Die Vereinigten Staaten von Amerika erheben zwar noch immer den Anspruch, Gralshüter einer liberalen, US-geprägten Wirtschaftsordnung zu sein, aber ihre eigene wirtschaftliche Schwäche und eingeschränkte Führungsqualität hindern sie zunehmend daran, diese Rolle effizient zu spielen, so die zentrale These des Buches eines der besten Kenner des US-amerikanischen Regierungssystems und der Innen- und Außenpolitik, Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Wie kaum ein anderer verfügt der Autor über Insiderkenntnisse des US-amerikanischen Politikbetriebes, die er sich in zahlreichen wichtigen Institutionen in Washington erworben hat.
Die Handlungsschwäche der einstigen Weltordnungsmacht drohe, die Welt in Unordnung zu bringen, behauptet der Autor. Hat der angebliche „benign hegemon“ vielleicht in den letzten zehn Jahren Ordnung im internationalen System geschaffen, wenn man sich seine so genannten Antiterrorkriege in Afghanistan und Irak vor Augen führt? Die US-Außenpolitik zielt weiter auf gewaltsame Regimewechsel ab, wie die Beispiele Libyen, Syrien oder Iran zeigen. Braml legt den Schwerpunkt seiner Ausführungen auf die Wirtschaftspolitik frei nach der Clintonschen Erkenntnis: „It´s the economy, stupid!“ Folglich konzentriert sich der Autor auf Fragen eines neuen Protektionismus, einer zunehmenden Ressourcen-Rivalität mit China und Russland sowie die Abwälzung sicherheitspolitischer Lasten auf die Verbündeten.
Wie sagte es doch der ehemalige US-Finanz- und Außenminister unter George H. W. Bush dem Älteren, James Baker: „Wir sind bankrott, wirklich bankrott. Unsere größte Herausforderung ist die Schuldenzeitbombe.“ Diese These wird auch durch Bramls Buch bestätigt: die USA als eine „Weltmacht auf Pump“. Die kränkelnde Wirtschaft sei nicht nur ein Konjunkturproblem, sondern es geht in fast allen gesellschaftlichen Bereichen bergab. Der militärisch-industrielle Komplex ist der einzige, der die US-Wirtschaft noch am Laufen hält. Die USA geben für die Aufrechterhaltung ihrer Militärmaschinerie so viel aus wie alle Staaten der Welt zusammengenommen. In keinem Industrieland er Welt gibt es so viele wirklich Arme, fast 50 Millionen, deren Bildungschancen oder gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten sind gleich Null. Die Kluft zwischen den Superreichen und diesem „Lumpenproletariat“ kann nur als eine Perversion des so genannten „American Dream“ bezeichnet werden. Einigermaßen anspruchsvolle Bildung ist kaum noch bezahlbar. Die Infrastruktur der USA zerfällt, der Mittelstand verarmt zusehends, aber die Republikanische Partei fordert weitere Steuersenkungen für die Superreichen, die von George W. Bush dem Jüngeren zu Lasten der Sozialsysteme für die Ärmsten bereits veranlasst worden sind. Gleichzeitig halten die USA drei Viertel der Welt-Territorien durch eine Stützpunktpolitik „besetzt“ und führen koloniale Kriege, um ihren Durst nach Öl und Energie zu stillen.
Auf den jüngsten Coup in der Stützpunktpolitik weist der Autor hin, und zwar das Abkommen über Militärstützpunkte mit der australischen Regierung, um China einzudämmen, obgleich die USA in der Wirtschafts- und Handelspolitik bereits heute schwer verwundbar und auf die finanzpolitische Kooperation, um nicht zu sagen Hilfe Chinas, angewiesen sind, schreibt Braml. Unkritisch geht der Autor mit Begriffen wie „nationales Interesse“ oder „vitale amerikanische Interessen“ um, wobei es sich doch um ideologisch determinierte Herrschaftsbegriffe handelt, deren Inhalt einseitige von der US-„Hypermacht“ festgelegt werden.
Es ist aber eine große Leistung des Autors ein Buch über die Außen- und Wirtschaftspolitik zu schreiben, ohne den Namen Israel auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Die starke Fokussierung auf die globale Wirtschaft, der Kampf um Ressourcen und Energie macht deutlich, um was es den USA geht: globale Hegemonie. Stärkere Kritik am US-amerikanischen Expansionismus und den imperialen geostrategischen Zielen hätten die Dominanz des wirtschaftlichen etwas relativiert. Das Buch überzeugt durch die Sachkompetenz des Autors.