Die europäische Politikerkaste ist schier aus dem Häuschen, nachdem bekannt wurde, dass Victoria Nuland, die Staatssekretärin im US-Außenministerium, aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht hat und über die Europäische Union (EU) in einer blumigen Sprache das zum Besten gegeben hat, was viele denken, aber öffentlich nicht sagen wollen. Dass sich Politiker auch einmal stammtischmäßig äußern wollen, kann man ihnen nicht verdenken, weil auch sie mit der üblichen verbalen Dampfplauderei nicht ewig leben können.
„Shit happens“ - dumm gelaufen -, könnte man sagen, dass dieses Mal nicht die NSA das offene Gespräch zwischen dem US-Botschafter in der Ukraine und der Europaberaterin von Secretary of State John Kerry abgehört hat. Wer immer das freimütige Gespräch aufgezeichnet hat, zeigt, dass nicht nur die NSA jeden abhört und alles weiß, sondern auch andere Geheimdienste über die entsprechende Technologie verfügen. Das US-Imperium sollte sich jedoch nicht über diese gelungene Aktion echauffieren – wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Nulands Freimütigkeit ist nur die Fortsetzung dessen, was bereits in den von WikiLeaks veröffentlichten Depeschen der US-Botschaften zum Ausdruck kam: Arroganz und Verachtung für die Politikerklasse der EU generell.
Wer das Buch „Die letzten Tage Europas“ gelesen hat, findet Nulands Meinung über die EU nicht besonders despektierlich. Unabhängig von den Skurrilitäten und den Absonderheiten, die der Autor über das Staaten-Konglomerat zusammengetragen hat, muss man Nuland zu Gute halten, dass sie ohne Kenntnis dieses EU-kritischen Elaborats sich eine eigene Meinung über dieses Möchtegern-Imperium gebildet hat, und zwar wohl nur auf politischer Erfahrung basierend.
Das Gespräch offenbart aber auch die unterschiedliche Vorgehensweise zwischen der EU und den USA in Sachen Umsturzversuch in der Ukraine. So hält Nuland gar nichts von dem Boxer Klitschko, den die EU zum ihrem Helden erkoren hat. Die USA halten auch von den Phrasen Klitschkos nichts, mit denen er noch die Hautevolee der „Lobbyisten des Krieges“ in München begeistert hatte. Er hetzt die Menschen in der Ukraine gegeneinander auf, und westliche Politiker reisen in das Land, um ihn darin zu befeuern. Tatsächlich findet aber zwischen der EU und dem US-Imperium ein Machtkampf statt, der in diesem Fall auf dem Rücken der Ukrainer ausgetragen wird. Es geht um Macht, Geld, Ressourcen, Märkte und Einfluss. Schaffen nicht die EU und die USA in der Ukraine die Voraussetzungen für ein zweites Syrien, indem sie die Umstürzler gegen eine demokratisch gewählte Regierung finanzieren und eventuell militärisch aufrüsten?
Sollte die Ukraine an den Westen fallen, kann Vladimir Putin seinen Traum vom Wiederaufstieg Russlands zur Großmacht begraben. Dass die Handlungsreisenden in Sachen Krieg im Westen bereits einen neuen „Kalten Krieg“ politisch und medial vorbereiten und antizipieren, lässt sich täglich in den Medien nachlesen. Was unter Ronald Reagan und Michael Gorbatschow möglich war, müsste doch auch zwischen Sergei Lawrow und John Kerry oder den Präsidenten beider Länder möglich sein, und zwar über die Köpfe der EU hinweg. „Fuck the EU“, dafür hat sich Victoria Nuland ausdrücklich entschuldigt und das US-Imperium bei der EU.