Was jeder Volontär in den ersten Tagen lernt, scheint den Claus Klebers der Fernsehwelt entfallen zu sein. Der Chef-Moderator des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) hatte es eigentlich gut gemeint, als sein Sender endlich nach jahrelangem Bitten und Betteln den iranischen Präsidenten Mahmud Achmadinedschad als Interviewpartner vor die Kamera bekam. Überrascht von Achmadinedschads Professionalität und Klebers Voreingenommenheit, ja journalistischer Hilflosigkeit war die ZDF-Redaktion um Schadensbegrenzung bemüht und hat versucht, das Interview richtig „einzubetten“.
Gut gemeint, ist jedoch etwas anderes, als gut gemacht. Zu groß scheint der Schock für die ZDF-Chefstrategen über einige Wahrheiten, die Irans Präsident geäußert hatte, gewesen zu sein. Hatten die Medien nicht über Jahre hinweg an der Dämonisierung des Iran als der Verkörperung „des Bösen“ schlechthin gearbeitet und der Wahrheit über das virtuelle Atomprogramm des Iran mediale Gewalt angetan? Als Medienprofi hätte Kleber eigentlich wissen müssen, dass rational handelnde Politiker nur mit Bedacht Interviews gewähren, auch wenn sie Achmadinedschad heißen und er in zahlreichen westlichen Medien als „Irrer“ bezeichnet wird. Diesem Stereotyp hat der iranische Präsident jedoch nicht entsprochen. Er drehte den Spieß einfach um und stellte Kleber viele Fragen und brachte damit das Zerrbild des Westens über Iran gehörig ins Wanken. Der Journalist stellte keine Fragen zur Lage der Menschenrechte, zu Achmadinedschads kruden Thesen zum Holocaust etc. Kleber fiel dazu nur ein, dass der iranische Präsident gar nicht die Situation begreife, wie „wir“ sie sehen, und er nur über Geschichte, Kultur und koloniale Attitüde von Kolonialmächten redete. Also doch ein „Irrer“? „Verdammt noch mal, hier geht es um ein Atomprogramm, das kurz vor dem Punkt steht nach Meinung vieler, und wo über Krieg und Frieden entschieden wird. (…) Er ist ein Mann, der eine Maske bleibt für mich, und ich nicht weiß, was wirklich dahinter steckt“, so der ZDF-Moderator in seinem Nachklapp zum iranischen Präsidenten.
Claus Kleber wirkte unerwartet verkrampft, etwas hilflos, wenig souverän und kaum umfassend vorbereitet, als er völlig blauäugig Irans Präsidenten aufforderte, totale Transparenz in Sachen Nuklearforschung zu garantieren, damit der Westen den Iranern glauben könne, um den vermutlich bereits beschlossenen völkerrechtswidrigen Überfall seitens der USA und Israels noch abwenden zu können. Glaubte Claus Kleber allen Ernstes, der iranische Präsident würde im ZDF die Öffnung aller militärischen Einrichtungen Irans verkünden? Würden vielleicht die USA, Russland, China, Frankreich oder Israel ihre geheimen Forschungsanlagen für Inspektoren öffnen? Der ZDF-Moderator demonstrierte in seiner Hilflosigkeit die einseitige Haltung des Westens und dessen praktizierte doppelte Standards. Er schien eher als Sprachrohr des Westens zu fungieren, als unabhängiger und neutraler Interviewer zu sein. Er erwähnt einige Plätze in Iran, in denen Nuklearforschung betrieben werde, und fügte dann hinzu: „Wenn Sie alle diese Plätze öffnen, wenn Sie zeigen, dass Sie nichts zu verbergen haben, ist die Krise vorbei. Warum wird die alte Kulturnation Iran diesen Schritt nicht machen?“ „Mit Druckausübung werde die iranisch-nukleare Frage nicht gelöst“, so Achmadinedschad. Was erwartet man von einem Staat ohne Atomwaffen, wenn man Israels geschätzte 200 bis 300 Atomsprengköpfe einfach ignoriert? Warum fielen Kleber nicht die Aussagen der diversen israelischen Geheimdienstchefs ein, die keinerlei „existentielle Bedrohung“ durch das iranische Nuklearprogramm für Israel festgestellt haben?
