Samstag, 8. Februar 2014

Kampf um Palästina – Was wollen Hamas und Fatah?

„Das historische Palästina ist der Ort, an dem Wunder passiert sind. Wunder sind gerade heute wieder notwendig, damit die verheerende Besatzung und Dominierung Israels über die Palästinenser beendet wird“, schreibt Helga Baumgarten, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Birzeit in Palästina, in ihrem jüngst erschienen Buch. Ob der „Kerry-Plan“ ein solches politisches Wunder enthält, muss abgewartet werden. 

Der Nahostkonflikt zieht sich nun bereits seit 125 Jahre dahin. Aufklärung, was die palästinensischen Akteure und deren Ziele anbelangt, scheint immer noch geboten. Zu sehr ist das deutsche politische Bewusstsein vom israelischen Narrative bestimmt, als dass das legitime Anliegen der Palästinenser diesen verdrängen könnte. 

In drei Kapiteln bedient sich Helga Baumgarten einer Frage-Antwort-Vorgehensweise, die bereits von Khaled Hroub in seinem Hamas-Buch angewendet worden ist. Im ersten Kapitel wird die Geschichte der Fatah bis zu ihrer Übernahme durch die PLO 1968 und der in Algier verkündeten Unabhängigkeitserklärung 1988 dargestellt. Ebenso wird die Gründung der Hamas vom Beginn der ersten Intifada 1987 und ihrem Nein zur Unabhängigkeitserklärung sowie der Zweistaatenlösung untersucht. Die wesentlichsten Unterschiede in der Strategie bestanden darin, dass die Fatah dem bewaffneten Kampf, der die Zerstörung Israels zum Ziel hatte, 1988 abgeschworen hatte, wohingegen die Hamas in ihrer Charta von 1988 gerade diese Zerstörung festschrieb. Der „bewaffnete Kampf“ wurde durch dem Mythos vom „Jihad“ ersetzt. 

In Kapitel Zwei geht es um den Konflikt zwischen Hamas und Fatah und deren unterschiedliche Strategien zur Lösung des Nahostkonfliktes. Nach Ansicht der Autorin wurde dieser Konflikt zwischen Hamas und Fatah von der Spannung zwischen einer Zweistaatenlösung (Fatah) und einer palästinensischen „Einstaatenlösung“ (Hamas) und zwischen „einem Kompromiss mit Israel und einer Maximallösung auf Kosten Israels“ seit 1987 geprägt. Dieser Gegensatz existiere jedoch nur an der politischen Oberfläche. Gehe man in die Tiefe, werde deutlich, dass „die beiden palästinensischen politischen Bewegungen nicht so weit auseinander liegen“. 

Die Autorin räumt auch mit dem Vorurteil auf, dass Hamas „Israel zerstören“ wolle. Davon könne spätestens seit dem Wahl- und späteren Regierungsprogramm der Hamas von 2006 keine Rede mehr sein. Die Hamas-Charta, die mit antisemitischen Stereotypen arbeite, spiele in der Realität keine Rolle mehr. Ebenso weist Baumgarten die in den westlichen Medien ventilierte These von einem „Hamas-Putsch“ 2007 im Gaza-Streifen zurück, der von Fatah im Auftrag der USA und Israels ausgeführt worden sei. Auch widerspricht die Autorin der These von Hamas als „Terrororganisation“. 

Im dritten Kapitel analysiert Baumgarten die Entwicklung in Palästina nach dem Tode Jassir Arafats und des Hamas-Gründers Scheich Ahmad Yassins. Von 2004 bis ins Frühjahr 2006 fanden Wahlen auf den verschiedensten Ebenen statt: Gemeinde-, Präsidenten- und Parlamentswahlen. Obgleich Hamas 1996 eine Beteiligung an Wahlen unter Besatzung kategorisch abgelehnt hatte, nahm sie jetzt teil und siegte. Die Autorin konstatiert, dass viele palästinensische Probleme hausgemacht seinen, wie zum Beispiel die Spaltung innerhalb der Befreiungsbewegungen. Problematisch sieht die Autorin auch den enormen Druck von außen auf die palästinensische Führung an, einem „Kompromiss“ mit Israel zuzustimmen. Trotz dieses Drucks gehe ohne Israel politisch gar nichts, so die Autorin.

Für Baumgarten deutet in Palästina alles auf einen erneuten Massenaufstand gegen das israelische Besatzungsregime hin. Obgleich die Zukunft der Palästinenser von Israel und USA entschieden wird, zeigen die Ausführrungen der Autorin, dass die palästinensischen politischen Akteure ebenfalls ihre legitimen Interessen vortragen, die aber von Israel missachtet und vom Westen zu oft ignoriert worden sind. Das Buch leistet dazu die dringend notwendige Aufklärung und ist überaus lesenswert.