Donnerstag, 27. Februar 2014

Israels Armee und Grenzpolizei: „Trigger-Happy“

Amnesty International zur Anwendung exzessiver Gewalt in Palästina.
In dem Bericht „Trigger-Happy. Israel’s Use of Excessive Force in the West Bank“ kommt Amnesty International (AI) zu dem Schluss, dass das israelische Militär und die Grenzpolizei in den Besetzten Palästinensischen Gebieten (OPT=Occupied Palestinian Territory) leichtfertig Gebrauch von ihren Schusswaffen gemacht haben. Die israelischen Streifkräfte hätten in der Westbank eine “gefühllose Missachtung gegenüber menschlichem Leben“ gezeigt, und dies „völlig ungestraft“, schreibt AI. Der „unnötige, willkürliche und brutale Einsatz von Gewalt“ habe zu einer Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und Blutvergießen geführt. In den von AI dokumentierten 22 Todesfällen, vier davon waren Kinder, habe keine „direkte und unmittelbare Bedrohung des Lebens“ der Streitkräfte bestanden.

„Die Armee hat auch mit exzessiver Gewalt gegen Palästinenser reagiert, die gegen die Gewalt von israelischen Siedlern protestiert haben.“ Generell hätten die israelischen Streitkräfte „eine lange Geschichte der Anwendung exzessiver Gewalt gegen palästinensische Demonstranten in der Westbank“. Die israelischen Streitkräfte, die diese gravierenden Menschenrechtsverletzungen begingen, genössen eine „weit verbreitete Straffreiheit“. „Der Bericht präsentiert Beweise, die ein erschütterndes Muster von Tötungen und ungerechtfertigte Verletzungen palästinensischer Zivilisten durch israelische Streitkräfte in der Westbank zeigt“, erklärte Philip Luther, AI-Direktor für Nordafrika und den Nahen Osten, bei der Vorstellung des Berichtes.

Der AI-Bericht beruft sich auf einen Bericht des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), der für den Zeitraum von Anfang 2011 bis Ende 2013 mindestens 41 Tote registrierte, die durch den Einsatz „scharfer Munition“ zu Tode gekommen seien. Laut AI komme es immer wieder zu exzessiver Gewalt seitens der Armee und der Siedler, wobei letztere fast immer straffrei ausgingen. So seien seit Januar 2011 mehr als 8 000 Palästinenser in der Westbank, darunter 1 500 Kinder mit gummibeschichteten Metallkugeln und durch den rücksichtslosen Einsatz von Tränengas verwundet worden. 

Im Kapitel „Straffeiheit“ stellt der AI-Bericht fest: “UN agencies, local and international human rights groups and others have documented a pattern of war crimes and other serious violations of international law – both international humanitarian law and international human rights law – committed by Israeli military and security forces since they occupied the West Bank, including East Jerusalem, and the Gaza Strip in 1967. Throughout this 47-year period, however, the Israeli authorities have signally failed to carry out independent investigations that meet international standards into alleged crimes, including war crimes, committed by soldiers against Palestinians and their properties. Moreover, Palestinians affected by the apparently arbitrary or abusive use of force and firearms or their legal representatives have been denied meaningful access to an independent process, including judicial process, contrary to UN standards of law enforcement. This failure to conduct independent and effective investigations and take orrective action has undermined the rule of law and denied justice to the victims. Furthermore, extending impunity to the perpetrators has served to encourage further abuses. Amnesty International is not aware of any case in which an Israeli army soldier or member of another security force has been convicted of willfully causing the death of a Palestinian in the OPT since the first Intifada in 1987.” 

Nicht nur AI sondern auch andere Menschenrechtsorganisationen haben immer wieder auf die „Mängel“ in den Untersuchungen über Gewaltexzesse des israelischen Militärs durch die israelischen Behörden hingewiesen. Bis zum Ende der Intifada im Jahr 1991 haben die israelischen Behörden bei jeder Tötung routinemäßig eine Untersuchung eingeleitet. Mit Ausbruch der zweiten Intifada im Jahr 2000 „wurde diese Praxis eingestellt“. Aufgrund einer Petition zweier israelischer Menschenrechtsorganisationen entschied das Oberste Gericht in Israel (HCI) im April 2011, dass bei jeder Tötung eines Palästinensers eine Untersuchung eingeleitet werden müsse. Diese Entscheidung galt jedoch nicht für den Gaza-Streifen. 

Wie jeder AI-Bericht endet auch dieser mit zahlreichen Empfehlungen an die israelische Regierung, wie sich die Besatzungstruppen völkerrechtskonform verhalten sollten. Zum Beispiel fordert AI die israelischen Behörden auf, ihre Streitkräfte anzuweisen, auf tödliche Gewalt zu verzichten, einschließlich der Verwendung von scharfer Munition und gummibeschichteten Kugeln. 

Wenn schon die Soldaten und die Grenzpolizisten für ihre Straftaten von ihrer Regierung nicht zur Rechenschaft gezogen werden, so sollten wenigsten der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die Europäische Union auf der Einhaltung von Völkerrecht und der Achtung der Menschenrechte der Palästinenser durch die israelischen Besatzungstruppen beharren und gegebenenfalls Resolutionen erlassen oder das Präferenzabkommen der EU mit dem Staat Israel aussetzen, bis die israelische Regierung die allgemein gültigen internationalen Menschenrechtsstandards respektiert und einhält.