein Ende der Kontrolle der Wirtschaft durch die Bankiers aus. Eine Wirtschaftspolitik, die durch diese Klasse beherrscht werde, diene ausschließlich deren Interessen. Die Sozialprogramme müssten verteidigt und die Deregulierung rückgängig gemacht werden, weil diese Finanzjongleure nicht das Gemeinwohl, sondern nur ihre eigenen egoistischen Interessen im Blick haben. Darüber hinaus habe sich der Finanzsektor total kompromittiert, er müsse völlig neu strukturiert und die Kontrolle verstärkt werden.

Es verwundert nicht, das die Obama-Administration mit aller Macht und brutaler Gewalt gegen die „Occupy-Bewegung“ vorgeht, weil sie den Finger in die Wunde legt und diejenigen verantwortlich macht, die 99 Prozent der Verantwortung für das ökonomische Desaster tragen. Galbraiths Buch könnte eine Art „Bibel“ für diese Bewegung werden. Ebenso sollten sich die politischen Eliten aus den Fängen dieser „Heuschrecken“ befreien und ihrem sozialen „Kahlfraß“ ein schnelles Ende bereiten. Was für die USA gilt, trifft auch für den Rest der Welt zu.

Erschienen hier.