Manche Bücher kommen bescheiden daher. Sie liefern Fakten, Hintergründe und Analysen über ein Land, das durch die Clownerien seines Herrschers letztendlich zum Spielball nicht nur von so genannten Aufständischen, sondern auch einer internationalen Koalition von Aggressoren geworden ist, die nicht das Wohl des libyschen Volkes, sondern ihre eigenen Interessen und die Gier der internationalen Konzerne nach Profit im Blick haben. Dieser Gier - aber auch der Selbstherrlichkeit des Gaddafi-Clans - ist letztendlich das Regime von Oberst Muammar al-Gaddafi zum Opfer gefallen, obgleich es sich in den letzten Jahren willfährig gegenüber ausländischen Interessen gezeigt hat. Gaddafi wurde besonders von Nikolas Sarkozy und Silvio Berlusconi verhätschelt.
Das Buch ist vor der „Befreiung“ des Landes von seinen „Diktator“, wie Gaddafi plötzlich genannt worden ist, erschienen, gleichwohl werden die informativen Beiträge über den Tag hinaus Bestand haben, weil sie die Realität des Landes beschreiben und sich nicht am Wunschdenken westlicher Ideologen orientieren. Die westlichen Medienvertreter haben auch im Libyen-Konflikt wieder eine unsägliche Rolle gespielt. Sie waren nicht unabhängige Beobachter, sondern Kriegspartei, indem sie nicht nur die Seite der so genannten Aufständischen, sondern auch die vorselektierte Nachrichtenauswahl der Nato-Aggressoren in alle Welt getragen haben und deren völkerrechtswidrige Umdeutung ihres Engagements zum angeblichen Schutz der Zivilbevölkerung nicht als einseitige Intervention auf Seiten der „Aufständischen“ als das bezeichnet haben, was es war: eine einseitige Parteinahme für die vom Westen geschaffenen „Aufständischen“. Eine besonders unrühmliche Rolle dabei kam dem arabischen Sender Al Jazeera zu, der als Propagandasprachrohr des Regimes in Katar fungiert, dessen Herrscher den Sender finanziert und die „Aufständischen“ mit Waffen versorgt sowie auf deren Seite interveniert hat. Das einzige "Leitmedium", das dieser westlichen Propaganda nicht völlig auf den Leim gegangen ist, war die Neue Zürcher Zeitung.
Die zwielichtige Berichterstattung der Medien aus Libyen beschreibt Karin Leukefeld, die als eine der wenigen Nahostkorrespondentinnen auch live aus Syrien berichten kann. Die Medien kreierten ihre eigene Realität, die als Vorlage für Politiker dient, die dann ihre Sanktionen oder ihre anderen Strafmaßnahmen politisch ins Werk setzen. Im Falle Libyens waren dies Sender wie BBC, CNN und Al Jazeera. Sie berichteten von groben Menschenrechtsverletzungen, willkürlichen Inhaftierungen, vom Verschwinden von Menschen und summarischen Hinrichtungen, die dann als Begründung für die UN-Resolution herhalten mussten.
Die Autorin weist zu Recht auf die „Schutzverantwortung“ (responsibility to protect=r2p) hin, die als Hebel zur Intervention dient und das völkerrechtliche Souveränitätsrecht jedes Staates ad absurdum führt. Die Medien ziehen in den Krieg, und ihre Propaganda sei nicht nur in den „sozialen Medien“, sondern auch in den sogenannten Leitmedien weit verbreitet. Die Journalisten verhielten sich nicht wie Journalisten, sondern wie „Aktivisten“. Die journalistische Karawane ist von Libyen weitergezogen. Die 50.000 Toten und die totale Verwüsung, die das Nato-Bombardement hinterlassen hat, sind keine Meldungen mehr wert. Jetzt steht Syrien auf der Agenda, danach der Iran. Die westlichen Journalisten interessieren sich nur für solche Autokraten, die das US-Imperium nicht mag und die dessen Expansionsdrang im Wege stehen. Die menschenrechtsverletzenden Regime in Bahrein, Saudi-Arabien oder des Golf-„Konterrevolutionären“-Rates (GCC) werden mit Ignoranz belohnt.
Alle Beiträge dieses Bandes zeichnen sich durch eine hohe Sachkompetenz aus. Sie gehen den Problemen Libyens auf den Grund und vermitteln ein Bild eines überaus differenzierten Landes, das mit der westlichen Begrifflichkeit nicht verstanden werden kann. Diese Floskeln eins zu eins zu übertragen, wird fehlschlagen. Irak und Afghanistan hätten als Beispiele für das Scheitern westlicher Hybris eigentlich reichen sollen. Aber der Drang nach neuen Eroberungen scheint im Westen immer noch nicht befriedigt zu sein.
Die Beiträge des Sammelbandes haben die ethnische, religiöse, politische, soziale und wirtschaftliche Lage Libyens profund analysiert sowie die Rolle und die Motive fremder Mächte und Interessen beschrieben. Sie zeichnen sich alle durch ihren hohen Informationsgehalt aus und werden über den Tag hinaus nichts von ihrer Relevanz einbüßen.