Mittwoch, 18. April 2012

Religionsfreiheit verteidigen, Christen schützen

Dass sich Regierungen demokratisch verfasster Staaten und deren Repräsentanten weltweit für die Religionsfreiheit einsetzen sollten, ist eine Selbstverständlichkeit – gehört doch das Recht auf eine freie Religionsausübung zu den Menschenrechten. In 64 Ländern der Erde, in denen über 70 Prozent der Menschheit lebt, ist die Religionsfreiheit stark eingeschränkt oder gar nicht existent. Besonders prekär ist die Lage der Christen in Teilen Indiens, China, Nigeria und in vielen islamischen Staaten. Nach dem Besuch des Papstes auf Kuba scheint sich die Situation der Christen zu bessern.

Am 17. Dezember 2010 fand im Deutschen Bundestag eine Debatte über die bedrängte Lage der Christen in Welt statt. In der vorliegenden Broschüre werden vier Reden von CDU-Bundestagsabgeordneten abgedruckt. Am Ende findet sich ein Antrag der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP mit dem Titel „Religionsfreiheit weltweit schützen“ als Bundestagsdrucksache 17/2334, der mit großer Mehrheit vom Parlament angenommen worden ist.

Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) macht zu Beginn einige grundsätzliche Bemerkungen: „Das Völkerrecht ist die Grundlage, auf die wir uns bei unserem Einsatz für die Verfolgten und Bedrängten berufen, denn es gilt universell und verbindlich für alle Staaten (…) Als Christdemokraten fühlen wir uns ebenfalls aufgefordert, uns für die verfolgten Christen einzusetzen. Wir tun dies über die Stärkung der Menschenrechte.“ Und er fährt fort: „Unsere wertegeleitete Außenpolitik muss dafür eintreten, dass das friedliche Werben für die eigene Religion auch in der muslimischen Welt als Recht anerkannt wird.“

In allen vier Beiträgen wird völlig zu Recht auf die prekäre Lage der Christen in Irak hingewiesen, deren Lage sich besonders „seit dem Einmarsch der von der USA geführten Koalition 2003 wahrscheinlich mehr als halbiert“ habe, so Kauder. Leider vergisst Kauder zu erwähnen, dass sich erst durch den völkerrechtswidrigen Überfall der USA die Lage der irakischen Christen so dramatisch verschlechtert hat. Die „Bush-Krieger“ haben mit diesem auf Lügen beruhenden Krieg die Büchse der Pandora geöffnet und den Anlass für die Christenverfolgung gegeben. Ähnliches oder noch Schlimmeres könnte den Christen und den anderen religiösen Minderheiten bevorstehen, sollte der Westen und seine von Saudi Arabien und Katar vermutlich finanzierten Söldner das Assad-Regime stürzen. Ob das Völkerrecht für alle gilt, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende behauptet hat, wurde und wird doch gerade durch die USA ad absurdum geführt.

Auch im Nato-Land Türkei, das die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union anstrebt, gibt es kaum noch Christen – sie stellen gerade einmal 0,15 Prozent der Gesamtbevölkerung, verglichen mit 20 Prozent vor 60 Jahren. Die Geschichte des Christentums hat sich aber zu einem nicht unerheblichen Teil auf dem Gebiet der heutigen Türkei abgespielt. Dass es heute noch rudimentäre syrisch-christliche Gemeinden im Tur Abdin und um das Kloster Mar Gabriel gibt, ist auch dem permanenten Einsatz eines Teils des Westens zu verdanken.

Traditionell genießen die Mitglieder der Buchreligionen, das heißt, Juden und Christen, Schutz (Dimma) im Islam. Ihre tatsächliche Stellung hängt aber von den inneren Verhältnissen eines Landes, der Haltung des jeweiligen Herrschers sowie von deren Nützlichkeit für die muslimische Gesellschaft ab. Besonders unterdrückt werden die Bahei in Iran und jüngst auch in Ägypten, wo selbst die fast elf Millionen zählende koptische Religionsgemeinschaft zunehmend unter Anschlägen durch radikale Islamisten zu leiden hat. Besonders prekär ist die Lage der Christen im fundamentalistischsten Regime unter der Sonne, in Saudi-Arabien. Auch in den anderen Golf-Autokratien, die vom Westen gehätschelt werden, sieht es nur unwesentlich besser aus. Besonders hart werden Menschen bestraft, die vom Islam zum Christentum konvertieren. Diese „Apostasie“ wird oft mit der Todesstrafe geahndet.

Die Abgeordneten äußern sich jedoch nicht zur Situation der Christen im von Israel besetzten Palästina. Betrug deren Zahl vor der Gründung des Staates Israel 18 Prozent, so sind es heute noch zwei Prozent. Auch in Bethlehem, dem Geburtsort Jesu, ging ihre Zahl von 90 auf 15 Prozent zurück. Die Broschüre des Weltkirchenrates „Glaube unter Besatzung“ hätte den Abgeordneten als Inspiration dienen können. Die verheeren Auswirkungen der israelischen völkerrechtswidrigen Besatzung sind ein wesentlicher Grund für die Auswanderung nicht nur der Christen aus Palästina.

Der Einsatz für die christlichen Minderheiten in muslimischen Ländern ist notwendig, er muss aber unbedingt einhergehen mit dem Einsatz für muslimische Minderheiten in den westlichen Staaten, weil diese Minderheit seit den 9/11-Anschlägen einer Stigmatisierung und Dämonisierung ausgesetzt ist. Bei allem Einsatz für die Christen sollten aber nicht die verfolgten Buddhisten im von China besetzten Tibet vergessen werden. Verfolgungen aufgrund des Glaubens sollten im 21. Jahrhundert eigentlich überall der Vergangenheit angehören.