Als die Kampagne öffentlich wurde, konnte man es kaum glauben: Die „alt-ehrwürdige Tante“ SPD ruft zu einer Spendenaktion zusammen mit dem Jüdischen Nationalfonds (JNF) für einen „Wald der deutschen Länder“ in Israel auf. Mit einer solchen Aktion unterstützt die SPD indirekt die diskriminierende Politik der israelischen Regierung, die sich auch gegen die israelisch-palästinensische Bevölkerung im Negev (Beduinen) richtet. Gegen diese Aktion hagelte es massenweise Protestschreiben.
Der „Wald der deutschen Länder“ geht auf eine Initiative von Johannes Rau aus den frühen 1990er-Jahren zurück und steht sinnbildlich für die deutsch-israelische Freundschaft. Dieser „Wald der deutschen Länder“ wird nun noch durch einen Annex, den „SPD-Wald“, ergänzt.
Ursprünglich sollte durch die SPD-Kampagne bis zum 65. Jahrestag der Staatsgründung Israels, am 14. Mai, 50 000 Euro gesammelt werden, tatsächlich kamen aber nur 9 281,12 Euro zusammen. Die blaue „Blechbox“ des JNF ist also noch nicht voll. Die zehn Euro können die SPD-Mitglieder noch „steuerbegünstigt“ beim JNF einzahlen, wie es der Werbespot verheißt. Hat dieses magere Ergebnis vielleicht auch etwas damit zu tun, dass der moralische Kompass des einfachen SPD-Mitglieds noch intakter ist als das der Parteielite? Hat die heutige SPD ihre ruhmreiche Tradition, die sich einst u. a. gegen Kolonialismus und Unterdrückung gerichtet hat, vergessen und deshalb gemeinsame Sache mit dem JNF gemacht? Nostalgisch klingt das so: „Wann wir schreiten Seit an Seit …!“
Hat die SPD eigentlich einmal gegen die massive illegale Abholzung von palästinensischen Olivenbäumen durch die israelische Besatzungsarmee protestiert? Eine Spendenaktion für die Neuanpflanzung dieser Bäume, die für viele palästinensische Familien die Existenzgrundlage bilden, wäre wesentlich sinnvoller gewesen und hätte „ein Zeichen der Verbundenheit setzen“ können, „das für lange Zeit Bestand haben wird“, wie dies so treffen die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und der Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Christian Lange formuliert haben.
Der JNF ist weder eine „gemeinnützige“ Organisation noch eine weitere „grüne“ Nichtregierungsorganisation (NGO). Sie wurde 1901 gegründet und bezeichnet sich selbstreferenziell als „Wohltätigkeitsorganisation“. Ihre tatsächliche Funktion und Aufgabe ist jedoch parastaatlich. So fungiert der JNF als Grundbesitzer, erfüllt Regierungsaufgaben und teilt sich die Verantwortung für die Verwaltung des Grundbesitzes in Israel zusammen mit dem Staat. Der JNF versteht sich als „Verwalter des Landes Israel, im Namen ihrer Besitzer – des jüdischen Volkes überall“ (caretaker of the land of Israel, on behalf of its owners – Jewish people everywhere). Weder ist historisch geklärt, wem Palästina oder das „Land Israel“ gehört, noch ob es überhaupt ein „jüdisches Volk“ gibt, wenn man die Bücher des israelischen Historikers Shlomo Sand liest. Erworbenes Land wird nur an Juden weitergegeben.
Die israelisch-palästinensische Menschenrechtsorganisation Adalah – The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel - mit Sitz in Haifa - schreibt in ihrer Publikation „Land controlled by Jewish National Fund for Jews only“ vom 29. Juli 2007: „The JNF, in relation to being an owner of land, is not a public body that works for the benefit of all citizens of the state. The loyalty of the JNF is given to the Jewish people and only to them is the JNF obligated. The JNF, as the owner of the JNF land, does not have a duty to practice equality towards all citizens of the state.” Der JNF arbeitet also nicht für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger Israels. Wer hat die SPD-Oberen beraten, als sie sich auf eine solche Kooperation eingelassen haben? Das Geschenk unterstützt die Diskriminierung und Vertreibung der israelischen Palästinenser. Susanne Knaul nannte es in der Printausgabe „der tageszeitung“: „SPD-Wald zementiert Vertreibung“, online heißt die Schlagzeile dagegen "SPD-Wald besetzt Beduinenland".
Der JNF ist vom Finanzamt für Körperschaften in Düsseldorf als „gemeinnütziger Verein“ anerkannt. Nach Deutschem Recht müssen alle Tätigkeiten eines Vereins, der eine Steuerfreistellung erhält, „gemeinnützig“ sein. Der JNF ist in dem Sinne einzigartig, dass er palästinensisches in israelisches Land umwandelt. Ist die Arbeit des JNF, die nur einer ethnischen Gruppe in Israel dient, im Sinne des deutschen Steuerrechts „gemeinnützig“? Der JNF schafft durchaus viel „Gutes“, wie die israelische Menschenrechtsaktivistin Yeela Raanan ironisch betont: „Er schafft grüne Inseln der Erholung für Israelis, Wander- und Velowege über Berg und Tal. Doch in der Hand unserer Regierung ist er auch ein Instrument, um die Beduinen ihres Landes zu berauben“, wie Marlène Schnieper in ihrem Beitrag für die Tageszeitung „WOZ“ vom 18. April 2013 Raanan zitiert. Besteht spätestens nicht jetzt Handlungsbedarf sowohl seitens der deutschen Finanzbehörden als auch der SPD gegenüber dem JNF?