Hamas-Demonstration in Gaza gegen die israelische Besatzungsregime. |
Die Widerstandsorganisation Hamas ist mit ihrer überarbeiteten Charta endlich in der Realität des Nahen Ostens angekommen. Zu lange hat die erste Charta aus dem Jahre 1988 dem israelischen Besatzungsregime als Propagandavorlage gedient, um die USA und die Europäische Union (EU) davon zu überzeugen, dass Hamas eine Terrororganisation sei, was von beiden dankbar aufgegriffen worden ist, da es ihnen eigenes Nachdenken erspart hat. Die Charta aus dem Jahr 1988 hätte niemals veröffentlicht und fast dreißig Jahre als ideologische Richtschnur für die Organisation gelten dürfen.
Die alte Hamas-Charta war durchsetzt von antisemitischen Stereotypen. Diese wurden von Israel weidlich ausgenutzt, um Hamas völlig zu diskreditieren. Die USA und die EU haben folglich die Sprachregelung Israels übernommen und die Organisation auf ihre ominösen „Terrorlisten“ gesetzt. Von diesen sollte die Organisation jetzt umgehend gestrichen werden.
Hamas war nie antisemitisch, da alle ihre Mitglieder und das gesamte palästinensische Volk Semiten sind. Niemand unter den Palästinensern hatte oder hat etwas gegen Juden. Über Jahrhunderte haben Juden und Muslime in Palästina friedlich zusammengelebt, bis die europäischen Zionisten, die keine Semiten sondern khasarischer Abstammung sind, begonnen haben, Palästina zu kolonisieren und es als „Eretz Israel“ (Land Israel) bezeichnet haben. Dieser Anspruch beinhaltet bis heute die Negation der Existenz des palästinensischen Volkes.
Seit 2007 regiert die Hamas den Gaza-Streifen, nachdem sie 2006 die ersten und einzigen demokratischen und freien Wahlen in Palästina gewonnen haben. Dieser demokratische Wahlsieg hat aber den „Musterdemokratien“ des Westens nicht gepasst und so wurde der damalige Präsident Abbas von den USA und Israel gezwungen, die legitime Hamas-Regierung abzusetzen und durch eine dem Westen genehme Regierung zu ersetzen.
Die Hamas-Regierung musste sich auf den Gaza-Streifen beschränken, da ihr von Israel die Durchreise nach Ramallah, der „Hauptstadt“ des palästinensischen Bantustan verweigert worden war. Im Gaza-Streifen versuchte der mit den Israelis und den USA kollaborierende Agent Mohammed Dahlan, die Hamas-Regierung durch einen Putsch zu stürzen, was gescheitert ist. Dahlan musste in die Westbank übersiedeln und wurde verdächtigt, für die Vergiftung Yassir Arafats verantwortlich zu sein. Seit 2014 lebt er in den Vereinigten Arabischen Emiraten und wartet dort auf seine Einsetzung als Herrscher über Palästina durch Israel und die USA.
Seitdem sich die PLO zur Kollaboration mit dem israelischen Besatzungsregime in den Oslo-Verträgen bereit erklärt hat, stellt die Hamas die einzige Widerstandsorganisation gegen das israelische Besatzungsregime dar. Für Hamas war der Konflikt zwischen Israel und Palästina immer nur ein politischer, nie ging es von Seiten der Hamas um Religion. Dieser Aspekt wurde immer von Israel und seinen westlichen Unterstützern hineininterpretiert. Bis heute lebt die jüdische Sekte der Samaritaner auf dem Berg Garizim bei Nablus unbehelligt unter Palästinensern. Auch in Hebron gab es bis 1929 eine blühende jüdische Gemeinde, die erst durch die Feindschaft zwischen der zionistischen und palästinensischen Nationalbewegung ausgelöscht wurde.
Die öffentliche Präsentation der neuen Hamas-Charta durch Khaled Meshaal in Doha kam justament kurz vor dem Besuch von Präsident Abbas am 3. Mai bei Donald Trump in den USA. Sollte es zu einer Wiederaufnahme von „Friedensverhandlungen“ kommen, will Hamas beteiligt werden, da Israel Abbas vorwirft, nicht für das ganze palästinensische Volk zu sprechen und Israel schon mehrmals mit der Hamas über die Freilassung von Gefangenen verhandelt hat.
Das neue politische Dokument macht unmissverständlich klar, dass der Konflikt kein religiöser ist, sondern der Kampf richte sich gegen das „zionistische Projekt“. „Hamas affirms that its conflict is with the Zionist project not with the Jews because of their religion. Hamas does not wage a struggle against Jews because they are Jewish but wages a struggle against the Zionists who occupy Palestine. However, it is the Zionists who constantly refer to Judaism and the Jews in identifying their colonial project and illegal entity.“
Hamas akzeptiert einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967, das heißt vor Beginn des Juni-Krieges von 1967, in der Westbank und dem Gaza-Streifen. An ihrem ursprünglichen Ziel einer Befreiung ganz Palästinas hält die Organisation fest. „Hamas believes that no part of the land of Palestine shall be compromised or conceded, irrespective of the causes, the circumstances and the pressures and no matter how long the occupation lasts. Hamas rejects any alternative to the full and complete liberation of Palestine, from the river to the sea.“
Hamas fordert ebenfalls die Rückkehr der Flüchtlinge und lehnt die Oslo-Verträge ab, da sie gegen Völkerrecht verstoßen und Verpflichtungen enthalten, die den unveräußerlichen Rechten des palästinensischen Volkes widersprechen. Ebenso wird das Recht auf Widerstand mit allen Mitteln gegen die Besatzung unterstrichen. Ein wirklicher Staat „Palästina“ könne nur aus der Befreiung heraus entstehen, und zwar mit Jerusalem als Hauptstadt.
Auch die frühere enge Verbindung zur Muslimbruderschaft wird fallengelassen. Hamas bezeichnet sich fortan als eine „völlig unabhängige Organisation“. So wie die alte Charta die Lage von 1988 widergespiegelt hat, so hat sich das neue Dokument an die geopolitische Lage 2017 angepasst. In den zehn Jahren ihrer Herrschaft im Gaza-Streifen wurde die Hamas zweimal von israelischen Aggressionskriegen heimgesucht, wobei über 3.500 Menschen ums Leben kamen. Darüber hinaus leben die zirka 1,8 Millionen Menschen abgeriegelt wie in einem Freiluftgefängnis, zu dem nur Israel die Schlüssel besitzt.
Wie nicht anders zu erwarten, hat die israelische Regierung das neue Dokument als ein Täuschungsmanöver versucht zu diskreditieren. „Die Hamas versucht, die Welt zum Narren zu halten, das wird ihr aber nicht gelingen“, so David Kayes, ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Es dürfte nicht lange dauern und die westlichen Regierungen schließen sich dieser Beurteilung an.
Gleichwohl ist die neue Hamas-Charta Ausdruck von politischer Reife und politischem Realismus gekennzeichnet. Die Anerkennung eines Staates Palästina in den Grenzen von vor dem Juni-Krieg 1967 stellt impliziert die Anerkennung einer Zwei-Staaten-Lösung dar. Somit hat sich Hamas dem internationalen Konsensus angeschlossen, obwohl die Organisation nicht das „Existenzrecht Israels“ anerkannt hat, das ein Hirngespinst der zionistischen Propaganda ist.
Mit der Proklamation der neuen Charta wolle sich wohl der scheidende Hamas-Auslandschef Khaled Meshaal ein politisches Denkmal setzen.