Deutschland - als guter Freund Israels - sollte dem Land vom „Abenteurertum“ gegenüber Iran abraten. Mit diesen Worten beendete Jerry Sommer, Historiker und Associate Researcher, seinen Vortrag am Internationalen Konversationszentrum (BICC) am 14. März in Bonn unter dem Titel "Krieg gegen den Iran - Tickt die Uhr?" Als ernüchterndes Ergebnis seiner Ausführungen, das sich so wohltuend von der medialen und kriegshetzerischen Politikrhetorik einiger Politiker und ihrer Verstärker in den nationalen wie internationalen Medien abgehoben hat, bleibt: es gibt weder eine Bedrohung des Westens durch das iranische Nuklearprogramm und schon gar keine „existentielle“ für Israel. Dies werde auch von vielen kompetenten Politikern und Geheimdienstlern in Israel bestätigt.
Sommer sah in der maßlosen Übertreibung der „Gefährlichkeit“ des iranischen Nuklearprogramms eine Grundlage für die mögliche Rechtfertigung eines Krieges gegen Iran. Es könne ähnlich verlaufen wie beim Überfall auf den Irak in 2003. Den damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney vom 16. März 2003 zitierend: „Wir befinden uns in der letzten Phase für Diplomatie“, scheine die Situation auch jetzt darauf hinauszulaufen.
Die dargelegten Fakten der 16 US-amerikanischen Geheimdienste, ja selbst der letzte Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien lieferten keinerlei Beweis dafür, dass Iran an einer Atombombe baue. Wie bereits im Falle des Irak werde die aktuelle Iran-Diskussion durch Halbwahrheiten und Mythen geprägt. Insbesondere die „alarmistische“ Medienberichterstattung „verhindere eine sachliche Diskussion“. Das jüngste Cover des Magazins „Der Spiegel“ spricht für sich!
Jerry Sommer wies auf die Gefährlichkeit in der Diskussion um das iranische Nuklearprogramm hin, die sich um Halbwahrheiten, Lügen und Mythen drehe. Explizit wies der auf vier Mythen hin:
Mythos Eins: „Iran strebe nach Atomwaffen.“ Dies kann man glauben, aber auch sein lassen, da es dafür keinen einzigen Beweis gebe.
Mythos Zwei: „Die Zeit wird knapp.“ Dies sei deshalb falsch, weil sonst alle IAEO-Inspektoren, die täglich in den iranischen Nuklearanlagen ein und aus gehen, erst des Landes verweisen werden müssten. Selbst nach der Entscheidung, eine Bombe zu bauen, bräuchte Iran nach US-Verteidigungsminister Leon Panetta „noch etwa ein Jahr, um genügend hoch angereichertes Uran für eine Bombe zu produzieren und weiter ein bis zwei Jahre, um sie auf ein Trägersystem zu montieren, das den Sprengkopf transportiert.“
Mythos Drei: „Wenn der Iran die Bombe hat, ist Israel existentiell bedroht.“ Dieser Behauptung widersprechen am deutlichsten zahlreiche hochrangige israelische Militärs und Geheimdienst-Chefs, wie z. B. Dan Halutz, Efraim Halevy, Meir Dagan und andere.
Mythos Vier: „Mit Isolierung und Sanktionen kann man den Iran zur Aufgabe der Urananreicherung zwingen.“ Nach Meinung des Westens solle der Iran jegliche Urananreicherung einstellen. In Iran gebe es allerdings einen breiten Konsens, diese Nukleartechnologie nicht aufzugeben.
Hingewiesen wurde auf die Fatwa (islamisches Rechtsgutachten) von Ayatollah Ali Khameini, in der er nicht nur die Produktion von Atomwaffen, sondern auch den Einsatz von biologischen und chemischen Waffen als wider die Lehre des Islam verboten hat, obwohl der Irak Iran mit solchen Waffen angegriffen habe.
Dass Israel einer „existentiellen Bedrohung“ ausgesetzt sei, hielt der Referent für eine „krasse Fehleinschätzung“. Als Beleg für diese These zitierte er Verteidigungsminister Ehud Barak, der eher den Verlust vermeintlicher militärischer Vorteile gegenüber Hisbollah betonte als die „existentielle Bedrohung“ Israels.
„Diplomatie, die diesen Namen verdient, ist noch nie probiert worden, auch von Obama nicht“, so Jerry Sommer. Damit machte er deutlich, dass es immer noch die Alternative zum Krieg gibt. Dies unterstellt, dass es einen Konflikt zwischen Iran und dem Westen gibt, den man durch Diplomatie lösen könne. Einen Konflikt gibt es aber nicht. Einseitiger westlicher Druck ist noch kein Konflikt. Der Westen sollte einfach seinen Druck und seine Drohungen stoppen. Bevor der Westen sich wieder in einen Krieg treiben lässt und ein weiteres Land à la Irak mit seiner Koka-Cola-Kolonisierung überzieht, sollte er sich vielleicht einmal über dessen Kultur sachkundig machen. Nach diesem Vortrag besteht noch ein Funken Hoffnung, dass sich die orientalische Vernunft gegenüber dem okzidentalen Irrationalismus durchsetzt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.