Auch das Argument des iranischen Präsidenten, dass Iran den Nichtverbreitungsvertrag und das Zusatzprotokoll unterzeichnet habe, Israel aber nicht, konterte der ZDF-Anchorman doch allen Ernstes damit, dass Israel sein geheimes Atomprogramm also völlig „legal“ betreiben könne, weil es ja den NPT-Vertrag (Atomwaffensperrvertrag) nicht unterschrieben habe. Dürfte dann ein Staat, der die Folterkonvention nicht unterzeichnet hat, „rechtmäßig“ foltern? Es gibt einen Konsens in den Vereinten Nationen, den Nahen und Mittleren Osten zu einer nuklearfreien Zone zu erklären, und der Iran unterstützt dies. Die einzigen Staaten, die dagegen sind, sind Israel und die USA. Kleber kam auch nicht auf die Idee nachzufragen, ob sich vielleicht Iran durch die existierenden israelischen Nuklearwaffen nicht auch bedroht fühlen könnte. Oder dass das Land von US-Truppen umzingelt ist - von einem Staat also, der schon aufgrund von Lügen den Irak überfallen und total verwüstet hat.
Man konnte letztendlich den Eindruck gewinnen, dass Achmadineschad Kleber von der iranischen Position überzeugt hatte, ohne dass dieser es offen zugeben wollte, weil es von seiner Seite zu wenige Gegenfragen, respektive kaum sinnvolle kritische Nachfragen gab. Es ist auch schwer nachvollziehbar, dass, wenn man sich Gesetzen und internationalen Abkommen durch Nichtanerkennung verweigert, man handeln kann, wie man will.
Das geistige Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Khamenei, hat wiederholt Ausführungen darüber gemacht, dass die Herstellung von Nuklearwaffen eine Sünde gegen den Islam sei und Iran solche Waffen deshalb ablehne. Dass er dies öffentlich gegenüber seinem eigenen Volk getan hat, sollte es keinen Zweifel gegenüber seiner Aufrichtigkeit geben. Wenn jemand diese Aussage bezweifelt, muss er seinen Zweifel mit Fakten belegen. Auch zeigte sich Kleber verwundert darüber, wie selbstbewusst Achmadinedschad aufgrund einer mehr als 6000-jährigen kulturellen Tradition argumentierte. Wenn der Iran eine Atombombe bauen wolle, werde er dies öffentlich mitteilen, so Achmadinedschad. Es scheint, dass nicht Iran ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, sondern der Westen.
Sollte es zu einem Angriff seitens Israels und der USA kommen, verstößt dieser nicht nur gegen alle völkerrechtlichen Prinzipien, sondern auch gegen die Expertisen der 17 US-Geheimdienste und selbst gegen die ideologisch gefärbten Berichte der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Bei einem Angriff auf Verdacht sind die Aggressoren eindeutig identifizierbar: Israel und die USA. Was aber noch schwerer wiegt, sind „Die Nürnberger Prinzipien von 1950“. Im Prinzip VI werden die Verbrechen nach internationalem Recht aufgezählt. Zu den Verbrechen gegen den Frieden werden in Punkt 1 genannt: „Planung, Vorbereitung, Auslösung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges in Verletzung internationaler Verträge, Vereinbarungen oder Zusicherungen.“ Und in Prinzip VII heißt es: „Komplizenschaft in der Ausübung eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, wie im Prinzip VI ausgeführt, sind Straftatbestände nach internationalem Recht.“ Und im „Statut über den Internationalen Strafgerichtshof“ vom 17. Juli 1998 werden in Artikel 5 Verbrechen aufgezählt, die der Gerichtsbarkeit dieses internationalen Strafgerichtshof unterliegen, wie z. B. „das Verbrechen der Aggression“, worunter völkerrechtlich ein Angriffskrieg fällt, sowie „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Da weder Israel noch die USA dieses Statut unterzeichnet haben, könnten sie nach der Kleberschen-Logik diese "Verbrechen" ungestraft begehen!
Darüber hinaus wurde im Interview deutlich, dass, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, mit Iran als souveräner Nation auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden muss. Iran ist keine Bananen-Republik, die sich vom US-amerikanischen Cowboy und seinen Hilfssheriffs herum schubsen lassen muss. Vielleicht sollte US-Präsident Obama seine Reden an die muslimische Welt noch einmal genau studieren, bevor er sein Land in einen neuen Krieg führt. Wie viele Tote diesen „Siegeszug“ pflastern werden, wird die Zukunft zeigen. Die Sieger stehen noch nicht fest, Verlierer werden wir aber alle sein.
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